Titel: | Kleinere Mitteilungen. |
Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, Miszellen, S. 92 |
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Kleinere Mitteilungen.
Kleinere Mitteilungen.
Dreileiter-Systeme.
In No. 17 des „Electrical World and Engineer“ vom 31. Oktober 1904
veröffentlicht F. Hardie Jeannin einen längeren Aufsatz
über Dreileiter-Systeme, dessen interessanteste Teile hier wiedergegeben werden
sollen. Die erste Einführung des Dreileiter-Systems stammt bekanntlich von Edison, der zwei hintereinandergeschaltete
Dynamomaschinen an die beiden Aussenleiter anschloss, und den sogen. Nulleiter an
den Verbindungspunkt der beiden Maschinen legte. In Fig.
1 ist diese Methode, welche zwei ganz gleich grosse und für die gleiche
Spannung gebaute Gleichstrommaschinen voraussetzt, schematisch dargestellt. Die Belastung soll nach
Möglichkeit auf die beiden Maschinen gleichmässig verteilt sein, damit der im
Mittelleiter fliessende Differenzstrom möglichst klein ist. Wird die Belastung in
L' (Fig. 1) grösser
als die Belastung in L, dann muss die Mehrlast von der
Maschine G2 geliefert
werden und der Extrastrom fliesst durch den Mittelleiter zur Maschine zurück. Die
Spannung in jedem Teilsystem wird durch Regulierung der betreffenden Maschine
aufrecht erhalten, wozu man heutigen Tages alle möglichen Hilfsapparate, die diese
Regulierung selbsttätig besorgen, verwenden kann.
Textabbildung Bd. 320, S. 93
Fig. 1.
Aus diesem einfachsten System lassen sich alle möglichen Variationen ableiten, von
denen hier nur die wichtigsten erwähnt werden sollen. Wenn aus irgend einem Grunde
die Aufstellung von zwei gleich grossen Maschinen untunlich ist, so kann man sich
durch ein Verfahren helfen, das in Fig. 2
wiedergegeben ist. Hier hat man nur eine grosse Maschine, welche die volle Spannung
der beiden Aussenleiter liefert sowie die gesamte Belastung L + L'. Um sich nun einen neutralen Punkt zu
verschaffen, an den der Mittelleiter angeschlossen werden kann, werden zwei kleine
Maschinen mg und Mg verwendet, deren
Anker auf derselben Achse befestigt ist, oder die mechanisch gekuppelt und
elektrisch hintereinander zwischen die beiden Aussenleiter geschaltet sind. Der
Nulleiter ist an die Verbindung der beiden Maschinen, welche den neutralen Punkt
darstellt, gelegt. Ist die Belastung der beiden Hälften L und L' ganz gleich, dann laufen die beiden
Maschinen mg und Mg leer, ohne jede
Belastung als Nebenschlussmotoren. Wird aber die eine Hälfte, etwa L' stärker belastet als die andere, d.h. wird der
Widerstand W der L'
verringert, so wird ohne Mittelleiter die Spannung in dieser fallen, entsprechend
auf der anderen steigen, denn der Strom ist von dem Gesamtwiderstand W + W' abhängig \left(J=\frac{E}{W+W'}\right), die Spannung jeder Hälfte aber nur von ihrem
Widerstand \left(E_L=J\cdot w'=\frac{E\,w'}{W+W'}\right), die Spannung zwischen den Aussenleitern aber wird konstant
gehalten.
Textabbildung Bd. 320, S. 93
Fig. 2.
Wenn nun auf der L die Spannung steigt, so wird die
Maschine mg höhere
Tourenzahl annehmen und die mit ihr gekuppelte Maschine Mg als Generator antreiben und so auch in
L' die Spannung erhöhen, während infolge der
Mehrbelastung durch den Motor mg die Spannung in L
zurückgeht, bis Gleichgewicht eingetreten ist. Die Stromlieferung für die
mehrbelastete L' geschieht auf doppelte Weise, einmal
durch den Strom des Motors mg und dann durch den Strom, den der Generator Mg in das Netz L' liefert. Da die unsymmetrische Belastung, wie man sieht, auf die beiden
Maschinen mg und Mg verteilt wird, so
kann bei einer einigermassen geschickten Berechnung des Leitungsnetzes die
Gesamtlast so verteilt werden, dass die grössten Ungleichförmigkeiten einen
bestimmten Betrag nicht überschreiten, so dass die Grösse dieser Maschinen in
bescheidenen Grenzen bleiben kann.
