Titel: | Ansichten verschiedener französischer Fabrikanten über den gegenwärtigen Zustand ihres Industriezweiges in Frankreich, und über die Folgen der Aufhebung des Prohibitivsystemes für ihre Fabriken. |
Fundstelle: | Band 55, Jahrgang 1835, Nr. XXVII., S. 145 |
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XXVII.
Ansichten verschiedener franzoͤsischer
Fabrikanten uͤber den gegenwaͤrtigen Zustand ihres Industriezweiges in
Frankreich, und uͤber die Folgen der Aufhebung des Prohibitivsystemes fuͤr
ihre Fabriken.
Im Auszuge aus dem Temps und Moniteur universel.
(Fortsezung von Heft 1, S. 67.)
Gegenwaͤrtiger Zustand ihres Industriezweige in
Frankreich.
2. Aussagen des Hrn. Legentil, Abgeordneten der Handelskammer
in Paris.
Fr. Was wissen Sie uͤber die Tuchfabrikation
Frankreichs im Vergleiche mit jener des Auslandes anzugeben? – A. Da nur sehr
wenig fremdes Tuch nach Frankreich kommt, so faͤllt mir ein solcher Vergleich
sehr schwer. Es ist uͤberdieß kaum moͤglich, Tuch von feiner
Qualitaͤt auf 15 Procent hin abzuschaͤzen, wenn man nicht große Massen
vor sich hat, und wenn man in derlei Schaͤzungen nicht sehr geuͤbt
ist. Ich sah kuͤrzlich belgisches Tuch, und es schien mir nicht, daß der
Unterschied zwischen ihm und unserem franzoͤsischen Tuche bedeutend
waͤre.
Fr. Hr. Lefort sagte uns, daß
Elbeuf sowohl in Hinsicht auf den Preis, als auf die Guͤte seiner
Tuͤcher mit dem Auslande auf gleicher Stufe stehe; sind Sie derselben
Ansicht? – A. Ich will dieß um so mehr glauben, da keine Tuͤcher
geschmuggelt werden, und da die Schmuggelei durch kein Hinderniß ganz gehoben werden
kann, sobald wirklich ein Vortheil dabei ist.
Fr. Welche Schwankungen im Preise haben die
Tuͤcher seit 15 bis 20 Jahren erfahren, und sind Sie auch der Meinung des
Hrn. Lefort, nach welcher Tuch, welches im Jahre 1816 zu 24 bis 36 Fr. die Elle
verkauft ward, gegenwaͤrtig nur 14 bis 18 Fr. gilt? – A. Ich bin nicht
im Stande so weit zuruͤkzugehen; uͤbrigens haben die Preise der
Tuͤcher beinahe dieselben Schwankungen durchgemacht, wie jene der Wolle; denn
nach unserer Berechnung bildet die Wolle immer die Haͤlfte des
Gestehungspreises der Tuͤcher. Das von Hrn. Lefort
angegebene Sinken der Preise scheint mir etwas zu groß.
Fr. Sie wissen, daß die franzoͤsischen
Tuͤcher mit einer Praͤmie von 13 1/2 Procent auf den
auslaͤndischen Maͤrkten Concurrenz halten; wuͤrden nun unsere
Tuͤcher nicht auch auf unseren eigenen Maͤrkten hinreichend
geschuͤtzt seyn, wenn man die fremden Tuͤcher mit einem Zolle belegte,
der das Doppelte dieser Praͤmie ausmacht? – A. Ich habe auf dieselbe
Weise geurtheilt, und glaube, daß unter den angegebenen Bedingungen nicht ein
einziger auswaͤrtiger Fabrikant mit uns Concurrenz halten koͤnnte. Die
Furcht der Fabrikanten liegt auch nicht hierin, sondern in der hoͤchst
hypothetischen und Ungewissen Annahme einer Ueberschwemmung unserer Maͤrkte
mit fremden Fabrikaten, wogegen sich gar viel einwenden laͤßt. Ich glaube gar
nicht, daß man Leute finden wird, die geneigt sind, große Verluste zu machen, um
ihre Gegner oder Rivalen zu unterdruͤcken; allein, wenn man auch mit einem
Male eine große Masse fremder Tuͤcher auf unsere Maͤrkte bringen
wuͤrde, was waͤre die Folge hievon? Wer wuͤrde denn z.B. unter
diesen Umstaͤnden Spekulanten verhindern, die eingefuͤhrten
