Titel: | Ueber die Anwendung heißer Luft und roher (nicht abgeschwefelter) Steinkohlen zum Schmelzen von Eisenerzen. |
Fundstelle: | Band 45, Jahrgang 1832, Nr. LXXIII., S. 282 |
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LXXIII.
Ueber die Anwendung heißer Luft und roher (nicht
abgeschwefelter) Steinkohlen zum Schmelzen von Eisenerzen.
Aus dem Edinburgh Journal of Science, Aprilheft
1832.
Ueber das Schmelzen von Eisenerzen.
Oeffentliche Blaͤtter haben unlaͤngst einer in Frankreich gemachten
Entdekung erwaͤhnt, Eisenerze mit gespaltenem unverkohltem Holze zu
schmelzen, wovon man sich eine bedeutende Kostenersparung verspricht. Fuͤr
die Eisenhuͤttenwerke im Auslande, besonders im noͤrdlichen
Frankreich, wird diese Entdekung von hohem Werthe seyn.Von einem sachverstaͤndigen und glaubwuͤrdigen Reisenden aus
Rußland
haben wir so eben erfahren, daß man im vergangenen Jahre auf einem Hochofen
in Finnland sehr gelungene Versuche dieser Art gemacht, und mit
Fichten- und Tannenholz in Scheitern, ohne alle Beimischung von
Kohlen, das beste Roheisen aus Sumpf-Eisensteinen erzeugt hat. Das
Holz ward hiebei vorher nicht getroknet, sondern im gruͤnen feuchten
Zustande verwendet, und der Schacht des Ofens war uͤber der Rast
nicht rund, sondern vierekig. A. d. Ueb. Aber fuͤr die brittischen Eisenhuͤttenbesizer ist der Proceß,
dessen man sich gegenwaͤrtig auf den Eisenschmelzwerken an der Clyde in
Schottland bedient, wobei man durch Anwendung roher, nicht abgeschwefelter,
Steinkohlen vortreffliches Eisen, und in viel groͤßerer Menge als bisher
geschah, ausbringt, von ungleich groͤßerer Wichtigkeit. Diese
merkwuͤrdige Verbesserung im Schmelzwesen wird durch erhizte Luft bewirkt,
welche statt der bisher gebrauchten kalten Luft durch das Geblaͤse in den
Ofen getrieben wird. Das von einem so betriebenen Hochofen abgestochene Roheisen ist
viel duͤnnfluͤssiger als das, was man nach der gewoͤhnlichen
Methode (mit kaltem Geblaͤse und mit Kohks) erhaͤlt, und gleicht in
dieser Hinsicht sehr viel dem besten schlesischen Roheisen. Wie vortheilhaft diese
gluͤkliche Entdekung in oͤkonomischer Hinsicht sich erweist, mag
folgende, von dem Patentinhaber daruͤber bekannt gemachte Zusammenstellung
zeigen.
Vergleichende Uebersicht der Quantitaͤten von
Materialien, welche an den Clyde-Eisenwerken erfordert werden, um eine
Tonne Roheisen zu erhalten, und der Menge von Roheisen, welche jeder Ofen
woͤchentlich erzeugt.
Steinkohlen in Tonnen zu 20
Centner, der Centner zu 112 Pfd.
Eisenstein.
Kalkstein als Fuß.
Woͤchentliche
Erzeugungvon Roheisen.
1) Mit kalter Luft und Kohks
7
Tonnen
3 1/4 Tonnen
15 Centner.
45 Tonnen.
2) Mit heißer Luft und Kohks
4 3/4
–
3 1/4 –
10
–
60
–
3) Mit heißer Luft rohen Kohlen
2 1/4
–
3 1/4 –
7 1/2 –
65
–
Bemerkungen: 1) Zum Erhizen der Luft werden, außer den im
Ofen verbrauchten Kohlen, noch besonders 5 Centner kleine Steinkohlen fuͤr
die in den Zeilen 2 und 3 bemerkte Production erfordert.
