Titel: | Allgemeine Betrachtungen über den gegenwärtigen Zustand der fortschaffenden Mechanik. Von Joseph Ritter von Baader, k. b. Oberstbergrath und Maschinen-Direktor. |
Autor: | Honorar-Prof. Dr. Joseph Baader [GND] |
Fundstelle: | Band 6, Jahrgang 1821, Nr. LIV., S. 323 |
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LIV.
Allgemeine Betrachtungen über den gegenwärtigen Zustand der fortschaffenden MechanikAus dessen naͤchstens zu erscheinenden groͤßern Werke
„Neues System der fortschaffenden Mechanik, zur Erleichterung des
Transportes aller Waaren und Produkte, zur Belebung des Handels und
Gewerbfleißes, zur Befoͤrderung des Akerbaues, des innern Verkehrs
und des National-Wohlstandes aller Laͤnder,“
woruͤber Bd. 5. Heft 4. S. 498. in diesem Journal eine den Inhalt dieses
interessanten Werkes naher bezeichnende Anzeige zu lesen ist. Die zu diesem
Werke gehoͤrige Kupfer sind vortrefflich ausgefuͤhrt, und die
Ilumination derselben laͤßt nichts zu wuͤnschen uͤbrig. Den
zweiten Abschnitt „Geschichte und Beschreibung der englischen
Eisenbahnen – ihre Kosten – ihre Wirkung – ihre
Vorzuͤge vor den gewoͤhnlichen Straffen und vor den
schiffbaren Kanaͤlen – ihre Maͤngel und
Unbequemlichkeiten werden wir nebst den hiezu gehoͤrigen Abbildungen
in einem der folgenden Hefte in diesem Journal mittheilen. D.
. Von Joseph Ritter von Baader, k. b. Oberstbergrath und Maschinen-Direktor.
v. Baader's allgemeine Betrachtungen über den gegenwärtigen Zustand der fortschaffenden Mechanik.
1. Wenn man den hohen Grad von Vollkommenheit in
Erwaͤgung zieht, zu welchem, die hebende Mechanik,
oder die Kunst, Lasten aller Art (wozu auch Wasser gehoͤrt) in senkrechter
Richtung empor zu schaffen, durch eine unzaͤhlige Menge der sinnreichsten und
vorteilhaftesten Erfindungen in den neuesten Zeiten gebracht worden ist, und wenn
man damit den gegenwaͤrtigen Zustand der fortschaffenden Mechanik, d.i. der Kunst, Lasten in horizontaler Richtung
auf der Oberflaͤche der Erde von einer Stelle zur andern zu bringen,
vergleicht, (welche doch offenbar weit wichtiger und unentbehrlicher als die Erste
ist, da fuͤr einen aufwaͤrts zu hebenden Zentner uͤberall
mehrere Tausende von Zentnern in laͤngere oder kuͤrzere Entfernungen
taͤglich fortgeschaft werden muͤssen, da der Absaz und Austausch aller
moͤglichen Erzeugnisse, uͤberhaupt aller Handel und alles
buͤrgerliche Verkehr davon abhaͤngt) so muß man daruͤber
erstaunen, daß dieser leztere Theil der Bewegungskunst, so zu sagen, noch in seiner
Wiege liegt, oder vielmehr, daß wir, allgemein und aus wissenschaftlichem
Gesichtspunkte betrachtet, eigentlich noch gar keine fortschaffende, sondern nur
eine fortschleppende Mechanik haben.
2. So hart und wenig erfreulich oder schmeichelhaft diese Behauptung auch klingen
mag, so ist doch die Wahrheit derselben leider! nur zu offenbar. So z.B. befindet
sich die Schifffahrt auf Stroͤmen im allgemeinen noch groͤßtentheils
in demselben, freylich aͤußerst einfachen, aber auch ganz barbarischen und
unmechanischen Zustande, in welchem sie vor Jahrtausenden war. Auf den meisten
Fluͤssen in unserm Welttheile ist die Fahrt gegen den Strom (der sogenannte
Schiffzug) mit so großen Schwierigkeiten und Kosten verbunden, dabei so langsam und
beschwerlich, auch mitunter gefaͤhrlich, daß man, besonders wo die
Stroͤme sehr reissend sind, und große Umwege durch verschiedene
Kruͤmmungen bilden, dieselbe Reise mit denselben Ladungen oft leichter und
wohlfeiler, in jedem Falle schneller und sicherer, auf dem platten Lande
zuruͤk legt.
Wer nur einmal Gelegenheit gehabt hat, einen solchen Schiffzug auf der Donau (in
Baiern oder in Oberoͤsterreich) zu sehen, wo an einzelnen Stellen oft dreißig
und mehr der staͤrksten Pferde mit eben so vielen Reutern auf ihren
Ruͤken, einen besondern Anfuͤhrer (den sogenannten Stangenreuter) mit einer langen Stange zum Sondiren des
Grundes an ihrer Spize, alle bis an die hoͤlzernen Saͤttel im Wasser,
unter dem fuͤrchterlichsten Geschrey und in bestaͤndiger Todesgefahr,
an einem oder einem Paar beladener Schiffe so schwer, angestrengt und langsam
schleppen, daß man zuweilen ihre Bewegung kaum gewahr wird, und in banger
Ungewißheit schwebt, ob das Schiff von den Pferden vorwaͤrts, oder die Pferde
von dem Schiffe ruͤkwaͤrts gezogen werden, und daß der Zug im
laͤngsten Tage kaum eine deutsche Meile zuruͤk legt, der kann gewiß
von dem mechanischen Werthe unserer Flußschifffahrt keine
hohe Idee haben, und denenjenigen nicht Unrecht geben, welche diese
Schiffzuͤge eine bestaͤndige Satyre auf die Mechanik nennen.
–
Abwaͤrts geht zwar die Fahrt auf solchen Stroͤmen, wo diese breit und
tief genug sind, sehr gut, und zwar desto schneller, je langsamer es
aufwaͤrts geht, und sie ist in dieser Richtung, da solche, außer dem Steuern, weder irgend einer
Kraft, noch einer Kunstbeihilfe bedarf, unstreitig die leichteste, einfachste und
wohlfeilste Art von Transport, wiewohl auch nicht immer die sicherste und
gefahrloseste. Da indessen der eigentliche Zwek jeder commerziellen Verbindung
gegenseitiger Austausch der verschiedenen Produkte von einer Gegend in die andere,
von einem Lande ins andere, und das erste Erforderniß zu einem vortheilhaften
Landesverkehre ein schikliches Verhaͤltniß und Gleichgewicht zwischen Fracht
und Ruͤkfracht ist, so kann unsre Flußschifffahrt uͤberhaupt in ihrem
gegenwaͤrtigen Zustande nur auf sehr langsamen Stroͤmen wahren und
ausgedehnten Nuzen schaffen, auf schnellen oder reissenden Stroͤmen hingegen,
wo der Transport nur in einer Richtung leicht, schnell und wohlfeil, in der
entgegengesezten Richtung aber oft zwanzigmal beschwerlicher, langsamer und
kostbarer ist, oder wo gar keine Ruͤkfracht auf denselben Fahrzeugen statt
findet, wo zu jedem einzelnen Zuge abwaͤrts neue Schiffe oder Floͤsse
gebaut werden muͤssen, welche nicht wieder zuruͤkkehren, sondern am
Ziele ihrer ersten Reise zerschlagen und als Holz verkauft werden – nie einen
bedeutenden und allgemeinen Vortheil gewaͤhren, und hoͤchstens nur zu
einem einseitigen Ausfuhrhandel solcher Produkte dienen, deren staͤrkster
Absaz zufaͤlliger Weise mit der Richtung des Stromes
uͤbereintrift.
