Titel: | Ansichten verschiedener französischer Fabrikanten über den gegenwärtigen Zustand ihres Industriezweiges in Frankreich, und über die Folgen der Aufhebung des Prohibitivsystemes für ihre Fabriken. |
Fundstelle: | Band 54, Jahrgang 1834, Nr. LXV., S. 381 |
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LXV.
Ansichten verschiedener franzoͤsischer
Fabrikanten uͤber den gegenwaͤrtigen Zustand ihres Industriezweiges in
Frankreich, und uͤber die Folgen der Aufhebung des Prohibitivsystemes fuͤr
ihre Fabriken.
Im Auszuge aus dem Temps und Moniteur
universel.
Gegenwaͤrtiger Zustand des Industriezweiges in
Frankreich.
II. Glaswaaren-Fabrikation.
1. Aussagen des Hrn. Godart,
Verwalters der Krystallglasfabrik zu Baccarat.
In England ruht eine ungeheure Auflage auf dem Glase; man erzeugt daher daselbst
auch gar kein gewoͤhnliches Glas, sondern Jedermann bedient sich des
Krystallglases. England hat mehr als 80 Krystallglasoͤfen; wir in
Frankreich haben nur 4 Krystallglasfabriken, und darunter 2 große:
naͤmlich jene zu Baccarat und St. Louis, und 2 kleine: Bercy und Choisy.
Außerdem gibt es allerdings noch eine Menge anderer Fabrikanten, die jedoch so
wenig erzeugen, daß ihre Anstalten keine Erwaͤhnung verdienen. Von unsern
Oefen sind nur 7 in Thaͤtigkeit, so daß also schon hieraus erhellt, wie
leicht es den Englaͤndern waͤre, unsere wenigen Fabriken
niederzulegen. Sie brauchten ihre Fabrikation nur um 1/20 zu erhoͤhen;
der Gestehungspreis dieser erhoͤhten Fabrikation wuͤrde gewiß
niedriger ausfallen, als der gegenwaͤrtige allgemeine Gestehungspreis.
Ueberdieß stehen die englischen Fabriken so fest, daß sie sehr wohl ein
augenblikliches Opfer zu ertragen, und Frankreich zum Ruine seiner Fabriken mit
4 bis 5 Millionen Krystallglas uͤberschwemmen koͤnnten. Wollte man
demnach bei uns das Einfuhrverbot aufheben, so muͤßte man dasselbe
wenigstens durch einen sehr hohen Zoll ersezen, den ich jedoch
gegenwaͤrtig nicht in Zahlen anzugeben im Stande bin, indem ich
hieruͤber erst mehrere Nachforschungen anstellen muͤßte. –
In Boͤhmen fabricirt man bei einer sehr maͤßigen Auflage; das Holz
ist daselbst wohlfeil, und auch der Arbeitslohn ist sehr niedrig. Ich
erwaͤhne nur der Angehange der Kronleuchter Nro. 1 mit 16 Facetten, bei deren Poliren dreierlei verschiedene
Methoden in Anwendung kommen muͤssen. Von diesen liefern die
boͤhmischen Fabriken das Hundert fuͤr 30 Sous und selbst
fuͤr 1 Fr., so daß das Stuͤk nur auf 1 Cent. kommt. Es scheint,
daß diese Arbeit in Boͤhmen von Kindern oder von Personen vollbracht
wird, die sie als Nebengeschaͤft betreiben; wir in Frankreich
koͤnnen wenigstens dasselbe Fabrikat kaum um das Drei- und
Vierfache liefern.
Das vergangene Jahr, in welchem die Fabrik zu Baccarat, die ihre Braͤnde
im Julius schließt, drei Oefen in Thaͤtigkeit hatte, fabricirte dieselbe
fuͤr 1,300,000 Fr. Glaswaaren im Fabrikpreise, wobei jedoch die Arbeit
der Glasschleifereien, welche auf 250 bis 300,000 Fr. angeschlagen werden kann,
mit eingerechnet ist. Die Fabrik zu St. Louis fabricirte fuͤr 950,000
Fr., und die beiden kleinern Fabriken zu Bercy und Choisy fuͤr 450,000
Fr., so daß die Gesammtfabrikation mithin zu 2,700,000 Fr. angeschlagen werden
kann. Wir zu Baccarat erzeugen 5–6000 verschiedene Artikel; unser
Hauptartikel besteht jedoch aus Kelchglaͤsern Nro. 4, deren Verkauf sich auf 7–800,000 Fr. belaͤuft, obschon dieser
Artikel sich in der Fabrik eben so schlecht rentirt wie die Teller in den
Fayence- und Porcellanfabriken. Wir gaben diese Blaͤser
fuͤr 32 Cent. das Stuͤk; davon kommen aber 15% Disconto und der
Nachaß, den wir dem Großhaͤndler bewilligen, abzuziehen, so daß wir also
das Stuͤk zu 27 Cent. abgeben. – Im Ganzen genommen hat sich der
Preis saͤmmtlicher Artikel vermindert, der Preis der zur Beleuchtung
dienenden Apparate verminderte sich z.B. um mehr denn 50 Procent. Das Capital,
womit die Fabrik zu Baccarat arbeitet, schaͤze ich auf 2 Mill. Fr., jenes
der Fabrik zu St. Louis auf 1 1/2 Mill. Fr., und jenes der Fabriken von Bercy
und Choisy auf je 250,000 Fr., das Capital aller 4 Fabriken zusammengenommen mag
demnach 4 Mill. Fr. betragen. Wir schmelzen mit Holz; alle Fabriken sind deßhalb
auch in Waͤldern gelegen. Nur St. Louis besizt jedoch das Holzungsrecht,
welches ihm um einen vor langer Zeit bestimmten Preis auf Ewigkeit verliehen
wurde. Dessen ungeachtet hat aber Baccarat ohne Holzungsrecht einen Vortheil vor
St. Louis voraus, was davon herruͤhrt, daß die Transportkosten bei
ersterem geringer sind, und daß seine Maschinen mit Wasser betrieben werden,
waͤhrend St. Louis mit einer Dampfmaschine arbeitet, deren Unterhaltung
kostspieliger ist. Der Preis des Holzes ist ziemlich wandelbar; wir bezahlten
die Klafter bis zu 27–28 Fr.; in diesem Jahre werden wir sie zu
22–24 Fr. zahlen. Wenn wir zu Baccarat mit drei Oefen arbeiten, so
brauchen wir 16–17,000 Steren Holz; dieß macht 5–6000 Klafter,
indem die lothringische Klafter 3 Steren hat. Das Holz kommt uns also
jaͤhrlich auf 110–120,000 Fr. Wir verbrauchen auch etwas
Steinkohlen, allein nicht aus Ersparniß, sondern um das Holz zu schonen, wenn es
selten wird. Die Steinkohlen kommen uns naͤmlich die 1000 Kilogr. auf 42
Fr. zu stehen. Die Kosten des Brennmaterials betragen hienach beilaͤufig
11 bis 12 Proc. der Gestehungskosten unserer Fabrikate.