Textabbildung Bd. 320, S. 93
Fig. 3.
Will man ohne jede weitere Maschine mit nur einem Generator auskommen, so bleibt der
Ausweg, dass man eine Art von rotierenden Umformern verwendet, d.h. Maschinen, die
ausser dem Kollektor zur Abnahme des Gleichstromes noch zwei oder mehr Schleifringe
besitzen, die mit symmetrisch gelegenen Punkten der Ankerwicklung verbunden sind und
zur Entnahme von ein- oder mehrphasigen Wechselströmen dienen. In Fig. 3 ist der einfachste Fall schematisch
dargestellt. Die Maschine G liefert durch den
Kommutator C Gleichstrom in die beiden Aussenleiter O und O'. Der von den
beiden Schleifringen c abgenommene Wechselstrom
durchfliesst die Induktionsspule R, deren induktiver
Widerstand eine solche Grösse hat, dass der Wechselstrom nur in einer ganz
bescheidenen Grösse auftritt, während anderseits der ohmsche Widerstand sehr klein
bleibt. An die Mitte dieser Spule ist der Mittelleiter N angeschlossen. Wenn nun infolge unsymmetrischer Belastung der beiden
Hälften L und U der
Nulleiter einen Extrastrom führt, so fliesst dieser als Gleichstrom unbehindert und
ohne beträchtlichen Spannungsabfall durch den kleinen ohmschen Widerstand der Spule
R zur Maschine G
zurück. Der Nachteil dieses Systems liegt darin, dass bei ungleichförmiger Belastung
die Spannung in den einzelnen Hälften nicht reguliert werden kann; in der stärker
belasteten wird durch den grösseren Spannungsabfall die Spannung; sinken, trotzdem
die Maschine auf konstante Spannung reguliert wird. Scheut man sich die Kosten der
grossen Maschine durch, die besondere Ausrüstung mit Schleifringen zu erhöhen, so
kann man, wie es in Fig. 3 durch gestrichelte Linien
angedeutet ist, zu einer normalen Gleichstrommaschine einen kleinen rotierenden
Umformer parallel schalten, der denselben Dienst, einen neutralen Punkt zu schaffen,
versieht und ausserdem noch den Vorteil bietet, dass er bei höherer Tourenzahl
betrieben werden kann, so dass bei der grösseren Periodenzahl die Grösse der
Induktionsspule verringert werden kann.
Die Induktionsspule R kann man auch durch einen
Transformator ersetzen, und je nachdem man nun zwei, drei oder vier Schleifringe
verwendet und dazu dem Transformator alle möglichen Schaltungsarten gibt, kann man
eine grosse Reihe von Möglichkeiten schaffen, von denen vielleicht die eine oder
andere kleine reelle oder eingebildete Vorteile besitzt, die aber alle in dem
allgemeinen Prinzip enthalten sind.
Eine interessante Anwendung eines dieser Systeme wurde von der General Electric Company für eine Anlage in Südafrika
ausgeführt. Dieses System möge durch Fig. 4
schematisch wiedergegeben werden. G1 ist eine Gleichstrommaschine mit 50 Volt Spannung;
dieselbe ist in Serie geschaltet mit einer zweiten, entsprechend grösseren Maschine
G2 von 150 Volt
Spannung, die ausser dem Kollektor noch vier Schleifringe besitzt. C ist ein Spannungsteiler, mit dessen neutralem Punkt
o' der eine Nulleiter N' verbunden ist, während ein zweiter Mittelleiter N bei o an die Leitung zwischen den beiden
Maschinen angeschlossen ist. Die beiden Aussenleiter sind O und O'. Die Anlage, bei der dieses System
in Anwendung kam, enthält viele Motoren, die häufig angelassen werden müssen und bei
den verschiedensten Tourenzahlen arbeiten sollen. Das geschieht, indem man die
Motoren an die fünf Spannungen legt, die man, wie aus der Figur ersichtlich, zur
Verfügung hat: 1. 50 Volt – Maschine G1 2. 75 Volt – eine Hälfte von Maschine G2. 3. 125 Volt – Maschine G1 + eine Hälfte von
Maschine G2. 4. 150
Volt – Maschine G2. 5.
