Titel: | Versuche über die Zusammensezung der Mennige; von Hrn. I. Dumas. |
Fundstelle: | Band 45, Jahrgang 1832, Nr. LXXIV., S. 285 |
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LXXIV.
Versuche uͤber die Zusammensezung der
Mennige; von Hrn. I.
Dumas.
Aus den Annales de Chimie et de Physique. April 1832,
S. 398.
Dumas, uͤber die Zusammensezung der Mennige.
Da die Mennige fuͤr viele Industriezweige ein so wichtiges Product ist, so muß
man sich in der That verwundern, daß bisher noch so wenige Versuche uͤber
ihre Zusammensezung angestellt wurden und unsere Kenntnisse in dieser Hinsicht noch
ziemlich schwankend sind. Indessen wird die Mennige bei der Fabrikation des
Krystallglases und der Toͤpferwaaren in sehr betraͤchtlichen
Quantitaͤten verbraucht und ihre Bereitung, die fruͤher auf England
beschraͤnkt war, beschaͤftigt heut zu Tage in Frankreich eine gewisse
Anzahl von Fabriken, welche ganz vorzuͤgliche Producte liefern, wenn sie die
gehoͤrige Sorgfalt auf die Wahl ihres Bleies verwenden.
Ich werde weiter unten den Einfluß untersuchen, welchen die Zusammensezung des Bleies
auf die Beschaffenheit der Producte ausuͤbt; ich mußte vor Allem uͤber
die Zusammensezung der Mennige selbst ins Reine zu kommen suchen, die mir nicht
hinreichend gekannt zu seyn schien. Die Thatsachen, die ich mittheile,
koͤnnen die Fabrikanten uͤber den Gang aufklaͤren, welchen sie
bei Bereitung der Mennige befolgen muͤssen, um eine vollkommene Oxydation zu
erhalten und sie ersehen auch daraus, welches die Graͤnze ist, die sie
unmoͤglich uͤberschreiten koͤnnen. Diese Thatsachen werden ohne
Zweifel in den Fabriken benuzt werden, wo man die Mennige als oxydirende Substanz anwendet, indem sie
zeigen, wie groß die nuzbare Quantitaͤt Sauerstoff ist, die man daraus ziehen
kann, wenn sie sich in Protoxyd verwandelt.
Ich will mit wenig Worten die sehr einfachen Principien anfuͤhren, worauf die
Fabrikation der Mennige beruht. Man roͤstet Blei, um es in sehr zertheiltes
Massicot (gelbes Oxyd) zu verwandeln und huͤtet sich deßwegen die Temperatur
bis auf den Schmelzpunkt des Massicot zu treiben. Die oxydirte Masse wird unter
Muͤhlsteinen zu einem sehr feinen Pulver mit Wasser zerrieben und dann
geschlemmt, um das Oxyd von den noch eingemengten Metalltheilchen (Aftern) zu
trennen. Bei diesen Schlemmen gewinnt man mehrere Sorten Massicot, je nachdem es
naͤmlich mehr oder weniger fein (zertheilt) ist. Je feiner es ist, desto
leichter laͤßt es sich bekanntlich zu Mennige brennen.
Um das Massicot in Mennige zu verwandeln, fuͤllt man damit blecherne
Kaͤsten, welche man uͤber Nacht in den Flammofen stellt, worin das
Massicot selbst bereitet wurde, um seine Hize zu benuzen. Durch die Waͤrme
und in Beruͤhrung mit der Luft verwandelt sich das Massicot in Mennige, indem
es Sauerstoff absorbirt.
Man koͤnnte fragen, warum man, an Statt metallisches Blei zu roͤsten,
zur Fabrikation der Mennige nicht die Bleiglaͤtte benuzt, die man beim
Abtreiben des silberhaltigen Bleies in so großer Menge erhaͤlt. Sehr
haͤufig wird diese Bleiglaͤtte sogar zu Blei reducirt und als solches
in den Handel gebracht. Man wuͤrde also, wenn man sie anwendete, die Kosten
dieser Reduction und sodann diejenigen, welche das Roͤsten des Bleies selbst
verursacht, gewinnen.
