Titel: | Bericht über vergleichende Versuche, welche mit einigen indischen Färbestoffen angestellt wurden; von Hrn. Ed. Schwarz in Mülhausen. |
Fundstelle: | Band 45, Jahrgang 1832, Nr. XCIV., S. 381 |
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XCIV.
Bericht uͤber vergleichende Versuche,
welche mit einigen indischen Faͤrbestoffen angestellt wurden; von Hrn. Ed. Schwarz in
Muͤlhausen.
Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
Mulhausen, N. 23, S. 296.
Schwarz, Bericht uͤber die indischen
Faͤrbestoffen.
Die Faͤrbestoffe, welche den Gegenstand dieses Berichtes ausmachen, sind die
Chaywurzel, die Nonawurzel und die Cassablaͤtter; Bancroft handelt davon in seinem Faͤrbebuche Bd. II, S. 488 bis
491.In der deutschen Ausgabe, mit Anmerkungen von Dingler und Kurrer (Nuͤrnberg
1818, bei J. L. Schrag) im II. Bd. S. 491 bis 508. A. d. R. Das Handelsministerium schikte vor einiger Zeit mehrere Kilogramme von
diesen Substanzen an die HH. Gebruͤder Koechlin
mit der Bitte Versuche daruͤber anzustellen und legte auch eine Notiz von
Hrn. Gonfreville bei, der sie aus Indien mitbrachte.
Ungeachtet der sehr zahlreichen Versuche von Bancroft und
anderen Chemikern uͤber diesen Gegenstand und obgleich die ostindische
Compagnie in London und verschiedene Kaufleute in England und Frankreich sich seit
fuͤnfzig Jahren vergebens bemuͤhten, diese indischen
Faͤrbematerialien in Europa in Anwendung zu bringen, so glaubten die HH.
Gebruͤder Koechlin doch, daß es nicht
unnuͤz seyn duͤrfte, neue Versuche besonders uͤber die
erwaͤhnten Rubiaceen anzustellen, um so mehr, da sich unsere Kenntnisse
uͤber den Faͤrbestoff dieser Wurzeln durch die zahlreichen Arbeiten
der HH. Daniel Koechlin-Schouch, Robiquet, Colin,
Kuhlmann und einiger anderen Mitglieder der Société industrielle
Man findet sie im polytechnischen Journale Bd. XXIII. S. 73, Bd. XXIV. S.
530, Bd. XXVII. S. 169.
200–228. Bd. XXXIII. S. 158. Bd. XXXIX. S. 385 und 392. A. d. R. in der lezten Zeit sehr vermehrt haben. Diese Substanzen wurden also
neuerdings der Aufmerksamkeit des chemischen Comités empfohlen; Hr. Daniel
Koechlin-Schouch hat sich besonders damit
beschaͤftigt; ich habe ebenfalls eine Reihe von Versuchen angestellt und will
nun von seinen und meinen Beobachtungen das Resultat mittheilen.
Cassablaͤtter. Diese Blaͤtter
erhaͤlt man von einer indischen Pflanze, welche haͤufig als Strauch
vorkommt, manchmal aber auch die Hoͤhe eines Baumes erreicht; Bancroft bezeichnet sie mit dem Namen Memecyclon capitellatum.
Die gemahlenen Cassablaͤtter sind in ihren Eigenschaften unseren verschiedenen
Sumacharten sehr aͤhnlich; die Nuͤancen aber, welche sie sowohl mit reinem essigsaurem
Eisen, als auch mit einem Gemenge von essigsaurem Eisen und essigsaurer Alaunerde
hervorbringen, gleichen mehr denjenigen, die die Quercitronrinde mit diesen Beizen
liefert als denen, welche man mittelst Sumach erhaͤlt, daher ich glaube, daß
die Cassa mehr gelbe und weniger adstringirende Theile erhaͤlt; diese gelben
Theile scheinen aber durch das Austroknen veraͤndert worden zu seyn; denn das
Cassadecoct gibt mit reiner essigsaurer Alaunerde nur eine Nankinfarbe,
aͤhnlich derjenigen, welche man mit den Decocten mehrerer
inlaͤndischen ausgetrokneten Pflanzen erhaͤlt, die aber doch eine
schoͤne gelbe Farbe liefern, wenn man sie in frischem Zustande anwendet.
Die Cassablaͤtter duͤrften daher in unserem Lande von geringem Nuzen
seyn, weil weder ihre gelben Bestandtheile so rein sind, daß sie die Quercitronrinde
ersezen koͤnnten, noch so viel Gerbestoff und Gallussaͤure darin
enthalten ist, daß sie an Statt des Sumachs gebraucht werden koͤnnten.