200 Volt – Gesamtspannung zwischen den Aussenleitern. Das Feld der Motoren wird
natürlich konstant erregt, und zwar ist dieses an die
Aussenleiter angeschlossen.
Textabbildung Bd. 320, S. 94
Fig. 4.
In Fig. 5 möge endlich noch ein Mittel angedeutet
werden, mit Hilfe dessen der Spannungsabfall auf der stärker belasteten kompensiert
werden kann. Die Zeichnung ist rein schematisch und sind alle Hilfsapparate
weggelassen. Der Grundgedanke ist der folgende: Die unsymmetrische Spannung infolge
der ungleichen Belastung wirkt derartig auf einen Hilfsapparat ein, dass zwei auf
dem Spannungsteiler verschiebliche Punkte p und q proportional der Spannungsdifferenz von dem neutralen
Punkte o entfernt werden. Bei gleicher Spannung in den
beiden Hälften fallen die beiden Punkte mit dem neutralen Punkte zusammen und
bei dem Uebergang der grösseren Belastung von der einen des Netzes auf die andere
vertauschen sie ihren Platz. Sowie also ungleichförmige Spannung auftritt, wird
durch die beiden Bürsten bei p und q ein Wechselstrom dem Spannungsteiler entnommen (in
der Figur mit xx'x graphisch aufgezeichnet), dessen
maximale Spannung der Grösse der Entfernung der beiden Punkte und damit der
Spannungsdifferenz entspricht. Mit Hilfe eines eingeschalteten Stromwenders R wird dieser Wechselstrom in einen pulsierenden
Gleichstrom (xxx) umgewandelt, dessen mittlere Spannung
durch E gegeben ist. Diese Spannung addiert sich zu der
Spannung der stärker belasteten Hälfte und hebt so den Spannungsabfall auf. Ist z.B.
V''' die Spannung zwischen den beiden
Aussenleitern, und ist L' stärker belastet so wird die
Spannung in L' zu V=\frac{V'''}{2}+E und entsprechend die Spannung in L zu V'=\frac{V'''}{2}-E.
Textabbildung Bd. 320, S. 94
Fig. 5.
Bücherschau.
Dr. J. Fricks Physikalische
Technik von Otto Lehmann. Braunschweig, 1904.
Friedr. Vieweg & Sohn.
Der vorliegende erste Teil des ersten Bandes enthält die Beschreibung des Institutes
in bezug auf seinen Bau und seine Ausstattung, also Gebäude, grosses Auditorium,
Vorbereitungszimmer, kleines Auditorium, Sammlungs- und Verwaltungsräume und Räume
für Mechaniker und Diener.
Zugrunde gelegt ist im allgemeinen das physikalische Institut einer Universität oder
technischen Hochschule; doch ist, wo es nötig erschien, auch auf Mittelschulen und
einfachste Volksschulen Rücksicht genommen.