3. Man hat zwar diese Hindernisse und Maͤngel der Fluß-Schifffahrt in
den neuesten Zeiten durch die Einfuͤhrung der Dampfboote zu heben und zu verbessern gesucht, welche, da die bewegliche
Kraft des elastischen Wasserdampfes, nach den Dimensionen der durch dieselbe
betriebenen Maschinen, jeder erforderlichen Wirkung angemessen werden kann, mit den
schwersten Ladungen nicht nur im stillen Wasser, sondern selbst gegen
Stroͤme, deren Lauf ziemlich schnell ist, mit oder ohne Beihilfe des Windes,
und mit bedeutender Geschwindigkeit fortkommen; und wirklich hat diese Erfindung in
den nordamerikanischen Freystaaten sich schon mit dem gluͤklichsten Erfolge,
im groͤßten Maßstabe und in der weitesten Ausdehnung bewaͤhrt, da auf
den ungeheuren Stroͤmen jenes Welttheiles, welche aͤußerst langsam
fließen, das Aufwaͤrtsfahren uͤberhaupt keinen sonderlich starken
Widerstand leidet, und zum Theile selbst durch die sehr weit Landeinwaͤrts
zuruͤk wirkende Meeresflut periodisch beguͤnstigt wird. Allein mehrere
Versuche dieser Art, welche seit einigen Jahren auf unsern groͤßten deutschen
Stroͤmen (z.B. dem Rhein und der Donau) mit bedeutenden Kosten und mit aller
erforderlichen Geschiklichkeit unternommen wurden haben an dem zu großen Aufwande
von Brennmaterial gescheitert, welcher zum Betriebe so maͤchtiger Maschinen
erfordert wurde, und die Kosten des gewoͤhnlichen Schiffzuges durch Pferde
weit uͤberstieg. Man darf daher wohl uͤberhaupt annehmen, daß die
Dampfschifffahrt nur auf sehr langsam fließenden Stroͤmen, an welchen
zugleich gute Steinkohlen im Ueberfluß und sehr wohlfeil zu haben sind, mit Vortheil
anwendbar ist, und daß der Gebrauch dieses neuen Transportmittels auf Fluͤßen
und Stroͤmen nie allgemein werden kann.
4. Die gegrabenen Kanaͤle, deren Anlage und
Gebrauch den Egyptern und Chinesen schon in den entferntesten Zeitaltern bekannt
waren, sind zwar in den beiden lezten Jahrhunderten durch die Erfindung der
Kammerschleußen und einiger andern kuͤnstlichen Vorrichtungen wesentlich
verbessert, und zu einem hohen Grade von Vollkommenheit gebracht worden, und
gewaͤhren einen ungleich vortheilhaftern, leichtern, bequemern, sicherern,
und einer groͤßern Ausdehnung faͤhigen Wassertransport, als die
meisten Fluͤße und Stroͤme, welche schiffbar zu machen, wenn sie es
nicht schon von Natur sind, oft mit so vielen oder noch mehreren Schwierigkeiten und
Kosten verbunden ist, als die Herstellung eines in derselben Richtung und Lange
gegrabenen Kanals. Wirklich sind diese kuͤnstlichen Wasserstrassen in manchen
Laͤndern, besonders in flachen Gegenden, wie z.B. in Holland, in England, in
der Lombardey, fuͤr die Erleichterung der innern Communikation und der
Ausfuhr, und fuͤr die Befoͤrderung des Handels von dem groͤßten
Nuzen, und sie waͤren uͤberhaupt das zwekmaͤßigste und
vollkommenste Transportmittel fuͤr allen innern Verkehr, wenn ihre Anwendung
in technischer und oͤkonomischer Hinsicht allgemein moͤglich, und
nicht so vielen, großen Schwierigkeiten und Unbequemlichkeiten verschiedener Art,
und oft unuͤbersteiglichen Localhindernissen unterworfen waͤre.
5. Fuͤrs Erste erfordert die Anlage und Unterhaltung solcher Kanaͤle,
wenn sie nicht als bloße Graben durch ganz horizontalen Grund und zwar im
leichtesten Boden gefuͤhrt werden koͤnnen (welches selten, wenigstens
auf lange Streken, thunlich ist) mit den dazu gehoͤrigen Schleußen,
Bruͤken, Kanalbruͤken (ponts aqueducs)
Wasserzuleitungen und Behaͤltern, Schlammkasten, Grundablaͤssen,
Ueberfaͤllen, Daͤmmen und Zugpfaden und andern kuͤnstlichen und
kostbarren, doch unentbehrlichen Vorrichtungen ungeheure Summen, welche sich nur in
solchen Laͤndern verzinsen und ersezen koͤnnen, wo die
Bevoͤlkerung, die Menge und Thaͤtigkeit der Fabriken und Manufakturen, die
Lebhaftigkeit des innern Verkehrs, des Transit- und aͤußern Handels
die hoͤchste Stuffe erreicht haben, wo daher solche Kanaͤle
unaufhoͤrlich mit befrachteten Barken, welche aufwaͤrts und
abwaͤrts gehen, gleichsam bedekt sind, wie dieses in England,
vorzuͤglich in der Naͤhe großer Seehaͤfen und
Welthandelsplaͤze der Fall ist, wo z.B. auf dem Kanal von Leeds allein
jaͤhrlich gegen 12 Millionen Zentner hin und her transportirt werden, welches
auf jeden Arbeitstag im Durchschnitte 40000 Zentner betraͤgt. In jedem andern
Lande hingegen, wo die Aus- und Einfuhr, der Transit und der innere Verkehr
nicht so bedeutend sind oder werden koͤnnen, sind und bleiben diese
Wasser-Straffen viel zu kostbar, und die hiezu erforderlichen ungeheuren
Kapitalien koͤnnen weder aufgetrieben, noch durch die zu erhaltenden
Vortheile verzinset werden.
Der beruͤhmte große Kanal von Languedoc (Canal
du Midi) welcher in der lezten Haͤlfte des 17ten
Jahrhunderts gebaut wurde, hat, ohne die nach seiner Vollendung noch vorgenommenen
Abaͤnderungen und Zusaͤze, 17 1/2 Millionen Livres gekostet, welches
nach dem jezigen Werthe des Geldes, der Arbeit und Materialien 33 Millionen macht.
Da die ganze Laͤnge dieses Kanals 32 deutsche Meilen oder 64 geometrische
Stunden betraͤgt, so kostet jede Stundenlaͤnge im Durchschnitte
515,625 Livres oder 236,328 Gulden Rheinisch.
Dieser Kanal, welcher den Ocean mit dem mittellaͤndischen Meere verbindet,
welcher Schiffe von 2000 Zentner Ladung traͤgt, und auf welchem
jaͤhrlich gegen drei Millionen Zentner von Waaren und Produkten aller Art
verfuͤhrt werden, hat, nach einer Tabelle, welche der franzoͤsische
General Andreossi in seiner Histoire du canal de Midi (S. 345.) liefert, von dem Jahre 1686 bis zum
Jahre 1791, also in 106 Jahren, uͤber Abzug der sehr bedeutenden
Unterhaltungs-Kosten einen reinen Ueberschuß (Produi
net) von 31,784,641 Livres, also im Durchschnitte jaͤhrlich 299,855
Livres eingetragen, wornach diese Anlage freilich als eine in oͤkonomischer
oder finanzieller Hinsicht sehr vortheilhafte Unternehmung erscheinen sollte. Es ist
indessen wohl zu bemerken, daß bei dieser Berechnung fuͤr die Zinsen des
Anlagkapitals durchaus Nichts in Ausgabe angesezt ist. Nimmt man dieses, nach dem
damaligen Werthe des Geldes, und nach der wirklichen ersten Auslage, nur zu 17 1/2
Millionen Livres an, ohne die vielen spaͤterhin vorgenommenen sehr kostbaren
Abaͤnderungen, Verbesserungen und neue Bauten in Anschlag zu bringen, so
betragen diese Zinsen 875,000 Livres, und es zeigt sich also bei diesem so
beruͤhmten, durch den großen Welthandel von zweien Meeren
beguͤnstigten, und mit der groͤßten Geschiklichkeit
ausgefuͤhrten Kanale statt eines finanziellen Gewinnes ein wirkliches
Deficit, ein reiner Verlust oder eine Einbusse von jaͤhrlich 575,145 Livres
oder 263,608 Gulden Rheinisch! –Der Kanal von Languedoc ist, wie der verdienstvolle Ritter von Gerstner sehr richtig bemerkt hat, nicht so sehr
wegen des Handels, als vielmehr zur Erleichterung der Kriege gegen Spanien
erbaut worden. Eben so hat der roͤmische Feldherr Drusus in Belgien
von seinen Soldaten die Yßel graben lassen, um die noͤrdlichen
deutschen Provinzen mit mehr Vortheil bekriegen zu koͤnnen. Die
meisten Kanaͤle in den niederlaͤndischen Provinzen sind
hauptsaͤchlich zur Entwaͤsserung der Laͤndereyen
angelegt, und werden fuͤr den Handel nur gelegenheitlich nebenher
benuͤzt. Da in solchen Faͤllen von den Frachten nur ein
kleiner Beitrag zur Verguͤtung der Bau- und
Unterhaltungskosten der Kanaͤle gefordert wird, so ergibt sich
allerdings fuͤr den Transport auch eine vortheilhafte Rechnung. Bloß
fuͤr den Handel waͤren diese großen Unternehmungen nie zu
Stande gekommen, und bloß fuͤr diesen Zwek dergleichen in
Laͤndern, wo kein außerordentlich starker Handelsverkehr statt findet
oder zu erwarten ist, vorzuschlagen, gehoͤrt zu den ungereimtesten
Finanzprojekten von einiger sogenannten Kameralisten, welche von
hydrotechnischen Gegenstaͤnden keinen richtigen Begriff haben, oder
von Straßen- und Wasserbau-Direktoren, welche die ersten
Anfangsgruͤnde dieses Faches noch zu erlernen haben. – Man
sehe: „Zwei Abhandlungen uͤber Frachtwagen und Straßen, und
uͤber die Frage, ob, und in welchen Faͤllen der Bau
schiffbarer Kanaͤle, Eisenwege, oder gemachter Straßen
vorzuziehen sey. etc.“ von Franz Ritter von Gerstner etc.
