| Titel: | Allgemeine Betrachtungen über den gegenwärtigen Zustand der fortschaffenden Mechanik. Von Joseph Ritter von Baader, k. b. Oberstbergrath und Maschinen-Direktor. | 
| Autor: | Honorar-Prof. Dr. Joseph Baader [GND] | 
| Fundstelle: | Band 6, Jahrgang 1821, Nr. LIV., S. 323 | 
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                        LIV.
                        Allgemeine Betrachtungen über den gegenwärtigen Zustand der fortschaffenden MechanikAus dessen naͤchstens zu erscheinenden groͤßern Werke
                                 „Neues System der fortschaffenden Mechanik, zur Erleichterung des
                                    Transportes aller Waaren und Produkte, zur Belebung des Handels und
                                    Gewerbfleißes, zur Befoͤrderung des Akerbaues, des innern Verkehrs
                                    und des National-Wohlstandes aller Laͤnder,“
                                 woruͤber Bd. 5. Heft 4. S. 498. in diesem Journal eine den Inhalt dieses
                                 interessanten Werkes naher bezeichnende Anzeige zu lesen ist. Die zu diesem
                                 Werke gehoͤrige Kupfer sind vortrefflich ausgefuͤhrt, und die
                                 Ilumination derselben laͤßt nichts zu wuͤnschen uͤbrig. Den
                                 zweiten Abschnitt „Geschichte und Beschreibung der englischen
                                    Eisenbahnen – ihre Kosten – ihre Wirkung – ihre
                                    Vorzuͤge vor den gewoͤhnlichen Straffen und vor den
                                    schiffbaren Kanaͤlen – ihre Maͤngel und
                                    Unbequemlichkeiten werden wir nebst den hiezu gehoͤrigen Abbildungen
                                    in einem der folgenden Hefte in diesem Journal mittheilen. D.
                                 . Von Joseph Ritter von Baader, k. b. Oberstbergrath und Maschinen-Direktor.
                        v. Baader's allgemeine Betrachtungen über den gegenwärtigen Zustand der fortschaffenden Mechanik.
                        
                     
                        
