Titel: | [Kleinere Mitteilungen.] |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 176 |
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[Kleinere Mitteilungen.]
[Kleinere Mitteilungen.]
Bücherschau.
Das Entwerfen und Berechnen der
Verbrennungsmotoren. Handbuch für Konstrukteure und Erbauer von Gas- und
Oel-Kraftmaschinen von Hugo Güldner, Berlin. Berlin
1903. Julius Springer.
Der bekannte Verfasser zahlreicher Aufsätze über Gas- und Oelmotoren hat ein Werk
herausgegeben, das einem schon seit langer Zeit von den Fachgenossen tief
empfundenen Bedürfnisse Abhilfe schaffen soll. Ein Handbuch für den Motorenbau gab
es eigentlich bis heute nicht, und wenn auch das Güldnersche Buch zweifellos in Einzelheiten noch verbesserungsfähig ist,
wenn manche Teile einer Umarbeitung bedürfen mögen, die der Verfasser selbst schon
infolge der inzwischen gesammelten Erfahrungen für notwendig hält und bei der
zweifellos bald erscheinenden 2. Auflage vornehmen wird, so kann man doch sagen,
dass dieses Werk die Aufgabe erfüllt, welche Güldner
sich selbst gestellt hat. Er will „der übertriebenen Wertschätzung der
wärmetheoretischen Forschung als motorenbautechnisches Hilfsmittel“, welche
diese bisher in der Fachliteratur gefunden hat, entgegentreten und eine
Konstruktionstheorie der Gaskraftmaschine bieten. Wir gehen hier nicht weiter auf
die Streitfragen ein, die sich seit Erscheinen dieses Buches gerade über diesen
Punkt zwischen namhaften Fachgenossen entsponnen haben. Es lässt sich aber nicht
leugnen, dass die Behandlung der vorliegenden Frage eine ausserordentlich
gefährliche ist, denn wenn auch Güldner zweifellos
Recht hat, dass die heutige Fachliteratur die Behandlung der rein theoretischen
Fragen gar zu sehr betont, so geht er doch in manchen Dingen wieder zu weit. Uns
will z.B. die Frage über die Veränderlichkeit der spezifischen Wärmen der Gase mit
der Temperatur, auch für den Konstrukteur ausserordentlich wichtig erscheinen.
Andererseits müssen wir aber im grossen und ganzen doch Güldner durchaus recht geben, dass es an der Zeit ist, auch in der
Literatur auf die konstruktive Seite des Gasmotorenbaues mehr einzugehen und dem
Ingenieur in zusammenfassender Form das zu bieten, was bis heute in diesem Fache
geschaffen ist. Es wird auf diese Weise erreicht, dass nicht jeder wieder von vorne
anzufangen braucht, sondern auf dem, was andere geschaffen haben, fortbauen kann.
Der Gasmotorenbau ist nun heute in ein Stadium eingetreten, das eine Behandlung der
Konstruktionstheorie in einem jedermann zugänglichen Werke möglich macht. Die
Geheimniskrämerei ist, wenigstens in der Hauptsache, geschwunden. Man hat sich heute
fast allgemein auf den Boden der Tatsache gestellt, dass nicht mehr sogenannte
Fabrikgeheimnisse, sondern hauptsächlich die Güte der Konstruktion und der
Werkstaftarbeit die Vorzüge eines Fabrikates vor dem anderen bedingen.
Besonders rühmenswert an dem vorliegenden Werk ist die ausserordentlich
übersichtliche und klare Fassung des Gegenstandes. Die einzelnen Teile stehen nicht
unvermittelt nebeneinander, sondern folgen der eine ursächlich aus dem anderen. Sie
sind dabei aber doch scharf genug voneinander getrennt, nm demjenigen, der das Buch
durchgearbeitet hat, einen allgemeinen Ueberblick über das ganze Fach zu
erleichtern. Nach einer geschichtlichen Darstellung der Entwicklung der Gas- und
Oelmotoren in kurzen Zügen, werden im 2. Teil die Arbeitsverfahren und Arbeitstakte
näher erläutert. Es fällt hier die warme Parteinahme des Verfassers für den
Zweitaktmotor auf, mit der Güldner ja durchaus nicht
alleinsteht. Hat doch der alte Gegensatz zwischen den beiden führenden
Gasmotoren-Firmen in Deutschland in letzter Zeit einen neuen Ausdruck darin
gefunden, dass während die eine am Viertaktmotor unbedingt festhält, von der anderen
der Zweitakt für Grossmotoren im Prinzip als das Richtigere angesehen wird. Dem
doppeltwirkenden Zweitakt, also derjenigen Form der Grossgasmaschine, wie sie Gebr. Körting heute bauen, gehört nach Güldner die Zukunft. Eine Entscheidung der vorliegenden
Frage wollen wir natürlich an dieser Stelle nicht geben. Wir freuen uns des in
dieser Beziehung neu erwachten Wettbewerbes, der auf die bessere Durchbildung der
Gasmotoren nur befruchtend wirken kann.
Aus dem folgenden Teil, der das Entwerfen und Berechnen der Verbrennungsmotoren, also
das rein konstruktive Gebiet behandelt, heben wir besonders das Kapitel 3 „Mit
oder ohne Kreuzkopf“ hervor. Der übelen Gewohnheit, ohne Ueberlegung am
Alten festzuhalten und Konstruktionen, die für kleine Motoren passen, einfach auf
die grössten Modelle zu übertragen, tritt der Verfasser hier energisch entgegen und
rügt das Verfahren, derartig wichtige Maschinen, wie die Grossgasmotore es jetzt für
so manchen Betrieb geworden sind, um billigerer Anlagekosten willen mit einer in
sich durchaus falschen Konstruktion auszurüsten.