Prag, 1813.
Von den vorzuͤglichsten, seit 50 Jahren in England nach weit kleinern
Dimensionen, in groͤßtentheils flachen Gegenden, welche keine besondern
Schwierigkeiten darboten, angelegten Kanaͤlen, welche nur Barken von 400 bis
500 Zentner Ladung fuͤhren, waren die genauen Kosten (vor 30 bis 40 Jahren)
folgende:
Von dem Great-Trunk- oder Junction-Kanal kostete die englische Meile
5556 Pfd. Sterl.
Von dem Kanal von Kennet nach Avon
6000 Pfd. Sterl.
Von Leeds nach Liverpool
6202 Pfd. Sterl.
Von Elesmere
7017 Pfd. Sterl.
Von Rochdale
9267 Pfd. Sterl.
Vom Clydekanal in Schottland
9428 Pfd. Sterl.
als im Durchschnitte 7245 Pfund Sterling fuͤr jede
englische Meile, oder, da eine englische Meile 5500 baierische Fuß betraͤgt,
1855 1 1/2 Pfund Sterling d.i. 204,066 fl. fuͤr eine geometrische Stunde oder
halbe deutsche Meile.
Will man nun, wegen der wohlfeilern Arbeit in Deutschland, diesen Betrag auch um ein
Drittel geringer annehmen, so bleibt dennoch eine Durchschnitts-Summe von
136,000 fl. als Minimum der Baukosten fuͤr jede geometrische Stunde, oder von
272,000 fl. fuͤr jede deutsche Meile eines schiffbaren Kanals von den
kleinsten Dimensionen, auf welchem ein Pferd eine Barke mit 400 bis 500 Zentner
beladen ziehen kann, und zwar durch solche Gegenden, in welchen keine
betraͤchtlichen und zahlreichen Anhoͤhen oder andere oͤrtliche
Hindernisse vorkommen, und wo die Speisung des Kanals mit dem erforderlichen
Wasserzufluße auf den hoͤchsten oder Theilungspunkten (Points de partage) ohne lange und kostbare Leitungen oder besondere
Maschinen zu bewerkstelligen ist.
Nach einer von meinem alten Freunde, Herrn John Rennie,
dem beruͤhmtesten und erfahrensten Ingenieur und Hydrotechniker in England,
bei meinem lezten Aufenthalte daselbst im Jahre 1816 mir mitgetheilten
Durchschnitts-Berechnung kostet jezt dort ein Kanal von den vorhin
erwaͤhnten, gewoͤhnlichen kleinen Dimensionen, von zehn bis zwanzig
tausend Pfund Sterling fuͤr jede englische Meile von 1760 Yards oder 5280
Fuß, je nachdem das Terrain weniger oder mehr Schwierigkeiten darbietet, eine
kleinere oder groͤßere Anzahl von Schleußen erfordert u. d. gl.Das waͤre fuͤr einer halbe deutsche Meile 254,000 bis 508,000
fl. Die leztern machen immer den kostbarsten Theil des ganzen Baues. In England
rechnet man fuͤr eine Schleuße von der kleinsten und leichtesten Art mit 7
bis 8 Fuß Fall gewoͤhnlich 900 bis 1200 Pfd. Sterling (10 bis 13 Tausend
Gulden.) Hogrewe in seiner praktischen Anweisung zur
Baukunst schiffbarer Kanaͤle gibt S. 318 bis 328. einen sehr genauen und
detaillirten Kostenanschlag einer groͤßern Kastenschleuße von 140 Fuß
Laͤnge und 8 Fuß Fall, fuͤr Schiffe von 2000 Zentner Ladung, zu 20577
Thaler 20 Groschen an, welches 37038 fl. Rheinisch betraͤgt. Der große
nordhollaͤndische Kanal, welcher gegenwaͤrtig, 12 Meilen lang, vom
Helder bis vor Amsterdam, fuͤr Kriegs- und ostindische Schiffe
fahrbar, gebaut wird, kostet mehrere Millionen, und jede Einzelne Schleuße
uͤber dreimal hundert tausend Gulden.
Welche außerordentliche, ungeheure, ja oft unerschwingliche Kosten die Anlage eines
schiffbaren Kanals in Gebuͤrgs-Gegenden verursachen muß, wo sehr
bedeutende Anhoͤhen zu uͤberfahren sind, oder wo das Terrain in
kleinen Zwischenraͤumen bedeutend steigt und faͤllt, und wo folglich
auf einer kurzen Streke nahe aneinander sehr viele Schleußen (einfach oder
gekuppelt), vorgerichtet werden muͤssen, ist daher leicht zu begreifen. So z.B. ist in dem
Oesterreichischen Kaiserstaate die schon im vierzehnten Jahrhunderte unter Karl IV.
zuerst in Antrag gekommene, und seither oͤfter wiederholt zur Sprache
gebrachte, hoͤchst wuͤnschenswerthe Verbindung der Moldau mit der
Donau durch einen schiffbaren Kanal, dessen Laͤnge unbedeutend seyn
duͤrfte, bloß wegen den von allen Wasserbau-Verstaͤndigen
berechneten aͤußerst betraͤchtlichen Kosten immer unterblieben. Als im
Jahre 1807, der K. K. Wasserbau-Direktor Hr. Ritter von Gerstner gemeinschaftlich mit dem K. K. Hofbaurath, Freyherrn von Pakassi den Auftrag erhielt, jene Gegend nebst allen
bisherigen Vorschlaͤgen zu dieser Wasserverbindung genau zu untersuchen, und
den vorzuͤglichsten derselben wieder aufzunehmen, ergab sich aus dem von
diesen beiden gruͤndlichen Wasserbau-Verstaͤndigen den 31.
Dezember 1807. erstatteten Berichte, daß diese Vereinigung auf der kuͤrzesten
und am wenigsten kostbaren Linie von Hohenfurt durch den Haselgraben nach Linz, wo
die Entfernung der beiden Fluͤsse nur fuͤnf deutsche Meilen
betraͤgt, mit allen zugehoͤrigen Vorrichtungen, fuͤnf Millionen
Gulden in Konventionsmuͤnze, also eine halbe Million fuͤr jede Stunde
Weges, kosten wuͤrde!Man sehe: die oben angefuͤhrten zwei Abhandlungen uͤber
Fracht-Wagen und Straßen u.s.w. von Franz Ritter von Gerstner. Prag,
1813. –
6. Ist schon die erste Anlage eines Kanals so kostbar, so verursacht auch die
Unterhaltung und Aufsicht bestaͤndige und sehr betraͤchtliche
Auslagen, da an den Daͤmmen und Zugpfaden, an den Schleußen, an den
Ueberfaͤllen, an den Wasserleitungen u. d. gl. immerwaͤhrende, von
Zeit zu Zeit sehr bedeutende und kostspielige, Reparaturen vorfallen. Wenn man nun
diese fortlaufenden jaͤhrlichen Auslagen zu den Zinsen des auf den ersten Bau
verwendeten Kapitals schlaͤgt, und beide auf die Fracht der auf dem
Kanaͤle jaͤhrlich verfuͤhrten Produkte vertheilt, so wird, bei
einer genauen Berechnung, in den meisten Faͤllen und Situationen auf unserm
festen Lande sich das Resultat ergeben, daß die wahren Transportkosten auf einer
solchen kuͤnstlichen Wasserstraße jene aus den gewoͤhnlichen
Landstraßen, bei gleichen Laͤngen oder Entfernungen, noch weit
uͤbertreffen, und daß also von einer solchen Anlage nicht nur keine
Erleichterung des Handels und innern Verkehrs, kein Gewinn, weder fuͤr die
Unternehmer noch fuͤr das handelnde Publikum, kein Vortheil, weder
fuͤr den Staat
noch fuͤr die Nation, sondern vielmehr ein bedeutender Verlust und Nachtheil
fuͤr Alle zu erwarten seyEs hat zwar der beruͤhmte amerikanische Ingenieur, Robert Fulton schon
vor 30 Jahren ein neues System von ganz kleinen schiffbaren Kanaͤlen
in Vorschlag gebracht, auf welchen nur Barken von 80 Zentner Ladung
gefuͤhrt, welche statt der Schleußen mit schiefen Flaͤchen und
Rollwegen versehen werden, und nach seiner Berechnung nur den dritten Theil
der gewoͤhnlichen englischen Kanaͤle kosten sollten, und er
glaubte, daß auf diese Art die Anwendung der Kanaͤle zur
Befoͤrderung der innern Kommunicationen in jedem Lande leichter, und
allgemeiner als bisher werden koͤnnte. Allein dieses Projekt hat
weder in England, wo Fulton zuerst, noch in Frankreich, wo er spaͤter
damit auftrat, noch in seinem eigenen Vaterlande, wo er bis zu seinem Tode
sich aufhielt, und wegen seinen andern wichtigen Erfindungen
(vorzuͤglich der Dampfschiffe) in hohem Ansehen stand, Beifall und
Eingang gefunden, theils weil man, nebst vielen mit diesem Vorschlage
verknuͤpften Schwierigkeiten, die Ersparung, bei genauer
Pruͤfung, nicht so bedeutend fand, theils weil man sich
uͤberzeugte, daß der Widerstand des Wassers in einem zu engen Kanal
sehr betraͤchtlich wird, sohin der Hauptvortheil: die Erleichterung
des Zuges, groͤßtentheils verloren gehen wuͤrde..