Fr. In welchem Verhaͤltnisse stehen die in
Model geblasenen Krystallglaͤser zu der Gesammtmasse der Producte Ihrer
Fabrik?
A. Ich kann dieß nicht genau angeben; allein ich werde mich nicht irren, wenn ich
sage, daß sie 2/5 oder einen Werth von beilaͤufig 400,000 Fr. unserer
Gesammtproduction betragen.
Fr. Welchen Gruͤnden schreiben Sie es zu, daß
unsere Fabriken noch immer gegen die auslaͤndischen zuruͤk
sind?
A. Was Boͤhmen betrifft, so zahlt es nicht bloß einen weit geringern
Arbeitslohn, sondern der Preis des Holzes ist daselbst auch viel wohlfeiler, und
eben so der Preis der Potasche, welche das Resultat der Verbrennung des Holzes
ist. Die boͤhmischen Glasfabriken beziehen ferner ihr Blei aus ihren
vaterlaͤndischen Bleibergwerken, waͤhrend wir uns sowohl die
Potasche als das Blei fuͤr schweres Geld aus dem Auslande verschaffen
muͤssen. Dazu kommt uͤberdieß noch der Umstand, daß diese beiden
Artikel einen Einsuhlzoll Zahlen, der beim metrischen Centner Krystallglas auf
mehr denn 7 Fr. anlaͤuft. – Auch England hat reiche Bleibergwerke
und einen unerschoͤpflichen Vorrat!) an Steinkohlen; der Transport ist
daselbst auf jede moͤgliche Welse erleichtert, und auch der Arbeitslohn
ist weit geringer, indem die Glasfabrikation bei unsern Nachbarn uͤber
dem Canale eine zehn Mal groͤßere Ausdehnung erreicht hat, als bei uns.
Der Arbeitslohn an den Oefen betraͤgt bei uns 42 bis 15%, abgesehen von
jenem an den Schleifereien; wir zahlen in unserer Fabrik nicht weniger als
jaͤhrlich 500,000 Fr. Lohn. Wir verbrauchen, wenn wir mit 3 Oefen
arbeiten, nicht weniger als 300,000 Kilog. Blei, dessen Preis sehr verschieden
ist, und welches wir, da in Frankreich beinahe kein Blei ausgebracht wird, und
da wir wenigstens kein Atom franzoͤsisches Blei verarbeiten, aus Spanien,
Deutschland und uͤber Havre aus England beziehen. Da 100 Kilogr.
gegenwaͤrtig im Minimum auf 65 Fr. zu stehen kommen, so verbrauchen wir
jaͤhrlich fuͤr 195,000 Fr. Blei. Unter den rohen Materialien darf
uͤberdieß auch die Potasche nicht vergessen werden, wovon wir
jaͤhrlich 1500 metrische Centner verbrauchen, von denen die 100 Kilogr.
im Mittelpreise 110 Fr. kosten. Von den 4500 metrischen Centnern Sand, die wir
jaͤhrlich verarbeiten, kommen uns die 100 Kilogr. auf 8–9 Fr. zu
stehen.
Fr. Fuͤhren Sie Glaswaaren aus?
A. Wir fuͤhren eine sehr geringe Menge nach Deutschland aus, nach Belgien
beinahe nichts, und nach England mit Ausnahme von Einsezdillen fuͤr
Leuchter gleichfalls nichts. Etwas Weniges fuͤhren wir nach Spanien,
Italien, der Schweiz und nach Constantinopel aus. Die Ausfuhr in die Vereinigten
Staaten ist gering, weil die englischen Fabrikate daselbst den Vorzug haben, und
weil Nordamerica selbst Krystallglas fabricirt wird, wie dieß schon daraus
erhellt, daß wir den Amerikanern die erste Idee der zierlichen in Model mit
guillochirtem Grunde geblasenen Artikel verdanken. Nach New-Orleans, wo
man die franzoͤsischen Sitten und Gebrauche beibehalten, ist die Ausfuhr
groͤßer; eben so ist jene in die franzoͤsischen Colonien und nach
dem spanischen Amerika bedeutender. Doch mag die ganze Ausfuhr nicht
uͤber 1/7 oder 1/8 der ganzen Production betragen.
Fr. Es gibt einige Glasarbeiten, welche gegen einen
Zoll in Frankreich eingefuͤhrt werden duͤrfen, wie z.B.
Spiegelglaͤser und Spiegel, und deren Einfuhr den franzoͤsischen
Fabriken doch keinen Schaden zu bringen scheint. Wie laͤßt sich demnach
erklaͤren, daß die Einfuhr anderer Glaswaaren, wenn dieselben einem Zolle
unterworfen waͤren, unsern Fabriken nachtheilig werden
wuͤrden?
A. Die Nuͤrnberger Spiegel duͤrfen nur gegen einen hohen Zoll bei
uns eingefuͤhrt werden, und man verfertigte in unsern Fabriken
fruͤher gar keine derlei Spiegel. Gegenwaͤrtig schikt sich, wie
ich glaube, die Gesellschaft von Saint-Quirin, welche bisher etwas
Weniges in diesem Producte erzeugte, an, diesen Industriezweig in einer ihrer
dermalen unthaͤtigen Fabriken im Großen auszubeuten. Was die großen
Spiegel betrifft, so verfertigt man sie in Frankreich besser, als in irgend
einem andern Lande, und in dieser Hinsicht fuͤrchten die
franzoͤsischen Fabriken allerdings von keiner Seite eine Concurrenz. Dieß
gilt aber keineswegs von dem Krystallglase, welches in England gleichfalls sehr
schoͤn erzeugt wird. Unser Krystallglas ist zwar weißer und besizt mehr
Glanz, als das englische; allein lezteres bietet dem Auge etwas Milderes, etwas
Fettiges dar. Wahrscheinlich ruͤhrt dieß von der englischen
Schmelzmethode her; die Englaͤnder schmelzen naͤmlich
woͤchentlich nur ein Mal, waͤhrend wir je nach der Einrichtung der
Arbeit 4 bis 6 Mal schmelzen. Sie brauchen nicht mit dem Brennmateriale zu
geizen, indem ihre Steinkohlen wohlfeil sind; wollten wir hingegen nach ihrem
Verfahren arbeiten, so wuͤrden wir unser Geschaͤft unter sehr
unguͤnstigen Verhaͤltnissen betreiben. Belgien fabricirt
wohlfeiler, als wir, weil es in Bezug auf die Steinkohlen eben so
guͤnstig gelegen ist, als England, weil es mehr und leichtere
Transportmittel besizt, und weil es auf Blei und Potasche keinen Zoll zahlt.
Belgien koͤnnte sogar noch bei einem hohen Einfuhrzolle auf
Glaswaaren unseren Fabriken großen Nachtheil zufuͤgen.
Fr. Wie kommt es aber dann, daß Belgien alle unsere
Glaswaaren einzufuͤhren verbietet?
