Titel: BÜCHERSCHAU.
Fundstelle: Band 326, Jahrgang 1911, S. 560
Download: XML
BÜCHERSCHAU. BÜCHERSCHAU. Ueber die Theorie des Kreisels. Von F. Klein und A. Sommerfeld. Heft IV. Die technischen Anwendungen der Kreiseltheorie. Für den Druck bearbeitet und ergänzt von Fritz Noether. Leipzig 1910. B. G. Teubner. Während die ersten drei Bände dieser Monographie des Kreisels sich mit seiner allgemeinen Theorie beschäftigen, hat der vorliegende vierte Band nur denjenigen Theil der Theorie zum Gegenstand, welcher für die praktischen Anwendungen von Bedeutung ist. Daher wendet sich dieser Band an ein ganz anderes Publikum als die ersten drei, nämlich an Ingenieure mit guten mathematischen Kenntnissen. So ist dieser Band ein selbständiges Werk, dessen Verständnis auch ohne die Durcharbeitung der andern Theile möglich ist, und das man auch solchen Lesern empfehlen kann, die den mathematischen Exkursen und der allgemeinen Behandlung praktisch nicht vorkommender, aber wissenschaftlich interessanter Probleme keinen Geschmack abgewinnen können. Die Verfasser hätten vielleicht eine einfache Herleitung der Hauptformeln an die Spitze stellen können, statt sich mit einer kurzen Zusammenstellung derselben zu begnügen, wenn dies auch eine Wiederholung des früher bereits Gesagten* bedeutet hätte. Diese Wiederholung wäre kaum empfunden worden, weil eben, wie schon gesagt, die ersten drei und der vierte Band ganz verschiedene Leserkreise finden werden. In Anbetracht des Umstandes, daß die Kreiselwirkungen vielfach falsch verstanden werden, hätte ein Satz wie der folgende sich vermeiden lassen: „Sie (die Schwungringsachse) besitzt eine spezifische Widerstandsfähigkeit gegen Richtungsänderungen, eine Art absoluter Orientierung im Raum.“ Ein flüchtiger Leser, der nur einzelne Sätze liest und nicht auf den Zusammenhang achtet, kann dadurch leicht auf den Gedanken gebracht werden, daß ein genügend großer, fest eingebauter Kreisel imstande sein könne, eine Einschienenbahn zu stabilieren oder das Kippen eines Aeroplans zu verhüten. Diese Aeußerlichkeiten vermögen nicht, dem Wert des ganzen Buches Abbruch zu tun. In klarer und, soweit bei diesem Stoff überhaupt möglich, auch anschaulicher Weise sind zuerst allgemeine Auseinandersetzungen über Stabilierung gegeben und dann die einzelnen Anwendungen besprochen, unter anderen die Kreiselwirkungen bei Schnellbahnen, der Geradlaufapparat der Torpedos, der Schlicksche Schiffskreisel, der Kreiselkompaß, die Stabilität des Fahrrades sowie einige Bemerkungen über Einschienenbahnen, die Stabilierung von Flugzeugen und die Kreiselwirkungen bei Geschossen. Die wichtigeren dieser Anwendungen sind in theoretischer wie praktischer Beziehung eingehend und überaus klar auseinandergesetzt, wobei noch besonders anerkannt werden soll, daß überall auf die Grenzen der Gültigkeit der Formeln und auf die zu ihrer Herleitung erforderlichen Vernachlässigungen hingewiesen ist und der entstehende Fehler wenigstens seinem Sinne nach angegeben wurde, wenn seine Größe sich nicht abschätzen ließ. Die Diskussion der Differentialgleichungen für den Schiffskreisel mag als Beispiel einer eleganten Behandlung, einer eingehend durchgearbeiteten Aufgabe, sowie der Abschnitt über Ballistik als Beispiel einer vorzüglichen Klarlegung eines noch nicht gelösten Problems hervorgehoben werden. Zur Stabilierung des Fahrrades möchte ich aus eigener Erfahrung hinzufügen, daß schon bei mäßigen Geschwindigkeiten die Massenwirkungen der auf und ab bewegten Beine einen großen Einfluß ausüben, daß also die an sich sehr schönen