Diese Bleiglaͤtte enthaͤlt aber nicht nur fast immer Kupfer und liefert
deßhalb eine schlechte Mennige, sondern sie wuͤrde auch, da sie geschmolzen
ist, sich nur sehr schwer und langsam hoͤher oxydiren lassen. Die Oxydation
erfolgt schon mit einem gut bereiteten und vollkommen zertheilten Massicot so
schwierig, daß man ohne Zweifel viel Kraft aufwenden muͤßte, um die
Bleiglaͤtte auf den Grad von Feinheit zu bringen, welcher
unumgaͤnglich noͤthig ist, um sie in dem Zeitraum, der
gewoͤhnlich hiezu angewandt wird, in Mennige zu verwandeln. Ohne Zweifel muß
man es diesem Umstande zuschreiben, daß man allgemein ein eigens bei der
moͤglichst niedrigen Temperatur bereitetes Massicot anwendet.
Das Bleiprotoxyd aͤndert also, wenn es bei einer wenig erhoͤhten
Temperatur in Beruͤhrung mit der Luft erhizt wird, seine Farbe, wird roth,
und verwandelt sich in Mennige. Die so erhaltenen Producte sind aber sehr
verschieden und die Chemiker sind uͤber ihre Zusammensezung getheilter Meinung. Man hat
Versuche angefuͤhrt, welche zu dem Schlusse zu berechtigen scheinen, daß es
mehrere Arten von Mennige gibt und die Zusammensezung dieses Koͤrpers war der
Gegenstand einer Streitfrage, welche bis jezt noch unentschieden ist.
Da Hr. Roard mir erlaubte in seinen Oefen in einem
hinreichend großen Maßstabe Mennige zu bereiten, so benuzte ich diese Gelegenheit,
um mir eine schoͤne Reihe von Mennigen zu verschaffen, die ich durch
stufenweise verlaͤngertes Roͤsten erhielt; diese Producte analysirte
ich dann, um den Einfluß jenes Umstandes auf ihre Zusammensezung kennen zu
lernen.
Zuerst suchte ich auszumitteln, welche Quantitaͤt Sauerstoff das Massicot
waͤhrend der zwei oder drei Roͤstungen absorbirt, die man damit
vornimmt, um es in Mennige von der schoͤnsten im Handel vorkommenden Farbe zu
verwandeln. Zu diesem Ende verwandelte ich die Proben, die ich zur Analyse benuzte,
durch Gluͤhen in Protoxyd und maß das entbundene Gas. Ich brachte die Mennige
in eine an einem Ende verschlossene Glasroͤhre und sammelte das Sauerstoffgas
in dem Apparate auf, welchen die HH. Gay-Lussac
und Liebig in ihrer Abhandlung uͤber das
knallsaure Silber beschrieben haben.
5 Gramme von einer Mennige, welche auf gewoͤhnliche Weise durch 24 Stunden
anhaltendes Roͤsten des Massicot in einem Flammofen bereitet worden war,
lieferten so 44 Kubikcentimeter feuchtes Sauerstoffgas, bei 14° C. und 0,756
Barometerstand; dieses entspricht dem Gewichte nach 0,0586 oder 1,17 auf 100 der
angewendeten Substanz.
Dieselbe Mennige, eben so lange zum zweiten Mal geroͤstet, gab 1,22 Procent
Sauerstoff. Dieselbe Mennige gab nach einer dritten Reverberirung 1,36 Procent.
Die Farbe war bei allen diesen Mennigen so schoͤn als bei Mustern, die man
durch ein viel laͤngeres Roͤsten erhalten hatte und ihre
Zusammensezung naͤhert sich sehr jener der orangerothen Krystalle, welche Hr. Houtou-Labillardière in einem
Mennigeofen gefunden hat; denn dieses Product wuͤrde bei der Verwandlung in
Protoxyd ebenfalls 1,30 Procent Sauerstoff verloren haben. Diese Umstaͤnde
haͤtten mich zu der Untersuchung veranlassen koͤnnen, ob die Mennige
in diesem Zustande nicht ein eigenthuͤmliches Oxyd ist, welches aus 3 Atomen
Protoxyd in Verbindung mit einem Atom Peroxyd besteht; die mikroskopische
Untersuchung dieser Substanzen reichte aber hin, um mich zu uͤberzeugen, daß
dem nicht so ist; denn mittelst einer starken Lupe konnte ich darin leicht eine
betraͤchtliche Menge Massicot, das an seiner gelben Farbe zu erkennen und bloß
mit der Mennige gemengt war, unterscheiden.