A. Ich glaubte, Belgien lasse dieselben gegen einen Einfuhrzoll zu; verbietet es
aber die Einfuhr wirklich, so ist dieß wahrscheinlich nur eine
Reciprocitaͤtsmaßregel, aus der sich weder fuͤr noch gegen die
Frage etwas ergibt. In einer unter Hrn. Flachats
Leitung erschienenen Abhandlung ist gesagt, daß das geschliffene Krystallglas im
Preise gestiegen sey. Dieß ist eine oberflaͤchliche Behauptung, indem die
Glasschleiferei wesentlich verbessert und folglich wohlfeiler geworden. Die
Erfindung des Pistons, womit sich in vielen Faͤllen das Blasen ersezen
laͤßt, hat der Glasarbeit in Modeln einen großen Aufschwung gegeben und
sie auch auf große Gegenstaͤnde anwendbar gemacht. Auch unsere
mechanischen Vorrichtungen, unsere Drehbaͤnke etc. haben wesentliche
Verbesserungen erlitten.
Fr. Hr. Flachat behauptet,
daß sich die Directoren der vier großen Krystallglasfabriken in Frankreich in
Eine Gesellschaft vereinigt haͤtten? Ist dieß richtig?
A. Folgendes ist das Wahre hieran. Ehemals bestanden zu Paris fuͤnf bis
sechs Handlungshaͤuser, die uns unsere Krystallglaͤser abnahmen,
um sie dann weiter zu verkaufen. Diese haben sich nun seit einigen Jahren zu
einem einzigen Hause vereinigt, welches eine allgemeine Niederlage errichtete,
so daß wir es gegenwaͤrtig nur mehr mit einem einzigen Vermittler zu thun
haben. Dadurch entstand jedoch durchaus kein Steigen des Preises, sondern eher
das Gegentheil.
2. Aussagen des Hrn. Georges
Bontemps, Glasfabrikanten zu Choisy-le-Roi.
Fr. Sie haben bei Gelegenheit der lezten
Industrieausstellung eine Brochure geschrieben, in der die die Glasfabrikation
betreffende Frage sehr gut behandelt ist. Beharren Sie auf Ihrer daselbst
geaͤußerten Behauptung, daß die franzoͤsischen Glasfabriken bei
dem Schuze eines Zolles sehr gut mit den auslaͤndischen Fabriken
Concurrenz halten koͤnnten?
A. Ich bin noch immer dieser Ansicht; allein ich gehe dabei von der Voraussezung
aus, daß die auslaͤndischen Fabrikate in Frankreich nicht unter
guͤnstigern Bedingungen zugelassen werden, als die franzoͤsischen
im Auslande. Unsere Krystallglaͤser zahlen z.B. in England einen Zoll,
der uͤber 50% betraͤgt; ohne Zweifel koͤnnte man die
englischen Fabrikate gegen einen gleichen Zoll auch in Frankreich zulassen,
wobei man sich jedoch einen Schuzzoll fuͤr den Fall vorbehalten
muͤßte, daß die englische Regierung den Einfuhrzoll der
Krystallglaͤser bedeutend herabsezen oder ganz aufheben
wuͤrde.
Fr. Wie hoch belauft sich jaͤhrlich Ihre
Fabrikation?
A. Ich erzeuge fuͤr 200,000 Fr. Krystallglas, fuͤr 500,000 Fr.
gewoͤhnliche Glaswaaren und fuͤr 50,000 Fr. an gemalten
Glaͤsern.
Fr. Was fuͤr ein Brennmaterial verwenden
Sie?
A. Hauptsaͤchlich Steinkohlen, wovon mich die 1250 Kilogr. auf
40–45 Fr. zu stehen kommen, und auch Holz. Das Brennmaterial bildet ein
Drittheil, der Arbeitslohn das zweite, und die rohen Materialien das dritte
Drittheil der Gestehungskosten meiner Fabrikate.
Fr. Woher beziehen Sie Ihre Steinkohlen, und mit was
fuͤr rohen Materialien arbeiten Sie?
A. Die Steinkohlen beziehe ich gegenwaͤrtig von Anzin und Denain;
fruͤher bezog ich sie von St. Etienne; allein wegen der Unsicherheit der
Schifffahrt auf der Loire habe ich mich nun an die noͤrdlichen
Steinkohlengruben gewendet. Der Sand bildet die Basis aller Arten von Glas. Zu
den Fensterglaͤsern und anderen gewoͤhnlichen Glassorten nehme ich
Kreide und schwefelsaures, so wie basisch-kohlensaures Natrum. Ich
wuͤrde diese Salze gern durch Kochsalz ersezen; allein dazu muͤßte
das Kochsalz frei gegeben werden, was sich schwer mit den Verwaltungsmaßregeln
vereinbaren laͤßt. Zum Krystallglase verwende ich Masche und Blei, die
jedoch wegen des hohen Einfuhrzolles sehr theuer zu stehen kommen. Eine
Herabsezung dieser Zoͤlle waͤre durchaus noͤthig, um uns in
Stand zu sezen, auf den fremden Maͤrkten mit England concurriren zu
koͤnnen. Wollte man uns keine solche Herabsezung bewilligen, so sollte
man uns wenigstens bei der Ausfuhr einen Ruͤkzoll verguͤten,
welcher dem daran gewendeten Zolle entspraͤche.
Fr. Wie hoch schaͤzen Sie den in Folge des
Zolles auf Potasche und Blei sich ergebenden Mehrbetrag des Preises der
Glaͤser, und in welcher Quantitaͤt werden diese Substanzen zum
Krystallglase genommen?
A. Der Zoll betraͤgt beilaͤufig 15% des Werthes der Rohstoffe, und
beilaͤufig 4% des Werthes der verkaͤuflichen Waaren. Das
Krystallglas enthaͤlt 1/3 Blei und 1/6 Potasche. Das Blei zahlt 6 und die
Potasche 18 Fr. pr. Kilogr. Der Kilogr. Krystallglas kommt etwa auf 1 Fr. 80
Cent.
Fr. Welche Artikel erzeugen Sie in groͤßter
Menge?
A. Kelchglaͤser, die jedoch sehr wohlfeil sind. Der glatte Becher, der ein
halbes Pfund wiegt, wird nur zu 32 Cent, verkauft, und folglich unter dem
mittleren Verkaufspreise des Krystallglases. Auf diesen Artikel laͤßt
sich daher leine Berechnung gruͤnden.
Fr. Wissen Sie, wie theuer dergleichen Kelche in
England verkauft werden?
A. Der Kelch oder das Glas ohne Fuß ist in England bei weitem nicht so
gebraͤuchlich, als in Frankreich. Der Gestehungspreis ist in England im
Allgemeinen niedriger, als bei uns, weil die Rohstoffe daselbst wohlfeiler sind.
Allein in England lastet dafuͤr eine bedeutende Auflage auf dem Glase,
welche diesen Industriezweig in Fesseln haͤlt, so daß wir auf diese Weise
einen Theil der Nachtheile, die wir durch den hoͤhern Preis der Rohstoffe
erleiden, wieder hereinbringen.
