Titel: | Abhandlung über das Schlichten der Zeuge und Leinwand mittelst verschiedener Arten von Schlichten, vorzüglich aber mit salzsaurem Kalke. Von Hrn. Dubuc, dem älteren. |
Fundstelle: | Band 6, Jahrgang 1821, Nr. XII., S. 83 |
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XII.
Abhandlung über das Schlichten der Zeuge und Leinwand mittelst verschiedener Arten von Schlichten, vorzüglich aber mit salzsaurem
Kalke. Von Hrn. Dubuc, dem älteren.
Aus den Actes de l'Académie roy. des sciences, belles lettres et arts de Rouen pour 1820. in Journal de Pharmacie Juli 1821. S. 323. im Auszuge von B. F. G. Boullay.
Dubuc über das Schlichten der Zeuge.
In den zahlreichen Fabriken, in welchen die unter dem Namen
Rouennerie uͤberall bekannten Zeuge und
Leinwaͤnden verfertigt werden, hat man allgemein die Meinung, daß, wenn sie
von guter Qualitaͤt seyn sollen, sie in finsteren, kuͤhlen und
feuchten Gemaͤchern und mittelst einer Schlichte gearbeitet werden
muͤssen, die die Werkleute den Puz, Parement,
nennen.
Der Wunsch, einer so zahlreichen Menschenklasse, wie jene der Weber ist, zu
nuͤzen, und sie, wenn man so sagen darf, aus dem tiefen ungesunden Grabe, in welchem sie den
groͤßten Theil ihres Lebens uͤber lebendig begraben sind,
herauszuziehen, hat einen unserer Collegen veranlaßt, Versuche uͤber die
Natur und die Wirkungen dieses allgemein gebraͤuchlichen Puzes anzustellen
und zu sehen, ob es nicht moͤglich waͤre eine hygrometrische Schlichte
aufzufinden, welche lange Zeit die verlangte Eigenschaft behielte, ohne dem Gewebe
selbst zu schaden, so daß man folglich die sogenannte Rouennerie in
gesuͤnderen Zimmern, als jene unterirdischen Keller sind, welche man bisher
dazu bestimmte, verfertigen koͤnnteAuch die feinen hollaͤndischen Battiste werden nur in feuchten Kellern
unter der Erde gewebt. Man glaubt nicht, wie viele hundert Menschen
jaͤhrlich dadurch ihr Leben auf eine der leidenvollsten Todesarten
einbuͤssen, naͤmlich durch Wassersucht. Eine der
graͤßlichsten Wassersuchten, die der große Praktiker P. Frank nach 36 jaͤhriger Praxis gesehen
hatte, war die eines solchen Battist-Webers zu Wien, den dieser große
Arzt wegen der monstroͤsen Entstellung aller Theile seines
Koͤrpers durch diese Krankheit zeichnen ließ. Wer die Battist-
und Rouennerie-Weber aus ihren Kellern retten wird, verdient eine
Ehrensaͤule. A. d. Ueb..
„Meines Wissens“ sagt Hr. Dubuc
„hat man diesen Theil der Fabrik-Industrie, welcher das Schlichten
der Faden vor dem Eintragen mit der Schuͤze betrifft, bisher noch nicht
jener Aufmerksamkeit gewuͤrdigt, welche sie so sehr verdientWir wußten, daß man sich des kochsalzsauren Kalkes als hygrometrischen
Mittels zur Schlichte bedient; allein, dieses Verfahren, welches bisher
nur einigen Fabriken eigen war, wurde als eine. Art von Geheimniß
behandelt, dessen Entdekung von hoher Wichtigkeit ist. Anm. d. Redact.
d. Journal de Pharmacie.
, und die Bereitung einer guten Schlichte
So wollen wir fortan parement
uͤbersezen. A. d. Ueb. (parement) ist noch immer eine Art von
Geheimniß: man hat auch in verschiedenen Fabriken verschiedene Arten derselben.
