Titel: | Bücherschau. |
Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 31 |
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Bücherschau.
Bücherschau.
Leitfaden zum Berechnen und
Entwerfen von Lüftungs- und Heizungsanlagen. Ein Hand- und Lehrbuch für
Ingenieure und Architekten von Dr.-Ing. H. Rietschel,
Geh. Reg.-Rat, Prof. a. d. Kgl. Techn. Hochschule zu Berlin. Vierte, vollständig
neubearbeitete Auflage. In zwei Teilen mit 92 Abb., Tabellen und Tafeln. Berlin
1909. Julius Springer. Preis geb. M. 24.–.
Als Rietschel im Jahre 1893 auf Anregung des Herrn
Ministers der öffentlichen Arbeiten seinen Leitfaden herausgab, wurde damit einem
allgemeinen Bedürfnis entsprochen, zumal die vorhandenen Lehrbücher wegen der zu
allgemeinen Behandlung des Stoffes der Praxis nicht dienen konnten. Der ersten
Auflage folgte bald eine zweite. Aber die Erfahrung lehrte, daß die in dem Leitfaden
gegebenen Hilfsmittel für die Praxis noch nicht bequem genug waren. Eine
Heizungsfirma, die im Laufe eines Jahres 100 und mehr Projekte auszuarbeiten hat,
konnte sich bei Bestimmung der Rohrdurchmesser einer Warmwasser- oder Dampfheizung
nicht der zeitraubenden Rechnungsmethode nach Rietschel
bedienen, während andererseits minderwertige Heizungsfirmen wider besseres Wissen
„nach Rietschel gerechnet zu haben“ angaben,
um ihr Projekt annehmbarer erscheinen zu lassen. Der Wunsch nach Vereinfachung der
Rechnung wurde durch Benutzung graphischer Methoden, durch Annäherungswerte oder
Schätzungen immer fühlbarer, so daß sich R, der von
jeher bestrebt war, sein Werk der Praxis anzupassen und die Mängel bei dessen
Gebrauch kennen zu lernen, im Jahre 1902 zur Herausgabe einer dritten Auflage
entschloß. Sie enthielt neben bemerkenswerten neuen Versuchsergebnissen in bezug auf
die Wärmeabgabe der Heizkörper und die Wirkung der Wärmeschutzmittel ein reichliches
Tabellenmaterial, dessen Gebrauch die gewünschte Erleichterung brachte. Ja, ich darf
sogar noch weiter gehen und behaupten, daß mit der Herausgabe dieses Werkes ein
bedeutender Aufschwung in der Lüftungs- und Heizungstechnik zu verzeichnen war,
insofern es eine große Anzahl von Ingenieuren zur Selbständigkeit und Gründung neuer
Heizungsfirmen anregte.
Mit der vorliegenden vierten Auflage, die neben eingehender Behandlung der Mittel zur
Bewegung der Luft, ihrer Ein- und Abströmung, hauptsächlich Aenderungen auf dem
Gebiete der „Heizung“ enthält, dürfte das Lebenswerk Rietschels einen würdigen Abschluß erhalten haben. Selbstverständlich
werden Ergänzungen und Berichtigungen auf Grund weiterer Forschungsarbeiten des
Verfassers und anderer Heizungstechniker wie bei jedem wissenschaftlichen Werk nicht
ausbleiben können, weshalb heute schon auf einzelne Ausführungen näher eingegangen
werden soll.
Während bei der dritten Auflage bei Bestimmung der Wärmeverluste eines Raumes den
Einflüssen des Wetters und der Himmelsrichtung dadurch Rechnung getragen wurde, daß
für die nach N., O., NO. und NW. gelegenen Abkühlungsflächen ein Gesamtzuschlag von
je 20 v. H. für erforderlich erachtet wurde, verlangt R. jetzt größere Zuschläge; für Himmelsrichtung beispw. nach N. allgemein
20 v. H. (für Eckräume 10 v. H. mehr) und für Windanfall 15 v. H. Da man mit den
bisherigen Zuschlägen vollkommen auskam, vermag ich die Notwendigkeit dieser
Vermehrung nicht einzusehen, dagegen halte ich den Zuschlag für Eckräume mit
gegenüberliegenden Außenwänden wegen des bei Windanfall erhöhten Luftwechsels eher
noch für unzureichend; in solchen Räumen wird die Luft von der Luvseite eingedrückt,
auf der Leeseite angesaugt. Die Wärmeverluste vermehren sich durch Zuschläge für die
Anheizperiode um einen weiteren höheren Prozentsatz, so daß der danach berechnete
Heizkörper im Beharrungszustande und bei fehlendem Windanfall m. E. zu groß wird.