Fr. Wie koͤnnen Sie in England bei dem hohen
darauf lastenden Zolle Krystallglas verkaufen, und wie hoch schaͤzen Sie
den englischen Zoll, mit Einschluß der Accise, die auch auf uns anwendbar
waͤre?
A. Wir verkaufen nur sehr wenig, und lediglich Modeartikel nach England. Der
englische Zoll betraͤgt 20 Fr. per 100 Kilogr., mehr als 25% des Werthes,
was zusammen ungefaͤhr 40% fuͤr unser Krystallglas gibt. Da jedoch
die Accise beilaͤufig 10% des Werthes betraͤgt, so folgt hieraus,
daß unser Krystallglas in England gegen eine Auflage von 50% zu kaͤmpfen
hat.
Fr. Wie hoch steht das Fensterglas im Preise, und wie
hoch ist der Preis desselben im Auslande?
A. Das Fensterglas gilt bei uns 70 Cent. per Kilogr., in England ist es theurer.
Die Englaͤnder fabriciren jedoch fuͤr die Ausfuhr ein noch
schlechteres Glas,
welches wohlfeiler ist. In Frankreich verkauft man die gemeine Qualitaͤt
besser, als die schoͤnere; in England verhaͤlt sich dieß
umgekehrt; die Englaͤnder versenden die schlechteste Qualitaͤt,
den Ausschuß, den sie im Inlande nicht unterbringen koͤnnen, auf fremde
Maͤrkte, und geben sie daselbst niedriger, als der Gestehungspreis im
Allgemeinen ist. Der Gewinn, den sie an den bessern Sorten machen, sezt sie in
Stand, auf den fremden Maͤrkten uͤberall zu concurriren. Wir
fuͤhren nur sehr wenig Fensterglas aus.
Fr. Wonach wuͤrden Sie den Zoll festsezen?
A. Ich wuͤrde als Basis einen Zoll nach dem Gewichte und hierauf auch noch
einen Zoll nach dem Werthe einfuͤhren. Ein bloß nach dem Werthe
berechnetet Zoll wuͤrde uns nicht gegen Betrug schuͤzen; denn man
koͤnnte, indem man die Krystallglaͤsersortimente trennt,
niedrigere Werthe ansezen, als die Glaͤser sortirt haben. Das Fensterglas
beduͤrfte, wie ich glaube, bloß eines nach dem Gewichte berechneten
Zolles. Ich habe diese Frage in Bezug aus England auf mehreren nach England
gemachten Reisen studirt; was aber Deutschland betrifft, wo man sehr wohlfeiles
Glas fabricirt, so bin ich nicht im Stande, den Zoll anzugeben, den wir von
dieser Seite beduͤrften. Bei den laufenden Artikeln wurde uns gegen
England ein Schuzzoll von 20 bis 25% genuͤgen; allein bei den
Fensterglaͤsern brauchten wir einen sehr hohen Zoll, der uͤbrigens
bloß nach dem Gewichte berechnet seyn koͤnnte. Uebrigens darf bei den
Fensterglaͤsern hauptsaͤchlich Deutschland und Belgien, in Betreff
derer es mir jedoch, wie gesagt, an hinreichenden Daten fehlt, nicht aus dem
Auge gelassen werden; denn die Glasfabriken Belgiens und Deutschlands sind, was
das Brennmaterial betrifft, eben so gut gelegen als die englischen.
Fr. Laͤßt sich denn nicht annehmen, daß die
franzoͤsischen Fabriken gegenwaͤrtig schon durch die ungeheure
Fracht, welche Belgien und Deutschland zahlen muͤssen, gegen diese beiden
Staaten hinreichend geschuͤzt sind?
A. Die Fracht ist nur eine leichte Entschaͤdigung fuͤr die
uͤbrigen Nachtheile, unter denen wir arbeiten; wir zahlen z.B. 40 Sous
Arbeitslohn fuͤr Arbeiten, die in Boͤhmen fuͤr 3 bis 4 Sous
vollbracht werden.
Fr. Haben sich die vier Krystallglasfabriken zu
Baccarat, St. Louis, Choisy-le-Roi und Bercy gegenwaͤrtig
nicht zu einer einzigen Compagnie verbunden?
A. Sie versehen seit drei Jahren gemeinschaftlich eine und dieselbe Niederlage;
die Preise sind nach einem gemeinschaftlichen Tarife regulirt. Diese in Folge
einer Handelsconjectur gegruͤndete Niederlage repraͤsentirt so zu
sagen den Handel und den Consumenten; sie ist jeder Erhoͤhung des
Preises, die der Fabrikant allenfalls verlangen koͤnnte, entgegen.
Uebrigens liegt es im wahren Interesse, der Fabrikanten, so gut als
moͤglich zu verkaufen, damit er um so mehr erzeugen koͤnne. Die
Verbindung der Kaufleute zu Einer Gesellschaft erhoͤhte den Preis des
Krystallglases durchaus nicht; er ist vielmehr seither gesunken.
3. Aussagen des Hrn. Paris,
Directors der Krystallglasfabrik zu Bercy.
Fr. Wie hoch schaͤzen Sie das Erzeugniß Ihrer
Fabrik und jenes der vier Krystallglasfabriken zusammengenommen?
A. Meine Fabrik erzeugt jaͤhrlich, nach dem Fabrikpreise gerechnet,
fuͤr 250,000 Fr., die Production aller 4 Fabriken schlage ich zu 2 Mill.
7 bis 800,000 Fr. an.
Fr. Diese Fabriken duͤrfen ihre Fabrikate nur
an eine und dieselbe Niederklage und um einen gemeinschaftlichen Tarif
abgeben?
A. Allerdings, und zwar nach einem Tarife, der von den Fabriken festgesezt und
den Gruͤndern der Niederlage auferlegt wurde; wir geben er Niederlage
einen Nachlaß, um sie zu zwingen, nach dem Tarife zu verkaufen.
Fr. Kam man nicht dahin uͤberein, daß jede der
vier Fabriken die Niederlage in einem gewissen Verhaͤltnisse versehen
muͤsse, und sind die Preise seit dem Bestehen der Niederlage
gesunken?
A. Als ich dem Contracte beitrat, wies man mich an, daß ich der Niederlage den
dreizehnten Theil ihres Bedarfes Zu liefern hatte. Was die Preise betrifft, so
sind viele seither wirklich gesunken, andere sind gleich geblieben,
waͤhrend sich die Qualitaͤt der Artikel um gar Vieles verbesserte.
Die Dimensionen mancher Glaͤser und Flaschen sind viel groͤßer
geworden, waͤhrend andere Artikel kleiner wurden.
Fr. Was fuͤr Artikel fabriciren Sie
hauptsaͤchlich?
A. Ich erzeuge hauptsaͤchlich glatte Artikel. Da meine Fabrik
naͤmlich der Niederlage am naͤchsten liegt, und da man gerade von
den glatten Artikeln das groͤßte Sortiment braucht, so verlangt man von
mir weit mehr glatte als Modelte Waare.
Fr. Was benuzen Sie fuͤr Brennmaterial?