Die einen enthalten Pflanzenschleim, die anderen thierische Gelatine als Basis, wodurch
nothwendig ihre Wirkung verschieden werden muß.“
Nachdem Hr. Dubuc den eigentlichen Zwek, welchen der Weber
bei Anwendung der Schlichte erreichen will, entwikelte, fand er, 1) daß dadurch die
Kette etwas Markiges, eine Art von Elasticitaͤt, erhaͤlt, indem die
Schlichte etwas in die Faden eindringt, und das Volumen derselben
vergroͤßert. Dadurch werden sie, mittelst des Mechanismus des Stuhles, in den
Stand gesezt, sich auf eine mehr gleichfoͤrmige Weise neben einander
anzulegen, wodurch das Gewebe sodann ein vortheilhafteres Ansehen gewinnt; 2) daß
die Schlichte die feinen aufstehenden Faͤserchen (le
duvet) niederlegt, und dadurch dem Gewebe selbst mehr Dichtigkeit und
Festigkeit verschafft.
Die Schlichte muß glatt, vollkommen gleichfoͤrmig, und von solcher Consistenz
seyn, daß sie in den Buͤrsten sich vollkommen vertheilen laͤßt, und in
allen Richtungen auf die Kette, ehe dieselbe verwebt wird, aufgetragen werden
kann.
„Seit einiger Zeit“ sagt Hr. Dubuc,
„hat man in verschiedenen Journalen eine Art von Schlichte
angekuͤndet, welche alle Eigenschaften zur Erreichung des
philanthropischen Zwekes, den wir zu erlangen suchen, zu besizen scheint; man
hoffte bereits die armen Weber durch Anwendung derselben ihren unterirdischen
Graͤbern entsteigen, und ihre Werkstuͤhle in gesuͤnderen
Wohnungen aufschlagen zu sehen. Diese Schlichte wird aus dem Mehle der Samen
einer Grasart bereitet, die wir wahrscheinlich aus den canarischen Inseln
erhielten, die aber nun auch in Frankreich einheimisch geworden ist. Sie ist die
Phalaris canariensis des Linne und der Botaniker, bei uns in Frankreich Alpiste, auch Millet long des grainetiers genanntBei uns heißt sie Canarien-Gras,
Canarien-Futter, gemeines
Glanzgras. A. d. Ueb..“
„Es scheint so ziemlich hinlaͤnglich erwiesen, daß dieses Mehl alle
jene Eigenschaften besizt, welche man ihm zuschrieb.“
„Ich habe mehrere male diese Art von Schlichte sowohl aus Samen, die von
den canarischen Inseln eingefuͤhrt werden, als auch aus solchen, die hier
um Rouen gebaut wurden, bereitet, versuchen lassen: sie war, sowohl aus diesen
wie aus jenen Samen, mild, lang, markig, vertheilte sich sehr gut in den
Buͤrsten, und ließ sich eben so gut auf die Faden auftragen, welchen sie
Gleichheit, Geschmeidigkeit und hinlaͤngliche Staͤrke ertheilte,
um das Gewebe eben so gut als schnell mittelst derselben arbeiten zu lassen;
allein bei allen diesen anerkannt guten Eigenschaften der Schlichte aus
Canariene Samenmehle zeigen sich doch zwei Hindernisse, die der Anwendung
derselben gar sehr im Wege stehen. Das erste ist der hohe Preis dieses
Samenmehles verglichen mit dem Rokenmehle, dessen sich die Passementirer
ziemlich allgemein zu ihm Schlichte bedienen; und da Wohlfeilheit bei Erzeugung
von Geweben aller Art eine Hauptsache ist, so wird der Weber sich schwerlich