7. Außer diesem großen Kostenaufwande, welcher der Einfuͤhrung schiffbarer
Kanaͤle fast uͤberall entgegen stehet, sind dieselben aber auch noch
verschiedenen andern Schwierigkeiten und Nachtheilen unterworfen, durch welche ihr
Nuzen uͤberhaupt gar sehr vermindert, und ihre Anwendung noch mehr erschwert
wird.
1) Ihre Anlage entzieht dem Akerbau und der Kultur große
Streken Landes, welche den Eigenthuͤmern oft mit den ansehnlichsten
Summen abgekauft und verguͤtet werden muͤssen. Der kleinste Kanal
nimmt mit seinen Daͤmmen und den darauf anzulegenden Ziehwegen wenigstens
40 Tagwerk Grund fuͤr jede geometrische deutsche Meile seiner
Laͤnge hinweg – ein Verlust, welcher in flachen und fruchtbaren,
stark bevoͤlkerten Gegenden fuͤr den Nationalwohlstand sehr
empfindlich, oft unersezlich ist.
2) Die Kanaͤle verbrauchen uͤberall einen
betraͤchtlichen Wasserzufluß, und zwar desto mehr, je lebhafter die
Schifffahrt auf denselben ist. Man muß ihnen daher manche schoͤne Quelle
und manchen kleinen Bach zuleiten, welche zum Betriebe von Muͤhlen oder
zur Wiesenwaͤsserung vortheilhaft benuzt werden koͤnnten.
Gemeiniglich ist das Zubringen eines hinlaͤnglichen Wasservorrathes auf
den hoͤchsten Punkten eines Kanals mit großen Schwierigkeiten verbunden,
oft nur durch Anlage ungeheurer Behaͤlter oder Teiche und langer
Wasserleitungen zu
bewirken, wodurch der Feldbau wieder bedeutende Streken Landes verliert.
3) Da die Daͤmme und das Bett solcher Kanaͤle
uͤber niedrig liegende Flaͤchen oft ziemlich weit in einer
betraͤchtlichen Hoͤhe fortgefuͤhrt werden muͤssen,
so wird die Kommunikation zu Lande auf den Straßen, welche sie durchschneiden,
und welche nur mittelst sehr hoher Bruͤken und steiler Auffahrten
hergestellt werden kann, ungemein erschwert, und es entsteht daher fuͤr
das taͤgliche, unentbehrliche innere Verkehr in diesen Richtungen durch
den Kanal selbst ein nicht unbedeutendes Hinderniß.
4) Das am Fuße solcher hoher Daͤmme bestaͤndig
durchsikernde Wasser verwandelt die zunaͤchst liegenden Felder und
Gruͤnde in unfruchtbare und ungesunde Suͤmpfe. – Bei einem
ploͤzlichen Durchbruche eines solchen Dammes werden oft ganze Gegenden
uͤberschwemmt und verwuͤstet, und der hieraus entstehende Schaden
ist desto groͤßer und ernsthafter, da das ausgetretene Wasser nicht, wie
bei den gewoͤhnlichen, durch Anschwellung der Fluͤsse und
Stroͤme verursachten, Ueberschwemmungen von selbst wieder in seinen
Rinnsal zuruͤk fließen kann, sondern an den tiefsten Stellen bleibende
Pfuͤzen von bedeutendem Umfange bildet, wie z.B. die sogenannten Valli in
der Lombardey.
5) Die faulenden Ausduͤnstungen dieser Suͤmpfe
und Pfuͤzen, und selbst des Wassers in den Kanaͤlen, welches
groͤßtentheils ganz stille stehet, verpesten die Luft, besonders in den
warmen Jahreszeiten, und machen die naͤchsten Umgebungen sehr ungesund.
In Italien, im suͤdlichen Frankreich und selbst in dem weit minder
heissen England ist der Gestank dieser Kanaͤle, wenn sie nicht
oͤfters abgelassen und geraͤumt werden (was jedesmal den Verkehr
Wochen lang unterbricht), manchesmal wirklich unertraͤglich, und in
vielen Ortschaften an solchen Kanaͤlen herrscht der Typhus fast
bestaͤndig. –
6) In bergichten, oder mit vielen Huͤgeln
durchschnittenen Gegenden, wo viele Schleußen nahe aneinander vorgerichtet
werden muͤssen, wird der Transport auf einem solchen Kanaͤle, die
Barken moͤgen durch diese Schleußen aufwaͤrts oder abwaͤrts
gehen, ungemein verzoͤgert und kostspielig.
7) Endlich sind die Kanaͤle uͤberhaupt,
wenigstens in unserm Himmelsstriche, oft mehrere Monate im Jahre voͤllig
unbrauchbar, indem sie bei strenger Winterkaͤlte einfrieren, oder im
Sommer bei anhaltender Troͤkne, wenn ihre Zufluͤsse sich vermindern oder
versiegen, entweder ganz eintroknen, oder doch wenigstens so seicht werden, daß
die beladenen Schiffe nicht mehr fortkommen koͤnnen –
8. Bei so vielen, zum Theil unuͤbersteiglichen, Hindernissen und
Schwierigkeiten, welche der innern Schifffahrt oder dem Wassertransporte nicht nur
auf Stroͤmen, sondern auch auf kuͤnstlichen Kanaͤlen fast
uͤberall entgegen stehen, und die Anwendung derselben nur auf wenige
Lokalitaͤten und besondere Verhaͤltnisse beschranken, ist und bleibt
der Transport zu Lande, oder auf der Achse das einzige allgemein anwendbare,
folglich das wichtigste aller bekannten und moͤglichen Mittel zur
Fortschaffung aller Arten von Waaren, Erzeugnissen und Materialien. Da nun diese Art
von Transport auch zugleich die aͤlteste ist, so sollte man denken, daß
dieselbe in dem Zeitraume von ein Paar tausend Jahren zu einem hohen Grade von
Vollkommenheit gebracht worden waͤre. Der Erfolg zeigt indessen nur zu
augenscheinlich das Gegentheil. Was den Bau der Straßen betrifft, darin haben uns
die alten Roͤmer weit uͤbertroffen, und in der Construction der Wagen
– ich spreche hier nicht von Reise- und Luxus-Wagen, sondern
lediglich von schwerem Fuhrwerke – haben wir seit jenen Zeiten fast Nichts
verbessertDie Wagenraͤder mit breiten Felgen, welche man im vergangenen
Jahrhunderte zuerst in England, dann auch in andern Laͤndern
eingefuͤhrt, oder einzufuͤhren versucht hat, sind eigentlich
keine Verbesserung der Wagen, welche dadurch nur schwerer zu ziehen werden,
sondern nur ein Mittel zur Verbesserung der schlechten Straßen auf Kosten
des Zugviehes, oder zur laͤngern Erhaltung derselben, wenn sie sich
schon im besten Zustande befinden, wie ich weiter unten zeigen werde..