A. Ich arbeite mit Steinkohle von erster Qualitaͤt, die ich von Anzin, und
zwar die Fuhr zu 45 Fr. beziehe; ich koͤnnte die Fuhr wohl auch zu 42 Fr.
haben, allein von schlechterer Qualitaͤt. Das Brennmaterial
betraͤgt beinahe 25% des Gestehungspreises.
Fr. Fuͤhrt Frankreich Glas aus, und wissen Sie
Einiges uͤber die Fabrikation im Auslande anzugeben?
A. Die Niedertage fuͤhrt jaͤhrlich fuͤr 5–600,000 Fr.
aus, und davon bilden meine Fabrikate gleichfalls den dreizehnten Theil. Ueber
die Fabriken im Auslande kann ich nichts Positives angeben; doch weiß ich, daß
die Belgier wegen der Nahe der Steinkohlenbergwerke und wegen des niedrigem
Arbeitslohnes wohlfeiler zu fabriciren im Stande sind, als wir. Meine Fabrik
befindet sich vor den Thoren von Paris, wo der Arbeitslohn sehr hoch steht, und
die Glasarbeiter selten sind. Den Arbeitern erster Classe, welche den Artikeln
die leite Zurichtung geben, zahle ich monatlich 250 Fr., die Arbeiter zweiter
Classe, welche die Glaͤser und andere derlei Artikel verfertigen,
verdienen monatlich 180 Fr., die Arbeiter dritter Classe endlich erhalten 150
Fr.
Fr. Wenn die Belgier auch wegen der Naͤhe der
Steinkohlen und der Wohlfeilheit des Arbeitslohnes wohlfeiler fabriciren
koͤnnen, so sind Sie ja doch durch die hohe Fracht, welche den Belgiern
zur Last faͤllt, hinreichend geschuͤzt.
A. Man sollte dieß meinen; allein auch wir haben fuͤr manche Rohstoffe,
die wir beduͤrfen, wie z. B. fuͤr das Blei, die Potasche und die
Steinkohlen große Fracht zu bezahlen.
Fr. Glauben Sie, daß man statt des
gegenwaͤrtig bestehenden Einfuhrverbotes einen Schuzzoll
einfuͤhren koͤnne?
A. Ja, wenn dieser Zoll hoch genug ist, und beinahe einem Verbote gleichkommt.
Nicht bloß die Krystallglasfabriken, sondern auch die Fabriken von
gewoͤhnlichem weißen Glase haben die Concurrenz des Auslandes zu
fuͤrchten. Unser Gewinn ist so gering, als er nur immer seyn kann.
Fr. Wodurch wurden die Fabriken zur Gruͤndung
der gemeinschaftlichen Niederlage veranlaßt?
A. Durch eine Art von Wettstreit, der zwischen Baccarat und St. Louis entstand, der
vielleicht zum Untergange beider Fabriken gefuͤhrt haben wuͤrde,
wenn man sich nicht zur Errichtung einer gemeinschaftlichen Niederlage, in der
um gleichen Preis verkauft wird, verstanden hatte.
Fr. Es muß also auch Gleichheit der Producte oder
Fabrikate bestehen?
A. Allerdings, und daher werden keine Fabrikate von zweiter Auswahl
angenommen.
Fr. Wie erkennt man, daß die in der Niederlage
verkauften Artikel von dieser oder jener Fabrik herruͤhren?
A. Niemand weiß dieß, da saͤmmtliche Fabrikate unter einander gemengt
werden. Es waͤre gar nicht moͤglich, fuͤr die Fabrikate
jeder einzelnen Fabrik eigene Locale herzustellen.
Fr. Sie haben also eine einzige gemeinschaftliche
Niederlage, die Sie in einem gewissen Verhaͤltnisse mit Waaren versehen,
in der diese Waaren ohne Unterschied der Fabrik, in welcher sie erzeugt werden,
verkauft werden, und die den Ertrag des Totalverkaufes nach dem Betrage der
gelieferten Waaren vertheilt?
A. Ja.
Fr. Wenn aber der Bedarf oder der Verbrauch das
angenommene Verhaͤltniß uͤbersteigt; wenn z. B. die Artikel, die
Sie insbesondere fabriciren, mehr Absaz finden sollten, was geschieht dann?
A. Dann liefere ich eine groͤßere Menge, und gebe dafuͤr den andern
Fabriken im Verhaͤltnisse dieses Mehrerzeugnisses eine entsprechende
Entschaͤdigung. Wir sind zwar an ein bestimmtes Verhaͤltniß
gebunden, allein wir koͤnnen in eben diesem Verhaͤltnisse auch
saͤmmtlich zur Befriedigung des Mehrbedarfes beitragen.
Fr. Sie haben gesagt, daß in der Niederlage nur
Artikel von der ersten Auswahl zugelassen wuͤrden; was thun Sie mit den
Artikeln zweiter und dritter Auswahl?
A. Diese Artikel werden nicht in den Handel gebracht, um den Ruf unserer Fabriken
nicht zu beeintraͤchtigen.
Fr. Bei diesem Systeme ist aber keine Vervollkommnung
moͤglich?
A. Im Gegentheile, wir sind dadurch gezwungen, so gut als moͤglich zu
arbeiten.
Fr. Ist nicht zu befuͤrchten, daß Sie, wenn
Sie einmal einen gewissen Grad von Vollkommenheit erreicht hatten, auf demselben
stehen blieben, und sich keine Muͤhe mehr gaͤben, den Verbrauch
durch Erniedrigung des Preist zu vermehren?
A. Es liegt immer in unserem Interesse, unsere Fabrikation zu erhoͤhen,
und folglich unsere Preise so niedrig als moͤglich zu stellen, damit
dadurch der Verbrauch im Innern und die Ausfuhr zunehmen koͤnnten.
Fr. Es scheint aber doch, daß die vier Fabriken in
der Lage, in die sie sich versezten, kein besonderes Interesse haben, ihr
Geschaͤft zu verbessern; denn solche Verbesserungen wuͤrden ihnen
dennoch keinen groͤßern Gewinn bringen. Die Vervollkommnung und
Verbesserung der Fabrikate entspringt hauptsaͤchlich aus der Concurrenz
mehrerer Fabriken einer und derselben Art. Gesezt eine Ihrer vier Fabriken
erfaͤnde z.B. ein neues Verfahren, nach welchem sie bessere Artikel zu liefern
im Stande waͤre, wuͤrde dieselbe dann nicht bei der Vermengung
ihrer Fabrikate mit jenen der uͤbrigen Fabriken gehindert seyn, von ihrer
Erfindung gehoͤrigen Nuzen zu ziehen?
A. Bei dem gegenwaͤrtigen Zustande der Glasfabrikation waͤre ein
solches Geheimniß nicht lange zu bewahren; das neue Verfahren wuͤrde bald
auch in den uͤbrigen Fabriken eingefuͤhrt werden, und
wuͤrde dadurch die Fabrikation beguͤnstigt werden, so
wuͤrden wir die Preise herabsezen, um den Absaz zu erhoͤhen.
