Titel: | Ueber die specifische Wärme einiger Metalle nebst Bemerkungen über einige fehlerhafte Bestimmungen der HHrn. Dulong und Petit und Versuchen über das wichtige Gesez, daß die Atome der einfachen Körper alle eine gleiche Wärmecapacität haben. Von St. Potter, Esq. |
Fundstelle: | Band 42, Jahrgang 1831, Nr. XXXVII., S. 119 |
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XXXVII.
Ueber die specifische Waͤrme einiger
Metalle nebst Bemerkungen uͤber einige fehlerhafte Bestimmungen der HHrn. Dulong und Petit und Versuchen
uͤber das wichtige Gesez, daß die Atome der einfachen Koͤrper alle eine
gleiche Waͤrmecapacitaͤt haben. Von St. Potter, Esq.
Aus dem Edinburgh Journal of Science 1831. N. IX. S.
75.
Dulong und Petit, uͤber die specifische Waͤrme
einiger Metalle etc.
Bei meinen optischen Versuchen mußte ich die Waͤrmecapacitaͤt des
Stahls und Spiegelmetalles kennen. Die Resultate meiner Versuche ergaben mir Zahlen,
welche viel kleiner waren, als ich sie nach Dalton's
Bestimmungen der Waͤrmecapacitaͤt des Eisens, Kupfers und Zinns
erwarten mußte, daher ich mich mit Untersuchungen uͤber die specifische
Waͤrme der Metalle im Allgemeinen zu beschaͤftigen beschloß.
Dalton theilte in seinem neuen System der Chemie eine
Tabelle uͤber die specifische Waͤrme vieler Substanzen mit; bei den
Metallen weichen seine Bestimmungen von den aͤlteren Irvine's, Wilcke's und Crawford's wenig ab;
aber diese Zahlen sind meiner Meinung nach oft um 1/6 bis 1/10 zu groß.
Die HHrn. Dulong und Petit,
welche die Erscheinungen beim Erkalten der Koͤrper so geschikt untersuchten,
uͤbergaben der Akademie der Wissenschaften im J. 1819Annales de Chimie et de Physique 1829. A. d.
O. eine Abhandlung, worin sie ihre Versuche uͤber die specifische
Waͤrme gewisser Metalle beschrieben und zugleich wichtige theoretische
Betrachtungen anstellten. Die Resultate der anderen Chemiker, ausgenommen ihrer
Landsleute, sollen nach ihnen außerordentlich fehlerhaft seyn; sie haͤtten
aber, ehe sie eine so scharfe Kritik uͤber andere anstellten, bei ihren
eigenen Versuchen umsichtiger seyn sollen. Um die Capacitaͤten der Metalle
fuͤr den Waͤrmestoff zu finden, bedienten sie sich folgenden
Verfahrens: – Das zu untersuchende Metall wurde im Zustande eines sehr feinen
Pulvers fest in einen kleinen und sehr duͤnnen silbernen Cylinder gepreßt, in
dessen Achse ein Thermometer war. Nachdem das Ganze mit einem geeigneten Apparate
verbunden worden war, wurde die Capacitaͤt aus der zum Erkalten
erforderlichen Zeit, welche das Thermometer anzeigte, abgeleitet; dabei war selbst
von den schwersten Metallen etwas weniger als eine Unze (engl. Gew.) fuͤr den
Versuch erforderlich. Es ist klar, daß man um so aufmerksamer und
argwoͤhnischer seyn muß, wenn man zu Versuchen verwikelte oder elegante
Verfahrungsweisen waͤhlt, besonders aber wenn die Resultate von den
Bestimmungen Anderer, welche sich einfacherer Apparate bedienten, sehr abweichen,
und es ist unverantwortlich, daß die HHrn. Dulong und Petit, da ihre Resultate bei den meisten Metallen, welche
eine geringere Capacitaͤt haben als das Silber, so sehr von den Bestimmungen
Dalton's, Wilcke's und Crawford's abwichen, sie nicht durch andere Verfahrungsweisen zu
bestaͤtigen suchten und den moͤglichen Einfluß ihres Silbercylinders
und des (von gewisser Groͤße erforderlichen) Thermometers nicht
beruͤksichtigten.