entschließen eine Schlichte anzuwenden, deren hoher Preis seine Waare vertheuern
und seinen Gewinn an der Verfertigung derselben vermindern muß.“
„Ein zweites Hinderniß, welches der Einfuͤhrung der Schlichte aus
Canarien-Samenmehle in den Werkstaͤtten der Weber im Wege steht,
und welches noch weniger beseitigt werden kann, liegt in der Natur dieser Samen
selbst; das Mehl, welches, man aus denselben erhaͤlt, giebt, mit Wasser
abgekocht, eine schmuzig graue Schlichte, die zuweilen auch ins Gelblichte
zieht, deren Anwendung folglich den Geweben mit weißem Boden nachtheilig ist,
obschon sie uͤbrigens der Guͤte derselben keinen Eintrag thut, die
aber doch dem Absaze schaͤdlich ist.“
„Ein anderer Fehler, den man dieser Schlichte noch zuschreibt, ist der, daß das
Mehl, welches man aus den Canarien-Samen erhaͤlt, nie vollkommen
rein ist von den Rindentheilen dieser Samen. Diese Art von Kleye ist nicht im
Wasser aufloͤsbar; sie bleibt in der Schlichte schweben, und bildet daher
an den Faden kleine Erhabenheiten, welche, bei der Bewegung des Stuhles, das
haͤufigere Abspringen derselben veranlassen: indessen kann man, wie die
Weber sagen, bei einiger Aufmerksamkeit, und wenn man, ein paar Augenblike nach
dem Auftragen derselben ein paar Striche mehr mir der Buͤrste macht, den
Faden vollkommene Gleichheit geben, und sie von diesen fremden Koͤrpern,
die sich leicht entfernen lassen, vollkommen befreyen.“
„Nachdem ich die Eigenschaften der Schlichte aus
Canarien-Samenmehle mit Sorgfalt untersucht und beschrieben hatte,
entschloß ich mich zur Analyse dieses Mehles, um zu sehen, worin diese
hygrometrischen Eigenschaften desselben, das Markige, das sie den Faden
ertheilt, und die Farbe die sie durch Sieden mit Wasser der Schlichte mittheilt,
allenfalls gegruͤndet seyn koͤnnten: denn diese Eigenschaften
unterscheiden dieses Mehl wesentlich von dem Rokenmehle und von anderen
Substanzen, deren die Weber zur Verfertigung ihrer Schlichten sich
bedienen.“
„Ich werde die Geduld der Akademie nicht mit Erzaͤhlung des Details
meiner Versuche ermuͤden; nur halte ich es fuͤr zutraͤglich
ihr zu versichern, daß dieses Samenmehl mehr als jedes
andere Mehl aller uͤbrigen Getreidearten eine bedeutende Menge
kochsalzsauren oder hydrochlorsauren Kalkes, und einen gummiharzigen
Faͤrbestoff von bitterem zusammenziehenden Geschmake enthaͤlt, und
daß diesen beiden Bestandtheilen die hygrometrischen Eigenschaften, das Markige,
und die graue Farbe der aus demselben bereiteten Schlichte zuzuschreiben sind,
welche diese auf eine so ausgezeichnete Weise von den aus Weizen oder anderem
Staͤrkmehle bereiteten Schlichten unterscheiden.“
„Ich habe auf dieselbe Weise das Mehl aus Sorgho, oder runder Hirse (Sorgho ou millet rond, Milium
vulgare
Der Hr. Verf. bringt uns hier gerade dadurch,
daß er sehr bestimmt sprechen will, in die groͤßte Verwirrung.