Fr. Gesezt, es entstuͤnde eine neue
Krystallglasfabrik, welche alle Bedingungen zur Erzeugniß wohlfeiler Waare in
sich vereinte, so muͤßte sich diese wohl auch mit den vier
aͤlteren Fabriken verbinden?
A. Es stuͤnde ihr frei zu thun, was ihr beliebt.
Fr. Allerdings; allein die vier vereinigten Fabriken
wuͤrden ihre Preise fuͤr den Augenblik so herabsezen, daß die neu
erstandene Fabrik fallen muͤßte; sie wuͤrden wahrscheinlich
dasselbe Verfahren befolgen, welches unsere großen Messagerien einschlagen, um
die neuen mit ihnen in Concurrenz tretenden Unternehmungen zu
unterdruͤken.
A. Das Opfer, welches hiezu noͤthig waͤre, waͤre zu groß. Da
sich die Preiserniedrigung auf alle Gegenstaͤnde erstreken muͤßte,
so laͤßt sich wohl nicht annehmen, daß vier Fabriken, deren Gewinn
ohnedieß nicht sehr groß ist, einen Verlust von 3–400,000 Fr. daran sezen
wuͤrden, um eine neue Fabrik zu unterdruͤken, deren Verschleiß
sich vielleicht im Jahre nicht einmal auf 300,000 Fr. beliefe.
4. Aussagen des Hrn. Stephan
Flachat.
Die Fabrikation von gewoͤhnlichem Glase sowohl, als von Krystallglas
scheint mir ganz vorzuͤglich zu denjenigen Industriezweigen zu
gehoͤren, fuͤr welche unsere Fabrikanten am allerwenigsten die
Argumente anrufen koͤnnen, deren man sich gewoͤhnlich bedient, um
die Notwendigkeit des Prohibitivsystemes oder hoher Schuzzoͤlle
darzuthun. Wen haben unsere Fabriken zu befuͤrchten? Etwa Belgien, dessen
Hauptglasfabriken schon bestanden, als Belgien noch zu Frankreich
gehoͤrte, und welches damals unsere franzoͤsischen Fabriken
dennoch nicht beeintraͤchtigte? Oder Boͤhmen? Dieß ist ganz
unmoͤglich, denn wenn unsere Fabriken nicht einmal mit einem so fernen
Lande Concurrenz halten koͤnnten, mit einem Lande, welches fuͤr
seine Fabrikate eine so ungeheure Landfracht befreiten muß, so verdienten sie
wahrhaftig nichts weniger als den Schuz der Regierung. Oder England? Allein die
Preise der Glaswaaren stehen in England hoͤher als bei uns; Es ist zwar
wahr, daß in England eine starke Auflage auf dem Glase lastet; allein zieht man
diese Auflage ab, so ergibt sich, daß die englischen Glaͤser mit den
franzoͤsischen beinahe im gleichen Preise stehen. Ich habe mich auf
mehreren nach England unternommenen Reisen hievon uͤberzeugt, und will
hier einen Beweis geben.
Die Spiegelfabrikation gibt ein gutes Vergleichsmittel fuͤr den Zustand
der Glas- und der Krystallglasfabrikation in beiden Laͤndern,
indem sie von den Fortschritten beider Industriezweige abhaͤngt. Wir
wollen daher die Spiegelpreise in Frankreich und England mit einander
vergleichen.
Die British Plate glass Company verkauft in ihrer
Niederlage zu London nach folgendem Tarife:
Hoͤhe.
Breite.
Preis nach dem Belegen.
3,30 Meter.
2,12 Meter.
5149 Fr.
3,65 –
5,02 –
5552 –
3,72 –
2,10 –
5924 –
3,77 –
2,07 –
6035 –
4,00 –
2,00 –
6327 –
Leztere Groͤße betraͤgt 10,952 Quadratzoll; mithin kommt der Zoll
auf 58 Centime.
Bei unserer lezten Industrieausstellung lieferte die Fabrik zu
Saint-Quirin einen Spiegel von 150 Zoll Hoͤhe auf 98 Zoll Breite,
der also eine Oberflaͤche von 44,700 Quadratzoll darbot. Der Spiegel
kostete unbelegt 7700 Fr., und rechnet man hiezu das Belegen zu 10% mit 777 Fr.,
so kam er auf 8470 Fr. zu stehen, was 57 Centime auf den Quadratzoll gibt.
Die Fabrik von Saint-Gobin lieferte einen Spiegel von 153 Zoll
Hoͤhe auf 93 Zoll Breite, der also 14,229 Quadratzoll hatte; er kostete
unbelegt 7400 Fr.; rechnet man hiezu das Belegen zu 40%, mit 740 Fr., so kam er
im Ganzen auf 8140 Fr., was fuͤr den Quadratzoll gleichfalls 57 Centimen
ausmacht.
Erwaͤgt man demnach, daß die franzoͤsischen Spiegel, deren Preis
per Zoll ich eben berechnete, um 4000 Zoll groͤßer sind, als die
englischen, und daß ihr Preis per Quadratzoll dennoch nicht großer ist, als
jener der englischen, so gibt dieß einen sicheren Beweis, daß die
franzoͤsischen Spiegel wohlfeiler sind, als die englischen. Selbst wenn
man von lezteren die auf ihnen lastende Auflage, die bei Gegenstaͤnden
von solcher Wichtigkeit nicht von Belang ist, abzieht, bleibt immer noch ein
Unterschied zu Gunsten des franzoͤsischen Fabrikates.
Das Einfuhrverbot laͤßt sich daher, wie mir scheint, auf keine Weise
rechtfertigen oder erklaͤren; es ist vielmehr offenbar, daß die
Freigebung der Einfuhr nicht nur keinen Nachtheil bringen, sondern ein ganz
sicheres Aneiferungsmittel fuͤr unsere Fabriken seyn wuͤrde. Die
Fortschritte derselben ließen sich uͤbrigens auch noch durch ein anderes
Mittel anregen; und dieses bestuͤnde in der Aufhebung des Zolles auf die
Rohstoffe, auf die Kohle, die Soda, die Potasche und das Blei. Man sagt zwar,
daß das Interesse der franzoͤsischen Steinkohlengruben der Freigebung der
fremden Steinkohlen entgegen sey. Ich will diese Frage nicht eroͤrtern;
allein was fuͤr franzoͤsische Fabrikanten werden durch den auf die
Potasche gelegten Einfuhrzoll beguͤnstigt? Offenbar Niemand; denn wir
erzeugen selbst keine Potasche. Was das Blei betrifft, so verbraucht Frankreich
davon jaͤhrlich 13 bis 14 Mill. Kilogr., waͤhrend es doch
hoͤchstens nur 400,000 Kilogr., also den 35sten Theil des Verbrauches
erzeugt.