Nach Bancroft benuzt man sie in Indien, wie in Europa die
Gallaͤpfel und den Sumach; besonders bedient man sich ihrer daselbst um die
geoͤhlten Baumwollenzeuge fuͤr das Tuͤrkischrothfaͤrben
vorzubereiten; man nimmt sie zu diesem Ende oͤfters durch einen Absud dieser
Blaͤtter und troknet sie jedes Mal wenn sie herauskommen; durch diese
oͤfters wiederholte Operation erzielt man in Indien ein aͤhnliches
Resultat, wie wir durch ein einziges Gallaͤpfel- oder
Sumach-Bad, naͤmlich eine Vereinigung der adstringirenden Theile
dieser Substanzen mit dem oxydirten Oehl.
Nona. Die unter diesem Namen bekannte Rubiacee ist die
Wurzel eines Baumes, welcher der Art Guilandina
angehoͤrt; sie ist der Krappwurzel sehr aͤhnlich, aber bei weitem
zaͤher und daher viel schwieriger in ein feines Pulver zu verwandeln. Unter
den indischen Rubiaceen ist sie eine von denjenigen, welche am meisten gelbe
Bestandtheile enthalten; da dieselben saurer Natur sind, so muß man nicht nur die
Wurzel mit kaltem Wasser auswaschen, ehe man sich ihrer zum Rothfaͤrben
bedient, sondern auch je nach ihrer Qualitaͤt noch mehr oder weniger basisch
kohlensaures Natron (Soda) zusezen. Ich muß hier an ein Princip erinnern, welches
heut zu Tage genuͤgend erwiesen ist und fuͤr alle Rubiaceen gilt, daß
naͤmlich, um alle faͤrbenden Bestandtheile aus denselben auszuziehen
und um mit diesen Substanzen Farben zu erzielen, die der Einwirkung des Lichtes und
der Agentien, welche zum Aviviren benuzt werden, widerstehen, vor Allem ein vollkommen neutrales Faͤrbebad erforderlich
ist; die meisten Techniker, welche bis auf diesen Tag Versuche uͤber die
Anwendung verschiedener indischen Rubiaceen anstellten, haben, weil sie dieses
Grundprincip der Rothfaͤrberei nicht kannten, um so unvollkommenere Resultate
erhalten, je mehr saure Bestandtheile die von ihnen angewandten Wurzeln
enthielten.
Nach dem, was wir in Europa von den Faͤrbeoperationen der Indier wissen,
wenden sie niemals einen Zusaz von Alkali an, hingegen waschen sie die Wurzeln aus;
so sagt Bancroft in seinem Faͤrbebuch, daß die
geoͤhlten fuͤr Roth bestimmten Baumwollenzeuge, nachdem sie mit
Cassablaͤttern behandelt wurden, oͤfters in der Kaͤlte
waͤhrend mehreren Stunden durch eine Infusion von Nonawurzeln gehaspelt, dann
getroknet und hiernach bloß warm gefaͤrbt werden, auf die gewoͤhnliche
Art. Obgleich nun dieser Schriftsteller nicht sagt, was mit den so infundirten,
ausgewaschenen und an gelben Bestandtheilen erschoͤpften Nonawurzeln
geschieht, so ist es doch nicht glaublich, daß sie weggeworfen werden, sondern man
benuzt sie wahrscheinlich bei dem Warmfaͤrben, welches auf das Beizen folgt.
Wenn uͤbrigens ein Brunnen- oder Flußwasser viel kohlensauren Kalk
oder Natron enthaͤlt, so kann man den Zusaz eines Alkalis ersparen und ich
vermuthe auch, daß in den Gegenden, wo die Rothfaͤrberei mit dem besten
Erfolg betrieben wird, das angewandte Wasser die noͤthigen alkalischen
Bestandtheile enthaͤlt.
Nach mehreren Versuchen, welche alle das oben erwaͤhnte Princip
bestaͤttigten, hielt ich folgendes Verfahren fuͤr das beste, um bei
dem Faͤrben die rothen Faͤrbestoffe der Nonawurzeln gehoͤrig
auszuziehen und durch ihre Fixirung auf verschiedenen Beizen Farben hervorzubringen,
welche nicht nur satt aus dem Faͤrbebade herauskommen, sondern auch zu dem
Gewebe und der Beize eine hinreichend große Verwandtschaft haben, um den Agentien
widerstehen zu koͤnnen, die bei der Operation des Avivirens angewandt
werden.