Die im letzten Kapitel beschriebenen Räume für Mechaniker und Diener sind aber wohl
selbst für physikalische Institute technischer Hochschulen etwas sehr reichlich
ausgestattet. Da jedoch jeder Leiter eines solchen Institutes seine besonderen
Neigungen hat, so wird sich der eine dieses, der andere jenes aus dieser grossen
Menge auswählen. „Wer vieles bringt, bringt manchem etwas.“
Von allgemeiner Bedeutung sind sowohl die Vorrede wie das erste Kapitel. In der
Vorrede bespricht Verfasser, was im Buche aufgenommen werden soll. „Natürlich was
wichtig ist; aber was ist wichtig?“ Da hat man verschiedene Prinzipien, nach
denen man diese Frage beantwortet: das konservative, das philosophische, das
technische, das Modeprinzip – „Irgend eine Neuigkeit, die zufällig den Weg in die
Presse gefunden, gibt dem Lehrer Veranlassung, sofort den entsprechenden Apparat
zu beschaffen, und das Kabinett füllt sich statt mit brauchbaren, wohl
durchgearbeiteten Unterrichtsapparaten mit Erstlingskonstruktionen, die
bald ihren Wert verlieren“ – und das Gewohnheitsprinzip. Im ersten Kapitel
des Textes selbst begründet Verfasser, warum er von Demonstrationsapparaten
verlangt, dass sie gross und einfach sein müssen; warum das Auditorium möglichst
einfach ausgestattet sein soll, und warum die Apparate nicht vor der Stunde auf dem
Experimentiertisch aufgebaut, sondern erst unmittelbar vor ihrem Gebrauch aus dem
Vorbereitungszimmer herbeigeschafft werden sollen. Letztere Massregel wird, wie
Verfasser selbst zugibt, nicht allseitig anerkannt werden.
Nicht nur in der Vorrede, sondern auch als Fussnoten zu fast jedem einzelnen Apparat
und Werkzeug finden sich eine ganze Reihe von Bezugsquellen angegeben. Im Anhange
des Buches haben eine grosse Reihe von Firmen Anzeigen ihrer Fabrikate abdrucken
lassen.
Der Vorschlag, auf das Schaltbrett der elektrischen Anlage die elektrischen Maschinen
mit ihren Verbindungen abzubilden, so dass man sofort erkennt, zu welchem Teil eine
Leitung führt, erscheint mir so praktisch, dass ich ihn hier ganz besonders
hervorheben möchte.
Wohl nur durch ein Versehen ist empfohlen worden, für das Gebäude des Institutes ein
Gerippe aus Eisen herstellen zu lassen, welches dann durch wärme- und schalldichte
Wände ausgefüllt wird. Dadurch würde ja ein grosser Teil magnetischer Versuche
vollständig unmöglich gemacht werden.
Das Buch wird sich in dieser siebenten Auflage zu den alten Freunden sicherlich viele
neue erwerben.
Dr. K. Schr.
Zuschriften an die Redaktion!
(Ohne Verantwortlichkeit der Redaktion).
Bemerkungen zu dem Aufsatz in Heft 48–50, 1904, über:
Allgemeine Betrachtungen über Krane und einige dazu gehörige
Konstruktionen.
Am Schluss des interessanten Aufsatzes des Herrn H.
Rieche, Kassel, in Heft 50 Ihres geschätzten Blattes vom 10. Dezember 1904,
betitelt: „Allgemeine Betrachtungen über Krane und einige dazu gehörige
Konstruktionen“ sind die Vor- und Nachteile einiger bekannter
Anordnungen zum Senken der Last, sowie ein weiterer Vorschlag für denselben Zweck
erläutert. Zu diesem Teil des Aufsatzes erlaubt sich der Unterzeichnete einige
Bemerkungen zu machen. Herr Rieche behandelt im
wesentlichen drei bekannte Bremsen und findet bei denselben folgende
Eigenschaften:
1. Die Weston-Bremse. Dieselbe
lässt nur Senkgeschwindigkeiten entsprechend der Tourenzahl des Motors zu. Der
Stromverbrauch zur Senkbewegung ist ziemlich bedeutend.
2. Die elektromechanische Halte- und Senkbremse. Dieselbe
besteht aus einer mechanischen Bremse, die durch einen
Hauptstrommagneten gelüftet wird, welcher in den Betriebspausen die Bremse voll
einfallen lässt, während des Senkens aber die Bremse nur so weit entlasten soll,
dass die Last zwar mit erheblicher Geschwindigkeit abgehen, der Motor aber nicht
durchgehen kann. Die Senkgeschwindigkeit lässt sich durch den Anlass. widerstand
ändern. Der Stromverbrauch beim Senken ist ebenfalls bedeutend.
