Titel: | Ueber eine neue Mahlmühle mit kegelförmigen Mühlsteinen. Schreiben der HH. Lieutaud und Ricard an die Société d'agriculture du département du Var. |
Fundstelle: | Band 45, Jahrgang 1832, Nr. XXXIV., S. 108 |
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XXXIV.
Ueber eine neue Mahlmuͤhle mit
kegelfoͤrmigen Muͤhlsteinen. Schreiben der HH. Lieutaud und Ricard an die
Société d'agriculture du département du
Var.
Aus dem Agriculteur-Manufacturier. September
1831 (Mai 1832), S. 541.
Ueber eine neue Mahlmuͤhle mit kegelfoͤrmigen
Muͤhlsteinen.
Durchdrungen von den Muͤhseligkeiten, mit welchen die Einwohner solcher
Gegenden zu kaͤmpfen haben, in denen es an Wasser zur Errichtung von
Mahlmuͤhlen fehle, und uͤberzeugt, daß die Windmuͤhlen den
Zweken der Consumenten nicht ganz entsprechen, haben wir, um den Bewohnern dieser
Gegenden einigen Nuzen zu schaffen, eine Muͤhle ausgedacht und verfertigt,
die uns aͤußerst einfach zu seyn scheint.
Unsere Muͤhle, welche durch ein Stuͤk Rindvieh getrieben wird, eignet
sich fuͤr alle Gegenden, denen es an Wasser fehlt, so wie fuͤr jene
Niederlassungen, welche zu weit von den gewoͤhnlichen Muͤhlen entfernt
sind. Sie koͤnnte sogar in Gemeinden, in welchen eine gewoͤhnliche
Wassermuͤhle den Bedarf nicht zu deken im Stande ist, mit dieser in
Concurrenz treten.
Unsere Muͤhle kann nach Belieben an jedem Orte, welcher den Einwohnern am
bequemsten ist, aufgestellt werden. Das dazu noͤthige Local findet man leicht
uͤberall, denn man braucht nichts weiter, als ein Erdgeschoß von 5 Meter im
Gevierte und 7 Fuß Hoͤhe, und daruͤber ein Gemach von gleicher
Groͤße.
Die Erfahrung, dieses unwiderlegbare Pruͤfungsmittel, hat unser Streben
gekroͤnt. Erst nachdem wir eine gewisse Menge Getreide mit unserer
Muͤhle zu Mehl gemahlen, nachdem wir uns uͤberzeugt hatten, wie viel
Zeit zu dieser Verwandlung des Getreides in Mehl noͤthig ist, und nachdem wir
aus diesem Mehle auch Brod bereitet hatten, ließen wir uns durch die
guͤnstigen Resultate, die wir erhielten, bestimmen, ein Patent auf unsere
Erfindung zu nehmen, welches wir auch am 15. August 1831 erhielten.
Nach unseren Versuchen kann man mit unserer Muͤhle in einer Stunde 100
Kilogrammen Mehl erhalten. Als Triebkraft benuzen wir Rindvieh, denn je schwerer
der Beweger unserer Maschine ist, um so groͤßer ist deren Kraft, und um so
schneller erfolgt das Mahlen des Getreides. Ueberdieß wird das Rindvieh
waͤhrend dieser Arbeit gemaͤstet, und nimmt daher an Werth zu,
waͤhrend jedes andere Thier an Werth verlieren wuͤrde. Der Ochs ist in
unserer Muͤhle an einer Krippe angehaͤngt, in welcher sich seine
Nahrung befindet, und bewegt sich, ohne seine Stelle zu veraͤndern, auf einer
kreisfoͤrmigen, beweglichen und schief gegen den Horizont geneigten
Flaͤche. Das Rad, welches sich auf diese Weise bewegt, treibt die ganze
Maschine.
Diese Muͤhle hat vor den Windmuͤhlen das voraus, daß sie in der Mitte
der Ortschaften angebracht werden kann; daß sie nicht vom Winde abhaͤngig
ist, sondern bestaͤndig und in einem fort arbeitet, so daß der
Eigenthuͤmer des Getreides waͤhrend des Mahlens jedes Mal selbst
gegenwaͤrtig seyn kann, und dasselbe nicht der Ehrlichkeit des
Muͤllers zu uͤberlassen braucht.
Ein anderer Vorzug derselben liegt ferner in der Form der Muͤhlsteine, welche
hier kegelfoͤrmig sind, und von denen sich der untere dreht. In Folge dieser
Einrichtung gibt daher unsere Muͤhle auch ein besseres Mehl, als die
Windmuͤhlen geben, und selbst ein besseres, als die durch Wasser getriebenen
Muͤhlen erzeugen. Auch findet bei unserer Muͤhle keine Auswechselung
des Getreides Statt, d.h. der Eigenthuͤmer, der sein Getreide in den Trichter
gießt, erhaͤlt nicht den Ueberrest von dem Getreide seines
Vorgaͤngers, und laͤßt seinem Nachfolger nichts von dem seinigen
zuruͤk, wie dieß bei den Muͤhlen mit flachen Steinen unvermeidlich
ist. An den durch Wasser getriebenen Muͤhlen geht zuweilen, wenn die Doke
einen Zwischenraum gibt, etwas Getreide verloren; dieß ist hingegen an unserer
Muͤhle unmoͤglich.
Sowohl an den Wind- als Wasser-Muͤhlen ist es ein Gegenstand von
groͤßter Wichtigkeit, welcher auch die Mechaniker vorzuͤglich
beschaͤftigt, daß man den oberen Muͤhlstein wieder in sein
Gleichgewicht bringen kann, wenn derselbe zum Behufe des Anfrischens abgenommen
wurde. Bei unseren kegelfoͤrmigen Muͤhlsteinen kann der Muͤller
diese Operation ohne Muͤhe und besondere Sorgfalt vollbringen.
Wir werden trachten, diese Muͤhle in allen Gemeinden, in denen sie von Nuzen
seyn koͤnnte, zu verbreiten, und werden unser Patent-Recht sogar gegen
eine geringe Entschaͤdigung an Jedermann abtreten, der eine solche
Muͤhle errichten will.