                           1. Wenn man den hohen Grad von Vollkommenheit in
                              Erwaͤgung zieht, zu welchem, die hebende Mechanik,
                              oder die Kunst, Lasten aller Art (wozu auch Wasser gehoͤrt) in senkrechter
                              Richtung empor zu schaffen, durch eine unzaͤhlige Menge der sinnreichsten und
                              vorteilhaftesten Erfindungen in den neuesten Zeiten gebracht worden ist, und wenn
                              man damit den gegenwaͤrtigen Zustand der fortschaffenden Mechanik, d.i. der Kunst, Lasten in horizontaler Richtung
                              auf der Oberflaͤche der Erde von einer Stelle zur andern zu bringen,
                              vergleicht, (welche doch offenbar weit wichtiger und unentbehrlicher als die Erste
                              ist, da fuͤr einen aufwaͤrts zu hebenden Zentner uͤberall
                              mehrere Tausende von Zentnern in laͤngere oder kuͤrzere Entfernungen
                              taͤglich fortgeschaft werden muͤssen, da der Absaz und Austausch aller
                              moͤglichen Erzeugnisse, uͤberhaupt aller Handel und alles
                              buͤrgerliche Verkehr davon abhaͤngt) so muß man daruͤber
                              erstaunen, daß dieser leztere Theil der Bewegungskunst, so zu sagen, noch in seiner
                              Wiege liegt, oder vielmehr, daß wir, allgemein und aus wissenschaftlichem
                              Gesichtspunkte betrachtet, eigentlich noch gar keine fortschaffende, sondern nur
                              eine fortschleppende Mechanik haben.
                           2. So hart und wenig erfreulich oder schmeichelhaft diese Behauptung auch klingen
                              mag, so ist doch die Wahrheit derselben leider! nur zu offenbar. So z.B. befindet
                              sich die Schifffahrt auf Stroͤmen im allgemeinen noch groͤßtentheils
                              in demselben, freylich aͤußerst einfachen, aber auch ganz barbarischen und
                              unmechanischen Zustande, in welchem sie vor Jahrtausenden war. Auf den meisten
                              Fluͤssen in unserm Welttheile ist die Fahrt gegen den Strom (der sogenannte
                              Schiffzug) mit so großen Schwierigkeiten und Kosten verbunden, dabei so langsam und
                              beschwerlich, auch mitunter gefaͤhrlich, daß man, besonders wo die
                              Stroͤme sehr reissend sind, und große Umwege durch verschiedene
                              Kruͤmmungen bilden, dieselbe Reise mit denselben Ladungen oft leichter und
                              wohlfeiler, in jedem Falle schneller und sicherer, auf dem platten Lande
                              zuruͤk legt.
                           Wer nur einmal Gelegenheit gehabt hat, einen solchen Schiffzug auf der Donau (in
                              Baiern oder in Oberoͤsterreich) zu sehen, wo an einzelnen Stellen oft dreißig
                              und mehr der staͤrksten Pferde mit eben so vielen Reutern auf ihren
                              Ruͤken, einen besondern Anfuͤhrer (den sogenannten Stangenreuter) mit einer langen Stange zum Sondiren des
                              Grundes an ihrer Spize, alle bis an die hoͤlzernen Saͤttel im Wasser,
                              unter dem fuͤrchterlichsten Geschrey und in bestaͤndiger Todesgefahr,
                              an einem oder einem Paar beladener Schiffe so schwer, angestrengt und langsam
                              schleppen, daß man zuweilen ihre Bewegung kaum gewahr wird, und in banger
                              Ungewißheit schwebt, ob das Schiff von den Pferden vorwaͤrts, oder die Pferde
                              von dem Schiffe ruͤkwaͤrts gezogen werden, und daß der Zug im
                              laͤngsten Tage kaum eine deutsche Meile zuruͤk legt, der kann gewiß
                              von dem mechanischen Werthe unserer Flußschifffahrt keine
                              hohe Idee haben, und denenjenigen nicht Unrecht geben, welche diese
                              Schiffzuͤge eine bestaͤndige Satyre auf die Mechanik nennen.
                              –
                           Abwaͤrts geht zwar die Fahrt auf solchen Stroͤmen, wo diese breit und
                              tief genug sind, sehr gut, und zwar desto schneller, je langsamer es
                              aufwaͤrts geht, und sie ist in dieser Richtung, da solche, außer dem Steuern, weder irgend einer
                              Kraft, noch einer Kunstbeihilfe bedarf, unstreitig die leichteste, einfachste und
                              wohlfeilste Art von Transport, wiewohl auch nicht immer die sicherste und
                              gefahrloseste. Da indessen der eigentliche Zwek jeder commerziellen Verbindung
                              gegenseitiger Austausch der verschiedenen Produkte von einer Gegend in die andere,
                              von einem Lande ins andere, und das erste Erforderniß zu einem vortheilhaften
                              Landesverkehre ein schikliches Verhaͤltniß und Gleichgewicht zwischen Fracht
                              und Ruͤkfracht ist, so kann unsre Flußschifffahrt uͤberhaupt in ihrem
                              gegenwaͤrtigen Zustande nur auf sehr langsamen Stroͤmen wahren und
                              ausgedehnten Nuzen schaffen, auf schnellen oder reissenden Stroͤmen hingegen,
                              wo der Transport nur in einer Richtung leicht, schnell und wohlfeil, in der
                              entgegengesezten Richtung aber oft zwanzigmal beschwerlicher, langsamer und
                              kostbarer ist, oder wo gar keine Ruͤkfracht auf denselben Fahrzeugen statt
                              findet, wo zu jedem einzelnen Zuge abwaͤrts neue Schiffe oder Floͤsse
                              gebaut werden muͤssen, welche nicht wieder zuruͤkkehren, sondern am
                              Ziele ihrer ersten Reise zerschlagen und als Holz verkauft werden – nie einen
                              bedeutenden und allgemeinen Vortheil gewaͤhren, und hoͤchstens nur zu
                              einem einseitigen Ausfuhrhandel solcher Produkte dienen, deren staͤrkster
                              Absaz zufaͤlliger Weise mit der Richtung des Stromes
                              uͤbereintrift.
                           3. Man hat zwar diese Hindernisse und Maͤngel der Fluß-Schifffahrt in
                              den neuesten Zeiten durch die Einfuͤhrung der Dampfboote zu heben und zu verbessern gesucht, welche, da die bewegliche
                              Kraft des elastischen Wasserdampfes, nach den Dimensionen der durch dieselbe
                              betriebenen Maschinen, jeder erforderlichen Wirkung angemessen werden kann, mit den
                              schwersten Ladungen nicht nur im stillen Wasser, sondern selbst gegen
                              Stroͤme, deren Lauf ziemlich schnell ist, mit oder ohne Beihilfe des Windes,
                              und mit bedeutender Geschwindigkeit fortkommen; und wirklich hat diese Erfindung in
                              den nordamerikanischen Freystaaten sich schon mit dem gluͤklichsten Erfolge,
                              im groͤßten Maßstabe und in der weitesten Ausdehnung bewaͤhrt, da auf
                              den ungeheuren Stroͤmen jenes Welttheiles, welche aͤußerst langsam
                              fließen, das Aufwaͤrtsfahren uͤberhaupt keinen sonderlich starken
                              Widerstand leidet, und zum Theile selbst durch die sehr weit Landeinwaͤrts
                              zuruͤk wirkende Meeresflut periodisch beguͤnstigt wird. Allein mehrere
                              Versuche dieser Art, welche seit einigen Jahren auf unsern groͤßten deutschen
                              Stroͤmen (z.B. dem Rhein und der Donau) mit bedeutenden Kosten und mit aller
                              erforderlichen Geschiklichkeit unternommen wurden  haben an dem zu großen Aufwande
                              von Brennmaterial gescheitert, welcher zum Betriebe so maͤchtiger Maschinen
                              erfordert wurde, und die Kosten des gewoͤhnlichen Schiffzuges durch Pferde
                              weit uͤberstieg. Man darf daher wohl uͤberhaupt annehmen, daß die
                              Dampfschifffahrt nur auf sehr langsam fließenden Stroͤmen, an welchen
                              zugleich gute Steinkohlen im Ueberfluß und sehr wohlfeil zu haben sind, mit Vortheil
                              anwendbar ist, und daß der Gebrauch dieses neuen Transportmittels auf Fluͤßen
                              und Stroͤmen nie allgemein werden kann.
                           4. Die gegrabenen Kanaͤle, deren Anlage und
                              Gebrauch den Egyptern und Chinesen schon in den entferntesten Zeitaltern bekannt
                              waren, sind zwar in den beiden lezten Jahrhunderten durch die Erfindung der
                              Kammerschleußen und einiger andern kuͤnstlichen Vorrichtungen wesentlich
                              verbessert, und zu einem hohen Grade von Vollkommenheit gebracht worden, und
                              gewaͤhren einen ungleich vortheilhaftern, leichtern, bequemern, sicherern,
                              und einer groͤßern Ausdehnung faͤhigen Wassertransport, als die
                              meisten Fluͤße und Stroͤme, welche schiffbar zu machen, wenn sie es
                              nicht schon von Natur sind, oft mit so vielen oder noch mehreren Schwierigkeiten und
                              Kosten verbunden ist, als die Herstellung eines in derselben Richtung und Lange
                              gegrabenen Kanals. Wirklich sind diese kuͤnstlichen Wasserstrassen in manchen
                              Laͤndern, besonders in flachen Gegenden, wie z.B. in Holland, in England, in
                              der Lombardey, fuͤr die Erleichterung der innern Communikation und der
                              Ausfuhr, und fuͤr die Befoͤrderung des Handels von dem groͤßten
                              Nuzen, und sie waͤren uͤberhaupt das zwekmaͤßigste und
                              vollkommenste Transportmittel fuͤr allen innern Verkehr, wenn ihre Anwendung
                              in technischer und oͤkonomischer Hinsicht allgemein moͤglich, und
                              nicht so vielen, großen Schwierigkeiten und Unbequemlichkeiten verschiedener Art,
                              und oft unuͤbersteiglichen Localhindernissen unterworfen waͤre.
                           5. Fuͤrs Erste erfordert die Anlage und Unterhaltung solcher Kanaͤle,
                              wenn sie nicht als bloße Graben durch ganz horizontalen Grund und zwar im
                              leichtesten Boden gefuͤhrt werden koͤnnen (welches selten, wenigstens
                              auf lange Streken, thunlich ist) mit den dazu gehoͤrigen Schleußen,
                              Bruͤken, Kanalbruͤken (ponts aqueducs)
                              Wasserzuleitungen und Behaͤltern, Schlammkasten, Grundablaͤssen,
                              Ueberfaͤllen, Daͤmmen und Zugpfaden und andern kuͤnstlichen und
                              kostbarren, doch unentbehrlichen Vorrichtungen ungeheure Summen, welche sich nur in
                              solchen Laͤndern verzinsen und ersezen koͤnnen, wo die
                              Bevoͤlkerung, die Menge und Thaͤtigkeit der Fabriken und Manufakturen, die
                              Lebhaftigkeit des innern Verkehrs, des Transit- und aͤußern Handels
                              die hoͤchste Stuffe erreicht haben, wo daher solche Kanaͤle
                              unaufhoͤrlich mit befrachteten Barken, welche aufwaͤrts und
                              abwaͤrts gehen, gleichsam bedekt sind, wie dieses in England,
                              vorzuͤglich in der Naͤhe großer Seehaͤfen und
                              Welthandelsplaͤze der Fall ist, wo z.B. auf dem Kanal von Leeds allein
                              jaͤhrlich gegen 12 Millionen Zentner hin und her transportirt werden, welches
                              auf jeden Arbeitstag im Durchschnitte 40000 Zentner betraͤgt. In jedem andern
                              Lande hingegen, wo die Aus- und Einfuhr, der Transit und der innere Verkehr
                              nicht so bedeutend sind oder werden koͤnnen, sind und bleiben diese
                              Wasser-Straffen viel zu kostbar, und die hiezu erforderlichen ungeheuren
                              Kapitalien koͤnnen weder aufgetrieben, noch durch die zu erhaltenden
                              Vortheile verzinset werden.
                           Der beruͤhmte große Kanal von Languedoc (Canal
                              du Midi) welcher in der lezten Haͤlfte des 17ten
                              Jahrhunderts gebaut wurde, hat, ohne die nach seiner Vollendung noch vorgenommenen
                              Abaͤnderungen und Zusaͤze, 17 1/2 Millionen Livres gekostet, welches
                              nach dem jezigen Werthe des Geldes, der Arbeit und Materialien 33 Millionen macht.
                              Da die ganze Laͤnge dieses Kanals 32 deutsche Meilen oder 64 geometrische
                              Stunden betraͤgt, so kostet jede Stundenlaͤnge im Durchschnitte
                              515,625 Livres oder 236,328 Gulden Rheinisch.
                           Dieser Kanal, welcher den Ocean mit dem mittellaͤndischen Meere verbindet,
                              welcher Schiffe von 2000 Zentner Ladung traͤgt, und auf welchem
                              jaͤhrlich gegen drei Millionen Zentner von Waaren und Produkten aller Art
                              verfuͤhrt werden, hat, nach einer Tabelle, welche der franzoͤsische
                              General Andreossi in seiner Histoire du canal de Midi (S. 345.) liefert, von dem Jahre 1686 bis zum
                              Jahre 1791, also in 106 Jahren, uͤber Abzug der sehr bedeutenden
                              Unterhaltungs-Kosten einen reinen Ueberschuß (Produi
                                 net) von 31,784,641 Livres, also im Durchschnitte jaͤhrlich 299,855
                              Livres eingetragen, wornach diese Anlage freilich als eine in oͤkonomischer
                              oder finanzieller Hinsicht sehr vortheilhafte Unternehmung erscheinen sollte. Es ist
                              indessen wohl zu bemerken, daß bei dieser Berechnung fuͤr die Zinsen des
                              Anlagkapitals durchaus Nichts in Ausgabe angesezt ist. Nimmt man dieses, nach dem
                              damaligen Werthe des Geldes, und nach der wirklichen ersten Auslage, nur zu 17 1/2
                              Millionen Livres an, ohne die vielen spaͤterhin vorgenommenen sehr kostbaren
                              Abaͤnderungen, Verbesserungen und neue Bauten in Anschlag zu bringen, so
                              betragen diese Zinsen 875,000 Livres, und es zeigt sich also bei diesem so
                              beruͤhmten, durch den großen Welthandel von zweien Meeren
                              beguͤnstigten, und mit der groͤßten Geschiklichkeit
                              ausgefuͤhrten Kanale statt eines finanziellen Gewinnes ein wirkliches
                              Deficit, ein reiner Verlust oder eine Einbusse von jaͤhrlich 575,145 Livres
                              oder 263,608 Gulden Rheinisch! –Der Kanal von Languedoc ist, wie der verdienstvolle Ritter von Gerstner sehr richtig bemerkt hat, nicht so sehr
                                    wegen des Handels, als vielmehr zur Erleichterung der Kriege gegen Spanien
                                    erbaut worden. Eben so hat der roͤmische Feldherr Drusus in Belgien
                                    von seinen Soldaten die Yßel graben lassen, um die noͤrdlichen
                                    deutschen Provinzen mit mehr Vortheil bekriegen zu koͤnnen. Die
                                    meisten Kanaͤle in den niederlaͤndischen Provinzen sind
                                    hauptsaͤchlich zur Entwaͤsserung der Laͤndereyen
                                    angelegt, und werden fuͤr den Handel nur gelegenheitlich nebenher
                                    benuͤzt. Da in solchen Faͤllen von den Frachten nur ein
                                    kleiner Beitrag zur Verguͤtung der Bau- und
                                    Unterhaltungskosten der Kanaͤle gefordert wird, so ergibt sich
                                    allerdings fuͤr den Transport auch eine vortheilhafte Rechnung. Bloß
                                    fuͤr den Handel waͤren diese großen Unternehmungen nie zu
                                    Stande gekommen, und bloß fuͤr diesen Zwek dergleichen in
                                    Laͤndern, wo kein außerordentlich starker Handelsverkehr statt findet
                                    oder zu erwarten ist, vorzuschlagen, gehoͤrt zu den ungereimtesten
                                    Finanzprojekten von einiger sogenannten Kameralisten, welche von
                                    hydrotechnischen Gegenstaͤnden keinen richtigen Begriff haben, oder
                                    von Straßen- und Wasserbau-Direktoren, welche die ersten
                                    Anfangsgruͤnde dieses Faches noch zu erlernen haben. – Man
                                    sehe: „Zwei Abhandlungen uͤber Frachtwagen und Straßen, und
                                       uͤber die Frage, ob, und in welchen Faͤllen der Bau
                                       schiffbarer Kanaͤle, Eisenwege, oder gemachter Straßen
                                       vorzuziehen sey. etc.“ von Franz Ritter von Gerstner etc.
                                    Prag, 1813.
                              