Macht schon die Unterbringung solcher Heizkörper bei unseren Wohnungen
Schwierigkeiten, so muß man überdies mit der Gewohnheit rechnen, daß die
Ventile nicht dem Bedürfnis entsprechend eingestellt werden; da sie meist nicht sehr
bequem zu erreichen sind, öffnet man, wo es zu heiß wird, lieber das Fenster und
trägt dadurch zur Koksverschwendung bei. Hierbei interessieren mich
selbstverständlich nicht Krankenhäuser oder sonstige große Institute, wo genug
Aufsichtspersonal vorhanden ist, sondern lediglich das Gros der
Zentralheizungsanlagen in unseren Wohnhäusern, gegenüber denen die einzelnen
Musteranlagen verschwinden. Angesichts dieser Gesichtspunkte habe ich schon in der
Festnummer 1907 des „Gesundheits-Ingenieurs“ darauf hingewiesen, die
Zuschläge durch zeitweise erhöhte Wassertemperaturen zu ersetzen, um den Betrieb
billiger zu gestalten und eine bessere Regelung des Wärmeerfordernisses vom
Heizkessel aus zu ermöglichen. Ein Radiator, der beispw. bei 40° mittlerer
Temperaturdifferenz eine Wärmeabgabe W zeigt, steigert diese bei 60° auf 1,6 W und
ist deshalb imstande, ohne Berücksichtigung besonderer Zuschläge, zum mindesten für
die Anheizperiode, ausgleichend zu wirken. Die Anlagekosten würden dadurch billiger
und der Betrieb rationeller ausfallen.
Bei der Bestimmung der Wärmeabgabe der Umfassungswände müssen wir uns
vergegenwärtigen, daß hierbei nicht die Wärmeleitung allein, sondern auch die
Wärmestrahlung mitsprechen. Selbst wenn erstere geradlinig verlaufen sollte,
vollzieht sich die Wärmestrahlung unzweifelhaft nach der hierfür geltenden Gleichung
nach einer Kurve. Der Transmissions-Koeffizient muß deshalb beim Zusammenwirken
beider Vorgänge sich ebenfalls nach einer Kurve gestalten, deren Bestimmung nicht
schwierig sein dürfte. Im Interesse der Praxis hat R.
mit Recht einen linearen Verlauf der Koeffizienten für eine Temperaturdifferenz von
40° angenommen, und tausende Ausführungen von Heizungsanlagen haben die Zulässigkeit
dieser Annäherungswerte praktisch bestätigt. Bei Trockenanlagen aber, z.B. der
Fabrikation lichtempfindlichen Papiers (70° Temperaturdifferenz) kommen wir mit den
bisherigen Werten nicht mehr aus, so daß eine Richtigstellung der
Transmissions-Koeffizienten hierfür erwünscht wäre. Bis jetzt probiert man, und wenn
statt 50° nur 36° C Raumlufttemperatur erzielt werden, nimmt man nochmals so viel
Heizkörper usf. Die vorgeschlagene Schätzung des Temperaturunterschiedes Δ – Δ1 (beispw. zwischen Raumluft und Innenwand) stößt
auf Schwierigkeiten, weil diese Größe in verschiedener Höhe des Raumes verschieden
ausfällt und außerdem von der in die Räume eingeführten Luftmenge sehr beeinflußt
wird.
Bei der Zusammenstellung der Transmissions-Koeffizienten vermisse ich jene für Wände
aus Lochsteinen, die bei unseren Erkern fast ausschließlich Verwendung finden. In
diesen Räumen versagt meistens wegen größerer Durchlässigkeit und des dadurch
vermehrten Luftwechsels die Heizung, da mit massiven Wänden gerechnet wird.
Dankenswert ist die Aufnahme der Transmissions-Koeffizienten für eine große Anzahl
moderner Wände und Decken.
Ueber die Berechnung der Wärmeabsorption der Umfassungswände weist R. nur auf die bekannte Recknagelsche Abhandlung im „Gesundheits-Ingenieur“ 1901 hin, die
ich in bereits angeführter Festnummer kritisiert habe. Die Bestimmung dieser
unbekannten Größe kann m. E. nicht auf unüberwindbare Schwierigkeiten stoßen, zumal
der Verbleib der von einer Wärmequelle abgegebenen Wärmemenge, wie ich gezeigt habe,
sich nachweisen läßt. Hier ist also ein weiteres Versuchsfeld gegeben.