Wenn man die specifische Waͤrme der festen Koͤrper, auf welche das
Wasser keine chemische Wirkung aͤußert, auf die Art bestimmt, daß man sie in
ein bekanntes Gewicht dieser Fluͤssigkeit von verschiedener Temperatur
eintaucht und dann die hieraus hervorgehende Temperatur bemerkt, so kann man den
Versuch auf zweierlei Art anstellen, – der feste Koͤrper kann entweder
waͤrmer oder kaͤlter als der fluͤssige seyn; die Fehler, welche
man bei diesem Verfahren begehen duͤrfte, liegen natuͤrlich auf
entgegengesezten Seiten, daher man um so leichter die erforderlichen
Vorsichtsmaßregeln ausmitteln und die erhaltenen Resultate berichtigen kann.
Die große Fehlerquelle bei allen Versuchen dieser Art, ist die
Temperaturveraͤnderung der Substanzen waͤhrend des Versuchs; denn es
muß entweder der fluͤssige oder der feste Koͤrper auf einer viel
hoͤheren Temperatur seyn als die Luft und die ihn umgebenden
Gegenstaͤnde. Da die Capacitaͤt des Wassers bei gleichen Gewichten
viel groͤßer als die der Metalle ist, so kann der Einfluß der Temperatur
einen viel groͤßeren Fehler veranlassen, wenn man das kalte Metall in
lauwarmes Wasser eintaucht, als bei dem umgekehrten Verfahren; es ist daher hierbei
groͤßere Geschiklichkeit und Vorsicht noͤthig.
Bei einigen meiner ersten Versuche brachte ich das Wasser in ein Gefaͤß von
Zinnblech und erhielt folgende Resultate: –
Quantitaͤt desangewandten
Metalles.
Specifische Waͤrme,
bestimmtdurch Eintauchung des
Metalles von 212° F. in
ein gleiches Gewicht
Wasser von gewoͤhnlicher Temperatur.
Specifische Waͤrme, bestimmtdurch
Eintauchen des Metalles von 55° F. in ein
gleiches Gewicht Wasser
von
ungefaͤhr 103°.
Bei gleichen Gewichten.
Bei gleichen Volumen.
Bei gleichen Gewichten.
Bei gleichen Volumen.
Harter Stahl
1 Pfund 11 1/2 Unzen
0,1026
0,800
Spiegelmetall
6 3/4 Unzen
0,070
0,62
Harter Stahl
2014 Gran
0,113
0,8814
0,200
1,56
Spiegelmetall
2099 Gran
0,075
0,6675
0,223
1,98.
Da die umgekehrten Verfahrungsweisen so abweichende Resultate gaben, so
uͤberzeugte ich mich, daß das Zinnblechgefaͤß kein genuͤgender
Apparat ist, und daß auch bei der zweiten Methode, wenn man naͤmlich das
kalte Metall in das erhizte Wasser bringt, viel Sorgfalt und Geschiklichkeit
erfordert wird, um genaue Resultate zu erhalten. Anstatt des
Zinnblechgefaͤßes bediene ich mich bei spaͤteren Versuchen zweier
Gefaͤße; das innere bestand aus duͤnn gefirnißter Leinewand, mit
grobem und dichtem
Wollentuch umgeben; es wurde in einem irdenen befestigt, welches gerade groß genug
war, um es aufzunehmen. Dieses zusammengesezte Gefaͤß faßte ungefaͤhr
3500 Gran Wasser. Wenn ich die erste Methode anwandte, fand ich dieses Gefaͤß
gerade zureichend und es war keine besondere Vorsichtsmaßregel noͤthig, als
daß man den Versuch so schnell als moͤglich anstellte; bei der zweiten
Methode hingegen waren die Resultate immer noch sehr ungenuͤgend, bis ich das
zusammengesezte Gefaͤß mit Wasser umgab, welches ziemlich dieselbe Temperatur
wie die beim Versuche angewandte hatte und außerdem die Verdunstung an der
Oberflaͤche durch einen Dekel aus gefirnißter Leinewand, an welchem ebenfalls
Wollentuch angebracht war, verhinderte. Wenn ich außerdem die Vorsicht gebrauchte,
den Dekel nur so weit in die Hoͤhe zu heben, als es beim Einlegen des
Metalles noͤthig war, erhielt ich Resultate, die mit den bei der anderen
Methode erhaltenen, so nahe uͤbereinstimmten, als ich es nur erwarten konnte.
Es versteht sich von selbst, daß die Resultate bei beiden Methoden durch die
Veraͤnderungen in der Capacitaͤt, welche durch die Temperatur
entstehen, etwas verschieden ausfallen muͤssen, aber der Unterschied ist
zwischen 32 und 212° Fahrenheit so gering, daß die Beobachtungsfehler
jedenfalls viel groͤßer sind.