                           Von den vorzuͤglichsten, seit 50 Jahren in England nach weit kleinern
                              Dimensionen, in groͤßtentheils flachen Gegenden, welche keine besondern
                              Schwierigkeiten darboten, angelegten Kanaͤlen, welche nur Barken von 400 bis
                              500 Zentner Ladung fuͤhren, waren die genauen Kosten (vor 30 bis 40 Jahren)
                              folgende:
                           
                              
                                 Von dem Great-Trunk- oder Junction-Kanal kostete die englische Meile
                                 5556 Pfd. Sterl.
                                 
                              
                                 Von dem Kanal von Kennet nach Avon
                                 6000 Pfd. Sterl.
                                 
                              
                                 Von Leeds nach Liverpool
                                 6202 Pfd. Sterl.
                                 
                              
                                 Von Elesmere
                                 7017 Pfd. Sterl.
                                 
                              
                                 Von Rochdale
                                 9267 Pfd. Sterl.
                                 
                              
                                 Vom Clydekanal in Schottland
                                 9428 Pfd. Sterl.
                                 
                              
                           als im Durchschnitte 7245 Pfund Sterling fuͤr jede
                              englische Meile, oder, da eine englische Meile 5500 baierische Fuß betraͤgt,
                              1855 1 1/2 Pfund Sterling d.i. 204,066 fl. fuͤr eine geometrische Stunde oder
                              halbe deutsche Meile.
                           Will man nun, wegen der wohlfeilern Arbeit in Deutschland, diesen Betrag auch um ein
                              Drittel geringer annehmen, so bleibt dennoch eine Durchschnitts-Summe von
                              136,000 fl. als Minimum der Baukosten fuͤr jede geometrische Stunde, oder von
                              272,000 fl. fuͤr jede deutsche Meile eines schiffbaren Kanals von den
                              kleinsten Dimensionen, auf welchem ein Pferd eine Barke mit 400 bis 500 Zentner
                              beladen ziehen kann, und zwar durch solche Gegenden, in welchen keine
                              betraͤchtlichen und zahlreichen Anhoͤhen oder andere oͤrtliche
                              Hindernisse vorkommen, und wo die Speisung des Kanals mit dem erforderlichen
                              Wasserzufluße auf den hoͤchsten oder Theilungspunkten (Points de partage) ohne lange und kostbare Leitungen oder besondere
                              Maschinen zu bewerkstelligen ist.
                           Nach einer von meinem alten Freunde, Herrn John Rennie,
                              dem beruͤhmtesten und erfahrensten Ingenieur und Hydrotechniker in England,
                              bei meinem lezten Aufenthalte daselbst im Jahre 1816 mir mitgetheilten
                              Durchschnitts-Berechnung kostet jezt dort ein Kanal von den vorhin
                              erwaͤhnten, gewoͤhnlichen kleinen Dimensionen, von zehn bis zwanzig
                              tausend Pfund Sterling fuͤr jede englische Meile von 1760 Yards oder 5280
                              Fuß, je nachdem das Terrain weniger oder mehr Schwierigkeiten darbietet, eine
                              kleinere oder groͤßere Anzahl von Schleußen erfordert u. d. gl.Das waͤre fuͤr einer halbe deutsche Meile 254,000 bis 508,000
                                    fl. Die leztern machen immer den kostbarsten Theil des ganzen Baues. In England
                              rechnet man fuͤr eine Schleuße von der kleinsten und leichtesten Art mit 7
                              bis 8 Fuß Fall gewoͤhnlich 900 bis 1200 Pfd. Sterling (10 bis 13 Tausend
                              Gulden.) Hogrewe in seiner praktischen Anweisung zur
                              Baukunst schiffbarer Kanaͤle gibt S. 318 bis 328. einen sehr genauen und
                              detaillirten Kostenanschlag einer groͤßern Kastenschleuße von 140 Fuß
                              Laͤnge und 8 Fuß Fall, fuͤr Schiffe von 2000 Zentner Ladung, zu 20577
                              Thaler 20 Groschen an, welches 37038 fl. Rheinisch betraͤgt. Der große
                              nordhollaͤndische Kanal, welcher gegenwaͤrtig, 12 Meilen lang, vom
                              Helder bis vor Amsterdam, fuͤr Kriegs- und ostindische Schiffe
                              fahrbar, gebaut wird, kostet mehrere Millionen, und jede Einzelne Schleuße
                              uͤber dreimal hundert tausend Gulden.
                           Welche außerordentliche, ungeheure, ja oft unerschwingliche Kosten die Anlage eines
                              schiffbaren Kanals in Gebuͤrgs-Gegenden verursachen muß, wo sehr
                              bedeutende Anhoͤhen zu uͤberfahren sind, oder wo das Terrain in
                              kleinen Zwischenraͤumen bedeutend steigt und faͤllt, und wo folglich
                              auf einer kurzen Streke nahe aneinander sehr viele Schleußen (einfach oder
                              gekuppelt), vorgerichtet werden muͤssen, ist daher leicht zu begreifen. So z.B. ist in dem
                              Oesterreichischen Kaiserstaate die schon im vierzehnten Jahrhunderte unter Karl IV.
                              zuerst in Antrag gekommene, und seither oͤfter wiederholt zur Sprache
                              gebrachte, hoͤchst wuͤnschenswerthe Verbindung der Moldau mit der
                              Donau durch einen schiffbaren Kanal, dessen Laͤnge unbedeutend seyn
                              duͤrfte, bloß wegen den von allen Wasserbau-Verstaͤndigen
                              berechneten aͤußerst betraͤchtlichen Kosten immer unterblieben. Als im
                              Jahre 1807, der K. K. Wasserbau-Direktor Hr. Ritter von Gerstner gemeinschaftlich mit dem K. K. Hofbaurath, Freyherrn von Pakassi den Auftrag erhielt, jene Gegend nebst allen
                              bisherigen Vorschlaͤgen zu dieser Wasserverbindung genau zu untersuchen, und
                              den vorzuͤglichsten derselben wieder aufzunehmen, ergab sich aus dem von
                              diesen beiden gruͤndlichen Wasserbau-Verstaͤndigen den 31.
                              Dezember 1807. erstatteten Berichte, daß diese Vereinigung auf der kuͤrzesten
                              und am wenigsten kostbaren Linie von Hohenfurt durch den Haselgraben nach Linz, wo
                              die Entfernung der beiden Fluͤsse nur fuͤnf deutsche Meilen
                              betraͤgt, mit allen zugehoͤrigen Vorrichtungen, fuͤnf Millionen
                              Gulden in Konventionsmuͤnze, also eine halbe Million fuͤr jede Stunde
                              Weges, kosten wuͤrde!Man sehe: die oben angefuͤhrten zwei Abhandlungen uͤber
                                    Fracht-Wagen und Straßen u.s.w. von Franz Ritter von Gerstner. Prag,
                                    1813. –
                           6. Ist schon die erste Anlage eines Kanals so kostbar, so verursacht auch die
                              Unterhaltung und Aufsicht bestaͤndige und sehr betraͤchtliche
                              Auslagen, da an den Daͤmmen und Zugpfaden, an den Schleußen, an den
                              Ueberfaͤllen, an den Wasserleitungen u. d. gl. immerwaͤhrende, von
                              Zeit zu Zeit sehr bedeutende und kostspielige, Reparaturen vorfallen. Wenn man nun
                              diese fortlaufenden jaͤhrlichen Auslagen zu den Zinsen des auf den ersten Bau
                              verwendeten Kapitals schlaͤgt, und beide auf die Fracht der auf dem
                              Kanaͤle jaͤhrlich verfuͤhrten Produkte vertheilt, so wird, bei
                              einer genauen Berechnung, in den meisten Faͤllen und Situationen auf unserm
                              festen Lande sich das Resultat ergeben, daß die wahren Transportkosten auf einer
                              solchen kuͤnstlichen Wasserstraße jene aus den gewoͤhnlichen
                              Landstraßen, bei gleichen Laͤngen oder Entfernungen, noch weit
                              uͤbertreffen, und daß also von einer solchen Anlage nicht nur keine
                              Erleichterung des Handels und innern Verkehrs, kein Gewinn, weder fuͤr die
                              Unternehmer noch fuͤr das handelnde Publikum, kein Vortheil, weder
                              fuͤr den Staat
                              noch fuͤr die Nation, sondern vielmehr ein bedeutender Verlust und Nachtheil
                              fuͤr Alle zu erwarten seyEs hat zwar der beruͤhmte amerikanische Ingenieur, Robert Fulton schon
                                    vor 30 Jahren ein neues System von ganz kleinen schiffbaren Kanaͤlen
                                    in Vorschlag gebracht, auf welchen nur Barken von 80 Zentner Ladung
                                    gefuͤhrt, welche statt der Schleußen mit schiefen Flaͤchen und
                                    Rollwegen versehen werden, und nach seiner Berechnung nur den dritten Theil
                                    der gewoͤhnlichen englischen Kanaͤle kosten sollten, und er
                                    glaubte, daß auf diese Art die Anwendung der Kanaͤle zur
                                    Befoͤrderung der innern Kommunicationen in jedem Lande leichter, und
                                    allgemeiner als bisher werden koͤnnte. Allein dieses Projekt hat
                                    weder in England, wo Fulton zuerst, noch in Frankreich, wo er spaͤter
                                    damit auftrat, noch in seinem eigenen Vaterlande, wo er bis zu seinem Tode
                                    sich aufhielt, und wegen seinen andern wichtigen Erfindungen
                                    (vorzuͤglich der Dampfschiffe) in hohem Ansehen stand, Beifall und
                                    Eingang gefunden, theils weil man, nebst vielen mit diesem Vorschlage
                                    verknuͤpften Schwierigkeiten, die Ersparung, bei genauer
                                    Pruͤfung, nicht so bedeutend fand, theils weil man sich
                                    uͤberzeugte, daß der Widerstand des Wassers in einem zu engen Kanal
                                    sehr betraͤchtlich wird, sohin der Hauptvortheil: die Erleichterung
                                    des Zuges, groͤßtentheils verloren gehen wuͤrde..
                           7. Außer diesem großen Kostenaufwande, welcher der Einfuͤhrung schiffbarer
                              Kanaͤle fast uͤberall entgegen stehet, sind dieselben aber auch noch
                              verschiedenen andern Schwierigkeiten und Nachtheilen unterworfen, durch welche ihr
                              Nuzen uͤberhaupt gar sehr vermindert, und ihre Anwendung noch mehr erschwert
                              wird.
                           