Tuͤcher aufzukaufen, um sie unter dem Genusse der Ausfuhrpraͤmie
wieder auszufuͤhren, und auf den fremden Maͤrkten so wohlfeil zu
verkaufen, daß der Nachtheil, den unsere Rivalen uns zufuͤgen wollten, auf
sie zuruͤckfallen muͤßte? Man koͤnnte ihnen auf diese Weise
leicht die fuͤrchterlichste Concurrenz bereiten, und sie mit ihren eigenen
Waffen schlagen, wenn sie ihre Opfer nicht auf saͤmmtliche Maͤrkte
ausdehnen wuͤrden. Und wer moͤchte wohl auf solche Speculationen hin
einen unberechenbaren Verlust wagen? Man beobachtete ein Ringen dieser Art nur
hoͤchst selten, nur in beschraͤnkten Industriezweigen, und von
Individuen gegen Individuen, und selbst dann gewannen beide Rivalen
gewoͤhnlich mehr, als sie verloren, indem der Verkehr dadurch mehr belebt
wurde. Daß aber Nationen gegen Nationen in ausgedehnteren Industriezweigen auf
solche Weise gegen einander auftreten koͤnnten, halte ich gar nicht
fuͤr moͤglich. Ich glaube daher, daß man vor der fremden Concurrenz
durchaus nicht so sehr zuruͤckschrecken duͤrfe, und daß dieselbe keine
anderen Folgen haben wuͤrde, als daß sich unsere Fabrikanten mehr auf jene
Industriezweige verlegen wuͤrden, in denen sie sich auszeichnen, und daß sie
dafuͤr andere, die sie mit weniger Vortheil betreiben, aufgeben
muͤßten. Unsere Production wird dabei gewiß nur gewinnen; und was
Gegenstaͤnde der Mode und der Phantasie betrifft, so duͤrfen wir
hierin um so weniger etwas fuͤrchten, indem hauptsaͤchlich Frankreich
die Moden schafft, und indem wir gerade in dieser Hinsicht weit mehr geben, als
empfangen.
Fr. Die Fabrikanten scheinen hauptsaͤchlich von
der Schwierigkeit befangen, mit der es verbunden waͤre, den Zoll von allen
fremden Fabrikaten, die eingefuͤhrt werden, zu erheben, und zu verhindern,
daß mit der Aufhebung des Einfuhrverbotes nicht auch der Schmuggelhandel bedeutend
beguͤnstigt werde. Welcher Ansicht sind Sie in dieser Beziehung? – A.
Der Betrug durch Schmuggelei ist allerdings leichter, wenn eine Waare gegen einen
Zoll eingefuͤhrt werden darf; allein die Tuͤcher koͤnnen schon
ihres Umfanges und ihres Gewichtes wegen kein bedeutender Schmuggelartikel werden,
und ich glaube nicht, daß die Schmuggelpraͤmie hier je unter 20 bis 25
Procent herabsinken wuͤrde. Ich will nur ein Beispiel anfuͤhren. Die
indischen Foulards sind z.B. verboten, aber im Inneren keiner Nachforschung
unterworfen; dessen ungeachtet, und obschon sich dieser Artikel leicht auf alle Art
zusammenlegen und in ein kleines Volumen bringen laͤßt, und obschon der Werth
in Hinsicht auf das Gewicht sehr bedeutend ist, betraͤgt die
Schmuggelpraͤmie immer noch 15 bis 20 Procent. Der Betrug hat wie eine andere Art von
Arbeit gleichfalls seinen Preis, und man irrt sich sehr, wenn man glaubt, daß dieser
Preis unter gewisse Graͤnzen herabsinken wird.
Fr. Sie glauben also, daß unsere Fabriken bei einem
Einfuhrzolle von 25 bis 30 Procent die fremde Concurrenz nicht zu fuͤrchten
haͤtten? – A. Allerdings, wenn man der Erhebung dieses Zolles sicher
ist. Die Fabrikanten von Elbeuf gestehen selbst, daß sie die Concurrenz nicht
fuͤrchten; und unsere Tuͤcher gehen sogar nach Belgien, wo sie
ungeachtet der Schmuggelpraͤmie, die sie zu zahlen haben, und welche beinahe
unsere Ausfuhrpraͤmie aufwiegt, dennoch mit den Tuͤchern von Verviers
die Concurrenz halten.