3. Die Senkbremsschaltung. Bei dieser arbeitet der Motor
während der Senkbewegung als Generator, die Haltebremse wird durch einen
Nebenschlussmagnet gelüftet. Der Stromverbrauch zum Senken beschränk sich auf
den Bedarf des Elektromagneten und des evtl. Stromstosses für den leeren Haken.
Die Senkgeschwindigkeit kann in beliebigen Grenzen geregelt werden. Die Last
fällt, bevor der Motor als Dynamo arbeitet und dementsprechend bremsend wirken
kann, einige Zentimeter frei.
ad 1. Dem ungünstigen Urteil über die Weston bremse kann
der Unterzeichnete nur zustimmen und möchte noch hinzufügen, dass die Abnutzung der
Westonbremse eine ganz erhebliche ist. Da nämlich
dem Motor beim Senken noch Strom zugeführt werden muss, um die sich selbsttätig
festklemmende Bremse immer von neuem wieder zu lockern, so ist nicht nur die beim
Senken der Last frei werdende mechanische Energie, sondern ausserdem noch die dem
Motor während des Senkens zugeführte Energie in der Bremse zu vernichten, was
natürlich einen entsprechend grossen Verschleiss der Bremse zur Folge hat.
ad 2. Aehnlich liegen die Verhältnisse bei der unter 2. erwähnten elektromechanischen
Senkbremse. Während aber die Westonbremse eine
leidliche Regulierung bietet, ist die Regulierung dieser recht schlecht zu nennen.
Man begegnet oft der ganz falschen Auffassung, dass sich beim Senken der Last ein
gewisser Gleichgewichtszustand einstellt, indem für jede Stromstärke sich eine ganz
bestimmte Zugkraft des Magneten und damit eine ganz bestimmte Entlastung der Bremse
und bei gegebener Last daher eine konstante Senkgeschwindigkeit einstellt. Leider
ist aber die Zugkraft eines Elektromagneten durchaus nicht allein vom Strom, sondern
noch von vielen anderen Verhältnissen abhängig. Erstens ist es sehr schwer, einen
Magneten zu konstruieren, der an jeder Stelle seines Hubes gleiche Zugkraft besitzt
und zweitens ergeben sich durch mechanische Reibung, Induktion, Wirbelströme im
Eisenkern und Hysteresis (ein Blick an die Hysteresiskurve zeigt ja schon, dass eine
erhebliche Remanenz bei Nullstrom noch vorhanden ist) wesentlich andere Zugkräfte
bei ansteigendem und abfallendem Strom. Schliesslich verringert sich der Strom eines
Hauptstrommotors bei Entlastung auch höchstens nur um 50 v. H., sinkt also nie auf
Null herab Eine derartige elektromechanische Senkbremse arbeitet daher nicht
gleichmässig, sondern stossweise. Oft wird die Bremse beim Senken ganz gelüftet,
statt nur entlastet zu werden und der Motor geht durch, ohne dass bei halbem Strom
die Bremse wieder loslässt. Bei subtiler Einstellung des Bremsmagneten und möglichst
konstanter Stromstärke des Motors, d.h. bei Verzicht auf weitgehende Regulierung
lässt sich zwar ein Abfallen des Bremsmagneten vor dem Durchgehen des Motors
erreichen, dann fällt aber die Bremse in der Regel so plötzlich ein, dass das
Triebwerk leicht gefährdet wird.
Dagegen hat der Unterzeichnete eine andere Form der elektromechanischen Bremse
besonders bei Drehstromhubwerken mit gutem Erfolge verwandt. Dieselbe wirkt derart,
dass durch einen Drehstrommagneten beim Senken der Last die Haltebremse mittels
einer zwischengeschalteten Feder um einen ganz bestimmten unveränderlichen Betrag entlastet wird. Auf diese Weise ist es möglich,
die Haltebremse gleichzeitig als Senkbremse zur künstlichen Belastung des Motors zu
benutzen und für jede Last eine vorzügliche Regulierung zu schaffen. Als Nachteil
bleibt der Stromverbrauch beim Senken leichter Lasten und die Abnutzung der Bremse
bestehen.