                              1) Ihre Anlage entzieht dem Akerbau und der Kultur große
                                 Streken Landes, welche den Eigenthuͤmern oft mit den ansehnlichsten
                                 Summen abgekauft und verguͤtet werden muͤssen. Der kleinste Kanal
                                 nimmt mit seinen Daͤmmen und den darauf anzulegenden Ziehwegen wenigstens
                                 40 Tagwerk Grund fuͤr jede geometrische deutsche Meile seiner
                                 Laͤnge hinweg – ein Verlust, welcher in flachen und fruchtbaren,
                                 stark bevoͤlkerten Gegenden fuͤr den Nationalwohlstand sehr
                                 empfindlich, oft unersezlich ist.
                              2) Die Kanaͤle verbrauchen uͤberall einen
                                 betraͤchtlichen Wasserzufluß, und zwar desto mehr, je lebhafter die
                                 Schifffahrt auf denselben ist. Man muß ihnen daher manche schoͤne Quelle
                                 und manchen kleinen Bach zuleiten, welche zum Betriebe von Muͤhlen oder
                                 zur Wiesenwaͤsserung vortheilhaft benuzt werden koͤnnten.
                                 Gemeiniglich ist das Zubringen eines hinlaͤnglichen Wasservorrathes auf
                                 den hoͤchsten Punkten eines Kanals mit großen Schwierigkeiten verbunden,
                                 oft nur durch Anlage ungeheurer Behaͤlter oder Teiche und langer
                                 Wasserleitungen zu
                                 bewirken, wodurch der Feldbau wieder bedeutende Streken Landes verliert.
                              3) Da die Daͤmme und das Bett solcher Kanaͤle
                                 uͤber niedrig liegende Flaͤchen oft ziemlich weit in einer
                                 betraͤchtlichen Hoͤhe fortgefuͤhrt werden muͤssen,
                                 so wird die Kommunikation zu Lande auf den Straßen, welche sie durchschneiden,
                                 und welche nur mittelst sehr hoher Bruͤken und steiler Auffahrten
                                 hergestellt werden kann, ungemein erschwert, und es entsteht daher fuͤr
                                 das taͤgliche, unentbehrliche innere Verkehr in diesen Richtungen durch
                                 den Kanal selbst ein nicht unbedeutendes Hinderniß.
                              4) Das am Fuße solcher hoher Daͤmme bestaͤndig
                                 durchsikernde Wasser verwandelt die zunaͤchst liegenden Felder und
                                 Gruͤnde in unfruchtbare und ungesunde Suͤmpfe. – Bei einem
                                 ploͤzlichen Durchbruche eines solchen Dammes werden oft ganze Gegenden
                                 uͤberschwemmt und verwuͤstet, und der hieraus entstehende Schaden
                                 ist desto groͤßer und ernsthafter, da das ausgetretene Wasser nicht, wie
                                 bei den gewoͤhnlichen, durch Anschwellung der Fluͤsse und
                                 Stroͤme verursachten, Ueberschwemmungen von selbst wieder in seinen
                                 Rinnsal zuruͤk fließen kann, sondern an den tiefsten Stellen bleibende
                                 Pfuͤzen von bedeutendem Umfange bildet, wie z.B. die sogenannten Valli in
                                 der Lombardey.
                              5) Die faulenden Ausduͤnstungen dieser Suͤmpfe
                                 und Pfuͤzen, und selbst des Wassers in den Kanaͤlen, welches
                                 groͤßtentheils ganz stille stehet, verpesten die Luft, besonders in den
                                 warmen Jahreszeiten, und machen die naͤchsten Umgebungen sehr ungesund.
                                 In Italien, im suͤdlichen Frankreich und selbst in dem weit minder
                                 heissen England ist der Gestank dieser Kanaͤle, wenn sie nicht
                                 oͤfters abgelassen und geraͤumt werden (was jedesmal den Verkehr
                                 Wochen lang unterbricht), manchesmal wirklich unertraͤglich, und in
                                 vielen Ortschaften an solchen Kanaͤlen herrscht der Typhus fast
                                 bestaͤndig. –
                              6) In bergichten, oder mit vielen Huͤgeln
                                 durchschnittenen Gegenden, wo viele Schleußen nahe aneinander vorgerichtet
                                 werden muͤssen, wird der Transport auf einem solchen Kanaͤle, die
                                 Barken moͤgen durch diese Schleußen aufwaͤrts oder abwaͤrts
                                 gehen, ungemein verzoͤgert und kostspielig.
                              7) Endlich sind die Kanaͤle uͤberhaupt,
                                 wenigstens in unserm Himmelsstriche, oft mehrere Monate im Jahre voͤllig
                                 unbrauchbar, indem sie bei strenger Winterkaͤlte einfrieren, oder im
                                 Sommer bei anhaltender Troͤkne, wenn ihre Zufluͤsse sich vermindern oder
                                 versiegen, entweder ganz eintroknen, oder doch wenigstens so seicht werden, daß
                                 die beladenen Schiffe nicht mehr fortkommen koͤnnen –
                              