Als ich diese Mennige zum vierten Mal roͤstete, absorbirte sie noch
Sauerstoff, aber in geringer Menge und ohne ihre Farbe merklich zu
veraͤndern. 100 Theile gaben alsdann durch Gluͤhen 1,50 von diesem
Gas.
Nach fuͤnf Tage langem Roͤsten gab sie davon 1,55 Procent.
Endlich, nachdem sie 8 Tage lang in dem Flammofen gelassen worden und folglich 8
Feuer erhalten hatte, verlor sie bei der Reduction zu Protoxyd nur noch 1,75 Procent
Sauerstoff; der Ruͤkstand von der Calcination lieferte mir 98 reines
Blei-Protoxyd.
Daß das Massicot selbst unter den guͤnstigsten Umstaͤnden den
Sauerstoff so außerordentlich langsam absorbirt, scheint zum Theil von den
physischen Eigenschaften dieser Substanz herzuruͤhren; denn wenn man Bleiweiß
auf dieselbe Art roͤstet, so geht die Operation viel rascher. Die
schoͤnste orangefarbige Mennige (mine orange,
Pariserroth) erhaͤlt man durch bloß drei Roͤstungen, und sie
liefert bei dem Gluͤhen bis 2,23 Procent Sauerstoff.
Nach obigen Versuchen wechselt also der ganze Sauerstoffgehalt bei den verschiedenen
untersuchten Proben von Mennige auf folgende Art:
Ganzer Sauerstoffgehalt.
100 Thle. Mennige,
1 Feuer
8,26
– – –
2 –
8,30
– – –
3 –
8,43
– – –
4 –
8,56
– – –
5 –
8,61
– – –
8 –
8,79
– – orangefarbige
Mennige
9,24
Sauerstoff, welcher sich bei derUmaͤnderung
in Protoxyd entbindet.
100 Thle. Mennige,
1 Feuer
1,17
– – –
2 –
1,22
– – –
3 –
1,36
– – –
4 –
1,50
– – –
5 –
1,55
– – –
8 –
1,75
– – orangefarbige
Mennige,
2,23.
Bei allen diesen Producten hat das Massicot, wie man sieht, bei Weitem noch kein
halbes Aequivalent Sauerstoff aufgenommen und sich folglich noch nicht
vollstaͤndig in ein Blei-Sesquioxyd verwandelt, denn Mennige von
dieser Zusammensezung muͤßte beim Gluͤhen 3,33 Procent Sauerstoff
verlieren. Nichts deutete aber die Unmoͤglichkeit an, diese Verwandlung des
Massicots in Sesquioxyd durch hinreichend wiederholte Roͤstungen zu bewirken
und in der Absicht schneller dazu zu gelangen, brachte ich sehr reine orangefarbige Mennige in eine
Roͤhre, deren Temperatur gehoͤrig erhoͤht wurde, und ließ
bestaͤndig Sauerstoffgas durch die Masse stroͤmen. Nachdem der Versuch
einige Stunden lang fortgesezt worden war, unterbrach ich ihn, um die so
geroͤstete Mennige zu analysiren.
5 Gramme von dieser Substanz gaben mir durch Gluͤhen 91 Kubikcentimeter
Sauerstoffgas bei 15° C. und 0,755 Barometerstand; dieß entspricht dem
Gewichte nach 0,12031 oder 2,40 Procent.
Ich ließ sodann noch Sauerstoff in den auf ungefaͤhr 300° erhizten
Apparat stroͤmen, und zwar eben so lang wie bei dem ersten Versuche; zu
meiner großen Verwunderung fand ich aber bei der Analyse des Productes, daß es
keinen Sauerstoff mehr absorbirt hatte und seine Zusammensezung genau dieselbe
geblieben war wie bei dem ersten Versuche.
Anfangs vermuthete ich, daß vielleicht eine fremdartige Substanz in der angewendeten
orangefarbigen Mennige dieses Resultat herbeigefuͤhrt haben koͤnnte.
Um mich davon zu uͤberzeugen, reducirte ich 5 Gramme davon zu Massicot,
loͤste dann das Ganze in Salpetersaͤure auf, dampfte zur Trokniß ab
und nahm den Ruͤkstand wieder in Wasser auf; es blieben aber nur fast
unwaͤgbare Spuren von Kieselerde oder schwefelsaurem Blei zuruͤk, und
salpetersaures Silber zeigte auch in der Aufloͤsung kein Chlorblei an.