2) Die Kosten des Apparates, wodurch die Luft erhizt wird, betragen 200 bis 300 Pfund
Sterling fuͤr einen Hochofen.
3) Gegenwaͤrtig werden auf den Clyde-Eisenwerken keine Steinkohlen mehr
abgeschwefelt, und man schmelzt in den drei dortigen Oefen mit rohen Kohlen.
4) Alle drei Hochoͤfen werden durch eine doppeltwirkende Dampfmaschine, deren
Cylinder 40 Zoll im Durchmesser hat, mit einem Geblaͤse-Cylinder von
80 Zoll im Durchmesser betrieben, in welchem die Luft so zusammengedruͤkt
wird, daß sie eine Beladung von 2 1/2 Pfund auf den Quadratzoll traͤgt. Am
Gestelle jedes Ofens sind zwei Formen mit eben so vielen Duͤsen oder
Blaseroͤhren vorgerichtet, deren Muͤndung 3 1/8 Zoll im Durchmesser
weit ist.
5) Die Luft wird uͤber 600 Grad Fahrenheit erhizt; sie schmelzt beim
Ausstroͤmen aus der Duͤse in einer Entfernung von drei Zoll
vorgehaltenes Blei.
Anmerkung des Uebersezers.
Die Resultate dieser Versuche sind so auffallend, daß sie beinahe an's Unglaubliche
graͤnzen, und im Falle ihrer Wirklichkeit eine neue hoͤchst wichtige
Epoche in der Metallurgie zu begruͤnden versprechen. Wenn man den Verbrauch
von Steinkohlen und von Fluß, welche zur Production einer Tonne Roheisen nach der
allen Methode, mit Kohks und mit kaltem Winde, erfordert werden, mit jener nach dem
neuen Verfahren mit rohen Steinkohlen und mit heißer Luft vergleicht, so ergibt sich
bei dem lezteren eine Ersparung von beinahe 68 Procent an Brennmaterial, und von 50
Procent an Fluß; und die Ersparung am ersteren wird um so bedeutender durch die
Beseitigung der mit dem Abschwefeln der Kohlen noͤthigen Kosten und des dabei
unvermeidlichen Abganges. Ueberdieß wird auch noch die woͤchentliche
Erzeugung eines Ofens von 900 Centnern auf 1300 Centner, also um 44 Procent,
vermehrt! – Da wahrscheinlicher Weise diese Anwendung von heißem Winde und
von rohem Brennmaterial auch beim Schmelzen von anderen Metallen, so wie bei
Cupolo- und Reverberir-Oefen, bei Frischfeuern, Fineries- und
Puddling-Oefen, und uͤberhaupt bei allen Feuerungsanstalten dieselben Vortheile bringen
wird, so ist sehr zu wuͤnschen, daß hieruͤber bald mehrere Versuche
angestellt, und die Resultate derselben bekannt gemacht werden moͤchten.
Hiezu waͤre aber vor Allem eine genaue Beschreibung und Abbildung des
Apparates noͤthig, mittelst dessen die durch das Geblaͤse streichende
und aus demselben in den Ofen stroͤmende Luftmasse mit einem so unbedeutenden
Aufwande von Brennmaterial zu einem so hohen Grade erhizt wird. Wir vermuthen, daß
hiezu hauptsaͤchlich die sehr betraͤchtliche Hize, welche mit der aus
der Gicht des Schmelzofens lodernden Flamme entweicht, benuzt wird, um einen
daruͤber gestellten großen Luftbehaͤlter von Gußeisen zu
erwaͤrmen, aus welchem die Luft durch eiserne Roͤhren, welche im
Gemaͤuer des Ofens angebracht sind, in das Geblaͤse geleitet wird, und
daß alsdann die aus der Geblaͤsemaschine gedruͤkte Luft auf ihrem Wege
zum Ofen durch eine besondere Feuerung noch mehr erhizt wird.
J. v. B.