9. Die Guͤte oder Vollkommenheit einer jeden Maschine oder mechanischen
Vorrichtung wird bekanntlich nach dem Verhaͤltnisse beurtheilt, in welchem
der wirklich erhaltene nuzbare Effekt zu demjenigen
stehet, welcher der Theorie nach mit der aufgewandten Kraft, wenn diese keinen
Verlust litte, und keine Nebenhindernisse Statt fanden, erhalten werden sollte. Je
mehr sich der Erste dem Leztern, als dem hoͤchsten, in der Ausuͤbung
freilich nie ganz erreichbaren, Ideale naͤhert, oder je geringer die Summe
der durch die Vorrichtung selbst verursachten Reibungen und anderer Nebenhindernisse
ist, desto besser ist die Maschine; je groͤßer hingegen dieser Unterschied,
desto unvollkommener ist die Vorrichtung. Eine Maschine ist aber schon sehr schlecht, bei welcher
dieser Unterschied die Haͤlfte des Ganzen betraͤgt, oder bei welcher
die Nebenhindernisse eben so viel Widerstand als die eigentliche (unvermeidliche)
Last verursachen, wo folglich ein zweimal groͤßerer Kraftaufwand erfordert
wird, als, theoretisch berechnet, zur herfuͤrgebrachten Wirkung
noͤthig seyn sollte.
Betrachtet man aus diesem mechanischen (einzig wahren)
Gesichtspunckte unsere gewoͤhnlichen Landstraßen und Fuhrwerke als Maschinen (ich spreche hier von den besten und
sorgfaͤltigst unterhaltenen Straßen aller Laͤnder ohne Unterschied) so
wird es schwer halten, eine unvollkommnere, Bewegungskraft und Kosten mehr
verschwendende, Vorrichtung aufzufinden.
Der Theorie zufolge muͤßte eine sehr geringe Kraft (im Beharrungsstande)
hinreichen, um die groͤßte Last mit einer maͤßigen und
gleichfoͤrmigen Geschwindigkeit auf einer ganz horizontalen Straße fort zu
bewegen, wenn diese, wie sie seyn sollte, eine vollkommen ebene, glatte, feste und
harte Flaͤche waͤre, weil in diesem Falle nur der Widerstand der an
sich unbedeutenden, durch bekannte zwekmaͤßige Mittel leicht auf ein Minimum
zu bringenden, Reibung an den Achsen uͤberwunden werden duͤrfte. In
der Wirklichkeit hingegen uͤbersteigt der zur Bewegung erforderliche
Kraftaufwand jenen theoretisch berechneten, selbst auf der fuͤrtreflichsten
Chaussee, und unter den guͤnstigsten Umstaͤnden, wenigstens zehn Mal,
auf einer gewoͤhnlichen, nicht am sorgfaͤltigsten unterhaltenen, neu
bekieseten oder schon ausgefahrnen Straße, besonders bei schlechter Witterung, wohl
dreißig bis fuͤnfzig Mal. Die Ursache dieser außerordentlichen
Kraftverschwendung liegt indessen nicht sowohl an den Wagen als
groͤßtentheils an dem mangelhaften Zustande der Wege selbst. Denn da sogar
die fuͤrtreflichste Straße in ihrem vollkommensten Zustande und bei der
allerguͤnstigsten Jahreszeit und Witterung die theoretische Bedingung von
absoluter Haͤrte, Festigkeit und Glaͤtte nicht erfuͤllt, noch
bei aller aufgewandten Muͤhe und Sorgfalt erfuͤllen kann, so muß
natuͤrlicher Weise von dem Einsenken und Einschneiden der Raͤder in
den mehr oder weniger weichen und zaͤhen Grund, von dem Anhaͤngen und
der Reibung der Radfelgen an den Seiten der Geleise, und von den
unaufhoͤrlichen Stoͤßen und Erschuͤtterungen, welche jeder
Stein, jede kleine Erhoͤhung und Vertiefung auf der Raͤderbahn
verursacht, und uͤber welche das Fuhrwerk jeden Augenblik von Neuem gehoben
werden muß, zusammen ein hoͤchst bedeutender Widerstand entstehen, und dieser
Widerstand muß um so fuͤhlbarer seyn, als derselbe am Umfange der Raͤder wirkt, wo
sein statistisches Moment jenes der Achsen-Reibung um so viel Mal
uͤbertrift, als der Durchmesser dieser Raͤder groͤßer ist als
jener der Achsen. Eben durch diesen betraͤchtlichen Widerstand am Umfange der
Raͤder wird aber mittelbar auch die Reibung an den Achsen selbst um Vieles
vermehrt, weil diese, der erforderlichen Staͤrke halber, um die ungeheuren
Stoͤße auszuhalten, viel diker, die Raͤder und der ganze Wagen
ungleich schwerer gebaut werden muͤssen, als es sonst auf vollkommen ebenem,
glattem und hartem Wege noͤthig waͤre. So wirken also Straßen und
Wagen gegenseitig verderblich und zerstoͤrend aufeinander; so muͤssen
die Raͤder, außer ihrer eigentlichen Bestimmung: dem horizontalen
Fortwaͤlzen der Ladung, nebenher und hauptsaͤchlich noch als
Pflugscharen zum Durchschneiden und Aufwuͤhlen des zaͤhen Grundes, und
gleichsam als Reibsteine, Stampf- oder Pochwerke zur Zermalmung der
groͤßern und kleinern Steine wirken; und so muß uͤberall bei Weitem
der groͤßte Theil der Zugkraͤfte unaufhoͤrlich darauf verwendet
werden, neu bekiesete Straßen erst auf eine kurze Zeit leideutlich fahrbar zu
machen, und dann mit Hilfe des Regens wieder in grundlosen Schlamm zu verwandeln!
–Neu hergestellte oder reparirte Vorrichtungen sind in der Regel immer die
vollkommensten, und entsprechen ihrem Zweke am Besten. Unsre Landstraßen
machen hierin eine auffallende Ausnahme, und es verhaͤlt sich mit
ihnen gerade umgekehrt. Ein mit grobem Kiese oder zerschlagenen rauhen und
scharfkantigen Steinen frisch beschuͤtteter (nach der Kunstsprache:
gemachter) Weg ist oft mehrere Wochen lang
fuͤr Pferde und Wagen, welche vom Schiksal dazu verurtheilt sind,
zuerst sich darauf durchzuarbeiten, gleich beschwerlich und verderblich, und
scheint in der That mehr zum Hals- und Radbrechen als zur
Erleichterung des Transportes da zu seyn. Leichte und schwere Fuhrwerke
verlassen daher auch, wo sie nur immer koͤnnen, diese
zerstoͤrenden Schutthaufen, und fluͤchten sich
seitwaͤrts auf die ungemachten, bessern
Nebenwege. – Man sollte dieses Wegmachen
eigentlich Wegverderben nennen..