Erstlich giebt es kein Milium vulgare,
und, durch den Zusaz Sorgho, weiß man
nun nicht, meint der Hr. Verfasser unser gemeines Panicum miliaceum, welches als Hirse uͤberall gebaut wird, oder Holcus Sorghum, das nur in Frankreich
und in waͤrmeren Weinlaͤndern mit Vortheile gebaut werden
kann. A. d. Ueb.) analysirt, welches gleichfalls gute Weberschlichte giebt. Dieses Mehl
enthaͤlt, wie das Canarien-Samenmehl, lochsalzsauren Kalk und
Faͤrbestoff. Ich glaubte dieß nur darum hier anmerken zu muͤssen,
um die Analogie zwischen demselben und dem Canarien-Samenmehle und die
Moͤglichkeit anzudeuten, daß es einst die Stelle des lezteren bei
Verfertigung der Staͤrke vertreten kann, wenn jemals der Preis des daraus
erhaltenen Mehles so niedrig werden sollte, um die Anwendung beider in den
Manufakturen moͤglich zu machen.“
„Aus meiner vergleichenden Analyse habe ich folgendes Resultat
gezogen:“
„Daß, wenn man den aus Roken- oder anderem weißen Mehle bereiteten
Schlichten eine gewisse hygrometrische Eigenschaft
geben wuͤrde, man hierdurch eine eben so gute Schlichte als aus der Phalaris canariensis erhalten koͤnnte,
und zwar ohne alle jene Fehler und Maͤngel, welche dieser eigen
sind.“
„Diesem zu Folge habe ich seit mehr als einem Jahre Schlichte aus
verschiedenen Arten von Samen- und Satzmehle, wie aus
Weizen-Roken-Erdaͤpfel-Mehle und aus Staͤrke bereitet und
bereiten lassen mit Zusaze von kochsalzsaurem Kalke und anderen schiklichen
Materialien. Alle diese Arten von Schlichten wurden nach und nach von
verstaͤndigen Webern gepruͤft, und ich habe ihre Anwendung
aufmerksam genug verfolgt, um versichern zu koͤnnen, daß sie in
Ruͤksicht auf Guͤte der aus Phalaris
canariensis erhaltenen Schlichte wenigstens gleich kommen, und
uͤberdieß noch mit dem kostbaren Vorzuge, sich lange Zeit gut zu
erhalten, den Vortheil verbinden, auf Gewebe von allen
Farben ohne Nachtheil fuͤr dieselben sich anwenden zu
lassen.“
Hier folgen die Recepte zu mehreren der oben erwaͤhnten Schlichten, deren
Anwendung vielleicht zur Loͤsung der beiden lezten am Anfange dieser
Abhandlung eingeruͤkten Fragen dienen kann, und die noch uͤberdieß die
Eigenschaft besizen, sich mehr dann zwei Monate lang ohne alles Verderben
aufbewahren zu lassen.
Schlichte aus Weizen- oder Korn-Mehle und kochsalzsaurem oder hydrochlorsaurem Kalke.
Man nehme von der einen oder anderen dieser beiden Mehlarten, jede von Kleyen
gehoͤrig gereinigt, ein Pfund, oder ein halbes Kilogramm; man
verduͤnne das Mehl mit einer hinreichenden Menge reinen Wassers (man wird
ungefaͤhr 4 Litres oder Pinten brauchenEin Litre = 0,70 Wiener-Maß. A. d. Ueb.; koche diese Mischung bei gelindem Feuer waͤhrend 8–10 Minuten
zur Bruͤhe unter staͤtem Umruͤhren, damit sie weder anbrennen,
noch sich braͤunen kann, was sowohl der Guͤte als dem Markigen der
Schlichte schaden wuͤrde: hierauf ziehe man den Topf vom Feuer zuruͤk,
und seze im Winter sechs Quentchen, im Sommer zwei Lothe eines, in den Apotheken
unter dem Namen kochsalzsauren Kalkes bekannten Salzes zu, welches man
vorlaͤufig in einem halben Glase Wassers zergehen ließ; man schuͤttle
alles gehoͤrig unter einander um das Salz gehoͤrig in die Mischung
einzuverleiben, und stelle hierauf diese Schlichte in einem irdenen oder steinernen
Topfe bei Seite. Man wird auf diese Weise ungefaͤhr sieben Pfunde Mark erhalten.
Eigenschaften dieser Schlichte.
Die auf diese Weise bereitete Schlichte ist schoͤn weiß, fuͤhlt sich
sehr sanft an, verbreitet sich sehr gut in den Buͤrsten und noch besser auf
den Faden, giebt der Kette ihr Markiges, ihre Geschmeidigkeit und die
uͤbrigen Eigenschaften, welche sowohl die Arbeit des Webers foͤrdern
als die Guͤte der Verfertigung aller Gewebe, welche derselben
beduͤrfen, sehr beguͤnstigen.
Schlichte aus Satzmehl von Erdaͤpfeln, kochsalzsaurem Kalke und arabischem Gummi.