Die Angaben für die Kesselleistungen sind, streng genommen, nicht zulässig. Rechnet
man freilich nach R. mit den angegebenen Zuschlägen,
wird das Manko an Kesselheizfläche nicht in die Erscheinung treten, anders dagegen,
wenn, wie in der Praxis, beispw. die Zuschläge für die Anheizperiode vernachlässigt
und die Kesselheizflächen lediglich dem Wärmeverlust für den Beharrungszustand
angepaßt werden. R. berechnet die Leistung der
Kesselheizfläche nach seinen Formeln (98) bis (100). Es ist schon an sich schwer,
bei der Aneinanderreihung vonGliedern gußeiserner Heizkörper zwischen
„Parallel-“ oder „Gegenstromheizflächen“ streng zu unterscheiden.
Die Zirkulation des Wassers in den Kesseln ist nach anderen Forschungen, und
Wahrnehmungen im Betriebe bestätigen es, so kompliziert, daß Anhaltspunkte für die
Rechnung kaum vorhanden sein dürften. Wie aber entstehen die Angaben für die
Kesselleistungen? Man schließt den Rücklauf an eine Wasserleitung an, mißt das
Gewicht des durchfließenden Wassers und bestimmt dessen Temperaturerhöhung. Kein
Wunder, daß doppelte Leistungen herauskommen, als die Praxis zeigt. Die
Wärmeübertragung hängt nicht nur von dem pro Stunde verbrannten Koks, sondern auch
von der Temperaturdifferenz und der Geschwindigkeit ab, mit der das Wasser an der
Heizfläche vorbeifließt. Die Versuche haben für die Praxis keinen Wert, weil weder
die Geschwindigkeit noch die Temperaturdifferenz des ein- und austretenden Wassers
vorhanden sind. Hier ist also sobald wie möglich eine gründliche Revision am Platze,
um die Heizungsindustrie von dem betretenen falschen Wege abzubringen. Ich habe im
„Gesundheits-Ingenieur“ 1906 einige Versuchsergebnisse an Kesseln
veröffentlicht, um Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen. Aber es ist billiger,
für die Kesselleistung 8000 W. E. statt nur 6000 W. E. zugrunde zu legen, und
„Rietschel gibt es ja an!“ In der zu
hohen Bewertung der Kesselheizfläche liegt die Ursache der Koksverschwendung.
Wirkungsgrade von 86 v. H. des Heizwertes des Koks, wie man sie in Prospekten lesen
kann, habe ich nur beim Reservefeuer von gußeisernen Kesseln j herausbekommen, bei
denen der Fuchs bis auf ein Loch von 50 mm Durchm. abgedrosselt war. Da unter
solchen Verhältnissen in 7½ Stunden nur 47 kg Koks verbrannt wurden, betrug auch die
Leistung des Kessels nur 2715 W. E. pro qm Heizfläche und Stunde, während die
Durchflußversuche fast das Dreifache bei annähernd gleichem Nutzeffekt ergeben. Mit
der weiteren Beanspruchung der Kessel geht der Nutzeffekt bis unter 60 v. H
herunter, ohne daß die sogen. „normale“ Leistung von 7000 W. E. bei
Gliederkesseln erreicht werden konnte. Der Warnung Rietschels, die Kesselheizfläche möglichst groß zu wählen, widerspricht
die zulässige Annahme von W2 = 10000 in Gleichung III. Ich behalte mir vor, über neuere mit großer
Genauigkeit und den besten in der Technik zur Verfügung stehenden Mitteln
angestellten Versuche später ausführlicher zu berichten.
Die Beanspruchung der Rostfläche pro qm und Stunde ist mit 100 kg zu hoch angegeben;
50 genügen. Abgesehen hiervon ist zwischen Gas- und Schmelzkoks zu unterscheiden,
für welche Schichthöhen sich nicht gut vorschreiben lassen; das hängt von der
Zugstärke ab.
Die Berechnung des Heizwertes geschieht besser nach der Verbandsformel
K=8100\,C+29000\,\left(H-\frac{0}{8}\right)+2500\,S-600\,W
worin W den Feuchtigkeitsgehalt
der lufttrocknen Kohle bedeutet. Zeigt die Brennschicht dagegen beispw. 2 v. H.
Nässe, ist der Heizwert
K_1=K\,\frac{(100-2)}{100}.
Ueber die Größe der Widerstandshöhe bei der Warmwasserheizung
erfolgte eine Aussprache bereits gelegentlich des Kongresses der
Heizungsindustriellen in Frankfurt a. M., so daß wir mit Interesse den
diesbezüglichen Versuchsergebnissen der von R. ins
Leben gerufenen Versuchsanstalt entgegensehen. Es ist nicht zu leugnen, daß die
bisherigen Werte bei größerer Ausdehnung der Anlage zu kleine Rohrdurchmesser
ergaben; tüchtige Heizungstechniker bevorzugten deshalb die Schätzung der
Rohrquerschnitte mit der Begründung, daß etwas größere Rohrdurchmesser, als sie die
Rechnung ergibt, niemals schädlich sein können.
de Grahl.
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