Man beschaͤftigt sich gegenwaͤrtig sehr viel mit der Frage, ob die
Handelsreform nicht fuͤr's erste lediglich mit einer Herabsezung des
Zolles der Rohstoffe beginnen soll. Mir scheint dieses System nicht fuͤr
alle Industriezweige ausfuͤhrbar, ganz wohl aber z. B. fuͤr die
Fabrikation von Krystallglas, wo dann das Einfuhrverbot zugleich aufgehoben oder
wenigstens gegen einen sehr maͤßigen Zoll vertauscht werden
koͤnnte.
Das Krystallglas besteht in 200 Theilen aus 100 Theilen Sand, 66,66 Mennig und
33,33 Potasche. Die 66,66 Theile Mennig enthalten beilaͤufig 58 Theile
Blei. Der mittlere Preis von 100 Kilogr. Blei betraͤgt 50; jener der
Potasche 80 Franken. Der Zoll auf das Blei betraͤgt im Durchschnitte 15,
jener auf die Potasche 25%. Der mittlere Preis des metrischen Centners Sand belaͤuft
sich in unseren verschiedenen Fabriken auf 3 Fr. Hienach ist das Krystallglas
durch folgende Werthe repraͤsentirt: Sand 3 Fr., Blei 2 Fr., Potasche 27
Fr., zusammen 57 Fr. Davon betragen die Zoͤlle 9 Fr. 99 Cent.;
naͤmlich auf das Blei 4 Fr. 5 Cent, und auf die Potasche 5 Fr. 54 Cent.;
so daß also fuͤr das Krystallglas eigentlich nur 47 Fr. uͤbrig
bleiben. Die Zoͤlle betragen demnach mehr als 21% der Kosten der
Rohstoffe.
Fuͤr die Beibehaltung des Zolles auf Potasche laͤßt sich gar kein
anderer Grund als ein fiskalischer aufbringen, und was das Blei betrifft, so
wuͤrde durch die Aufhebung des Zolles, womit dasselbe belastet ist, gewiß
unseren Huͤttenwerken kein Nachtheil erwachsen, indem deren Gewinn
lediglich durch die Ausbringung des in dem Bleie enthaltenen Silbers bedingt
ist.
Ich erlaube mir nun die Aufmerksamkeit der Regierung noch auf einen Umstand zu
lenken, der derselben wuͤrdig zu seyn scheint. Die
Krystallglasfabrikation ist bekanntlich auf vier große Fabriken
beschraͤnkt; die kleine zu Villette bestehende Anstatt ist von gar keinem
Belange. Diese vier Fabriken nun haben sich durch eine Acte mit einander
verbunden; sie haben gegenwaͤrtig das Verhaͤltnis in welchem jede
derselben zu arbeiten und zu fabriciren hat, fixirt. Zu gleicher Zeit wurde zu
Paris eine große Verkaufsniederlage errichtet: ein einziger Wille bestimmt also
sowohl die Quantitaͤt des in Frankreich zu erzeugenden Krystallglases,
als den Preis desselben. Ich will dergleichen Verbindungen nicht im Allgemeinen
und dem Principe nach verdammen; denn sie koͤnnen oft sehr vortheilhaft
wirken, den Aufwallungen der Concurrenz ein Ziel sezen, und sowohl den Preisen
als dem Arbeitslohne Staͤtigkeit geben; allein wenn diese Verbindungen zu
solchen Resultaten fuͤhren sollen, so muß auch ein Gegengewicht gegen
dieselben bestehen. An einem solchen Gegengewichte fehlt es jedoch
gaͤnzlich, wenn die Verbindungen die ganze Production im Inlande
umfassen, und wenn die Einfuhr vom Auslande her gaͤnzlich untersagt ist.
Welcher Unterschied besteht in diesem Falle noch zwischen einer solchen
Verbindung und einer gegen die Abnehmer und Arbeiter gerichteten Verbindung?
Gegen die Abnehmer; denn der Preis der Waaren haͤngt lediglich von dem
Willen und den Gesinnungen der Fabrikanten gegen die Arbeiter ab; die Arbeiter
sind naͤmlich ganz dem Willen der Fabrikanten Preis gegeben; diese
werden, wenn sie mit einander verbunden sind, keinen Arbeiter aufnehmen, der an
einer der vier Fabriken entlassen wurde; und sie koͤnnen nach
gemeinschaftlicher Uebereinkunft den Arbeitslohn beliebig herabsezen, ohne daß
die Arbeiter auch nur den geringsten Widerstand dagegen zu leisten im Stande
waͤren. Auf solche Weise koͤnnen die Verbindungen der Fabrikanten
unter einander ausarten, und dagegen steht der Regierung keine andere Waffe zu
Gebote, als die Freigebung der Concurrenz des Auslandes, indem die Gerichte
notorisch in solchen Verbindungen keine durch das Gesez verbotenen Coalitionen
erkannten.
Alles dieß beweist, daß die Eroͤffnung der fremden Concurrenz in der
Glas- und Krystallfabrikation nothwendig ist. Mit dieser Concurrenz
braͤchte die erwaͤhnte Verbindung nur Vortheile ohne Nachtheile;
und es waͤre zu wuͤnsche daß sie dann fortbestuͤnde, indem
sie nach Entfernung des Mißbrauches auch noch ihre nuͤzliche Seite hat.
Eine solche Verbindung gaͤbe den Fabrikanten auch das einzige Mittel an
die Hand, nach und nach uͤber einen Mißbrauch zu siegen, welcher
fortwaͤhrend noch in der Glasfabrikation besteht, und der fuͤr
deren Fortschreiten von großem Nachtheile ist. Wir meinen naͤmlich die
Erblichkeit, welche die mit der Leitung der Schmelzofen beauftragten Arbeiter
unter sich eingefuͤhrt haben, und welche in einen solchen Grad von Aristokratie
ausgeartet ist, daß diese Leute in Frankreich unter dem Namen Gentilshommes verriers bekannt sind; sie tragen ihre
Stellen immer auf ihre Kinder uͤber, und dulden in dieser Hinsicht keine
Concurrenz. Dieser grobe Mißbrauch kann nur durch eine Verbindung der
Fabrikanten unter einander abgestellt werden.
Fr. Wie lange besteht die Verbindung der Fabriken
bereits, und ist der Preis der Kristallglaͤser seither gestiegen?
A. Die Verbindung besteht seit zwei Jahren, und seither ist der Preis der
geschliffenen Krystallglaͤser gestiegen, waͤhrend die in Model
geblasenen Artikel bedeutend im Preise sanken, was jedoch lediglich von den
Fortschritten dieser Art von Fabrikation herruͤhrt. Ich muß bemerken, daß
seit diesem Sinken der Preise der Verbrauch zugenommen hat, und daß diese
Zunahme beilaͤufig aus ein Drittheil geschaͤzt werden kann.
Fr. Wenn kein Steigen der Preise Statt fand, hinderte
die Gesellschaft nicht allenfalls ein Sinken, welches nothwendig aus der
Concurrenz erfolgt seyn wuͤrde?