Stabilitätsbetrachtungen nur für geringe Geschwindigkeiten oder für eine Fahrt mit abgehobenen Füßen ungetrübt gelten. Gerade bei einem solchen Werk, das als mustergültig nach Form und Inhalt bezeichnet werden kann, drängt sich die Frage auf, in welcher Zeit dieses Buch veraltet sein wird. Dieses Veralten technischer Werke ist ja geradezu eine Kalamität geworden, unter der sowohl Leser wie Buchhändler und Verfasser zu leiden haben. Das einzige Mittel ist die Untertheilung der Bücher in veraltende und nicht veraltende Theile, derartig, daß die veralteten Theile ausrangiert und durch neue ersetzt werden können, während die übrigen erhalten bleiben und nicht von neuem wieder mit angeschafft werden müssen. In dieser Beziehung haben die Verfasser einen wichtigen Schritt getan, indem sie den vierten, ohne Zweifel am leichtesten veraltenden Band von den anderen getrennt haben. Man braucht diesen Gedanken nur weiter zu verfolgen und wird zu dem technischen Buch der Zukunft gelangen, welches jedenfalls so eingerichtet sein wird, daß man jeden einzelnen Abschnitt auswechseln kann, etwa wie man bei einem Schnellhefter einzelne Blätter herausnehmen und durch neue ersetzen kann. Dr.-Ing. Otto Schaefer, Hamburg. Lehrbuch der chemischen Technologie. Von Dr. H. Ost, Geh. Regierungsrat, Professor der technischen Chemie an der Technischen Hochschule zu Hannover. Siebente umgearbeitete Auflage. VIII und 732 Seiten. Mit 293 Abbildungen und 9 Tafeln. Hannover 1911. Dr. Max Jänecke. Geb. 16,– M. „Der Ost hat sich schon seit vielen Jahren als Lehrbuch an Hochschulen und zum Privatstudium bestens bewährt, so daß über die vorliegende siebente Auflage nicht viel Neues mehr zu sagen ist. Die mannigfachen Neuerungen, die seit dem Erscheinen der letzten Auflage Eingang in die chemische Industrie gefunden haben, sind in dem Buch in gebührender Weise verzeichnet, so finden wir – um nur einige Beispiele anzuführen – eine Beschreibung der Drehrohröfen der Zementindustrie, der Synthese des Ammoniaks, der Herstellung künstlicher Edelsteine und der Fabrikation des Quarzglases. Weiter ist neu aufgenommen ein Abschnitt über Torfverwertung und Kautschuk, wobei ebenfalls die synthetischen Arbeiten der letzten Jahre Berücksichtigung fanden. Das Kapitell über die Verwertung des Luftstickstoffes ist bedeutend erweitert worden, und ebenso hat die Darstellung der Gasindustrie den großen Fortschritten dieses Gebietes entsprechend eine Umarbeitung erfahren. Auch über Ballongase finden sich einige Angaben, doch hätten die Fabrikationsmethoden des Wasserstoffs, der doch heute schon eine ziemlich große Bedeutung hat, etwas eingehender behandelt werden dürfen. Erfreulicherweise hat trotz der zahlreichen Zusätze und Umarbeitungen das Buch nicht an Umfang zugenommen. Von den Abbildungen wurden viele durch neue und bessere ersetzt; ihre Gesamtzahl ist um 13 vermehrt worden. Die Angaben über die wirthschaftliche Bedeutung der einzelnen Industriezweige die schon immer ein Vorzug dieses Buches waren, sind durch Fortführung der statistischen Zahlen bis zum Jahre 1909 vervollständigt, so daß das Werk in jeder Beziehung auf der Höhe der Zeit steht. Das ausführliche Sachregister gestattet, das Buch auch zum Nachschlagen zu verwenden, so daß man es nicht nur den Studierenden, sondern auch den praktischen Chemikern zur Weiterbildung bestens empfehlen kann. Die klare Darstellung der Fabrikationsmethoden ermöglicht aber auch dem Ingenieur, dem Juristen oder dem Nationalökonomen, sich mit dam wichtigsten Verfahren der chemischen Industrie vertraut zu machen. A. Sander.