Fr. Wonach sollte sich, Ihrer Meinung nach, der Zoll
richten? – A. Es ist sehr schwer, dieß zu bestimmen; das Gewicht
muͤßte mit dem Werthe in Verbindung gebracht werden, indem sonst die feinen
Tuͤcher beguͤnstigt seyn wuͤrden, und indem bei einer Waare,
deren Werth von 12 bis zu 50 Fr. per Elle variirt, das
Gewicht nie als Basis eines Zolles angenommen werden kann. Was uͤbrigens die
Feststellung des Zolles selbst betrifft, so bin ich auf die Loͤsung dieser
Frage nicht gehoͤrig vorbereitet.
3. Aussagen des Hrn. Victor Graudin, Tuchfabrikanten zu
Elbeuf, und Abgeordneten der dortigen Handelskammer.
Fr. Wie viele Stuͤcke Tuch erzeugen Sie
jaͤhrlich? – A. Meine Fabrik liefert gegenwaͤrtig
jaͤhrlich 2500 Stuͤcke. In den Jahren 1827, 28 und 29 erzeugte ich
jaͤhrlich 5000 von 40 Ellen, indem ich damals mit China Verbindungen
anzuknuͤpfen suchte, die ich jedoch aufgeben mußte, weil die ostindische
Compagnie zur Unterdruͤckung unserer Concurrenz ihre Tuchpreise herabsetzte.
Gegenwaͤrtig, wo das Monopol dieser Compagnie aufgehoͤrt, waͤre
es vielleicht moͤglich, diese Verbindungen wieder zu erneuern. Die
Verminderung meiner Produktion ruͤhrt demnach nicht von einer Verminderung
des Absatzes im Inneren, sondern von der Verstopfung einer Absatzquelle nach Außen
her.
Fr. Wie viele Arbeiter beschaͤftigen Sie? –
A. Ich beschaͤftige jaͤhrlich 800 bis 1000 Arbeiter; zur Zeit, wo ich
jaͤhrlich 5000 Stuͤcke erzeugte, waren die Geschaͤfte nicht
sehr lebhaft, so daß ich leicht außer meiner Fabrik Werkstaͤtten und
Haͤnde fand, die fuͤr mich arbeiteten.
Fr. Wie bezahlen Sie Ihre Arbeiter, wie leben sie, und
koͤnnen sie sich etwas ersparen? – A. Gute Weber verdienen
taͤglich 3 bis 4 Fr., und der schlechteste Arbeiter verdient 30 Sous; so daß
im Durchschnitte jeder Arbeiter taͤglich auf 35 bis 40 Sous angeschlagen ist.
Die Weiber verdienen taͤglich 20 bis 25, und die Kinder 15 bis 20 Sous. Die
Fabrikmeister haben einen Jahrgehalt, und von diesen verdienen manche, was von der
Art der Arbeit abhaͤngt, sehr viel. So habe ich z.B. fuͤr die
Faͤrberei einen gelehrten Chemiker, dem ich jaͤhrlich 6 bis 8000 Fr.
bezahle; uͤbrigens faͤllt dieser hohe Gehalt nicht mir allein zur
Last, indem ich fuͤr mehrere andere Fabriken arbeite. Diese große
Praͤmie, die ich den Kenntnissen eines Mannes bewilligte, war mir
fruͤher durchaus nicht beschwerlich; gegenwaͤrtig jedoch, wo die
Kenntnisse sich taͤglich weiter verbreiten, und wo es mehrere Faͤrber
gibt, die eben so gut und eben so wohlfeil arbeiten, als ich, wuͤrde ich mich
auf keine so hohen Bedingungen mehr einlassen. Nur vier der Fabriken zu Elbeuf
faͤrben selbst; die uͤbrigen lassen bei Faͤrbern
faͤrben. – Was unsere Arbeiter betrifft, so sind sie
gegenwaͤrtig nicht so beschaͤftigt, als sie es seyn koͤnnten,
weßhalb denn auch ihr Lohn etwas gesunken ist. Sind sie hinreichend
beschaͤftigt, so leben sie ziemlich gemaͤchlich; uͤberhaupt ist
unsere arbeitende Bevoͤlkerung im Ganzen gut, von sanften Sitten, nicht zu
Excessen geneigt, und mit dem Noͤthigen zufrieden. Wir haben
hauptsaͤchlich zweierlei Arbeiter; die einen leben in der Stadt, und diese
sind nicht so ordentlich; diese lassen sich's, wenn die Geschaͤfte gut gehen,
am Sonntage gut geschehen, und schwelgen sogar manchmal bis in den Montag
hinuͤber. Die anderen, und diese bilden die Mehrzahl, leben auf dem Lande;
diese ersparen sich etwas, und verwenden ihre Ersparnisse zum Ankaufe eines
Stuͤkes Grund und Boden und einer Huͤtte. Wir haben jedoch im Sinne
eine Sparkasse zu errichten.