A. Bei dem großen Aufschwuͤnge, der seit zwei Jahren in allen
Geschaͤften Statt fand, laͤßt sich nicht behaupten, daß innerhalb
dieser kurzen Zeit auf anderem Wege, als durch Fortschritte der Fabrikation ein
Sinken der Preise haͤtte eintreten koͤnnen; allein
gegenwaͤrtig, wo die Fabrikation den Bedarf dekt, unterliegt es keinem
Zweifel, daß der Mangel an Concurrenz dem Sinken der Preise entgegen ist. Ich
glaube daher, daß dieser Gegenstand in hohem Grade die Aufmerksamkeit der
Verwaltung verdient, und ich wiederhole, daß ich lediglich in der fremden
Concurrenz eine Garantie gegen die Anmaßungen unseres Fabrikenvereines
erblike.Wir haben die Aussagen in Bezug auf die Krystallglasfabrikation in
Frankreich etwas ausfuͤhrlich gegeben, weil sie nicht bloß in
statistischer, sondern auch in staatswirtschaftlicher Hinsicht von
hoͤchstem Interesse sind. Sie zeigen nur zu deutlich, welche
schaͤdliche Einfluͤsse Fabrikantenverbindungen, wenn sie
in die alten Zuͤnfte ausarten und wenn sie gewisser Maßen zum
Monopol werden, selbst in jenen Laͤndern hervorbringen, in denen
Gewerbsfreiheit besteht; und um wieviel fuͤhlbarer diese die
große Anzahl der Consumenten bedruͤckenden Uebel erst da werden
muͤssen, wo man sich noch in den lahmenden Fesseln des
Zunftzwanges befindet. Hr. Flachat hat in
seinen obigen Aussagen sehr richtig entwickelt, daß gegen diese
Ausgeburten eines kuͤnstlich erzeugten Monopolienwesens nur in
der Handelsfreiheit das einzige Mittel zu suchen sey. Wir stimmen hierin
ganz mit ihm uͤberein, erlauben uns aber bei dieser Gelegenheit
zu fragen, welche Folgen wohl in jenen Staaten eintreten muͤssen,
wo man, im Großen groß denkend, im Kleinen hingegen von dem
toͤdtenden Zunft- und Kastengeiste befangen, und
unfaͤhig sich uͤber die Beschraͤnktheit einer
selbstsuͤchtigen, in ihrer Erziehung vernachlaͤssigten und
vor weiterer Ausbildung und eigentlichem Gewerbsfleiße
zuruͤckschreckenden Classe zu erheben, einerseits den alten
Gewerbszwang wieder einfuͤhrt, waͤhrend man sich mit
Staaten, in denen eine rasche, innere, von der Verwaltung angeregte und
weise geleitete Entwikelung vorgeht, in denen die Gewerbsfreiheit
bereits ihre vollen und segenreichen Fruͤchte traͤgt, und
in denen man unter diesen Verhaͤltnissen ersteren Staaten in
jedem Jahre um ein Jahrzehent vorauseilt, eine Art von Handelsfreiheit
eingeht? Die unheilschwangeren Folgen eines solchen Systemes sind leicht
vorherzusehen; moͤge man dieselben wenigstens dann nicht
verkennen, wenn sie sich zu offenbaren beginnen; denn fuͤrwahr,
das Heilmittel ist dann kein so leichtes mehr; und wenn auch die
verlorenen Kapitalien zu ersezen waͤren, so wird doch die Zeit,
die man unbesonnen vergeudete, nie wieder: kehren. Ohne jedoch in eine
weitere Betrachtung dieser traurigen Verhaͤltnisse eingehen gehen
zu wollen, fuͤgen wir nur noch aus dem Temps und aus einigen
anderen franzoͤsischen Blaͤttern folgende Bemerkungen bei,
die die Aussagen des Hrn. Flachat zu unterstuͤzen scheinen. Die
Verbindung der Fabriken von Baccarat und St. Louis erfolgte nicht, wie
Hr. Paͤris irrig angab, in Folge einer zwischen ihnen
eingetretenen Rivalitaͤt, welche beide zu Grunde zu richten
drohte, sondern aus ganz anderen selbstsuͤchtigen
Gruͤnden. Die Geschaͤfte der fruͤheren
Krystallglashaͤndler singen an etwas lau zu gehen, und dieß
veranlaßte mehrere derselben, zu einer Gesellschaft zusammenzutreten,
welche die Hauptfabrikanten einlud, bei ihr allein ihre Fabrikate
niederzulegen, wogegen sie ihnen versprach, ihnen alle ihre Fabrikate
abzunehmen. Die Gesellschaft, welche unter der Firma Launay, Hautin und Comp. besteht, und 6 oder 7 Theilnehmer zaͤhlt, von
denen mehrere keine Glashaͤndler, dafuͤr aber so
vermoͤglich sind, daß sie leicht dem Handel Geseze dictiren
koͤnnen, trug wesentlich zum Untergange der fruͤher
beruͤhmten Fabrik der HHrn. Bruͤder Chagot an
Mont-Cenis bei, deren Eigenthuͤmer ungluͤcklicher
Weise auch bei den Huͤttenwerken von Creuzot interessirt waren.
Die Fabriken zu Choisy-le-Roi und Bercy mußten sich jenen
zu Baccarat und St. Louis anschließen, wenn sie nicht gleiches Schiksal
mit Mont-Cenis theilen wollten; denn schon machte man den Angriff
gegen sie dadurch, daß man den Fabrikpreis momentan unter den
Gestehungspreis herabsetzte; und wenn die Gesellschaft die kleine Fabrik
zu Villette noch bestehen laͤßt, so geschieht dieß bloß unter der
Bedingung, daß sie ihre Geschaͤfte nicht weiter ausdehnt. Eben so
nachteilig wie fuͤr die kleineren Fabriken und fuͤr die
kleineren Glashaͤndler war das angemaßte Monopol der Gesellschaft
auch fuͤr die Glasschleifer, indem sie dieselben zwang, nach
einem bestimmten Tarife zu arbeiten, und hievon der Gesellschaft noch
10% nachzulassen! – Wie sehr endlich die oben erwaͤhnten
Monopolisten in ihren Aussagen Alles zu ihren Gunsten auslegten, erhellt
auch schon daraus, daß Hr. Paͤris behauptete, ein Geheimniß
koͤnne bei dem gegenwaͤrtigen Zustande der Glasfabrikation
nicht lange mehr bestehen. Allerdings ist die Chemie im Stande, die
Bestandtheile eines jeden Glases sehr schnell und mit groͤßter
Genauigkeit zu ermitteln; allein damit ist noch nicht Alles gethan,
indem es oft auf einen scheinbar hoͤchst unbedeutenden Umstand,
auf einen Handgriff ankommt, um manche Schmelze gelingen oder mißlingen
zu machen. – Schließlich bemerken wir nur noch, daß die kleineren
Glasfabrikanten und Glashaͤndler, welche von der Compagnie
unterdruͤkt werden, sich an Hrn. Say
gewendet und demselben Documente geliefert haben, womit derselbe ihre
Sache vertheidigen und die Argumente der Monopolisten widerlegen soll,
wenn die Frage vor der Kammer zur Sprache kommen wird. A. d. R.
(Fortsezung im naͤchsten
Heft.)