Bestimmt man die specifische Waͤrme nach den ersten Methoden, so muß man, wo
große Genauigkeit erfordert wird, den festen Koͤrper in einem einzigen
Stuͤke haben, so daß er die moͤglich kleinste Oberflaͤche
darbietet und daher moͤglichst wenig Hize verloren geht waͤhrend man
ihn von dem siedenden in das kalte Wasser bringt. In dieser Hinsicht begingen die
HHrn. Dulong und Petit ein
Versehen bei den Versuchen, welche sie in einer Abhandlung, die vor der citirten
erschien, bekannt machten; eben deßwegen halte ich auch die Zahlen in der unten
folgenden Tabelle, welche fuͤr Gold, Silber und Kupfer nach der ersten
Methode gefunden wurden, fuͤr zu klein, indem ich bei diesen Metallen
englische Muͤnzen nahm, und daher viele Stuͤke angewandt werden
mußten, um daß erforderliche Gewicht zu erhalten. Dieß ist aber, wie man leicht
einsieht, bei der zweiten Methode eher ein Vortheil als ein Nachtheil. Ich habe
ferner gefunden, daß man bei einem Gefaͤß von der Capacitaͤt des
obigen, wenigstens 1200 Gran Metall anwenden muß, um ein verlaͤßliches
Resultat zu erhalten. Die Zahlen, welche man in der Tabelle fuͤr das Blei
findet, erhielt ich, indem ich 8000 Gran Metall in 2000 Gran Wasser tauchte. Da
dieses Metall unter allen bekannten die kleinste Capacitaͤt zu haben scheint,
so war ich bemuͤht, sie mit besonderer Genauigkeit zu bestimmen, um so mehr,
weil einige vorlaͤufige Versuche keine gut uͤbereinstimmenden
Resultate gaben. Meine Versuche ergaben, daß 0,032 der wahren Zahl des Bleies bei gewoͤhnlichen
Temperaturen sehr nahe kommt; dasselbe Resultat hatte Dalton bei seinen spaͤteren Versuchen erhalten. Wenn einige
Personen meine Versuche wiederholen wollen, so empfehle ich ihnen dabei eine
groͤßere Menge Blei anzuwenden, als ich nahm.
Mein Thermometer pruͤfte ich auf die Art, daß ich die Queksilbersaͤule
in der Roͤhre theilte und die Zahl der Grade, welche der abgesonderte Theil
in verschiedenen Theilen der Roͤhre einnahm, abmaß; es ergab sich, daß es
zwischen 32° und 212° fast ganz genau ist.
Angewandte Gewichte.
Anzahlder
Stuͤke.
Specifische Waͤrme, nach
der ersten Methodebestimmt; Metall von
212° wurde in Wasser
von ungefaͤhr 50° getaucht.
Specifische
Waͤrme, nach der Zweiten Methodebestimmt;
Metall von ungefaͤhr 43°
wurde in Wasser
von ungefaͤhr 110°
getaucht.
Bei gleichen Gewichten.
Bei gleichen
Gewichten.
Stahl, harter
2014 Gran.
8
0,1024
0,115
– weicher
0,1086
– –
0,1080
Zink
1932
1
0,0912
0,1034
–
0,0948
Kupfer
2047
11
0,0868
0,1014
Silber
1717
11
0,0501
0,0669
Zinn
2111
2
0,0596
0,0542
–
2107
1
0,0597
0,0588
Gold
1414
12
0,0375
0,0509
Wismuth
1630
3
0,0390
0,0393
Blei
8000
32
0,0328
–
0,0336
–
1
0,0307
Ich habe mehrere Versuche mit geschlagenem Eisen angestellt, nach welchen seine
Capacitaͤt von derjenigen des Stahls etwas verschieden ist, doch kann ich den
Unterschied noch nicht genau angeben.
Aus den Angaben in obiger Tabelle koͤnnen wir schließen, daß die
Capacitaͤten in der ersten Spalte der folgenden sich der Wahrheit fuͤr gewoͤhnliche Temperaturen sehr
naͤhern. In den anderen Spalten habe ich Dalton's
Zahlen und diejenigen der HHrn. Dulong und Petit fuͤr dieselben Metalle angegeben.
Specifische Waͤrme
nach der
vorhergehenden
Tabelle.
Specifische
Waͤrme nach
Dalton.
Specifische Waͤrmenach Dulong
und Petit.
Eisen
0,110
0,13
0,1100
Zink
0,098
0,10
0,0927
Kupfer
0,096
0,11
0,0949
Silber
0,063
0,08
0,0557
Zinn
0,056. 0,034?