                           8. Bei so vielen, zum Theil unuͤbersteiglichen, Hindernissen und
                              Schwierigkeiten, welche der innern Schifffahrt oder dem Wassertransporte nicht nur
                              auf Stroͤmen, sondern auch auf kuͤnstlichen Kanaͤlen fast
                              uͤberall entgegen stehen, und die Anwendung derselben nur auf wenige
                              Lokalitaͤten und besondere Verhaͤltnisse beschranken, ist und bleibt
                              der Transport zu Lande, oder auf der Achse das einzige allgemein anwendbare,
                              folglich das wichtigste aller bekannten und moͤglichen Mittel zur
                              Fortschaffung aller Arten von Waaren, Erzeugnissen und Materialien. Da nun diese Art
                              von Transport auch zugleich die aͤlteste ist, so sollte man denken, daß
                              dieselbe in dem Zeitraume von ein Paar tausend Jahren zu einem hohen Grade von
                              Vollkommenheit gebracht worden waͤre. Der Erfolg zeigt indessen nur zu
                              augenscheinlich das Gegentheil. Was den Bau der Straßen betrifft, darin haben uns
                              die alten Roͤmer weit uͤbertroffen, und in der Construction der Wagen
                              – ich spreche hier nicht von Reise- und Luxus-Wagen, sondern
                              lediglich von schwerem Fuhrwerke – haben wir seit jenen Zeiten fast Nichts
                              verbessertDie Wagenraͤder mit breiten Felgen, welche man im vergangenen
                                    Jahrhunderte zuerst in England, dann auch in andern Laͤndern
                                    eingefuͤhrt, oder einzufuͤhren versucht hat, sind eigentlich
                                    keine Verbesserung der Wagen, welche dadurch nur schwerer zu ziehen werden,
                                    sondern nur ein Mittel zur Verbesserung der schlechten Straßen auf Kosten
                                    des Zugviehes, oder zur laͤngern Erhaltung derselben, wenn sie sich
                                    schon im besten Zustande befinden, wie ich weiter unten zeigen werde..
                           9. Die Guͤte oder Vollkommenheit einer jeden Maschine oder mechanischen
                              Vorrichtung wird bekanntlich nach dem Verhaͤltnisse beurtheilt, in welchem
                              der wirklich erhaltene nuzbare Effekt zu demjenigen
                              stehet, welcher der Theorie nach mit der aufgewandten Kraft, wenn diese keinen
                              Verlust litte, und keine Nebenhindernisse Statt fanden, erhalten werden sollte. Je
                              mehr sich der Erste dem Leztern, als dem hoͤchsten, in der Ausuͤbung
                              freilich nie ganz erreichbaren, Ideale naͤhert, oder je geringer die Summe
                              der durch die Vorrichtung selbst verursachten Reibungen und anderer Nebenhindernisse
                              ist, desto besser ist die Maschine; je groͤßer hingegen dieser Unterschied,
                              desto unvollkommener ist die Vorrichtung. Eine Maschine ist aber schon sehr schlecht, bei welcher
                              dieser Unterschied die Haͤlfte des Ganzen betraͤgt, oder bei welcher
                              die Nebenhindernisse eben so viel Widerstand als die eigentliche (unvermeidliche)
                              Last verursachen, wo folglich ein zweimal groͤßerer Kraftaufwand erfordert
                              wird, als, theoretisch berechnet, zur herfuͤrgebrachten Wirkung
                              noͤthig seyn sollte.
                           Betrachtet man aus diesem mechanischen (einzig wahren)
                              Gesichtspunckte unsere gewoͤhnlichen Landstraßen und Fuhrwerke als Maschinen (ich spreche hier von den besten und
                              sorgfaͤltigst unterhaltenen Straßen aller Laͤnder ohne Unterschied) so
                              wird es schwer halten, eine unvollkommnere, Bewegungskraft und Kosten mehr
                              verschwendende, Vorrichtung aufzufinden.
                           Der Theorie zufolge muͤßte eine sehr geringe Kraft (im Beharrungsstande)
                              hinreichen, um die groͤßte Last mit einer maͤßigen und
                              gleichfoͤrmigen Geschwindigkeit auf einer ganz horizontalen Straße fort zu
                              bewegen, wenn diese, wie sie seyn sollte, eine vollkommen ebene, glatte, feste und
                              harte Flaͤche waͤre, weil in diesem Falle nur der Widerstand der an
                              sich unbedeutenden, durch bekannte zwekmaͤßige Mittel leicht auf ein Minimum
                              zu bringenden, Reibung an den Achsen uͤberwunden werden duͤrfte. In
                              der Wirklichkeit hingegen uͤbersteigt der zur Bewegung erforderliche
                              Kraftaufwand jenen theoretisch berechneten, selbst auf der fuͤrtreflichsten
                              Chaussee, und unter den guͤnstigsten Umstaͤnden, wenigstens zehn Mal,
                              auf einer gewoͤhnlichen, nicht am sorgfaͤltigsten unterhaltenen, neu
                              bekieseten oder schon ausgefahrnen Straße, besonders bei schlechter Witterung, wohl
                              dreißig bis fuͤnfzig Mal. Die Ursache dieser außerordentlichen
                              Kraftverschwendung liegt indessen nicht sowohl an den Wagen als
                              groͤßtentheils an dem mangelhaften Zustande der Wege selbst. Denn da sogar
                              die fuͤrtreflichste Straße in ihrem vollkommensten Zustande und bei der
                              allerguͤnstigsten Jahreszeit und Witterung die theoretische Bedingung von
                              absoluter Haͤrte, Festigkeit und Glaͤtte nicht erfuͤllt, noch
                              bei aller aufgewandten Muͤhe und Sorgfalt erfuͤllen kann, so muß
                              natuͤrlicher Weise von dem Einsenken und Einschneiden der Raͤder in
                              den mehr oder weniger weichen und zaͤhen Grund, von dem Anhaͤngen und
                              der Reibung der Radfelgen an den Seiten der Geleise, und von den
                              unaufhoͤrlichen Stoͤßen und Erschuͤtterungen, welche jeder
                              Stein, jede kleine Erhoͤhung und Vertiefung auf der Raͤderbahn
                              verursacht, und uͤber welche das Fuhrwerk jeden Augenblik von Neuem gehoben
                              werden muß, zusammen ein hoͤchst bedeutender Widerstand entstehen, und dieser
                              Widerstand muß um so fuͤhlbarer seyn, als derselbe am Umfange der Raͤder wirkt, wo
                              sein statistisches Moment jenes der Achsen-Reibung um so viel Mal
                              uͤbertrift, als der Durchmesser dieser Raͤder groͤßer ist als
                              jener der Achsen. Eben durch diesen betraͤchtlichen Widerstand am Umfange der
                              Raͤder wird aber mittelbar auch die Reibung an den Achsen selbst um Vieles
                              vermehrt, weil diese, der erforderlichen Staͤrke halber, um die ungeheuren
                              Stoͤße auszuhalten, viel diker, die Raͤder und der ganze Wagen
                              ungleich schwerer gebaut werden muͤssen, als es sonst auf vollkommen ebenem,
                              glattem und hartem Wege noͤthig waͤre. So wirken also Straßen und
                              Wagen gegenseitig verderblich und zerstoͤrend aufeinander; so muͤssen
                              die Raͤder, außer ihrer eigentlichen Bestimmung: dem horizontalen
                              Fortwaͤlzen der Ladung, nebenher und hauptsaͤchlich noch als
                              Pflugscharen zum Durchschneiden und Aufwuͤhlen des zaͤhen Grundes, und
                              gleichsam als Reibsteine, Stampf- oder Pochwerke zur Zermalmung der
                              groͤßern und kleinern Steine wirken; und so muß uͤberall bei Weitem
                              der groͤßte Theil der Zugkraͤfte unaufhoͤrlich darauf verwendet
                              werden, neu bekiesete Straßen erst auf eine kurze Zeit leideutlich fahrbar zu
                              machen, und dann mit Hilfe des Regens wieder in grundlosen Schlamm zu verwandeln!
                              –Neu hergestellte oder reparirte Vorrichtungen sind in der Regel immer die
                                    vollkommensten, und entsprechen ihrem Zweke am Besten. Unsre Landstraßen
                                    machen hierin eine auffallende Ausnahme, und es verhaͤlt sich mit
                                    ihnen gerade umgekehrt. Ein mit grobem Kiese oder zerschlagenen rauhen und
                                    scharfkantigen Steinen frisch beschuͤtteter (nach der Kunstsprache:
                                    gemachter) Weg ist oft mehrere Wochen lang
                                    fuͤr Pferde und Wagen, welche vom Schiksal dazu verurtheilt sind,
                                    zuerst sich darauf durchzuarbeiten, gleich beschwerlich und verderblich, und
                                    scheint in der That mehr zum Hals- und Radbrechen als zur
                                    Erleichterung des Transportes da zu seyn. Leichte und schwere Fuhrwerke
                                    verlassen daher auch, wo sie nur immer koͤnnen, diese
                                    zerstoͤrenden Schutthaufen, und fluͤchten sich
                                    seitwaͤrts auf die ungemachten, bessern
                                    Nebenwege. – Man sollte dieses Wegmachen
                                    eigentlich Wegverderben nennen..
                           10. In technischer Hinsicht wird die Vollkommenheit jeder
                              Maschine uͤberhaupt nach ihrem Gange beurtheilt. Ist dieser ganz
                              regelmaͤßig und sanft, so nennt man die Maschine gut; geht sie aber
                              ungleichfoͤrmig, und mit heftigen Stoͤßen und Erschuͤtterungen,
                              so sagt, man, die Maschine sey schlecht gebaut. So z.B. wuͤrde man eine
                              Muͤhle, deren Wasserrad und Raͤderwerke auf ungleichen und ekigten
                              Wellzapfen in rauhen, holperichten Lagern mit unaufhoͤrlicher
                              Erschuͤtterung umliefen, und deren Kaͤmme und Getriebe sich bald mehr
                              bald weniger zwaͤngten und stokten, mit vollem Rechte ein erbaͤrmliches Machwerk
                              nennen. Um nun auch aus diesem Gesichtspunkte das gewoͤhnliche Fuhrwerk zu
                              beurtheilen, beobachte man nur in der Naͤhe einen schwer beladenen
                              Guͤterwagen in seinem langsamsten Gange auf einer Etwas ausgefahrnen oder
                              neubeschuͤtteten Landstraße; man sehe, hoͤre und fuͤhle die
                              heftigsten Stoͤße, von welchen unaufhoͤrlich die Raͤder, die
                              Achsen und alle Theile des Hagens so gewaltig erschuͤttert werden, daß man
                              jeden Augenblik befuͤrchten muß, die ganze Maschine werde zu Truͤmmern
                              gehen; man bemerke, mit welcher ungleichen, von Zeit zu Zeit außerordentlichen
                              Anstrengung die Pferde ziehen; und wie sie dabei von den prellenden Stoͤßen
                              und Schlaͤgen der Deichsel noch mehr ermuͤdet, oft verwundet werden,
                              und man wird gewiß die Behauptung nicht uͤbertrieben finden, daß ein solches
                              Fuhrwerk den Namen einer Maschine nicht verdient, oder als solche betrachtet das
                              elendeste aller Machwerke ist. –
                           11. Es waͤre leicht, durch eine ohngefaͤhre Berechnung darzuthun, daß
                              diese bestaͤndige Kraft- und Stoffverschwendung, wenn naͤmlich
                              der Unterhalt und die Abnuͤzung aller zum schweren Fuhrwesen noͤthigen
                              Pferde und Wagen, so wie der Landstraßen selbst, zu Gelde angeschlagen
                              wuͤrden, einem Lande von mittlerem Umfange mehrere Millionen Gulden
                              jaͤhrlich kostet, und es lohnt sich daher wohl der Muͤhe, die Frage
                              aufzuwerfen: ob wir denn in der That und ohne Rettung ewig dazu verdammt seyen,
                              einen so empfindlichen Verlust, wie so manches andre Uebel, welchem wir nicht
                              abhelfen koͤnnen, geduldig zu ertragen, oder ob es nicht auf irgend eine
                              Weise moͤglich sey, das Joch einer tausendjaͤhrigen Gewohnheit
                              abzuwerfen, und mancher einzelnen Regierung und Nation einen Kapitalwerth von
                              mehreren hundert Millionen fuͤr immer zu gewinnen? –
                           12. Aus dem bisher gesagten wird es klar, daß alle Bemuͤhungen und Versuche,
                              das Fuhrwesen auf dem Lande zu verbessern, in der Hauptsache so lange fruchtlos und
                              unausfuͤhrbar bleiben muͤssen, als die Bedekung der Straßen bloß aus
                              zerreibbaren Materialien besteht, welche nie eine
                              ganz glatte, feste und harte Oberflaͤche bilden koͤnnen, deren
                              Zusammenhang durch das Einwirken der Wagenraͤder und der Pferdhufe
                              unaufhoͤrlich getrennt, durch Regen und Schnee erweicht und aufgeloͤst
                              wird; mit einem Worte: so lange unsre Straßen bleiben, was sie im Allgemeinen noch
                              uͤberall sind: ewig zermalmte und zermalmende, ewig zerstoͤrte und
                              wieder erneuerte Schutt- und KothhaufenSollten die hier aufgestellten Behauptungen Manchem als eine
                                    aͤrgerliche Uebertreibung erscheinen, oder wohl gar von Seite einiger
                                    Straßenbau-Inspektoren und Straßen-Baumeister, welche ihr
                                    taͤgliches Geschaͤft: das Wegmachen, fuͤr eine Kunst gehalten wissen wollen, und welche daher
                                    ihren von Bruchsteinen, Kieß oder Schotter angehaͤuften
                                    Daͤmmen die praͤchtige Benennung von Kunst-Straßen zu geben belieben, mir einen
                                    Injurien-Prozeß zuziehen, so thut es mir zwar leid, doch muß ich
                                    hartnaͤkig auf meinem hier abgelegten Glaubensbekenntnisse bestehen,
                                    und oͤffentlich erklaͤren, daß ich meines Theils nie finden
                                    oder begreifen konnte, worin denn eigentlich das Kuͤnstliche dieser Straßen bestehen sollte. Ich gebe zwar
                                    allerdings zu, daß bei dem ersten Entwurf mancher neu anzulegenden
                                    Handels-Straße die Bestimmung der vortheilhaftesten Richtungslinie,
                                    die Herstellung des Niveaus, die schiklichste Vertheilung des
                                    Gefaͤlles, die genaue Berechnung aller Schwierigkeiten des
                                    vorhandenen Terrains und der Mittel, diese Schwierigkeiten mit dem
                                    moͤglich geringsten Aufwande sowohl der Unternehmer als der Benuzer
                                    der Straße zu uͤberwinden, gruͤndliche mathematische
                                    Kenntnisse und die praktische Geschiklichkeit eines guten Ingenieurs
                                    erfordern; und in dieser Hinsicht kann der Plan
                                    zu mancher neu anzulegenden Straße (wie z.B. der beruͤhmten neuen
                                    Gebirgs-Straße uͤber den Simplon) und zum Theil ihre
                                    Ausfuͤhrung selbst als ein wahres Kunstwerk betrachtet werden. Allein
                                    das Materielle des gewoͤhnlichen
                                    Straßenbaues (wovon allein hier die Rede ist) gehoͤrt doch offenbar
                                    zu den gemeinsten aller Tagloͤhner-Arbeiten, und wenn jeder
                                    Kieß- oder Steindamm, welcher ohne Plan, ja oft (wie es scheinen
                                    sollte, recht geflissentlich) uͤber die hoͤchsten Punkte,
                                    welche man leicht haͤtte vermeiden koͤnnen, oder mit den
                                    unnuͤzesten Kruͤmmungen und Umwegen gefuͤhrt ist, eine
                                    Kunst-Straße heißen soll, so
                                    duͤrften, nach meiner Meinung, mit gleichem Rechte, auch die
                                    Zaͤune, mit welchen an einigen Orten die Bauern ihre Felder und
                                    Gaͤrten befriedigen, auf den Titel; Kunst-Zaͤune Anspruch machen. –. –
                           13. Man wird hier vielleicht einwenden, daß doch wenigstens die gepflasterten Straßen von allen diesen Maͤngeln frei seyen, und
                              meine allgemeinen Vorwuͤrfe nicht verdienen. Allein fuͤrs Erste ist
                              diese Art von Straßen an so wenigen Stellen anwendbar und eingefuͤhrt, und so
                              außerordentlich kostbar, daß derselben als Landstraßen
                              kaum zu erwaͤhnen ist. Zweitens ist die Abnuͤzung der Wagen und der
                              Pferde, wenn gleich (bei sehr langsamen Zuge) eine geringere Anzahl der leztern
                              erfordert wird, auf solchen Straßen, selbst in ihrem vollkommensten Zustande, noch
                              weit groͤßer als auf den gewoͤhnlichen Chauseen. Drittens verursachen
                              bei einem schnellen Zuge die Stoͤße und Erschuͤtterungen auch auf dem
                              besten Steinpflaster einen groͤßern Widerstand als alle Reibungen auf einer
                              gewoͤhnlichen weichen Straße. Daß endlich ein nicht sorgfaͤltigst
                              unterhaltenes, ausgefahrnes und holperiges Steinpflaster noch schlechter, und
                              fuͤr das Fuhrwerk und fuͤr das Zugvieh noch verderblicher ist als alle
                              Damm-, Kies- und Schuttstraßen, davon haben wir selbst in vielen
                              unserer groͤßten Staͤdte taͤglich die uͤberzeugendsten
                              und erschuͤtterndsten Beweise. –
                           14. Man wird mir vielleicht ferner einwenden, daß wir an den breitfelgigten Raͤdern ein eben so einfaches als unfehlbares Mittel
                              haben, alle jene Gebrechen unserer gewoͤhnlichen Straßen aus dem Wege zu
                              raͤumen, und alle Hindernisse zu heben, welche bisher den Transport zu Lande
                              erschwert haben. – Hingegen erlaube ich mir in moͤglichster
                              Kuͤrze nur folgendes zu bemerken.
                           Was fuͤrs Erste die unmittelbare Erleichterung des Fuhrwerkes betrift, so ist
                              es wohl offenbar, daß auf einer vollkommen harten Straße
                              die breitfelgigten Wagenraͤder vor den schmalen nicht nur keinen Vorzug haben
                              koͤnnten, sondern vielmehr den leztern wegen ihrer groͤßern
                              Leichtigkeit nachstehen muͤßten. Die Weiche des nachgebenden Grundes allein
                              ist es daher, was die breiten Raͤder in dieser Hinsicht empfehlen kann, indem
                              begreiflicherweise ein breites Rad, unter derselben Last, und uͤbrigens
                              gleichen Umstaͤnden, minder tief in den Grund einsinkt oder einschneidet als
                              ein schmales, folglich auch weniger Widerstand, theils von Vorne, theils an den
                              Seiten seiner Felgen, leidet. Dabei koͤmmt aber zu bedeuten:
                           