Die bei gelinder Waͤrme getrokneten Nonawurzeln muͤssen
moͤglichst fein zerrieben und sodann in der Kaͤlte mit ihrem
fuͤnfzigfachen Gewichte reinen Wassers ausgewaschen werden; nachdem man sie
durch ein Sieb geschlagen hat, gießt man neuerdings Wasser darauf; man versezt sie
mit ungefaͤhr dem fuͤnften Theile ihres Gewichtes basisch kohlensaurem
Natron (Soda), taucht das gehoͤrig gebeizte und gereinigte Gewebe bei einer
Temperatur von 30° Reaumur hinein und steigert die Hize allmaͤhlich
bis zum Sieden, in einem Zeitraume, welcher der Menge der zu erschoͤpfenden
Faͤrbestoffe angemessen ist. Bei diesem Verfahren erhaͤlt man:
1) Auf geoͤhlter und gebeizter Baumwolle ein sehr intensives Roth, welches
sich, wenn es in verschlossenem Kessel mit einer Seife-Aufloͤsung
behandelt wird, die mit ein wenig salzsaurem Zinn gemischt ist, in ein Scharlachroth
verwandelt, das dem durch Krapp hervorgebrachten Adrianopelroth sehr nahe kommt.
Auf nicht geoͤhlten Baumwollenzeugen, die aber entweder mit essigsaurer
Alaunerde, oder mit essigsaurem Eisen von verschiedenen Graden, oder endlich mit
Gemengen von diesen beiden Beizen bedrukt sind, erhaͤlt man bei dem
Faͤrben Schwarz, Roth, Violett und Puce, welche sich von den Krappfarben nur
durch einen groͤßeren Stich in Gelb unterscheiden: alle diese Farben werden
durch die gleichzeitige Wirkung der Seife und der Luft belebt, wobei sie jedoch
ihren gelblichen Stich beibehalten; nur das Violett bleibt an Lebhaftigkeit
zuruͤk. Wenn man aber auch diesem lezteren Fehler abhelfen koͤnnte, so
glaube ich doch nicht, daß die Nonawurzel dem Krapp vorzuziehen waͤre; denn
diese Rubiacee enthaͤlt kaum den dritten Theil von dem rothen
Faͤrbestoffe, welcher ein Krapp von mittlerer Qualitaͤt liefert; dieß
verhinderte auch immer hauptsaͤchlich ihre Anwendung in Europa, denn diese
Wurzel koͤnnte auf dem Wege des Handels nicht zu einem Preise geliefert
werden, der mit ihrem geringeren Werth in Verhaͤltniß stuͤnde.
Chaywurzel (Chayaver). Diese
Pflanze gehoͤrt wie der Krapp in die Classe der Stellatae; sie wird hauptsaͤchlich auf den Kuͤsten von
Malabar und Coromandel angebaut, wo man sich ihrer zum Rothfaͤrben der
geoͤhlten Baumwollenzeuge bedient; sie scheint am besten in sandigem Boden zu
gedeihen.
Die Chaywurzel ist wie die Nonawurzel zaͤher und schwieriger in ein Pulver zu
verwandeln, als der Krapp; sie wird in Indien haͤufiger gebraucht als die
Nonawurzel; auch hat man von dieser Wurzel die groͤßten Quantitaͤten
nach Europa gebracht, um ihre Anwendung zu versuchen, aber wie uns Bancroft berichtet, immer ohne Erfolg. Die Chaywurzel
naͤhert sich jedoch in ihren faͤrbenden Eigenschaften dem Krapp mehr
als die Nonawurzel. Sie enthaͤlt nicht so viel saure Bestandtheile wie
leztere und bietet daher beim Faͤrben keine so großen Schwierigkeiten dar,
denn es ist kaum noͤthig, sie auszuwaschen; indessen fand ich, daß es doch
besser ist, wenn man diese Vorsichtsmaßregel anwendet. Anstatt des basisch
kohlensauren Natrons braucht man dem Faͤrbebade nur den zwoͤlften
Theil vom Gewichte der Wurzel gepulverte Kreide zuzusezen; im uͤbrigen
befolgt man beim Faͤrben das naͤmliche Verfahren, welches ich
fuͤr die Nonawurzel beschrieben habe. Die Farben sind, wie sie aus dem
Faͤrbebade herauskommen, weniger orange; das geoͤhlte Roth avivirt
sich vollkommen im Seifenbad in geschlossenem Kessel; das Roth, Rosenroth, Schwarz,
Puce und Violett auf nicht geoͤhltem Zeuge, ertragen die Operationen mit