Man nehme ein Pfund Erdaͤpfelmehl, gepuͤlverten arabischen Gummi zehn
Quentchen oder 40 Gramme; verduͤnne jedes mit vier Pinten Wasser, und lasse
es unter den oben angegebenen Vorsichtsregeln kochen; ziehe die Abkochung dann vom
Feuer zuruͤk, und seze sechs Quentchen oder zwei Loth kochsalzsauren
KalkTroknen, neutralen, salzsauren Kalk erhaͤlt man bei mir den Centner um
40 fl. D., nach Verschiedenheit der Jahreszeit, zu; die erhaltene Masse wird in einem
irdenen oder steinernen Topfe aufbewahrt.
Diese Schlichte von einem ungemein schoͤnen Weiß besizt alle Eigenschaften der
vorigen; nur wenn sie nicht gehoͤrig gekocht ist, scheidet sich eine
waͤsserige Fluͤssigkeit von derselben ab: man kann sie aber in ihrer
ganzen Guͤte wieder herstellen, wenn man sie vor dem Gebrauche
ruͤttelt, oder noch besser, wenn man sie neuerdings durch zwei bis drei
Minuten lang aufkochen laͤßt.
Schlichte aus Erdaͤpfel-Satzmehl, oder aus gemeiner aus Weizen, Korn, oder Gerste bereiteten Staͤrke, welcher man statt des
Gummi eine thierische Gallerte zusezt.
Man gießt ungefaͤhr zwei Pinten siedenden Wassers auf vier Lothe oder 64
Grammen geraspelten Hirschhornes oder Elfenbeines, bedekt das Gefaͤß, und
laͤßt diesen Aufguß 24 Stunden lang in heißer Asche stehen, dann 15–20
Minuten lang sieden, und seihet den Absub durch: dann verduͤnnt man ein Pfund
Erdaͤpfel-Satzmehl oder gewoͤhnliche Staͤrke in zwei
Pfunden und einem halben Wasser, sezt demselben die Abkochung von Hirschhorn zu, und
kocht daraus unter gehoͤriger Vorsicht die Schlichte: man zieht das
Gefaͤß vom Feuer zuruͤk, und mischt dann derselben auf das Genaueste
im oben angegebenen Verhaͤltnisse den kochsalzsauren Kalk bei: die Mischung
wird zum Gebrauche aufbewahrt.
Diese Art von Schlichte ist, wo sie mit Sorgfalt bereitet wird, von blendender Weiße,
und kann zur Verfertigung jeder Art von Gewebe dienen, sie schikt sich aber
vorzuͤglich zu ganz weißen, oder wenigstens zu solchen Stoffen, die
groͤßten Theiles weiß sind.
Statt des Hirschhornes oder Elfenbeines kann man eine Unze schoͤnen
Tischlerleimes, vorzuͤglich den hellen Elsasser (colle
claire dite d'Alsace), gebrauchen, den man
vorlaͤufig in drei Glaͤsern Wassers zergehen laͤßt: auch auf
diese Weise erhaͤlt man eine schoͤne und gute Schlichte.
Man muß diejenigen, die der Schlichte beduͤrfen, nothwendig auf den Umstand
aufmerksam machen, daß der Zusaz fremder Koͤrper zu dem Korn- oder
Satzmehle den Preis derselben kaum merklich vertheuertDie zehn Quentchen arabischen Gummi kosten ungefaͤhr 10 Centimes; das
geraspelte Hirschhorn oder der Leim kostet 8 Centimes; der kochsalzsaure
Kalk 10 Centimes; das Erdaͤpfel-Satzmehl 15 Centimes. Aus diesen
verlaͤssigen Angaben erhellt, daß Schlichte aus sogenanntem
Gesundheits-Mehle (farine dite de
santé) nicht hoͤher zu stehen kommen wird, als wenn
man sie aus dem schoͤnsten Weizen-Mehle bereitete,
vorausgesezt daß, wie in mittleren Jahren, das Pfund des lezteren 5–6
Sous gilt.. Eben so muß auch noch bemerkt werden, daß die gewoͤhnliche Staͤrke, das Satzmehl der
Erdaͤpfel, ja selbst das Rokenmehl, wo es mit Wasser abgekocht wird, wohl
fuͤr sich allein im Stande ist eine Art Schlichte zu bilden; daß aber diese
Schlichte, wie die Weber sagen, zu sehr austroknet, und weit entfernt ist, jenes
Markige und jene guten Eigenschaften zu besizen, welche diejenigen, zu denen wir das
Recept gegeben haben, so sehr auszeichnetWir uͤbergiengen hier einige Wiederhohlungen, und die aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement und die aus dem Bulletin de
la Société d'Encouragement und dem Mémoire d'Agriculture et d'industrie du
departement de la Seine inférieure Nr. 3.