                              1) daß ein breites Rad auch auf der beßten Straße mehr
                                 Unebenheiten und Hindernisse in seinem Laufe findet und zu uͤberwinden
                                 hat, als ein schmales, welches an den meisten derselben, ohne sie zu
                                 beruͤhren, voruͤber gleitet, und daß daher ein Wagen mit breiten
                                 Raͤdern auch mehrere Stoͤße und Erschuͤtterungen leiden
                                 muß;
                              2) daß auf jeder Straße der neu angeschuͤttete Kieß,
                                 Schotter oder Sand, bei anhaltendem Regenwetter der zaͤhe Schlamm und
                                 Koth, und im Winter der Schnee einen besondern Widerstand verursachen, welcher
                                 um so betraͤchtlicher wird, je breiter die Wagenraͤder sind, vor
                                 welchen diese Koͤrper sich anhaͤufen, anstauen, und fortgeschoben
                                 werden muͤssen, und welcher Widerstand, auch bei einem minder tiefen
                                 Einsinken, jenen weit uͤbertreffen kann, welchen die schmalen
                                 Raͤder, unter denselben Umstaͤnden, von Vorne und an den Seiten zu
                                 uͤberwinden haben;
                              3) daß durch das groͤßere Gewicht der breiten
                                 Raͤder auch die Reibung an den Achsen, und zwar um so merklicher vermehrt
                                 wird, als diese laͤnger, folglich in demselben Verhaͤltnisse auch
                                 staͤrker und diker gemacht werden muͤssen, und daß dieses
                                 groͤßere Gewicht der ganzen Maschine, besonders beim Berganfahren, den
                                 gesammten Widerstand bedeutend vermehren muß.
                              