ad 3. Bei der Senkbremsschaltung ist von Herrn Rieche als einziger evtl. schwerer ins Gewicht fallender Nachteil der
freie Fall der Last um einige Zentimeter, bevor der
Motor als Dynamo arbeitet, angegeben. Gerade diese Behauptung veranlasst aber den
Unterzeichneten zu einer Klarstellung, weil es seit etwa vier Jahren völlig gelungen
ist, den freien Fall der Last in der ersten Senkstellung des Steuerapparates,
praktisch völlig zu beseitigen, und weil der weiteren Einführung der
Senkbremsschaltung, die sich bereits ganz allgemein und gerade bei den schwersten
Kränen wegen ihrer vorzüglichen Eigenschaften Eingang verschafft hat, dieser für
eine sachgemässe Ausführung des elektrischen Teiles nicht mehr berechtigte Tadel
leicht hinderlich werden könnte.
Der früher der Senkbremsschaltung tatsächlich anhaftende Fehler des beschleunigten
Abganges der Last beim Beginn des Senkens ist nämlich dadurch völlig beseitigt, dass
man der Hauptstromwicklung in der ersten Senkstellung, vergl. D. R. P. 120078, (bei
einigen Ausführungen auch in allen Senkstellungen) einen kurzen Stromstoss aus dem
Netz zuführt. Beträgt dieser Stromstoss z.B. nur ⅓ des Betriebsstromes, so hat der
Motor schon während einer halben Umdrehung sein volles
Bremsmoment entwickelt, ein Resultat, das unzählige Male am Kran und im
Probierraum konstatiert wurde. Während dieser halben Umdrehung sinkt aber die Last
höchstens um einige Zehntel Millimeter, ein Betrag, der mit blossem Auge überhaupt
nicht erkannt werden kann Von einem freien Fall der Last, noch dazu um mehrere
Zentimeter, ist somit gar nicht mehr die Rede. Das Senken der Last mit
Senkbremsschaltung erfolgt ferner, da dieselbe von veränderlichen
Reibungswiderständen unabhängig ist, wesentlich sanfter und gleichmässiger, als dies
mit irgend einer mechanischen Bremse möglich wäre. Dass eine zweite Bremsvorrichtung
erforderlich ist, kann ich nicht als einen wesentlichen Nachteil ansehen, da hierin
eine zweite Sicherheit liegt; als Beweis möchte ich zwei Fälle aus meiner eigenen
Praxis anführen: In einem Fall war durch einen Defekt die Senkbremsschaltung
unwirksam, trotzdem war es dem Kranführer möglich, die Last in kurzen Absätzen zu
senken lediglich unter Verwendung der Haltebremse. Im anderen Fall war die
Haltebremse defekt und trotzdem war es möglich, mit dem Kran noch zu arbeiten
lediglich unter Anwendung der Senkbremsschaltung (die Haltebremse war abgestützt).
In beiden Fällen handelte es sich um Krane für Stahlwerke, bei denen ein zeitweiser
Stillstand der Krane empfindliche Verluste verursacht haben würde.
Schliesslich möchte ich noch auf den Vorschlag des Herrn Rieche eingehen, die Haltebremse als Senkbremse mit zu benutzen und die
Regulierung dieser Bremse durch Regulierung des Bremsmagnetstromes zu bewirken.
Dieser Gedanke liegt verhältnismässig nahe und ist schon mehrfach versucht worden.
Ich halte jedoch die Durchführung für praktisch unmöglich und habe sowohl bei
Gleichstrom wie Drehstrom stets negative Resultate erzielt. Wenn man bedenkt, dass
ein gewöhnlicher Gleichstromhubmagnet mit konischen Polen oft erst bei 10 v. H. des
Betriebsstromes das Bremsgewicht wieder fallen lässt, so wird man einsehen, dass man
bei derartig ungenau arbeitenden Konstruktionsmitteln eine gute Regulierung der
Bremse nicht erwarten kann. Selbst bei solchen Bremsmagneten, bei welchen in jeder
Stellung Kraft und Last genau sich die Wage halten, konnte ein Abfallen erst bei
etwa 40 v. H. des Stromes erzielt werden. Rechnet man nun noch die weiteren
Schwierigkeiten wie Reibungswiderstände im Bremsgestänge, verschiedene Reibung bei
ruhender und rotierender Bremsscheibe usw. hinzu, so erscheint ein Erfolg mit einer
derartigen Bremse ausgeschlossen.
