| Titel: | Auszug aus dem Berichte der HH. Thénard und Berthollet über eine Abhandlung des Hrn. Chevreul die Theorie der Alkalien betreffend. | 
| Fundstelle: | Band 6, Jahrgang 1821, Nr. LIII., S. 319 | 
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                        LIII.
                        Auszug aus dem Berichte der HH. Thénard und Berthollet uͤber eine Abhandlung des Hrn. Chevreul die Theorie der Alkalien betreffend.
                        Aus dem Annales de Chimie et de Physique. Sept. 1821. p. 62.
                        Chevreul's Abhandlung die Theorie der Alkalien betreff.
                        
                     
                        
                           Hr. Chevreul sucht in dieser
                              Abhandlung die Ursache zu bestimmen, welche das neue Gleichgewicht veranlaßt, worin
                              die Elemente der Produkte der Seifenbildung sich befinden, und welches von jenem, in
                              welchem die Theile der fetten Koͤrper sich vor der Einwirkung der Alkalien
                              befanden, so sehr verschieden ist.
                           Es gehoͤrt zur Natur der Alkalien, daß sie eine große Verwandtschaft zu den
                              Sauren besizen, und dieser kraͤftigen Verwandtschaft ist die Aufhebung des
                              wirklichen Gleichgewichts der Elemente fetter Koͤrper zuzuschreiben, um
                              dadurch dasjenige herzustellen, in welchem diese Elemente eine große Wirkung auf sie
                              aͤußern, und wodurch zwei Saͤuren hervorgebracht werden. Diese
                              Veraͤnderungen muͤssen also der alkalischen Kraft zugeschrieben
                              werden. Und wenn dieß der Fall ist, so muß die Seifenbildung durch Basen geschehen,
                              welche faͤhig sind Salze zu werden, und eine gewisse Kraft besizen. Und dieß
                              hat Hr. Chevreul auch wirklich beobachtet, indem er Fett der Einwirkung der Soda des
                              Barytes, des Strontian, des Kalkes, des gelben Blei-Oxides und des
                              Zink-Oxides aussezte. Er bemerkte ferner, daß, wenn man eine gewisse Menge
                              Fettes mit einer gewissen Menge Pottasche behandelt, welche unzureichend ist jene
                              Saͤuren zu neutralisiren, die dieses Gewicht von Fett zu erzeugen vermag, die
                              Menge Fettes, welche sich in Seife verwandelt, in Verhaͤltnisse zu der Menge
                              der angewandten Pottasche steht, und daß der Ueberschuß an Fett in seinen urspruͤnglichen
                              Eigenschaften wieder zum Vorscheine kommt.
                           Bittererde und Ammonium haben jedoch, obschon beide starke alkalische Kraft besizen,
                              in den vor mehreren Jahren angestellten Versuchen keine Seifenerzeugung
                              hervorgebracht, und der Hr. Verfasser unterzog dieselben neuen Versuchen, um den
                              Einwuͤrfen zu begegnen, welche man auf die Unthaͤtigkeit dieser beiden
                              Basen stuͤzen koͤnnte.
                           Ein Teig aus gleichen Theilen Bittererde und Fett, der Luft durch zwei Jahre
                              uͤber ausgesezt, hat sich nicht in Seife verwandelt. Bittererde-Hydrat
                              aber, wenn man dasselbe mit gleichen Theilen Fettes dem Gewichte nach im Wasser
                              erhizt, vereinigt sich damit so, daß man es nicht mehr davon trennen kann, wenn man
                              auch die Temperatur bis auf 100 Grade vermehrt, und wenn man fortfaͤhrt,
                              diese Mischung der Hize auszusein, so tritt ein Augenblik ein, in welchem die
                              Seifenbildung vollkommen, und das Fett in Margarik-Saͤure, in
                              Oelsaͤure und in mildes Princip verwandelt ist.
                           Hr. Chevreul brachte Schweinfett in Wasser, welches er spaͤter mit Ammonium
                              saͤttigte. Er unterhielt diese Mischung 14 Monate lang, und seihte hierauf
                              mehrere Male eine dichte Fluͤßigkeit durch, in welcher das Fett
                              groͤßten Theils beinahe in seinem natuͤrlichen Zustande geblieben ist.
                              Die durchgeseihte Fluͤßigkeit gab aber unzweideutige Kennzeichen von
                              Margariksaͤure, Oelsaͤure, und mildem Principe. Man sieht hieraus, daß
                              das Ammonium bei der gewoͤhnlichen Temperatur nur mit vieler Schwierigkeit
                              das Fett in Seife verwandelt.
                           Hr. Chevreul versuchte die Seifenbildung mit anderen chemischen Phaͤnomenen in
                              Verbindung zu sezen, und bemerkt die Aehnlichkeit, welche zwischen derselben und der
                              Aufloͤsung des Eisens und des Zinkes in verduͤnnter
                              Schwefelsaͤure Statt hat. Bei ersterer bestimmt die alkalische straft die Bildung der
                              Saͤuren; bei der zweiten ist es die Kraft der Saͤure, welche die
                              Erzeugung einer alkalischen Basis entwikelt.