                           Hieraus geht also deutlich herfuͤr, daß durch die breiten Raͤder in
                              Hinsicht auf die beabsichtigte Erleichterung des Zuges unmittelbar nicht nur Nichts
                              gewonnen, sondern im Gegentheile vielmehr verloren werde, und daß die Behauptung
                              einiger enthusiastischen Lobredner dieser Vorrichtung „daß durch dieselbe das vierte Pferd, oder noch mehr im
                                    Zuge erspart werde“ ganz ungegruͤndet sey.
                              –
                           Alles, was zur Empfehlung der breitfelgigten Raͤder mit Grunde und, ohne
                              Uebertreibung gesagt werden kann, ist, daß sie die schwersten Lastwagen, durch
                              welche bei gewoͤhnlichen Raͤdern alle Straßen zu Grunde gerichtet
                              werden, unschaͤdlicher machen, daß sie das beßte und wirksamste Mittel zur
                              Erhaltung, Schonung und wohlfeilsten Unterhaltung der Straßen sind, nachdem man diese vorher schon in den besten Stand
                                 hergestellt hat, und daß selbe daher mittelbar die Erleichterung des
                              Transportes gewissermaßen befoͤrdern, indem sie die Furchen, welche von
                              andern Fuhrwerken eingeschnitten worden sind, gleichsam als Walzen wieder einebnen,
                              und sohin (freilich auf Kosten ihrer Zugkraͤfte) einen Theil der Arbeit
                              uͤbernehmen und ersparen, welche sonst auf die Reparation der Straßen von
                              Seite des Staates verwendet werden muß; weßhalb es dann auch billig ist, daß die
                              Handels- und Fuhrleute von Seite der Regierungen zur Einfuͤhrung
                              dieser in staatswirthschaftlicher Hinsicht allerdings nuͤzlichen Verbesserung
                              durch Praͤmien und Nachlaͤsse an Zoll- und
                              Weg-Gebuͤhren aufgemuntert, und so fuͤr die Kosten und Opfer,
                              welche eine so wesentliche Abaͤnderung ihrer Fuhrwerke, besonders Anfangs,
                              erfordert, Verhaͤltnißmaͤßig entschaͤdigt werden.
                           Allein auch dieser Zwek kann nur durch die allgemeine
                              Einfuͤhrung solcher breiten Raͤder, und durch gaͤnzliche
                              Verbannung aller schweren Fuhrwerke mit schmalen Raͤdern in einem
                              vollkommenen Grade erreicht werden. So lange dieses nicht geschieht, so lange nicht
                              durch ein allgemeines Gesez in allen Laͤndern, welche miteinander, in
                              unmittelbarem Handels-Verkehr stehen, zugleich die Breite der Radfelgen und
                              das Gewicht der Ladungen fuͤr alles schwere Fuhrwerk auf eine ganz
                              uͤbereinstimmende, zwekmaͤßige Art bestimmt und eingefuͤhrt
                              wird, duͤrfte es einzelnen Staaten, wie z.B. dem Koͤnigreiche Baiern,
                              wenig nuzen, ihre eigenen Straßen in den fuͤrtrefflichsten Stand zu sezen, und zur
                              bestmoͤglichsten Erhaltung derselben alle inlaͤndischen Fuhrwerke mit
                              breitfelgigten Raͤdern zu versehen, da durch die vielen fremden, mit
                              schneidenden Raͤdern versehenen, Lastwagen und Karren, welche aus andern
                              Laͤndern, z.B. von Sachsen, nach Baiern kommen oder durchziehen, von Zeit zu
                              Zeit wieder eben so viel verdorben werden muͤßte; so wie im Gegentheile auch
                              leicht zu begreifen ist, daß ein mit breiten Raͤdern versehener Wagen,
                              welcher z.B. aus Baiern nach Sachsen gienge, wo noch die schmalen Felgen
                              uͤblich, und die Straßen mit tiefen Geleisen durchschnitten sind, dort noch
                              ungleich schwerer als die saͤchsischen Wagen fortkommen und an manchen
                              Stellen vielleicht steken bleiben wuͤrde. –
                           Viel leichter war die Einfuͤhrung dieser Neuerung in Großbrittanien, welches
                              in diesem Betrachte als ein von der Natur selbst von allen Seiten geschlossener
                              Handels-Staat nur fuͤr seine eigenen Fuhrwerke zu sorgen hatte, und
                              doch ist man selbst dort von der ehemals schon eingefuͤhrten
                              uͤbermaͤßigen Breite der Radfelgen (20 bis 24 Zoll) in neuem Zeiten
                              wieder sehr stark zuruͤk gekommen, und man findet daselbst jezt wenige
                              Raͤder, welche uͤber 12 Zoll breit sind.
                           15. Ein sehr wichtiger Einwurf, welcher gegen Wagenraͤder von bedeutender
                              Breite noch gemacht werden kann, besteht uͤbrigens darin, daß dieselben, wenn
                              sie, wie es die Geseze der Mechanik erfordern, genau cylindrisch geformt sind, und
                              an geraden, d.h. ganz horizontalen, Achsen laufen, auf zwekmaͤßig gebaute,
                              d.i. gewoͤlbte, Straßen nicht passen, indem sie diese nur mit ihren innern
                              Raͤndern beruͤhren, folglich eben so stark, ja noch staͤrker,
                              als die gewoͤhnlichen schmalfelgigten Raͤder einschneiden. Wollte man,
                              um diese Inconvenienz zu vermeiden, den Straßen ein ganz ebenes Profil geben, so
                              wuͤrde das Regenwasser, welches von denselben nicht ablaufen koͤnnte,
                              sehr nachtheilig auf sie wirken. Giebt man hingegen den Achsen eine gegen Außen
                              abwaͤrts geneigte Richtung (was die Wagner in ihrer Kunstsprache unterachsen nennen), so passen die Raͤder wieder
                              nicht auf ganz flache Wege, dergleichen doch viele vorkommen, und schneiden da mit
                              ihren aͤußern Raͤndern ein. Macht man endlich, um dieses leztere zu
                              vermeiden, und damit die Raͤder doch uͤberall gleich aufliegen, ihren
                              Umfang konisch, so daß der aͤußere Umkreis kleiner ist als der innere (wie
                              dieses noch in England fast allgemein der Gebrauch, oder vielmehr, zur Schande der
                              Mechanik in einem so mechanischen Lande, der unverstaͤndigste Mißbrauch ist),
                              so entsteht ein
                              neuer, noch groͤßerer Nachtheil, indem durch die ungleiche Geschwindigkeit am
                              Umfange, statt eines regelmaͤßigen Umwaͤlzens und rollenden
                              Weggleitens der Raͤder uͤber ihre Bahn eine schleppende und
                              schleifende Bewegung herfuͤrgebracht wird, welche den Widerstand des
                              Fuhrwerkes betraͤchtlich verwehrt, und, da sie die Steine, welche die
                              Straßen-Deke bilden, von ihrer festen Lage los macht, ihre Verbindung trennt,
                              und sie mit sich fortreisset und zermalmet, die Straßen schnell abnuͤzt und
                              zu Grunde richtetDa der Vortheil der breiten Raͤder eigentlich nur darin bestehet, daß
                                    der Druk eines schwer belasteten Fuhrwerkes auf eine groͤßere
                                    Beruͤhrungsflaͤche der Straße vertheilt wird, so wuͤrde
                                    offenbar derselbe Zwek hinsichtlich der Erhaltung der Chausseen erreicht
                                    werden, wenn dieselben Ladungen auf mehrere Raͤder vertheilt, also
                                    uͤberhaupt leichter beladene Wagen eingefuͤhrt wuͤrden.
                                    Wenn z.B. ein Lastwagen von 160 Zentner mit 4 zwoͤlf Zoll breiten
                                    Raͤdern keinen nachtheiligen Eindruk auf eine gemachte Straße
                                    herfuͤrbringt, so wuͤrden gewiß vier Wagen mit 3 Zoll breiten
                                    Raͤdern, deren jeder nur mit 40 Zentner beladen waͤre, und
                                    welche zusammen selbst nicht schwerer als jene einzige kolossale Maschine
                                    waren, eben so wenig schaden: denn die Intensitaͤt des Drukes
                                    waͤre in beiden Faͤllen dieselbe, naͤmlich 333 1/3
                                    Pfund auf jeden Zoll der Felgen nach ihrer Breite; und gaͤbe man den
                                    Raͤdern dieser kleinern Wagen zum Ueberfluße 4 Zoll breite Felgen, so
                                    waͤre der Druk noch geringer, naͤmlich nur 250 Pfd. auf jeden
                                    Zoll. Hieraus erhellet, daß alle Vortheile, welche man sich von den so hoch
                                    gepriesenen uͤbermaͤßig breiten Radfelgen nur immer
                                    versprechen kann, eben so gut und mit viel weniger Schwierigkeiten erreicht
                                    wuͤrden, wenn jene ungeheuren, mit 6, 8 und mehreren Pferden
                                    bespannten, Lastwagen, welche, auch mit den breitesten Felgen, beim
                                    Bergabwaͤrtsfahren die Straßen durch die Radschuhe zu Grunde richten,
                                    die Straßen-Pflaster in Staͤdten und Maͤrkten
                                    verderben, die Bruͤken erschuͤttern, und uͤberhaupt
                                    mancherlei Gefahren und Unfaͤlle herbei fuͤhren, durchaus
                                    nicht, und unter keiner Bedingung gestattet wuͤrden, und kein anders
                                    Fuhrwerk erlaubt waͤre, als welches auf flachem Lande mit vier
                                    Pferden bequem fortgezogen werden kann..
                           16. So zahlreich und erheblich die bisher angefuͤhrten Maͤngel unserer
                              fortschaffenden Mechanik in ihrem gegenwaͤrtigen Zustande, und besonders des
                              Landfuhrwesens, sind, so bleibt doch noch eines der groͤßten Gebrechen zu
                              erwaͤhnen uͤbrig, welches schon fuͤr sich allein die am
                              Eingange dieses Abschnittes von mir aufgestellte Behauptung vollkommen zu
                              rechtfertigen geeignet waͤre, daß wir naͤmlich, aus wissenschaftlichem
                              Gesichtspunkte betrachtet, eigentlich noch gar keine fortschaffende, sondern nur
                              eine fortschleppende Mechanik haben.
                           