angefuͤhrten Stellen zu Gunsten der Schlichte aus Phalaris canariensis. A. d. Ueb..
Um nun zu bestimmen: „ob die unter der Erde, in Kellern und in anderen
unterirdischen Oertern auf gewoͤhnliche Weise verfertigten Gewebe
wirklich besser und mehr kaufbare Waare sind, als jene, welche man mit
hygrometrischer Schlichte uͤber der Erde verfertigt,“ wurden
vergleichende Versuche unter den Augen einer, von der Akademie ernannten
KommissionDie Mitglieder dieser am 5. Mai 1820. ernannten Kommission waren die Hrn. Pavie, Marquis und Dubuc, welche sich als Gehuͤlfen Hrn. Yvart, einen sehr geschikten Fabrikanten zu Darnetal erbathen. A. d. O. angestellt, und es wurde erwiesen, daß Gewebe, welche mit einer Schlichte,
zu der man kochsalzsauren Kalk genommen hat, zugerichtet worden sind, weniger
schnell abtrokneten, als jene, bei denen man die gewoͤhnliche aus bloßem
Mehle bereitete Schlichte angewender hat; daß die mit kochsalzsaurem Kalke bereitete
Schlichte dem Gewebe mehr
Fettigkeit, einen besseren Griff (plus de main) giebt,
als die gewoͤhnliche Schlichte, und daß diese Eigenschaften, wohl hinreichen,
dem armen Weber zu erlauben, sein Tagewerk uͤber der Erde zu vollenden.
In dem uͤber diese Versuche erstatteten Berichte glauben zwei Mitglieder der
Kommission, daß es moͤglich sey aus den Samen der Phalaris canariensis ein Mehl zu erhalten, welches
vollkommen von fremden Koͤrpern gereinigt, und weiß genug ist, um auf
wohlfeile Art eine Schlichte zu bereiten, die von allen oben angegebenen Nachtheilen
befreyt ist. Wenn es ihnen gelingt, so wird dieß ein neuer Dienst seyn, den sie der
Menschheit leisten.
Dem Zeugnisse der Kommission kann man auch jenes des Hrn. Dubuc beifuͤgen,
welcher durch 15 Monate feine Schlichten von geschikten Fabrikanten und Webern unter
verschiedenen oͤrtlichen Verhaͤltnissen mit
anhaltend gutem Erfolge versuchen ließ.
Es ward ferner noch durch zahlreiche Versuche erwiesen, daß die mit kochsalzsaurem
Kalke versezte Schlichte auf keine Weise die sogenannten unhaltbaren Farben
angreift, und selbst nicht in die Laͤnge der Zeit;
eine Eigenschaft, welche die Anwendung derselben auf alle Arten von Fabrikaten
gestattet, vorzuͤglich aber bei jenen mit weißem Boden, welchen sie mehr
Glanz und ein Ansehen giebt, das matt bei der gewoͤhnlichen Schlichte
vergebens suchen wird.
Aus der Abhandlung des Hrn. Dubuc erhellt demnach in Folge
genau entwikelter Versuche, daß die Schlichten mit kochsalzsaurem oder
hydrochlorsaurem Kalke, wenn sie gehoͤrig bereitet sind, den Webern gestatten
uͤberall ihre Stuͤhle aufzuschlagen und auf denselben Waaren zu
erzeugen, die weder au Guͤte noch an aͤußerem Ansehen denjenigen
nachstehen, welche in Kellern und unterirdischen Gewoͤlbern verfertigt
werden, wo die Gesundheit der Arbeiter so vielen Gefahren bloß gestellt ist.