Fr. Woher beziehen Sie Ihre Dampfmaschinen? – A.
Die drei Maschinen, mit denen ich arbeite, bezog ich aus England von dem Hause
Hallo-Dartford; ich glaube jedoch, daß man in Frankreich eben so gute
Maschinen bauen kann; und wenn ich heute neuer Maschinen beduͤrfte, so
wuͤrde ich sie in Frankreich kaufen, indem sie bei gleicher Guͤte
wohlfeiler zu stehen kommen.
Fr. Woher beziehen Sie Ihre Steinkohlen und wie hoch
kommen sie Ihnen zu stehen? – A. Ich betreibe meine Maschinen mit Steinkohlen
von Mons, indem sich die Steinkohlen von Anzin nicht fuͤr meine Art von Oefen
eignen, und nicht nur in denselben schmelzen, sondern uͤberhaupt nicht so
vortheilhaft sind, als jene Art von Kohlen, die zu Mons unter dem Namen flénu bekannt sind. Eine Fuhr dieser
Steinkohlen, welche 7 1/2 Hectoliter enthaͤlt, kam bisher auf 40 bis 42 Fr.
zu stehen; gegenwaͤrtig kostet sie jedoch nur 27 bis 28 Fr., so daß mich der
Hectoliter auf 3 Fr. 75 Cent. zu stehen kommt. Dieser Unterschied im Preise
ruͤhrt von den Transportkosten her, die verschiedenen Zufaͤlligkeiten
ausgesezt sind. Wenn der Winter z.B. lange dauert, und die Canaͤle gefroren
bleiben, so entsteht zuweilen eine solche Roth, daß der Preis der Fuhr bis auf 50
Fr. steigt. Uebrigens wird der Preis jezt immer niederer bleiben, indem neue
Canaͤle eroͤffnet wurden, indem sich die Compagnien, die sich
vereinigt hatten, wieder trennten, und indem dadurch eine Concurrenz eintrat, die
selbst eine Verminderung der Transportkosten nach sich zog.
Fr. Wie groß ist Ihr jaͤhrlicher Bedarf an
Steinkohlen, und wuͤrden Sie englische Steinkohlen anwenden, wenn deren
Einfuhr frei gegeben wuͤrde? – A. Ich verbrauche jaͤhrlich 4000
Fuhren, oder 30,000 Hectoliter. Was die englischen Steinkohlen betrifft, so haben
wir nie welche gebraucht, so daß wir nichts uͤber dieselben sagen
koͤnnen. Der Zoll, der auf den fremden Steinkohlen lastet, ist fuͤr
uns bei weitem nicht von dem Belange, wie die Transportkosten. An diesen
duͤrfte durch Verminderung der Zoͤlle auf den Canaͤlen, durch
Eroͤffnung neuer Canaͤle, durch die Anlegung von Eisenbahnen und durch
die Auffindung von Steinkohlengruben, die mehr in unserer Naͤhe liegen,
Vieles erspart werden. Nach meinen Berechnungen betraͤgt der Ankaufspreis der
Steinkohlen an der Grube kaum den vierten Theil der Summe, auf welche sie uns zu
Elbeuf zu stehen kommen.