Ich möchte meine Ansicht dahin zusammenfassen, dass die beste Einrichtung zum Senken
der Last eine gut durchgearbeitete elektrische Senkbremsschaltung unter Verwendung
eines Serienmotors ist. Dieselbe gestattet eine weitgehende Regulierung, ein Heben
und Senken kleinerer Lasten mit grösserer Geschwindigkeit; sämtliche Bewegungen
erfolgen sanft und stossfrei. Der Abnutzung unterworfene Teile sind nicht vorhanden,
da die beim Senken der Last frei werdende mechanische Energie in den
Anlasswiderständen elektrisch vernichtet wird. Auch für Drehstrommotoren stehen z. Zt. dem
Kranbauer vorzüglich durchgearbeitete Senkbremsschaltungen zur Verfügung, auf die
ich hier jedoch nicht näher eingehen möchte.
Charlottenburg, 3. Januar 1905.
Friedrich Natalis,
Oberingenieur.
––––––––––––––
Sehr geehrte Redaktion!
Spezialisten der Hebezeugbranche werden den Ausführungen des Herrn Natalis ohnehin nicht dem vollen Umfange nach
beistimmen, trotzdem sehe ich mich zwecks Richtigstellung zu einer Erwiderung
veranlasst.
Nach den Ausführungen des Herrn Natalis muss angenommen
werden, dass die Westonbremse einem derart starken
Verschleisse ausgesetzt ist, dass ihre Anwendung nicht empfehlenswert erscheint.
Demgegenüber wiederhole ich folgende Sätze meiner Abhandlung:
„Eine in Fig. 16 (D. p. J. 1904, 319,
S. 792) dargestellte sogenannte Westonbremse
funktioniert bei richtiger Wahl der Steigung des Gewindes im Verhältnis zum
mittleren Durchmesser der Bremsflächen, nicht zu grossem spezifischen Druck am
Gewinde und auf den Bremsflächen, genauer Arbeit und sachgemässer Wartung
vollständig zufriedenstellend“.
„Bei nicht zu hoher spezifischer Pressung der Bremsflächen und
des Gewindes, guter nicht federnder Lagerung, gediegener Ausführung und nicht zu
hohen Tourenzahlen, hat die Bremse in der dargestellten einfachen Konstruktion
eine grosse Haltbarkeit“.
Offenbar beruhen die Erfahrungen des Herrn Natalis auf
Bremsen, die nicht nach diesen Grundsätzen gebaut sind.
In Spezialfällen ist die Westonbremse auch heute noch
mit Vorteil anwendbar.
Die elektromechanische Bremse habe ich in meiner Abhandlung nur erwähnt, weil sie
eine Zeitlang von einer grösseren Elektrizitätsfirma als Sicherheitsbremse angeboten wurde.
Das von Herrn Natalis über diese Bremsen gefällte Urteil
kann mich nicht beunruhigen, weil ihr wirklicher Wert von mir von vornherein erkannt
ist und infolgedessen von einer Probe in der Praxis Abstand genommen wurde. Dass es
Herrn Natalis mit Hilfe einer Feder (dem unsichersten
Elemente des Maschinenbaues) gelang, eine sicherwirkende elektromagnetische Bremse
zu konstruieren, soll mich zu weiteren Ausführungen nicht veranlassen. Bemerkt sei
nur, dass die gerühmte sichere und gute Arbeitsweise der Natalisfederbremse auch mit anderen weit einfacheren Bremsen erreichbar
ist.
Die von Herrn Natalis erwähnte neuere Senkbremsschaltung
ist an vielen Laufkatzen meines Systems ausgeführt; sie ist mir also nicht
unbekannt. Leider ist der bemerkbare freie Fall der Last welcher angeblich nur den
älteren Senkbremsschaltungen anhaftet, auch bei den verbesserten Konstruktionen nur
vermieden, wenn mit verhältnismässig kleinen Motoren schwere Lasten zu heben
sind.
