Titel: | Ueber die Bereitung des Kautschuköhles in England und einige Anwendungen des in demselben aufgelösten Kautschuks. |
Fundstelle: | Band 55, Jahrgang 1835, Nr. XXI., S. 119 |
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XXI.
Ueber die Bereitung des Kautschukoͤhles in
England und einige Anwendungen des in demselben aufgeloͤsten
Kautschuks.
Ueber die Bereitung des Kautschukoͤhles in England und
einige Anwendungen des in demselben aufgeloͤsten Kautschuks.
Wir haben im polytechnischen Journale Bd. LIV. S.
225 aus englischen Blaͤttern die Nachricht mitgetheilt, daß die HH.
Enderby und Beale
gegenwaͤrtig durch Destillation des Kautschuks ein Oehl bereiten, welches
fuͤr viele Industriezweige von großer Wichtigkeit zu werden verspricht. Das
Journal des connaissances usuelles erhielt durch
einen franzoͤsischen Fabrikanten, der sich gegenwaͤrtig in London
aufhaͤlt, ausfuͤhrlichere Notizen, die wir aus dem Novemberhefte
dieser Zeitschrift S. 243 nachtragen wollen.
Die Fabrik der HH. Enderby liegt am Ufer der Themse
unterhalb Greenwich; man verfertigt darin Segeltuch, wozu der Hanf mit Maschinen
gesponnen und gebrochen wird. Das Tauwerk fuͤr die Marine, und die Seile
fuͤr die Bergwerke traͤnkt man mit Kautschuk, welches in dem durch
Destillation desselben gewonnenen Oehle aufgeloͤst wird.
Um das Kautschuk zu destilliren, bringt man es in eine Retorte aus Glas oder
Steingut, oder irgend einem Metalle (Gußeisen, Schmiedeeisen, Kupfer), und erhizt
dieselbe maͤßig, wobei sich Daͤmpfe daraus entwikeln, die sich leicht
zu einem schwarzen, leichten, außerordentlich entzuͤndlichen Oehle
verdichten. Bei dieser Operation bleibt eine schwarze, glaͤnzende Kohle
zuruͤk, welche das Aussehen und den Bruch des Lakrizensaftes hat; sie brennt
mit einer lebhaften Flamme. Man erhaͤlt von diesem Oehle 88 bis 92 Procent,
je nach der Kautschuksorte, die man destillirte; das Kautschuk von Java liefert das
meiste Oehl. Durch mehrmalige Rectification dieses Oehles erhaͤlt man endlich
ein Product, dessen specifisches Gewicht nur 0,680 betraͤgt, und welches ganz
weiß seyn kann. Es schien mir, daß das Bleichen dieses Oehles entweder mittelst
thierischer Kohle
bewerkstelligt wird, oder durch Beruͤhrung desselben mit Wasser, das mehr
oder weniger Schwefelsaͤure enthaͤlt, wie man das Repsoͤhl und
andere Oehle reinigt.
Dieses Oehl ist wegen seiner großen Fluͤchtigkeit in der Naͤhe von
Feuer sehr gefaͤhrlich zu handhaben, und man muß durchaus den Apparat, worin
man es destillirt hat, geschlossen lassen, bis er gaͤnzlich erkaltet ist, und
wenn man ihn auseinander nimmt, darf weder Feuer noch Licht in der Nahe seyn. Die
Apparate muͤssen so eingerichtet seyn, daß man das Feuer unter dem Kolben in
einem anderen Zimmer anmacht; zwischen den Oeffnungen des Feuer- und
Aschenraumes und dem Destillirkolben muß sich eine Mauer befinden; am besten
wuͤrde man den Kolben durch Dampf von hinreichendem Druk erhizen. Das
Kautschukoͤhl von 0,680 specifischem Gewicht ist weiß wie Wasser; seine
Daͤmpfe sind schwer, denn wenn man eine zur Haͤlfte damit
gefuͤllte und offene Flasche uͤber ein Trinkglas neigt, so treiben die
aus der Flasche entweichenden Daͤmpfe die atmosphaͤrische Luft aus dem
Glase, so daß, wenn man die Flasche wegnimmt und verschließt, dann der Oeffnung des
Glases einen brennenden Koͤrper naͤhert, schnell eine
Entzuͤndung erfolgt und eine rothe Flamme das Glas lange Zeit bedekt.
Dieses Oehl loͤst leicht und augenbliklich alle Harze in der Kaͤlte
auf; es loͤst auch das Kautschuk schon in der Kaͤlte auf, und wenn
lezteres weiß ist, ist die Aufloͤsung beinahe farblos. Wenn man diese
Aufloͤsung in Wasser gießt, so scheidet sich das Kautschuk als eine sehr
weiße Haut aus, waͤhrend sich das Oehl verfluͤchtigt. Dieses Verhalten
muß zu vielen nuͤzlichen Anwendungen fuͤhren: man wird mittelst eines
Pinsels und guter Modelle Schuhe und sogar Handschuhe von beliebiger Dike
verfertigen koͤnnen; leztere duͤrften wegen ihrer Weichheit, und da
sie wenigstens eben so weiß, wie die schoͤnsten Handschuhe aus Ziegenhaut und
dabei auch wasserdicht seyn werden, sehr geschaͤzt werden.
Die auf angegebene Weise aufgeloͤsten Harze werden Firnisse, welche man leicht
auftragen kann, und die leicht austroknen.
Das Kautschukoͤhl loͤst das im Indigo enthaltene Harz leicht auf und
der Farbstoff wird frei.
Kautschukoͤhl von bloß 0,840 specifischem Gewichte loͤst die diken
Oehle, das Kakao-, Kokosoͤhl etc., auf und macht sie fluͤssig,
so daß man sich derselben wie des Repsoͤhles zum Brennen in Lampen bedienen
kann.
Der Handel koͤnnte uͤbrigens unermeßliche Quantitaͤten von
Kautschukoͤhl liefern; vom Kautschuk aus Mexico kostet das Pfund nur 20
Centimen, von dem aus Java 60 Cent., und von dem aus Para 25 Cent.
Die HH. Enderby lassen aus neuseelaͤndischem
Flachse (Phormium tenax)Von dem neuseelaͤndischen Flachse kostet der Centner
gegenwaͤrtig nur 25 Franken. wasserdichtes Seilwerk verfertigen. Man hat die Kraft eines aus
neuseelaͤndischem Flachse verfertigten Seiles mit derjenigen eines anderen
aus russischem Hanf verglichen; beide waren mit Kautschukaufloͤsung
getraͤnkt. Jenes trug bei der ersten Probe 234 Pfund und bei einer zweiten 14
Pfd. weniger; das Hanfseil brach schon bei 120 Pfd. Das Seilwerk erhaͤlt
durch die Traͤnkung mit Kautschukaufloͤsung eine
bewunderungswuͤrdige Biegsamkeit und Weichheit.
Die Versuche, welche man auf Schiffen anstellte, beweisen, daß solches Tauwerk zwei
Mal so dauerhaft wie anderes, und bei Regen oder Kaͤlte immer weich ist. Der
Matrose kann es leicht zu jeder Zeit handhaben, und außerdem kann es auch wegen
seiner Zaͤhigkeit duͤnner gemacht werden.
Die HH. Enderby vermischen die Kautschukaufloͤsung
mit ein wenig norwegischem Theere, damit das Seilwerk der Hand weniger anklebt.