Fr. Haben die Kardaͤtsch- und Rauhmaschinen
seit einigen Jahren wesentliche Verbesserungen erfahren, und glauben Sie, daß die
franzoͤsischen Maschinen auch in dieser Hinsicht so gut sind, wie die
englischen? – A. Allerdings; und was namentlich die Kardaͤtschmaschinen
betrifft, so bin vielleicht ich der einzige, der Ihnen mit Genauigkeit den zwischen
den in beiden Laͤndern gebraͤuchlichen Maschinen bestehenden
Unterschied genau angeben kann. Ich habe naͤmlich in meiner Fabrik
Kardaͤtschmaschinen errichtet, welche nach einem neuen, in England nicht
gebraͤuchlichen Systeme erbaut sind. Ich ließ sowohl die Modelle, als die
Arbeiter aus Amerika kommen, und arbeite nun mit Maschinen, mit welchen ein Arbeiter
so viel Arbeit liefert, als fruͤher ihrer fuͤnf, und zwar Arbeit, die
an Guͤte der englischen wenigstens nicht nachsteht. Ich glaube demnach, daß
unsere Maschinen in dieser Hinsicht einen Vorzug vor den englischen haben.
Fr. Kommen die franzoͤsischen Maschinen also im
Ganzen jenen des Auslandes gleich? – A. Mehrere meiner Collegen, unter denen
ich bloß Hrn. Jourdain von Louviers, Hrn. Lefebvre-Duruflé von Pont-Anthau
anfuͤhren will, und ich brauchten nicht erst durch die fremde Concurrenz
angespornt zu werden; denn wir scheuten nie eine Anstrengung, um unsere Industrie
auf derselben Stufe zu erhalten, auf der sie bei unseren Nachbarn steht. Ich selbst,
wenn ich von mir sprechen darf, war seit dem J. 1817 mehrere Male in England, und
war beinahe jedes Mal so gluͤklich bis in die dortigen Tuchfabriken
einzudringen, und eine oder die andere neue Maschine, ein oder das andere neue
Verfahren zuruͤkzubringen. Auf meiner lezten Reise sah ich jedoch nichts, was
wir nicht bereits gehabt haͤtten, so daß ich mit allem Rechte sagen kann, daß
wir in dieser Hinsicht mit den Englaͤndern auf gleicher Stufe stehen.
Fr. Wollen Sie uns sagen, welche Verminderungen der
Preise die Tuͤcher seit 20 Jahren in Frankreich erfahren haben? – A.
Im J. 1814, wo Belgien von Frankreich getrennt ward, galt die Wolle 5 bis 6 Fr. per Kilogr., und aus dieser Wolle erzeugten wir
Tuͤcher, die mit 26 bis 34 Fr. die Elle bezahlt wurden. Gegenwaͤrtig
erzeugen wir aus derselben Wolle, die wir nun zu 10 bis 12 Fr. per Kilogr. bezahlen, Tuͤcher, die wir zu 18 bis
26 Fr. die Elle verkaufen. Der Preis der Tuͤcher ist daher um den dritten
Theil gefallen, waͤhrend der Preis der Wolle um nicht weniger, als um die
Haͤlfte stieg.
Fr. Glauben Sie, daß bei der Vollkommenheit, auf die Sie
Ihre Fabrikation gebracht haben, Ihre Fabrikate an Schoͤnheit, Feinheit und
Dauerhaftigkeit den belgischen und englischen Fabrikaten gleichkommen? – A.
Ehe ich auf diese Frage eingehe, erlaube ich mir eine Bemerkung vorauszuschiken. Ich
brachte im J. 1828 ein Verfahren nach Frankreich, dem ich den Namen
unzerstoͤrbarer Appret (apprèt
indestructibile) gab. Ich hatte naͤmlich bemerkt, daß die englischen
Tuͤcher einen Glanz hatten, der sie sehr gesucht machte und den die unserigen
nicht besaßen; ich fand ferner, daß dieser Glanz, den weder Luft noch Wasser
zerstoͤrt, dadurch erzielt werde, daß man das Tuch der Einwirkung des Dampfes
aussezte, und daß es den Englaͤndern gelungen war, jenen Glanz, der unseren
Tuͤchern durch das Decatiren wieder genommen werden muß, zu fixiren. Das
erste Jahr, waͤhrend welchem ich dieses Verfahren befolgte, verkaufte ich
meine Tuͤcher mit Vortheil; allein das Geheimniß ward bald bekannt, und es
zeigte sich, daß wenn das Tuch auch mehr Glanz hatte, dieß auf Kosten der
Guͤte der Fall war. Die Englaͤnder benuzten lange Zeit den
truͤgerischen Glanz ihrer Tuͤcher zu unserem Nachtheile auf den
europaͤischen sowohl als amerikanischen Markten. Allein gegenwaͤrtig
wendet man sich wieder an uns, indem man sich uͤberzeugte, daß, wenn unsere
Tuͤcher auch weniger Glanz besaßen, sie hoch in der That besser waren. Es
scheint, daß auch die Belgier, die sich gleichfalls dieses Verfahrens bedienten, nunmehr dasselbe wieder
aufgegeben haben.