2 Gramme von derselben Mennige wurden unmittelbar mit Salpetersaͤure
behandelt, gaben aber keine Kohlensaͤure und Schwefelsaͤure
faͤllte aus der Aufloͤsung des so gebildeten salpetersauren Bleies
1,765 Gr. schwefelsaures Blei, 1,298 Gr. Bleiprotoxyd entsprechend. Der
unaufloͤsliche Ruͤkstand bestand aus braunem Oxyd. Die
Fluͤssigkeit gab mit schwefelwasserstoffsaurem Ammoniak keinen Niederschlag.
Diese Mennige enthielt folglich nur Blei, mit Sauerstoff verbunden, und zwar in dem
Verhaͤltnisse von ungefaͤhr 64,9 Protoxyd auf 35,1 Peroxyd, oder von
zwei Atomen des ersteren auf eines des lezteren.
Bei einem anderen Versuche schloß ich eine gewisse Quantitaͤt orangefarbiger,
der vorhergehenden aͤhnlichen Mennige in einen Ballon ein, der mit Sauerstoff
gefuͤllt war und mit der Gloke eines kleinen Manometers in Verbindung stand;
ich stellte den Ballon auf ein Sandbad und erhizte ihn so stark, daß die
orangefarbige Mennige eine außerordentlich dunkle Farbe annahm. Die Temperatur des
Ballons wurde sieben Tage lang ungefaͤhr auf demselben Grad erhalten, und ein
Theil der so geroͤsteten Mennige dann analysirt.
2 Gramme gaben 35,5 Kubikcentimeter Sauerstoff bei 16° C. und 0,7545
Barometerstand, was nach allen Correctionen fuͤr die Temperatur, den Druk und die
Feuchtigkeit, 32,64 Kubikcentimeter und 0,4673 Gr. oder 2,337 Procent
entspricht.
Diese orangefarbige Mennige hatte also waͤhrend dieses langen Versuches nur
0,10 Procent Sauerstoff absorbirt, und stimmte also hinsichtlich ihrer
Zusammensezung mit der Mennige uͤberein, welche nur einige Stunden lang der
Einwirkung des Sauerstoffgases ausgesezt worden war.
Der Ballon, welcher die so geroͤstete Mennige enthielt, wurde sodann
neuerdings mit Sauerstoffgas gefuͤllt, und wie fruͤher einen ganzen
Tag lang erhizt. 2 Gramme von der Mennige dieser zweiten Operation gaben beim
Gluͤhen 35,5 Kubikcentimeter Gas bei 14° C. und 0,765 Barometerstand,
welche 0,04717 Gr. oder 2,35 Procent Sauerstoff entsprechen.
Nach diesem Resultat schien es mir wahrscheinlich, daß dieses Product wirklich eine
ganz bestimmte Verbindung ist, und ich hielt es fuͤr interessant, dasselbe
mit reiner, nach anderen Verfahrungsarten erhaltener Mennige zu vergleichen.
Zu diesem Ende wendete ich zuerst die Methode an, die ich in meinem Traité de Chimie beschrieb, und welche darin
besteht, in neutralem essigsaurem Blei alles der Mennige beigemengte Massicot
aufzuloͤsen. Orangefarbige Mennige, derjenigen aͤhnlich, welche zu den
vorhergehenden Versuchen angewendet wurde, digerirte ich so lange mit neutralem
essigsaurem Blei, bis sie dasselbe nicht mehr in basisches Salz verwandelte,
suͤßte sie dann aus und troknete sie. 4 Gramme der so gereinigten Mennige
wurden dann wie bei den vorhergehenden Versuchen gegluͤht und lieferten 69,3
Kubikcentimeter Sauerstoff (bei + 15° C. und 0,762 Barometerstand), was dem
Gewichte nach 2,31 Procent entspricht.
Diese Mennige hat folglich dieselbe Zusammensezung wie das Product, welches man durch
directe Einwirkung des Sauerstoffgases auf orangefarbige Mennige erhielt.
Eine neue Quantitaͤt orangefarbiger Mennige wurde sodann mit einer
concentrirten Aufloͤsung von Aezkali digerirt, welches bekanntlich die
Eigenschaft hat, das Blei-Protoxyd aufzuloͤsen und folglich aus der
Mennige alles ihr beigemengte Massicot aufnehmen mußte.