Seife und Salpetersaͤure gerade so wie die Krappfarben und stehen lezteren weder an Lebhaftigkeit
noch an Soliditaͤt nach; das Haupthinderniß, diese Rubiacee in Europa in
Gebrauch zu bringen, ist aber dieses, daß die von derselben erforderliche Menge mit
dem Preise nicht in Verhaͤltniß steht, denn diese Wurzel enthaͤlt kaum
ein Viertel so viel rothen Faͤrbestoff als ein inlaͤndischer Krapp von
mittlerer Qualitaͤt. Ungeachtet dieser in oͤkonomischer Hinsicht so
unguͤnstigen Resultate verdient doch die Chaywurzel unter allen indischen
Rubiaceen am meisten unsere Aufmerksamkeit, weil ihre Eigenschaften denen des
Avignonkrapps vollkommen analog sind, waͤhrend die anderen Rubiaceen dieses
Landes (keine ausgenommen), obgleich reicher an Faͤrbestoffen, das saure
gelbe Princip in so großer Menge enthalten, daß man bei uns nur eine sehr
beschrankte Anwendung von ihnen machen koͤnnte. Ich glaube dessen ungeachtet,
daß es moͤglich waͤre durch einen ausgedehnteren Anbau dieser Pflanzen
und besonders durch ein laͤngeres Verweilen derselben im Boden, nicht nur
ihren Faͤrbestoffgehalt zu vergroͤßern, sondern auch die Eigenschaften
der anderen indischen Pflanzen dieser Art abzuaͤndern, so daß sie eine
groͤßere Soliditaͤt erlangen koͤnnten. Die auffallenden
Beispiele, welche ich bei dieser Gelegenheit uͤber die verschiedenen
Eigenschaften anfuͤhren koͤnnte, die der Elsasser Krapp besizt, je
nachdem er mehr oder weniger zur Reife gelangte, wuͤrden gewiß meine Ansicht
sehr unterstuͤzen; dieß wuͤrde mich aber hier zu weit fuͤhren
und ich beeile mich uͤber die faͤrbenden Eigenschaften einiger anderen
indischen Rubiaceen, welche die HH. Nicolas Koechlin vor
einigen Jahren kommen ließen, noch etwas zu sagen; sie sind:
1) Das Mungeet, eine Pflanze, welche die
Eigentuͤmlichkeit hat, daß der Staͤngel mehr Faͤrbestoff
liefert, als die Wurzel; in trokenem Zustande ist sie fast so reich an
Faͤrbestoff wie guter Avignonkrapp, enthaͤlt aber so viele gelbe und
saure Bestandtheile, daß es unmoͤglich ist solide Farben damit
hervorzubringen. Faͤrbt man geoͤhlten Baumwollenzeug mit dieser
Rubiacee, so bietet er die merkwuͤrdige Erscheinung dar, daß die rothe Farbe
ungeachtet ihrer Lebhaftigkeit und nachdem sie in Seifenwasser in geschlossenem
Kessel avivirt wurde, am Lichte so fluͤchtig ist, daß sie nach einigen Tagen
auf der Seite, wo sie demselben ausgesezt wurde, fast gaͤnzlich
verschwindet.
Bancroft behauptet auf Wolle mit dem Mungeet und einer
Zinnaufloͤsung ein Scharlachroth hervorgebracht zu haben, welches sich dem
mit Cochenille erhaltenen sehr naͤherte.Dasselbe Resultat erhielten wir, nach unserer Weise Scharlachroth mit Krapp
zu faͤrben, durch das Pigment des Mungeet. A. d. R.
2) Das Quongkoudou. Diese Wurzel enthaͤlt zwischen
der Haͤlfte und dem Drittel so viel rothen Faͤrbestoff als eine gute
Sorte Avignontrapp liefert. Die gelben und sauren Stoffe kommen darin nicht in so
großer Menge vor als in dem Mungeet; indessen muß man ihr beim Faͤrben 30
Procent basisch kohlensaures Natron zusezen und erhaͤlt dennoch etwas weniger
solide und weniger lebhafte Farben als mit der Nonawurzel.
3) Das Hachrout. Diese Rubiacee unterscheidet sich nicht
sehr von der Nona, weder durch ihren Gehalt an faͤrbenden Bestandtheilen,
noch durch ihre faͤrbenden Eigenschaften.
Um zu positiveren Kenntnissen uͤber die Natur und Eigenschaften dieser
Pflanzen zu gelangen, muͤßte man Samen davon haben und Versuche uͤber
ihren Anbau anstellen; dieser wichtige Umstand wurde gerade bisher am wenigsten
beruͤksichtigt.