0,07
0,0514
Gold
0,046
0,05
0,0298
Wismuth
0,039
0,04
0,0288
Blei
0,032
0,04.
0,032
0,0293
Hieraus ersehen wir, wie fehlerhaft die Zahlen der HHrn. Dulong und Petit fuͤr Gold und Wismuth
sind, und wie wenig Ursache sie hatten, so positiv die Arbeiten Anderer zu
tadeln.
Das Gesez, welches die HHrn. Dulong und Petit aufstellten, daß
naͤmlich die Atome einfacher Koͤrper saͤmmtlich gleiche
Waͤrmecapacitaͤt haben, trifft, wenn man es auf die Metalle
anwendet, bei gewoͤhnlichen Temperaturen genau
ein, nur nicht in einem einzigen Falle, naͤmlich bei dem Silber. So lange
diese Ausnahme Statt findet, kann jedoch das Gesez noch nicht fuͤr
guͤltig angesehen werden und noch viel weniger kann man sagen, daß die
franzoͤsischen Physiker es erwiesen haben, denn sie nahmen fuͤr die
Atomgewichte ganz willkuͤrliche Zahlen, naͤmlich solche Bruchtheile
von Berzelius's Zahlen, als zu ihren Versuchen paßten. So
nahmen sie fuͤr das Wismuth 3/4 seiner Zahl, fuͤr Blei 1/2,
fuͤr Gold 1/2, fuͤr Silber 1/4, fuͤr Zink 1/2, fuͤr
Tellur 1/2, fuͤr Kupfer 1/2, fuͤr Nikel 1/2, fuͤr Eisen 1/2 und
fuͤr Kobalt 1/3 seiner Zahl. Man kann daher nur sagen, daß sie dieses Gesez
wahrscheinlich gemacht haben.
Die Formel fuͤr dieses Gesez ist c
d/m = 1, wenn c die Waͤrmecapacitaͤt nach einem gewissen
Maßstabe, d das relative Atomgewicht, ebenfalls auf eine
Einheit reducirt und m eine constante Zahl bedeutet,
deren Werth von dem Maßstab des Atomgewichts und der Waͤrmecapacitaͤt
abhaͤngt. Nimmt man bei den Capacitaͤten das Wasser und bei den
Atomgewichten den Wasserstoff zur Einheit und den Sauerstoff = 7 an, so ist der
Werth von m sehr nahe 2,75; nach diesen Daten habe ich
die Atomgewichte der Metalle in der unten folgenden Tabelle berechnet. Man findet darin die Zahlen,
welche Dalton, Berzelius und Ure bei ihren Analysen erhielten, so wie auch die von den HHrn. Dulong und Petit gebrauchten.
Leztere so wie diejenigen von Berzelius habe ich auf den
Wasserstoff als Einheit reducirt, indem ich den Sauerstoff = 7 sezte. Wegen Ure's Zahlen muß ich bemerken, daß er das Atomgewicht des
Sauerstoffs zu 7,5 annimmt.
Textabbildung Bd. 42, S. 125
Specifische Waͤrme bei
gleichem Gewicht; Atomgewicht nach der Formel; Atomgewichte nach Dalton;
Berzelius; Ure; Dulong und Petit; Eisen; Zink; Kupfer; Silber; Zinn; Gold;
Wismuth; Blei
Hier findet nun zwischen den Atomgewichten, wie sie sich aus der specifischen
Waͤrme und nach Dalton's Analysen ergeben, kein
groͤßerer
Unterschied Statt, als ihn die Beobachtungsfehler veranlassen duͤrften,
ausgenommen bei dem Kupfer und Silber. Was ersteres betrifft, so will ich bemerken,
daß nach Wollaston's Versuchen das Atomgewicht des
Kupfers gerade vier Mal so groß wie dasjenige des Sauerstoffs ist; bei dem Silber
hingegen haben wir keinen Grund anzunehmen, daß sein Atomgewicht nur halb so groß
ist, als es Dalton annimmt, so daß entweder außer dem
bekannten Silberoxyd noch ein anderes hoͤheres Oxyd dieses Metalles vorhanden
seyn muß, welches von den Chemikern noch nicht entdekt wurde,Entdekt wurde es allerdings und findet sich auch als Silberhypexoxyd in den
neueren Lehrbuͤchern der Chemie beschrieben, aber noch nicht
analysirt. A. d. R. oder dieses Metall eine Ausnahme von einem Geseze macht, welches bei den
anderen so genau zutrifft.