10. In technischer Hinsicht wird die Vollkommenheit jeder
Maschine uͤberhaupt nach ihrem Gange beurtheilt. Ist dieser ganz
regelmaͤßig und sanft, so nennt man die Maschine gut; geht sie aber
ungleichfoͤrmig, und mit heftigen Stoͤßen und Erschuͤtterungen,
so sagt, man, die Maschine sey schlecht gebaut. So z.B. wuͤrde man eine
Muͤhle, deren Wasserrad und Raͤderwerke auf ungleichen und ekigten
Wellzapfen in rauhen, holperichten Lagern mit unaufhoͤrlicher
Erschuͤtterung umliefen, und deren Kaͤmme und Getriebe sich bald mehr
bald weniger zwaͤngten und stokten, mit vollem Rechte ein erbaͤrmliches Machwerk
nennen. Um nun auch aus diesem Gesichtspunkte das gewoͤhnliche Fuhrwerk zu
beurtheilen, beobachte man nur in der Naͤhe einen schwer beladenen
Guͤterwagen in seinem langsamsten Gange auf einer Etwas ausgefahrnen oder
neubeschuͤtteten Landstraße; man sehe, hoͤre und fuͤhle die
heftigsten Stoͤße, von welchen unaufhoͤrlich die Raͤder, die
Achsen und alle Theile des Hagens so gewaltig erschuͤttert werden, daß man
jeden Augenblik befuͤrchten muß, die ganze Maschine werde zu Truͤmmern
gehen; man bemerke, mit welcher ungleichen, von Zeit zu Zeit außerordentlichen
Anstrengung die Pferde ziehen; und wie sie dabei von den prellenden Stoͤßen
und Schlaͤgen der Deichsel noch mehr ermuͤdet, oft verwundet werden,
und man wird gewiß die Behauptung nicht uͤbertrieben finden, daß ein solches
Fuhrwerk den Namen einer Maschine nicht verdient, oder als solche betrachtet das
elendeste aller Machwerke ist. –
11. Es waͤre leicht, durch eine ohngefaͤhre Berechnung darzuthun, daß
diese bestaͤndige Kraft- und Stoffverschwendung, wenn naͤmlich
der Unterhalt und die Abnuͤzung aller zum schweren Fuhrwesen noͤthigen
Pferde und Wagen, so wie der Landstraßen selbst, zu Gelde angeschlagen
wuͤrden, einem Lande von mittlerem Umfange mehrere Millionen Gulden
jaͤhrlich kostet, und es lohnt sich daher wohl der Muͤhe, die Frage
aufzuwerfen: ob wir denn in der That und ohne Rettung ewig dazu verdammt seyen,
einen so empfindlichen Verlust, wie so manches andre Uebel, welchem wir nicht
abhelfen koͤnnen, geduldig zu ertragen, oder ob es nicht auf irgend eine
Weise moͤglich sey, das Joch einer tausendjaͤhrigen Gewohnheit
abzuwerfen, und mancher einzelnen Regierung und Nation einen Kapitalwerth von
mehreren hundert Millionen fuͤr immer zu gewinnen? –
12. Aus dem bisher gesagten wird es klar, daß alle Bemuͤhungen und Versuche,
das Fuhrwesen auf dem Lande zu verbessern, in der Hauptsache so lange fruchtlos und
unausfuͤhrbar bleiben muͤssen, als die Bedekung der Straßen bloß aus
zerreibbaren Materialien besteht, welche nie eine
ganz glatte, feste und harte Oberflaͤche bilden koͤnnen, deren
Zusammenhang durch das Einwirken der Wagenraͤder und der Pferdhufe
unaufhoͤrlich getrennt, durch Regen und Schnee erweicht und aufgeloͤst
wird; mit einem Worte: so lange unsre Straßen bleiben, was sie im Allgemeinen noch
uͤberall sind: ewig zermalmte und zermalmende, ewig zerstoͤrte und
wieder erneuerte Schutt- und KothhaufenSollten die hier aufgestellten Behauptungen Manchem als eine
aͤrgerliche Uebertreibung erscheinen, oder wohl gar von Seite einiger
Straßenbau-Inspektoren und Straßen-Baumeister, welche ihr
taͤgliches Geschaͤft: das Wegmachen, fuͤr eine Kunst gehalten wissen wollen, und welche daher
ihren von Bruchsteinen, Kieß oder Schotter angehaͤuften
Daͤmmen die praͤchtige Benennung von Kunst-Straßen zu geben belieben, mir einen
Injurien-Prozeß zuziehen, so thut es mir zwar leid, doch muß ich
hartnaͤkig auf meinem hier abgelegten Glaubensbekenntnisse bestehen,
und oͤffentlich erklaͤren, daß ich meines Theils nie finden
oder begreifen konnte, worin denn eigentlich das Kuͤnstliche dieser Straßen bestehen sollte. Ich gebe zwar
allerdings zu, daß bei dem ersten Entwurf mancher neu anzulegenden
Handels-Straße die Bestimmung der vortheilhaftesten Richtungslinie,
die Herstellung des Niveaus, die schiklichste Vertheilung des
Gefaͤlles, die genaue Berechnung aller Schwierigkeiten des
vorhandenen Terrains und der Mittel, diese Schwierigkeiten mit dem
moͤglich geringsten Aufwande sowohl der Unternehmer als der Benuzer
der Straße zu uͤberwinden, gruͤndliche mathematische
Kenntnisse und die praktische Geschiklichkeit eines guten Ingenieurs
erfordern; und in dieser Hinsicht kann der Plan
zu mancher neu anzulegenden Straße (wie z.B. der beruͤhmten neuen
Gebirgs-Straße uͤber den Simplon) und zum Theil ihre
Ausfuͤhrung selbst als ein wahres Kunstwerk betrachtet werden. Allein
das Materielle des gewoͤhnlichen
Straßenbaues (wovon allein hier die Rede ist) gehoͤrt doch offenbar
zu den gemeinsten aller Tagloͤhner-Arbeiten, und wenn jeder
Kieß- oder Steindamm, welcher ohne Plan, ja oft (wie es scheinen
sollte, recht geflissentlich) uͤber die hoͤchsten Punkte,
welche man leicht haͤtte vermeiden koͤnnen, oder mit den
unnuͤzesten Kruͤmmungen und Umwegen gefuͤhrt ist, eine
Kunst-Straße heißen soll, so
duͤrften, nach meiner Meinung, mit gleichem Rechte, auch die
Zaͤune, mit welchen an einigen Orten die Bauern ihre Felder und
Gaͤrten befriedigen, auf den Titel; Kunst-Zaͤune Anspruch machen. –. –
13. Man wird hier vielleicht einwenden, daß doch wenigstens die gepflasterten Straßen von allen diesen Maͤngeln frei seyen, und
meine allgemeinen Vorwuͤrfe nicht verdienen. Allein fuͤrs Erste ist
diese Art von Straßen an so wenigen Stellen anwendbar und eingefuͤhrt, und so
außerordentlich kostbar, daß derselben als Landstraßen
kaum zu erwaͤhnen ist. Zweitens ist die Abnuͤzung der Wagen und der
Pferde, wenn gleich (bei sehr langsamen Zuge) eine geringere Anzahl der leztern
erfordert wird, auf solchen Straßen, selbst in ihrem vollkommensten Zustande, noch
weit groͤßer als auf den gewoͤhnlichen Chauseen. Drittens verursachen
bei einem schnellen Zuge die Stoͤße und Erschuͤtterungen auch auf dem
besten Steinpflaster einen groͤßern Widerstand als alle Reibungen auf einer
gewoͤhnlichen weichen Straße. Daß endlich ein nicht sorgfaͤltigst
unterhaltenes, ausgefahrnes und holperiges Steinpflaster noch schlechter, und
fuͤr das Fuhrwerk und fuͤr das Zugvieh noch verderblicher ist als alle
Damm-, Kies- und Schuttstraßen, davon haben wir selbst in vielen
unserer groͤßten Staͤdte taͤglich die uͤberzeugendsten
und erschuͤtterndsten Beweise. –
14. Man wird mir vielleicht ferner einwenden, daß wir an den breitfelgigten Raͤdern ein eben so einfaches als unfehlbares Mittel
haben, alle jene Gebrechen unserer gewoͤhnlichen Straßen aus dem Wege zu
raͤumen, und alle Hindernisse zu heben, welche bisher den Transport zu Lande
erschwert haben. – Hingegen erlaube ich mir in moͤglichster
Kuͤrze nur folgendes zu bemerken.
Was fuͤrs Erste die unmittelbare Erleichterung des Fuhrwerkes betrift, so ist
es wohl offenbar, daß auf einer vollkommen harten Straße
die breitfelgigten Wagenraͤder vor den schmalen nicht nur keinen Vorzug haben
koͤnnten, sondern vielmehr den leztern wegen ihrer groͤßern
Leichtigkeit nachstehen muͤßten. Die Weiche des nachgebenden Grundes allein
ist es daher, was die breiten Raͤder in dieser Hinsicht empfehlen kann, indem
begreiflicherweise ein breites Rad, unter derselben Last, und uͤbrigens
gleichen Umstaͤnden, minder tief in den Grund einsinkt oder einschneidet als
ein schmales, folglich auch weniger Widerstand, theils von Vorne, theils an den
Seiten seiner Felgen, leidet. Dabei koͤmmt aber zu bedeuten:
1) daß ein breites Rad auch auf der beßten Straße mehr
Unebenheiten und Hindernisse in seinem Laufe findet und zu uͤberwinden
hat, als ein schmales, welches an den meisten derselben, ohne sie zu
beruͤhren, voruͤber gleitet, und daß daher ein Wagen mit breiten
Raͤdern auch mehrere Stoͤße und Erschuͤtterungen leiden
muß;
2) daß auf jeder Straße der neu angeschuͤttete Kieß,
Schotter oder Sand, bei anhaltendem Regenwetter der zaͤhe Schlamm und
Koth, und im Winter der Schnee einen besondern Widerstand verursachen, welcher
um so betraͤchtlicher wird, je breiter die Wagenraͤder sind, vor
welchen diese Koͤrper sich anhaͤufen, anstauen, und fortgeschoben
werden muͤssen, und welcher Widerstand, auch bei einem minder tiefen
Einsinken, jenen weit uͤbertreffen kann, welchen die schmalen
Raͤder, unter denselben Umstaͤnden, von Vorne und an den Seiten zu
uͤberwinden haben;
3) daß durch das groͤßere Gewicht der breiten
Raͤder auch die Reibung an den Achsen, und zwar um so merklicher vermehrt
wird, als diese laͤnger, folglich in demselben Verhaͤltnisse auch
staͤrker und diker gemacht werden muͤssen, und daß dieses
groͤßere Gewicht der ganzen Maschine, besonders beim Berganfahren, den
gesammten Widerstand bedeutend vermehren muß.