Fr. Koͤnnen Sie angeben, wie hoch sich die
franzoͤsische Fabrikation vor der Trennung Belgiens belief, und was sie
seither geworden? – A. Zur Zeit der Trennung Belgiens von Frankreich
producirte Elbeuf jaͤhrlich nur 15 bis 18,000 Stuͤcke Tuch, und von
einer Dampfmaschine war noch keine Rede. Im J. 1810 bestanden 10
Pferdegoͤpel, die im J. 1814 auf 40 bis so angewachsen waren. Im J. 1816 ward
die erste Dampfmaschine errichtet, und seither hat sich deren Zahl bis auf 50
vermehrt. Die zu Elbeuf bestandenen Pferdegetriebe gaben die Kraft von 100
Dampfpferden, d.h. von 200 lebenden Pferden. Die Dampfmaschinen hingegen, von denen
man im Durchschnitte eine jede zu 15 Pferdekraͤften annehmen kann,
entsprechen 750 Pferdekraͤften oder 1500 lebenden Pferden. Hieraus ergibt
sich, daß sich die fruͤhere Fabrikation zur gegenwaͤrtigen wie 2 zu 15
oder wie 1 zu 7 verhaͤlt; und daß dieses Verhaͤltniß ein noch
groͤßeres seyn wuͤrde, wenn ich alle die benachbarten Orte, welche
saͤmmtlich fuͤr Elbeuf arbeiten, in Anschlag gebracht
haͤtte.
Fr. Wie theuer verkauften Sie Ihr Tuch zur Zeit der
Trennung Belgiens? – A. Um ein Drittheil theurer, als
gegenwaͤrtig.
Fr. Wohin fuͤhrten Sie fruͤher, und wohin
fuͤhren Sie gegenwaͤrtig aus? – A. Bis zum J. 1823, wo der
spanische Krieg ausbrach, brauchten wir nicht zur Ausfuhr unsere Zuflucht zu nehmen;
wir organisirten nur unsere Fabriken, um im Stande zu seyn, den inneren Bedarf zu
deken, und da unser Gewinn hiebei ziemlich huͤbsch war, so kamen wir nicht in
Versuchung, uns in die Wagnisse der Ausfuhr einzulassen. Spaͤter, nachdem die
Magazine im Inlande gefuͤllt waren, und die Concurrenz unter uns selbst
fuͤhlbarer wurde, suchten wir nach Außen Absazwege. Die ersten Sendungen, die
ich machte, waren nach der Suͤdsee gerichtet; sie gaben zwar keinen
ansehnlichen Gewinn, doch waren sie von der Art, daß ich mich veranlaßt fand, sie
fortzusezen. Nur durch Anwendung verschiedener, von der Fabrikation
unabhaͤngiger Mittel gelingt es uns jedoch auf den fremden Maͤrkten
mit den Englaͤndern Concurrenz halten zu koͤnnen. Wir suchen demnach
jene Zeitpunkte auszuspaͤhen, wo die fremden Maͤrkte schwach versehen
sind; waͤhrend die Englaͤnder hierauf weniger Ruͤksicht nehmen,
und mit Verlust verkaufen, wenn die Maͤrkte uͤbersezt sind. Wir sind
ferner gezwungen, zugleich mit unseren Tuͤchern auch noch andere Zeuge,
Seidenzeuge und verschiedene andere Gegenstaͤnde auszufuͤhren, und uns
an dem Verkaufe dieser schadlos zu halten, wenn allenfalls die Tuͤcher
schlechten Absaz finden sollten. Wir nehmen endlich, um leichter Absaz finden zu
koͤnnen, die Produkte der Eingebornen in Tausch an, die die Englaͤnder
nicht immer brauchen koͤnnen, weil ihr Verbrauch mehr beschraͤnkt ist,
und weil bei uns die Einfuhr derselben auf englischen Schiffen nicht erlaubt ist.