                           Er pruͤft hierauf die Wirkung einer alkalischen Basis, der Pottasche, wenn
                              diese durch Verbindung mit Kohlensaͤure geschwaͤcht ist. Er
                              laͤßt Fett mit kohlensaurer Pottasche kochen, und erhaͤlt dann alle
                              Produkte der Seifenbildung. Die Seifenmasse, sorgfaͤltig von der
                              Fluͤßigkeit abgesondert, enthaͤlt keine Kohlensaͤure. Diese
                              Saͤure wurde also von der Pottasche ausgeschieden indem diese sich mit der
                              Margarik- und Oelsaͤure verband.
                           Die kohlensaure Verbindung wirkt hier nur basisch, indem sie durch das bloße Sieden
                              basisch wird. Hr. Chevreul waͤhlte sie, um der Reinheit des angewandten
                              Alkali sicher zu seyn; behandelt man aber basische kohlensaure Pottasche mit Fett,
                              so sieht man im Anfange der Operation, daß derjenige Theil der basischen
                              kohlensauren Pottasche, welcher in die sich bildende Seife uͤbergeht, seine
                              Kohlensaͤure an einen anderen Theil der basischen kohlensauren Verbindung
                              abtritt, welche dadurch kohlensauer wird.
                           Hr. Chevreul hat vier Jahre lang in einer an einen dunklen Ort gestellten Flasche
                              eine sehr innige Mischung von Fett und basisch kohlensaurem Ammonium aufbewahrt. Er
                              untersuchte nach vier Jahren die Produkte der langsamen Einwirkung dieser
                              Koͤrper mit desto groͤßerer Sorgfalt, als er dadurch auf interessante
                              Folgen gefuͤhrt zu werden vermuthete. Wir koͤnnen hier bloß bei den
                              Resultaten seiner Beobachtungen stehen bleiben.
                           Das basisch kohlensaure Ammonium hat, bei der gewoͤhnlichen Temperatur, einen
                              Theil des Fettes vollkommen in Seife umgebildet; allein ein anderer Theil desselben
                              blieb vollkommen unveraͤndert, obschon noch ein Ueberschuß aufbrausenden Ammoniums vorhanden war.
                              Hr. Chevreul meint, daß jener Theil des Ammoniums, welcher die Saͤuerung des
                              Fettes hervorbrachte, seine Kohlensaͤure einem Theile seiner basischen
                              kohlensauren Verbindung darboth, die in den Zustand von kohlensaurer Verbindung
                              uͤberging, und die dann nicht mehr auf das uͤberschuͤßige Fett
                              wirken konnte. Hr. Chevreul wendet diese vorhergegangenen
                              Beobachtungen auf jenes Fett an, welches Fourcroy in den ausgegrabenen Leichen des
                              Kirchhofes des Innocens beobachtet und beschrieben hat.
                              Dieser gelehrte Chemiker verwechselte aber an diesem Produkte, indem er behauptet,
                              daß es eine selbst gebildete Ammonium-Seife waͤre, unter dem Namen Adipocire, den Wallrath und den krystallisirenden
                              Gallenstein. Hr. Chevreul hat die Unterschiede dieser beiden Substanzen dargestellt.
                              Er hat die Eigenschaften der lezteren unter dem Namen Cholesterine, der ersteren unter dem Namen Cetine beschrieben, und die Benennung Adipocire fuͤr das Leichenfett beibehalten. Er hat gezeigt, daß
                              dieses Adipocire aus Margarik-Saͤure, aus Oel-Saͤure,
                              und aus pomeranzenfaͤrbigen Principe besteht.
                           Er bestaͤtigt durch seine neueren Beobachtungen, daß die Bildung des Adipocire
                              der Einwirkung des Ammoniums, oder vielmehr des basisch kohlensauren Ammoniums
                              zuzuschreiben ist, welches ein Produkt der Faͤulniß des fetten und vielleicht
                              des stikstoffhaltigen Theiles der thierischen Substanz ist. Er zeigt den Ursprung
                              und die Zusammensezung des pomeranzenfarbigen Principes, und theilt mehrere neuere
                              Beobachtungen uͤber die Faͤulniß mit.
                           Er schließt mit allgemeinen Betrachtungen uͤber die Wirkung der Alkalien und
                              der Saͤuren, welche wechselseitig die Bildung einer Substanz veranlassen, mit
                              welcher sie sich ihrer Natur nach nicht mehr verbinden koͤnnen, und die also
                              eine Kraft aͤußern, welcher groͤßtentheils jene Verwandlungen zuzuschreiben sind,
                              wodurch sie erkannt wurde. Dieser Wirkung ist ohne Zweifel der Ursprung einer großen
                              Menge chemischer Erscheinungen, selbst in der thierischen Oekonomie, zuzuschreiben,
                              und sie kann zur Belebung der Industrie hoͤchst nuͤzlich werden.