Hieraus geht also deutlich herfuͤr, daß durch die breiten Raͤder in
Hinsicht auf die beabsichtigte Erleichterung des Zuges unmittelbar nicht nur Nichts
gewonnen, sondern im Gegentheile vielmehr verloren werde, und daß die Behauptung
einiger enthusiastischen Lobredner dieser Vorrichtung „daß durch dieselbe das vierte Pferd, oder noch mehr im
Zuge erspart werde“ ganz ungegruͤndet sey.
–
Alles, was zur Empfehlung der breitfelgigten Raͤder mit Grunde und, ohne
Uebertreibung gesagt werden kann, ist, daß sie die schwersten Lastwagen, durch
welche bei gewoͤhnlichen Raͤdern alle Straßen zu Grunde gerichtet
werden, unschaͤdlicher machen, daß sie das beßte und wirksamste Mittel zur
Erhaltung, Schonung und wohlfeilsten Unterhaltung der Straßen sind, nachdem man diese vorher schon in den besten Stand
hergestellt hat, und daß selbe daher mittelbar die Erleichterung des
Transportes gewissermaßen befoͤrdern, indem sie die Furchen, welche von
andern Fuhrwerken eingeschnitten worden sind, gleichsam als Walzen wieder einebnen,
und sohin (freilich auf Kosten ihrer Zugkraͤfte) einen Theil der Arbeit
uͤbernehmen und ersparen, welche sonst auf die Reparation der Straßen von
Seite des Staates verwendet werden muß; weßhalb es dann auch billig ist, daß die
Handels- und Fuhrleute von Seite der Regierungen zur Einfuͤhrung
dieser in staatswirthschaftlicher Hinsicht allerdings nuͤzlichen Verbesserung
durch Praͤmien und Nachlaͤsse an Zoll- und
Weg-Gebuͤhren aufgemuntert, und so fuͤr die Kosten und Opfer,
welche eine so wesentliche Abaͤnderung ihrer Fuhrwerke, besonders Anfangs,
erfordert, Verhaͤltnißmaͤßig entschaͤdigt werden.
Allein auch dieser Zwek kann nur durch die allgemeine
Einfuͤhrung solcher breiten Raͤder, und durch gaͤnzliche
Verbannung aller schweren Fuhrwerke mit schmalen Raͤdern in einem
vollkommenen Grade erreicht werden. So lange dieses nicht geschieht, so lange nicht
durch ein allgemeines Gesez in allen Laͤndern, welche miteinander, in
unmittelbarem Handels-Verkehr stehen, zugleich die Breite der Radfelgen und
das Gewicht der Ladungen fuͤr alles schwere Fuhrwerk auf eine ganz
uͤbereinstimmende, zwekmaͤßige Art bestimmt und eingefuͤhrt
wird, duͤrfte es einzelnen Staaten, wie z.B. dem Koͤnigreiche Baiern,
wenig nuzen, ihre eigenen Straßen in den fuͤrtrefflichsten Stand zu sezen, und zur
bestmoͤglichsten Erhaltung derselben alle inlaͤndischen Fuhrwerke mit
breitfelgigten Raͤdern zu versehen, da durch die vielen fremden, mit
schneidenden Raͤdern versehenen, Lastwagen und Karren, welche aus andern
Laͤndern, z.B. von Sachsen, nach Baiern kommen oder durchziehen, von Zeit zu
Zeit wieder eben so viel verdorben werden muͤßte; so wie im Gegentheile auch
leicht zu begreifen ist, daß ein mit breiten Raͤdern versehener Wagen,
welcher z.B. aus Baiern nach Sachsen gienge, wo noch die schmalen Felgen
uͤblich, und die Straßen mit tiefen Geleisen durchschnitten sind, dort noch
ungleich schwerer als die saͤchsischen Wagen fortkommen und an manchen
Stellen vielleicht steken bleiben wuͤrde. –
Viel leichter war die Einfuͤhrung dieser Neuerung in Großbrittanien, welches
in diesem Betrachte als ein von der Natur selbst von allen Seiten geschlossener
Handels-Staat nur fuͤr seine eigenen Fuhrwerke zu sorgen hatte, und
doch ist man selbst dort von der ehemals schon eingefuͤhrten
uͤbermaͤßigen Breite der Radfelgen (20 bis 24 Zoll) in neuem Zeiten
wieder sehr stark zuruͤk gekommen, und man findet daselbst jezt wenige
Raͤder, welche uͤber 12 Zoll breit sind.
15. Ein sehr wichtiger Einwurf, welcher gegen Wagenraͤder von bedeutender
Breite noch gemacht werden kann, besteht uͤbrigens darin, daß dieselben, wenn
sie, wie es die Geseze der Mechanik erfordern, genau cylindrisch geformt sind, und
an geraden, d.h. ganz horizontalen, Achsen laufen, auf zwekmaͤßig gebaute,
d.i. gewoͤlbte, Straßen nicht passen, indem sie diese nur mit ihren innern
Raͤndern beruͤhren, folglich eben so stark, ja noch staͤrker,
als die gewoͤhnlichen schmalfelgigten Raͤder einschneiden. Wollte man,
um diese Inconvenienz zu vermeiden, den Straßen ein ganz ebenes Profil geben, so
wuͤrde das Regenwasser, welches von denselben nicht ablaufen koͤnnte,
sehr nachtheilig auf sie wirken. Giebt man hingegen den Achsen eine gegen Außen
abwaͤrts geneigte Richtung (was die Wagner in ihrer Kunstsprache unterachsen nennen), so passen die Raͤder wieder
nicht auf ganz flache Wege, dergleichen doch viele vorkommen, und schneiden da mit
ihren aͤußern Raͤndern ein. Macht man endlich, um dieses leztere zu
vermeiden, und damit die Raͤder doch uͤberall gleich aufliegen, ihren
Umfang konisch, so daß der aͤußere Umkreis kleiner ist als der innere (wie
dieses noch in England fast allgemein der Gebrauch, oder vielmehr, zur Schande der
Mechanik in einem so mechanischen Lande, der unverstaͤndigste Mißbrauch ist),
so entsteht ein
neuer, noch groͤßerer Nachtheil, indem durch die ungleiche Geschwindigkeit am
Umfange, statt eines regelmaͤßigen Umwaͤlzens und rollenden
Weggleitens der Raͤder uͤber ihre Bahn eine schleppende und
schleifende Bewegung herfuͤrgebracht wird, welche den Widerstand des
Fuhrwerkes betraͤchtlich verwehrt, und, da sie die Steine, welche die
Straßen-Deke bilden, von ihrer festen Lage los macht, ihre Verbindung trennt,
und sie mit sich fortreisset und zermalmet, die Straßen schnell abnuͤzt und
zu Grunde richtetDa der Vortheil der breiten Raͤder eigentlich nur darin bestehet, daß
der Druk eines schwer belasteten Fuhrwerkes auf eine groͤßere
Beruͤhrungsflaͤche der Straße vertheilt wird, so wuͤrde
offenbar derselbe Zwek hinsichtlich der Erhaltung der Chausseen erreicht
werden, wenn dieselben Ladungen auf mehrere Raͤder vertheilt, also
uͤberhaupt leichter beladene Wagen eingefuͤhrt wuͤrden.
Wenn z.B. ein Lastwagen von 160 Zentner mit 4 zwoͤlf Zoll breiten
Raͤdern keinen nachtheiligen Eindruk auf eine gemachte Straße
herfuͤrbringt, so wuͤrden gewiß vier Wagen mit 3 Zoll breiten
Raͤdern, deren jeder nur mit 40 Zentner beladen waͤre, und
welche zusammen selbst nicht schwerer als jene einzige kolossale Maschine
waren, eben so wenig schaden: denn die Intensitaͤt des Drukes
waͤre in beiden Faͤllen dieselbe, naͤmlich 333 1/3
Pfund auf jeden Zoll der Felgen nach ihrer Breite; und gaͤbe man den
Raͤdern dieser kleinern Wagen zum Ueberfluße 4 Zoll breite Felgen, so
waͤre der Druk noch geringer, naͤmlich nur 250 Pfd. auf jeden
Zoll. Hieraus erhellet, daß alle Vortheile, welche man sich von den so hoch
gepriesenen uͤbermaͤßig breiten Radfelgen nur immer
versprechen kann, eben so gut und mit viel weniger Schwierigkeiten erreicht
wuͤrden, wenn jene ungeheuren, mit 6, 8 und mehreren Pferden
bespannten, Lastwagen, welche, auch mit den breitesten Felgen, beim
Bergabwaͤrtsfahren die Straßen durch die Radschuhe zu Grunde richten,
die Straßen-Pflaster in Staͤdten und Maͤrkten
verderben, die Bruͤken erschuͤttern, und uͤberhaupt
mancherlei Gefahren und Unfaͤlle herbei fuͤhren, durchaus
nicht, und unter keiner Bedingung gestattet wuͤrden, und kein anders
Fuhrwerk erlaubt waͤre, als welches auf flachem Lande mit vier
Pferden bequem fortgezogen werden kann..