                           Bei allen Maschinen oder mechanischen Vorrichtungen, welche dazu bestimmt sind, eine
                              bedeutende Last zu heben, oder irgend einen Widerstand zu uͤberwinden,
                              bedient man sich des statischen Uebergewichtes oder der sogenannten mechanischen
                              Potenzirung der angewandten Kraͤfte (was die Englaͤnder sehr kurz und
                              passend: purchase nennen) wodurch bekanntlich jede, auch
                              noch so große Last von jeder, auch noch so kleinen, Kraft gewaͤltigt werden
                              kann, wenn, nach den Gesezen der virtuellen Geschwindigkeiten, die Erste nur um so
                              viel langsamer bewegt wird, als ihr absolutes Gewicht die absolute Energie der
                              unmittelbaren Kraft uͤbertrift. Hierin liegt eigentlich der ganze Vortheil
                              und Nuzen aller Mechanik, und ohne diesen gibt es keine Vorrichtung, welche den
                              Namen einer Maschine verdient. So, z.B. vermag ein einziger Mann vermittelst einer
                              Winde, einer Schraube, eines Flaschenzuges u. d. gl. eine ungeheure Last zu bewegen
                              und allmaͤhlig auf jede erforderliche Hoͤhe zu schaffen, welche, ohne
                              solche Vorrichtungen, hundert Menschen, wenn selbe mit vereinten Kraͤften
                              unmittelbar Hand anlegen wollten, nicht von der Stelle zu bewegen, vielweniger zu
                              heben im Stande waͤren; und gewiß wuͤrde man jeden Versuch dieser
                              leztern Art ungereimt und laͤcherlich finden, und z.B. denjenigen Baumeister
                              mit Recht der groͤbsten, aͤcht barbarischen Unwissenheit beschuldigen,
                              welcher einen mehrere hundert Zentner schweren Stein oder Balken durch unmittelbare
                              Anlegung von ein Paar hundert Menschen auf ein hohes Geruͤste tragen oder
                              schleppen lassen wollte, ohne sich eines jener bekannten und bewaͤhrten
                              Hebegeschirre zu bedienen. –
                           Wenden wir nun diesen Grundsaz auf die fortschaffende Mechanik fuͤr den
                              uͤberall haͤufig und taͤglich vorkommenden, Fall an, da ein
                              schweres Fuhrwerk nicht auf einer ganz wagerechten Flaͤche, sondern
                              uͤber eine Etwas lange und steile Anhoͤhe fortgebracht werden soll,
                              und wo es also darauf ankoͤmmt, außer dem Widerstande der Reibungen und des
                              Grundes auch noch den Widerstand der Schwere zu uͤberwinden, folglich im
                              Ganzen eine Kraft auszuuͤben, welche oft vier bis fuͤnf mal
                              groͤßer seyn muß als diejenige, welche der gewoͤhnliche Zug auf der
                              Ebene erfordert, so finden wir, daß unsere Kunst hier noch eben so unbeholfen ist,
                              oder vielmehr, daß wir uns hier gar keiner Kunst ruͤhmen duͤrfen, und
                              in diesem Stuͤke wirklich eben so ungeschikt sind als jener Baumeister. Denn
                              worauf beschraͤnken sich in diesem Falle alle Mittel, welche wir kennen und
                              anwenden? – doch einzig und allein darauf, daß wir mit außerordentlichem
                              Kosten Aufwande zu den
                              fuͤr das flache Land erforderlichen Pferden noch eine gleiche oder doppelte
                              Anzahl vorspannen, und diese Thiere sammtlich so gewaltsam anstrengen, daß sie in
                              kurzer Zeit zu Grunde gerichtet werden, da eine einzige nur Etwas steile und lange
                              Anhoͤhe dieselben gemeiniglich mehr angreift und ermuͤdet als eine
                              ganze Tagreise auf der Ebene. Und dabei geht es, obschon keine mechanische Potenz
                              angewendet ist, und die Geschwindigkeit der Last gegen jene der unmittelbar
                              angebrachten Kraft keine Veraͤnderung leidet, doch so langsam zu, als wenn
                              die Wagen durch Schrauben hinauf gewunden wuͤrden, weil die Pferde immer nur
                              in kurzen Zuͤgen arbeiten koͤnnen, und man ihnen oͤftere und
                              lange Pausen zum Ausruhen und Ausschnauben vergoͤnnen muß.
                           Nun frage ich jeden Unbefangenen: Zeigt sich hier die geringste Spur von mechanischer
                              Kunst? – Befindet sich hier die fortschaffende Mechanik nicht in demselben
                              rohen, man darf wohl sagen, barbarischen Zustande, wie sie vor ein Paar Tausend
                              Jahren unter den unwissendsten Voͤlkern war? und ist es nicht eben so
                              unbegreiflich als traurig, daß in einem so wichtigen und unentbehrlichen Gegenstande
                              der Bewegungskunst bis auf den heutigen Tag noch nicht der geringste Versuch zu
                              einer Verbesserung gemacht worden ist, waͤhrend so viele sinnreiche und
                              geschikte Mechaniker ihre Zeit und ihre Talente schon auf die unbedeutendsten
                              Erfindungen, zum Theil auf die unnuͤzesten Spielwerke verschwendet haben?
                              –
                           In der That kann es nur durch die lange Gewohnheit an solche Ungereimtheiten, welche
                              wir taͤglich vor unsern Augen wiederholen sehen, einigermaßen erklaͤrt
                              werden, daß dieser Uebelstand, dieses Gebrechen nicht Jedem auffaͤllt, der
                              nur einige allgemeine Begriffe von dem Zweke und Nuzen der Mechanik hat. Leider!
                              beherrscht aber auch diese Despotie der Gewohnheit den menschlichen Geist im
                              Allgemeinen so unumschraͤnkt, daß sie oft sogar das Gefuͤhl des
                              Beduͤrfnisses einer Verbesserung, selbst den Wunsch nach dem Bessern erstikt;
                              und wird ein solcher leiser Wunsch auch manchmal rege, so unterdruͤkt eine
                              gewisse, (gleichsam religioͤse) Ehrfurcht fuͤr das Alte und
                              Hergebrachte jeden kuͤhnen Gedanken an eine Neuerung sogleich bei seinem
                              Entstehen. „Es laͤßt sich nun Einmal nicht anders machen. Es ist
                                 von jeher so gewesen; folglich muß es wohl so seyn“ ist dann die
                              gewoͤhnliche Formel, mit welcher man sich dergleichen Anfechtungen aus dem
                              Sinne schlaͤgt.
                           So ist es denn freylich kein Wunder, daß auch im Gebiete der Technik die
                              mangelhaftesten und druͤkendsten Einrichtungen, wie Erbkrankheiten von
                              Geschlecht auf Geschlecht, von Jahrhundert auf Jahrhundert sich fortpflanzen; und
                              sind diese Einrichtungen vollends ungluͤklicher Weise von der Art, daß sie
                              (wie es hier wirklich der Fall ist) durch einen Schein von Einfachheit (die indessen
                              eben so wohl wahre Einfalt seyn kann) truͤgen, so kann man um so gewisser
                              darauf rechnen, daß sobald Niemand es wagen wird, sie aus ihrem ruhigen Besizthume
                              zu vertreiben: denn die meisten glauben sodann, die Graͤnze der menschlichen
                              Erfindungskraft sey hiemit wirklich schon erreicht, und in einem so langen Zeitraume
                              sey bloß darum nicht mehr in der Sache gethan worden, weil sich in der That nicht
                              mehr in ihr thun laͤßt. –
                           Dieß ist denn auch, wie ich gezeigt zu haben glaube, in wenigen Worten, (mit einer
                              einzigen ruͤhmlichen, doch bis jezt noch viel zu beschraͤnkten
                              Ausnahme) die ganze Geschichte unserer gegenwaͤrtigen fortschaffenden
                              Mechanik auf dem festen Lande. Daß es anders und besser werden, daß man auch bei
                              Fuhrwerken alle Vortheile einer rationellen Mechanik so gut wie bei anderen
                              Maschinen anwenden kann, und zwar ohne uͤberspannte Kuͤnsteleyen,
                              mittelst einfacher, solider und leicht zu gebrauchender Vorrichtungen –
                              dieses hoffe ich in den folgenden Abschnitten dieses Werkes darzuthun.