Angenommen, ein Motor von 15 PS mit 500 minutlichen Umdrehungen hat 1000 kg
Maximallast zu heben. Der Weg der Last in einer Minute ist sodann 60000 mm. Nach
einer halben Umdrehung des Motors hat die Last \frac{60000}{2\cdot 500}=60\mbox{ mm} Weg zurückgelegt.
Herr Natalis führt aus, dass das volle Bremsmoment
des Motors bereits nach einer halben Ankerumdrehung erreicht wird.
Die Last muss also unter Zugrundelegung dieser günstigen Annahme in der Senkrichtung
mindestens den einer halben Ankerumdrehung entsprechenden Hakenweg frei fallen. Für
das obige Beispiel ergibt sich ein freier Fall von 6 cm.
Bei Winden und Kranen für kleinere Tragkräften und grössere Hubgeschwindigkeiten
beträgt demnach der freie Fall der Last trotz der auch von mir immer anerkannten und häufig zur Anwendung gebrachten
neueren Senkbremsschaltung nicht einige zehntel Millimeter, sondern einige
Zentimeter.
Der Umstand, dass bei stark beanspruchten Kranen zur Aufrechterhaltung sicheren
Betriebes zwei Bremsen empfehlenswert sind, kann den Nachteil, dass die
Senkbremsschaltung auf alle Fälle eine zweite teure Bremse erforderlich macht, nicht
aufheben. Für leichte nicht häufig benutzte Krane genügt eine gute Bremse
vollkommen.
Für stark beanspruchte Krane wende ich selbstverständlich. immer zwei Bremsen an. Es
wird nicht bestritten werden können, dass zwei vollständig unabhängige Bremsen der
Ankerbremse mit Haltebremse in bezug auf Betriebssicherheit vorzuziehen sind.
Wird z.B. der mechanische Teil einer ausser der Ankerbremse eingebauten
Magnet-Haltebremse schadhaft und ist die Stromleitung zwischen Motor und Anker
infolge dieses Schadens oder aus beliebigen anderen Gründen unterbrochen, so stürzt
die Last trotz der Ankersenkbremse ohne weiteres ab.
Kommt eine Westonbremse und eine Magnetstoppbremse zur
Verwendung, welch letztere im allgemeinen nur zur Bremsung des Ankernachlaufes
dient, die aber auch imstande ist, das für die Maximallast erforderliche Bremsmoment
aufzunehmen, so wird die Last durch das Versagen der einen oder anderen Bremse nicht zum Abstürzen gebracht.
Auch kann der Betrieb sodann nur durch Schäden an der
Stromleitung völlig gestört werden.
Die von mir vorgeschlagene kombinierte Halte- und Senkbremse wird nicht durch
Magneten der von Herrn Natalis beschriebenen Art,
sondern durch einen Spezialapparat reguliert, für welchen der Ausdruck
„Magnet“ nur des allgemeineren Verständnisses wegen gewählt wurde. Die
Behauptung des Herrn Natalis, dass die vorgeschlagene
Bremse befriedigende Resultate ausschliesse, kann mich aus geschäftlichen Gründen
nicht veranlassen, z. Zt. über den Rahmen des von mir Veröffentlichten
hinauszugehen. Ich behalte mir indessen vor, an dieser Stelle später ausführlich
darauf zurückzukommen.
Herr Natalis führt an, dass mein Vorschlag naheliegend
ist und dass in dieser Richtung bereits mehrfache Versuche gemacht sind. Vielleicht
kann Herr Natalis angeben, ob die mit gewöhnlichen
Magneten von vornherein aussichtslosen Versuche vor oder
nach meinen in dieser Angelegenheit an die ersten Elektrizitätsfirmen
gerichteten ausführlichen Mitteilungen angestellt wurden.
Zur Sache sei noch bemerkt, dass neben der kombinierten Senk- und Haltebremse eine
zweite vollständig unabhängige oder teilweise unabhängige Bremse angeordnet werden
kann.
Cassel, den 21. Januar 1905.
Mit vorzüglichster Hochachtung
H. Rieche.