Bei dem Abschnitt über Ermittlung der Hauptmasse wäre unserer Ansicht nach im
Kapitel 1, wo von der Unmöglichkeit gesprochen wird, Durchmesser und Hub nach
wärmetechnischen Gesetzen zu bestimmen, ein Hinweis am Platze gewesen, dass der
verbesserten Forschung in Zukunft dieses hoffentlich doch noch gelingen wird; denn
wenn dieser Weg auch heute noch ungangbar ist, so ist es doch zweifellos
anzustreben, ihn in einer späteren Zukunft zu ermöglichen, da er prinzipiell der
richtigste ist.
Bei dem Abschnitt über allgemeine Bauteile vermissen wir eine eingehendere
Besprechung der äusseren Steuerung der Maschine. Es hätte unserer Ansicht nach z.B.
eines näheren Eingehens auf die Formengebung der Nocken bedurft, die ja fast
durchgängig zum Antrieb der Steuerhebel benutzt werden. Auch ist auffallend, dass
auf die Berechnung mehrfach gekröpfter Kurbelwellen auf Grund der Gesetze über
statische Unbestimmtheit gar nicht eingegangen wird. Dagegen werden dem Konstrukteur
die Bemerkungen Güldners über die Gestelle und Rahmen,
über die Zylinderköpfe und namentlich über Kolben und Schwungräder ausserordentlich
willkommen sein. Bei den ersteren gibt der Verfasser die schönen Berechnungen Reinhardts in der Zeitschrift des Vereins Deutscher
Ingenieure wieder, die letzteren sind ebenfalls aus dieser Zeitschrift durch einen
Aufsatz von Güldner selbst bereits bekannt
geworden.
In dem letzten Abschnitt dieses dritten und Hauptteiles des ganzen Werkes werden zu
Anfang in übersichtlicher Form die Kraftgaserzeuger und sodann eine ganze Reihe von
Ergänzungsteilen der Gasmaschine behandelt, über die man in den wenigen vorhandenen
Handbüchern so gut wie nichts findet, ein Grund mehr, dass diese Ausführungen dem
Konstrukteur besonders willkommen sein werden.
Im 4. Teil werden uns Gesamtzeichnungen und Aufstellungspläne von modernen Motoren
geboten, denen meist Tabellen über Betriebsergebnisse, Masse und Gewichte beigefügt
sind. Das Bestreben des Verfassers, hier fast nur Konstruktionszeichnungen mit
eingeschriebenen Masszahlen zu geben, wird jeder ohne weiteres als ausserordentlich
lobenswert anerkennen. Wir möchten hoffen, dass Güldner
in dieser Beziehung von Seiten der Fabriken noch mehr wie bisher unterstützt würde.
Sodann weisen wir hin auf die Bemerkungen über den Bánkimotor, bei dem es nach
Mitteilung des Erfinders jetzt gelungen ist, mit Gas zu arbeiten, während bislang
nur ein Betrieb mit flüssigen Brennstoffen möglich war. Von Professor Bánki selbst ist Güldner
die Verbrauchszahl von 389 l für eine PSe. und Stunde mitgeteilt worden, die als
ausserordentlich günstig bezeichnet werden muss. Allerdings scheinen dies
Paradeversuche gewesen zu sein, die nur durch ausserordentlich reiche
Kolbenschmierung erzielt sind.
In dem fünften und letzten Teile werden schliesslich die motorischen Brennstoffe und
die motorische Verbrennung besprochen. Interessieren werden am Schluss dieses
Abschnittes die von Güldner zuerst verwandten
sogenannten doppelhubigen Diagramme, welche meistens dadurch gewonnen werden, dass
der Antrieb der Indikatortrommel von der Steuerwelle aus erfolgt, die nur die halbe
Umdrehungszahl wie die Hauptkurbel hat. Er erreicht hierdurch dasselbe, was
Professor Meyer mit den sogenannten verschobenen
Diagrammen bezweckt, nämlich eine anschaulichere Darstellung der eigentlichen
Verbrennungslinie, als diese im gewöhnlichen Diagramm möglich ist.
Als Anhang finden wir einen Abschnitt über die Grundbegriffe der Wärmemechanik und
der Wärmechemie, in dem der ausserordentliche Vorzug des ganzen Buches, die überaus
klare Sprache, besonders stark hervortritt. Praktische Hinweise auf Abfassung von
Betriebsanleitungen. Lieferungsbedingungen und Sicherheitsvorschriften
vervollständigen schliesslich das ganze Werk.
Wenn es auch ohne weiteres selbstverständlich ist, dass Güldner auf den Arbeiten anderer fusst, dass ein grosser Teil seiner
Tätigkeit bei der Abfassung des vorliegenden Werkes in dem Zusammentragen bekannter
Tatsachen und vorhandenen Materials bestanden hat, so ist das doch kein Grund, das
ausserordentliche Verdienst, das er sich durch Herausgabe des Werkes geschaffen hat,
irgendwie zu verkleinern. Wenn wir in unseren Ausführungen auf einige kleine
Unvollkommenheiten, die das Buch nach unserer Ansicht zeigt, hingewiesen haben, so
sollte damit doch nicht das Lob irgendwie eingeschränkt werden, das wir Güldners Werk zollen müssen. Wir können nur jedem
Fachgenossen, der in den Gasmotorenbau irgendwie tiefer einzudringen bestrebt ist,
die Anschaffung dieses Buches empfehlen, das von der bekannten Verlagsfirma in
gediegener Weise ausgestattet und mit reichem Figurenschmuck versehen ist.
Juli 1903.
F. Mbg.