16. So zahlreich und erheblich die bisher angefuͤhrten Maͤngel unserer
fortschaffenden Mechanik in ihrem gegenwaͤrtigen Zustande, und besonders des
Landfuhrwesens, sind, so bleibt doch noch eines der groͤßten Gebrechen zu
erwaͤhnen uͤbrig, welches schon fuͤr sich allein die am
Eingange dieses Abschnittes von mir aufgestellte Behauptung vollkommen zu
rechtfertigen geeignet waͤre, daß wir naͤmlich, aus wissenschaftlichem
Gesichtspunkte betrachtet, eigentlich noch gar keine fortschaffende, sondern nur
eine fortschleppende Mechanik haben.
Bei allen Maschinen oder mechanischen Vorrichtungen, welche dazu bestimmt sind, eine
bedeutende Last zu heben, oder irgend einen Widerstand zu uͤberwinden,
bedient man sich des statischen Uebergewichtes oder der sogenannten mechanischen
Potenzirung der angewandten Kraͤfte (was die Englaͤnder sehr kurz und
passend: purchase nennen) wodurch bekanntlich jede, auch
noch so große Last von jeder, auch noch so kleinen, Kraft gewaͤltigt werden
kann, wenn, nach den Gesezen der virtuellen Geschwindigkeiten, die Erste nur um so
viel langsamer bewegt wird, als ihr absolutes Gewicht die absolute Energie der
unmittelbaren Kraft uͤbertrift. Hierin liegt eigentlich der ganze Vortheil
und Nuzen aller Mechanik, und ohne diesen gibt es keine Vorrichtung, welche den
Namen einer Maschine verdient. So, z.B. vermag ein einziger Mann vermittelst einer
Winde, einer Schraube, eines Flaschenzuges u. d. gl. eine ungeheure Last zu bewegen
und allmaͤhlig auf jede erforderliche Hoͤhe zu schaffen, welche, ohne
solche Vorrichtungen, hundert Menschen, wenn selbe mit vereinten Kraͤften
unmittelbar Hand anlegen wollten, nicht von der Stelle zu bewegen, vielweniger zu
heben im Stande waͤren; und gewiß wuͤrde man jeden Versuch dieser
leztern Art ungereimt und laͤcherlich finden, und z.B. denjenigen Baumeister
mit Recht der groͤbsten, aͤcht barbarischen Unwissenheit beschuldigen,
welcher einen mehrere hundert Zentner schweren Stein oder Balken durch unmittelbare
Anlegung von ein Paar hundert Menschen auf ein hohes Geruͤste tragen oder
schleppen lassen wollte, ohne sich eines jener bekannten und bewaͤhrten
Hebegeschirre zu bedienen. –
Wenden wir nun diesen Grundsaz auf die fortschaffende Mechanik fuͤr den
uͤberall haͤufig und taͤglich vorkommenden, Fall an, da ein
schweres Fuhrwerk nicht auf einer ganz wagerechten Flaͤche, sondern
uͤber eine Etwas lange und steile Anhoͤhe fortgebracht werden soll,
und wo es also darauf ankoͤmmt, außer dem Widerstande der Reibungen und des
Grundes auch noch den Widerstand der Schwere zu uͤberwinden, folglich im
Ganzen eine Kraft auszuuͤben, welche oft vier bis fuͤnf mal
groͤßer seyn muß als diejenige, welche der gewoͤhnliche Zug auf der
Ebene erfordert, so finden wir, daß unsere Kunst hier noch eben so unbeholfen ist,
oder vielmehr, daß wir uns hier gar keiner Kunst ruͤhmen duͤrfen, und
in diesem Stuͤke wirklich eben so ungeschikt sind als jener Baumeister. Denn
worauf beschraͤnken sich in diesem Falle alle Mittel, welche wir kennen und
anwenden? – doch einzig und allein darauf, daß wir mit außerordentlichem
Kosten Aufwande zu den
fuͤr das flache Land erforderlichen Pferden noch eine gleiche oder doppelte
Anzahl vorspannen, und diese Thiere sammtlich so gewaltsam anstrengen, daß sie in
kurzer Zeit zu Grunde gerichtet werden, da eine einzige nur Etwas steile und lange
Anhoͤhe dieselben gemeiniglich mehr angreift und ermuͤdet als eine
ganze Tagreise auf der Ebene. Und dabei geht es, obschon keine mechanische Potenz
angewendet ist, und die Geschwindigkeit der Last gegen jene der unmittelbar
angebrachten Kraft keine Veraͤnderung leidet, doch so langsam zu, als wenn
die Wagen durch Schrauben hinauf gewunden wuͤrden, weil die Pferde immer nur
in kurzen Zuͤgen arbeiten koͤnnen, und man ihnen oͤftere und
lange Pausen zum Ausruhen und Ausschnauben vergoͤnnen muß.
Nun frage ich jeden Unbefangenen: Zeigt sich hier die geringste Spur von mechanischer
Kunst? – Befindet sich hier die fortschaffende Mechanik nicht in demselben
rohen, man darf wohl sagen, barbarischen Zustande, wie sie vor ein Paar Tausend
Jahren unter den unwissendsten Voͤlkern war? und ist es nicht eben so
unbegreiflich als traurig, daß in einem so wichtigen und unentbehrlichen Gegenstande
der Bewegungskunst bis auf den heutigen Tag noch nicht der geringste Versuch zu
einer Verbesserung gemacht worden ist, waͤhrend so viele sinnreiche und
geschikte Mechaniker ihre Zeit und ihre Talente schon auf die unbedeutendsten
Erfindungen, zum Theil auf die unnuͤzesten Spielwerke verschwendet haben?
–
In der That kann es nur durch die lange Gewohnheit an solche Ungereimtheiten, welche
wir taͤglich vor unsern Augen wiederholen sehen, einigermaßen erklaͤrt
werden, daß dieser Uebelstand, dieses Gebrechen nicht Jedem auffaͤllt, der
nur einige allgemeine Begriffe von dem Zweke und Nuzen der Mechanik hat. Leider!
beherrscht aber auch diese Despotie der Gewohnheit den menschlichen Geist im
Allgemeinen so unumschraͤnkt, daß sie oft sogar das Gefuͤhl des
Beduͤrfnisses einer Verbesserung, selbst den Wunsch nach dem Bessern erstikt;
und wird ein solcher leiser Wunsch auch manchmal rege, so unterdruͤkt eine
gewisse, (gleichsam religioͤse) Ehrfurcht fuͤr das Alte und
Hergebrachte jeden kuͤhnen Gedanken an eine Neuerung sogleich bei seinem
Entstehen. „Es laͤßt sich nun Einmal nicht anders machen. Es ist
von jeher so gewesen; folglich muß es wohl so seyn“ ist dann die
gewoͤhnliche Formel, mit welcher man sich dergleichen Anfechtungen aus dem
Sinne schlaͤgt.
So ist es denn freylich kein Wunder, daß auch im Gebiete der Technik die
mangelhaftesten und druͤkendsten Einrichtungen, wie Erbkrankheiten von
Geschlecht auf Geschlecht, von Jahrhundert auf Jahrhundert sich fortpflanzen; und
sind diese Einrichtungen vollends ungluͤklicher Weise von der Art, daß sie
(wie es hier wirklich der Fall ist) durch einen Schein von Einfachheit (die indessen
eben so wohl wahre Einfalt seyn kann) truͤgen, so kann man um so gewisser
darauf rechnen, daß sobald Niemand es wagen wird, sie aus ihrem ruhigen Besizthume
zu vertreiben: denn die meisten glauben sodann, die Graͤnze der menschlichen
Erfindungskraft sey hiemit wirklich schon erreicht, und in einem so langen Zeitraume
sey bloß darum nicht mehr in der Sache gethan worden, weil sich in der That nicht
mehr in ihr thun laͤßt. –
Dieß ist denn auch, wie ich gezeigt zu haben glaube, in wenigen Worten, (mit einer
einzigen ruͤhmlichen, doch bis jezt noch viel zu beschraͤnkten
Ausnahme) die ganze Geschichte unserer gegenwaͤrtigen fortschaffenden
Mechanik auf dem festen Lande. Daß es anders und besser werden, daß man auch bei
Fuhrwerken alle Vortheile einer rationellen Mechanik so gut wie bei anderen
Maschinen anwenden kann, und zwar ohne uͤberspannte Kuͤnsteleyen,
mittelst einfacher, solider und leicht zu gebrauchender Vorrichtungen –
dieses hoffe ich in den folgenden Abschnitten dieses Werkes darzuthun.