3 Gramme der so gereinigten Mennige gaben durch Gluͤhen 53,5 Kubikcentimeter
Sauerstoffgas bei 19° C. und 0,755 Barometerstand. Wenn alle Correctionen
fuͤr die Temperatur, den Druk und die Feuchtigkeit gemacht sind, entspricht
dieses Volumen dem Gewichte nach 0,06947 Gramm. Diese Mennige enthielt folglich, wie
die vorhergehenden, nur 2,316 Procent Sauerstoff uͤber denjenigen, welcher
das Blei-Protoxyd bildet, und nachdem sie nochmals mit Aezkali digerirt worden war,
gab sie bei der Analyse dieselben Resultate.
Nach diesen Versuchen schien es mir ausgemacht, daß sowohl die Producte, welche man
durch directe Einwirkung des Sauerstoffs auf das Massicot erhaͤlt, als auch
diejenigen, welche man durch Reinigung der orangefarbigen Mennige mittelst neutralen
essigsauren Bleies oder durch laͤngere Einwirkung einer
Aezkali-Aufloͤsung auf dieselbe Substanz erhaͤlt, eine
eigenthuͤmliche und constante Verbindung von Blei mit Sauerstoff sind, deren
Zusammensezung von der bisher angenommenen abweicht. Sie besteht naͤmlich
sehr nahe aus 3 Atomen Blei und 4 Atomen Sauerstoff. Eine Mennige von dieser
Zusammensezung wuͤrde naͤmlich 9,34 Procent Sauerstoff enthalten und
2,34 davon verlieren, wenn sie sich in Protoxyd verwandelt; diese Zahlen kommen aber
dem Resultate aller meiner Versuche sehr nahe.
Das Verhaͤltniß der Atome des Bleies und Sauerstoffs in dieser Mennige bieten
nicht die Einfachheit dar, welche man in der Zusammensezung der binaͤren
Oxyde bemerkt. Es ist dasselbe wie bei den Deutoxyden des Eisens und Mangans, und
scheint mir klar anzuzeigen, daß dieser Koͤrper ein salzartiges Oxyd ist,
bestehend aus zwei Atomen Blei-Protoxyd und einem Atom Peroxyd.
Diese Mennige scheint also ein bleisaures Blei zu seyn, worin die Basis eben so viel
Sauerstoff enthaͤlt, als die Saͤure und ihre Formel ist 2 Pb. O + Pb. O.
Nimmt man an, daß die Krystalle, welche Hr. Houton-Labillardière entdekte, nicht Bleiglatte sind, die
bloß mit Mennige vermengt ist, sondern eine homogene Verbindung, und legt die
Resultate der Analyse der Mennige von Berzelius zu
Grunde, so wuͤrde es drei salzartige Oxyde des Bleies geben, welche durch das
Protoxyd und Peroxyd desselben gebildet werden, naͤmlich:
3 Pb. O + Pb. O²
2 Pb. O + Pb. O²
Pb. O + Pb.
O²
Es scheint mir nicht unmoͤglich, daß sich diese drei Verbindungen wirklich
bilden koͤnnen; wir kennen aber kein Verfahren, uns die erstere zu
verschaffen, und ich muß gestehen, daß wenn die Untersuchung der lezteren nicht von
Berzelius angestellt worden waͤre, ich ihre
Existenz bezweifeln und glauben wuͤrde, daß jede Mennige, die uͤber 4
Atome Sauerstoff auf 3 Atome Blei enthaͤlt, nur aus einer Mennige besteht,
die der von mir untersuchten aͤhnlich, aber mit braunem Oxyd vermengt
ist.
In der That kenne ich kein anderes Verfahren, um eine Mennige zu erhalten, die mehr Sauerstoff
enthaͤlt, als dieses. gewoͤhnliche Mennige mit sehr schwacher
Essigsaͤure zu behandeln; auf diese Art erhielt Berzelius das Product, welches ihm 2,9 Sauerstoff auf 100 gelbes Oxyd
lieferte. So vorsichtig ich aber auch bei Wiederholung dieses Versuches verfahren
mochte, so fand ich doch immer, daß sich mehr oder weniger braunes Oxyd bildete,
noch ehe die ganze Masse hinreichend von Massicot gereinigt war, um durch
Gluͤhen 2,33 Procent Sauerstoff zu verlieren. Durch lange fortgesezte
Digestion zersezte sich die Mennige gaͤnzlich, selbst mittelst Wasser, das
durch Essigsaͤure kaum gesaͤuert war.
In der kurzen Beschreibung, welche Berzelius von dem
Versuche mittheilt, aus welchem er folgerte, daß die reine Mennige 10 Procent
Sauerstoff enthaͤlt, erwaͤhnt er keines Mittels, wodurch man das
Eintreten dieser Reaction verhindern koͤnnte, und es waͤre
moͤglich, daß sie ihm entging. Ich wage es aber nicht, in dieser Hinsicht
eine bestimmte Meinung zu aͤußern, und wenn ich mich dabei aufhalte, so
geschieht es mehr, um die Aufmerksamkeit dieses Gelehrten auf die Schwierigkeit zu
lenken, die ich antraf, um die Wahrheit stiller Schluͤsse in Zweifel zu
sezen.
Wie dem aber auch sey, so scheint es mir wahrscheinlich, daß alle im Handel
vorkommenden Sorten von Mennige aus dem salzartigen Oxyde 2 Pb. O + Pb. O² bestehen, und wenn man dieses zugibt, so
wuͤrden die verschiedenen Muster, wovon ich im Anfange dieser Notiz sprach,
folgende Zusammensezung haben:
Wirkliche Mennige.
Beigemengtes Protoxyd.
Mennige,
1 Feuer
50
50
2 –
52,1
47,9
3 –
58,1
41,9
4 –
64,1
35,9
5 –
66,2
33,8
8 –
74,8
25,2
Orangefarbige Mennige,
3 –
95,3
4,7
Hieraus muͤßte man schließen, daß bei dem gegenwaͤrtigen Zustande der
Kunst die Fabrikation der Mennige noch viel zu wuͤnschen uͤbrig
laͤßt, waͤhrend diejenige der orangefarbigen Mennige (des
Pariserroths) dem theoretischen Resultate so nahe kommt, daß man kaum eine
groͤßere Vervollkommnung hoffen darf.
Um die verschiedenen Sorten von Mennige auf ihren Sauerstoffgehalt zu pruͤfen,
kann man sie mit Salpetersaͤure behandeln und das zuruͤkbleibende
braune Oxyd bestimmen, oder die Menge des aufgeloͤsten Protoxyds vermittelst
des Mensurglases (Kaͤnnchens) durch eine verduͤnnte Schwefelsaͤure von bekanntem
Gehalt ausmitteln.Der Verfasser meint hiemit das Verfahren, wodurch Hr. Gay-Lussac die kaͤufliche Potasche und Soda auf
ihren Alkaligehalt pruͤft; es ist im polytechn. Journal Bd. XXXII. S. 190 beschrieben. A. d.
R. Folgende Tabelle druͤkt die Zusammensezung der verschiedenen Muster
von Mennige unter diesem Gesichtspunkte aus:
Braunes Oxyd.
Protoxyd.
Mennige,
1 Feuer
17,4
82,6
2 –
18,2
81,8
3 –
20,3
79,7
4 –
22,4
77,6
5 –
23,1
76,9
8 –
26,0
74,0
Orangefarbige Mennige,
3 –
33,2
66,8
Reine Mennige,
34,9
65,1
Die so verschiedenartigen Meinungen, welche uͤber die Natur und Zusammensezung
der Mennige von Chemikern aufgestellt wurden, die zu genau sind, als daß sie bei
einer Analyse dieser Art einen Fehler begehen koͤnnten, veranlaßten mich
diese Frage gruͤndlich zu untersuchen. Ich muß es am Schlusse dieser
Abhandlung wiederholen, daß, obgleich ich keinen Zweifel uͤber die Natur der
Producte mehr hegen kann, die ich nach so verschiedenartigen Methoden, welche alle
auf dasselbe Resultat fuͤhren, gereinigt habe, ich doch keineswegs glaube,
daß die Mennige von Berzelius sich nicht unter besonderen
Umstaͤnden, die ich aber nicht realisiren konnte, bilden duͤrfte.
Die Folgerungen, welche die Praktiker aus meinen Versuchen ziehen koͤnnen,
sind indessen gluͤklicher Weise ganz unabhaͤngig von der theoretischen
Frage, und welche Meinung man in der Folge auch uͤber die wirkliche Natur der
reinen Mennige annehmen mag, so aͤndert dieß nichts an den Resultaten, die
ich bei meinen Versuchen uͤber den Einfluß verschiedener Feuer auf die
Mennige bei der gegenwaͤrtig uͤblichen Fabrikationsweise beobachtet
habe.