Bedenkt man uͤberdieß noch, daß wir uns im Allgemeinen damit
begnuͤgen, die Aehren aufzulesen, wo die Englaͤnder eine reiche Ernte
machten, so wird man sich erklaͤren koͤnnen, wie wir auf den
auswaͤrtigen Maͤrkten mit ihnen concurriren koͤnnen. Wir
fuͤhren beilaͤufig den fuͤnften Theil unserer Production aus,
wobei jedoch alle die angegebenen Maßregeln angewendet werden muͤssen. Seit
drei Jahren habe ich angefangen nach Nordamerika auszufuͤhren; die Versuche,
die mein Vater vor 10 oder 12 Jahren in gleicher Absicht machte, waren
ungluͤklich ausgefallen, so daß er ihnen entsagen mußte. In Folge der Krisis
vom J. 1830 waren unsere Magazine mit Waaren uͤberfuͤllt, und wir
mußten große Opfer bringen, um dieselben zu raͤumen. Einige amerikanische
Kaufleute machten damals, durch unsere niederen Preise gereizt, bedeutende
Ankaͤufe, und seit dieser Zeit lernte man unsere Fabrikate in Nordamerika
kennen und schaͤzen. Waͤre in diesem Jahre in den Vereinigten Staaten
nicht die beruͤchtigte Finanzkrisis ausgebrochen, so wuͤrden wir gewiß
Heuer sehr viel dahin abgesezt haben.
Fr. Gesezt, die Einfuhr der englischen und belgischen
Tuͤcher waͤre in Frankreich erlaubt, welchen Zoll wuͤrden Sie
dann zur Beschuͤzung der franzoͤsischen Fabriken fuͤr
nothwendig erachten? – A. Welchen Zoll man auch immer einfuͤhren
moͤchte, so muͤßte ich diese Maßregel doch immer fuͤr ein
großes Ungluͤk fuͤr unsere Fabriken betrachten. Es gibt hier nur zwei
Faͤlle: entweder der Zoll ist so hoch, daß kein fremdes Tuch
eingefuͤhrt werden kann, und dann waͤre es besser, das Verbot bestehen
zu lassen; oder der Zoll ist so maͤßig, daß eine Einfuhr Statt finden kann,
und dann waͤren unsere Fabriken den unguͤnstigsten Chancen ausgesezt.
Wenn z.B. in Amerika oder irgend anderswo eine Krisis eintritt, so wird diese auf
England zuruͤkwirken; die englischen Fabrikanten werden dann ihren Absaz
anderwaͤrts suchen und auf unsere Maͤrkte kommen; hier werden sie
enorme Opfer bringen und wir werden, da wir keine solche Concurrenz auszuhalten im
Stande sind, mit unseren Arbeitern zu arbeiten aufhoͤren muͤssen und
ruinirt seyn.
Fr. Alles dieß haͤngt, wie mir scheint, von der
Groͤße des Zolles ab? – A. Wenn der Zoll so berechnet ist, daß nur ein
wenig Tuch eingefuͤhrt werden kann, so sehe ich nicht ein, warum nicht auch
eine groͤßere Menge eingefuͤhrt werden koͤnnte, besonders wenn
die Auslaͤnder zu Opfern gezwungen seyn sollten. Wuͤrde das
Einfuhrverbot aufgehoben, so waͤre der Betrug nicht mehr so leicht zu
ertappen und zu verfolgen; man koͤnnte englische Tuͤcher
einschmuggeln, sie dann als franzoͤsische zur Ausfuhr bringen, und sich
dafuͤr die Ausfuhrpraͤmie bezahlen lassen. Welche Unordnung dieß in
unsere Industrie bringen wuͤrde, und welcher Schaden dem Staatsschaze daraus
erwachsen wuͤrde, erhellt von selbst.
Fr. Es scheint, es wird gegenwaͤrtig kein fremdes
Tuch eingeschmuggelt? – A. Ich weiß, daß dieß beim Tuche kaum moͤglich
ist, und dieß ruͤhrt nicht bloß von dem Volumen desselben, sondern
hauptsaͤchlich von der Furcht her, die dadurch eingefloͤßt wird, daß
die Mauth das fremde Tuch uͤberall, wo sie auf dasselbe stoͤßt,
wegnehmen kann. Wenn ja fremdes Tuch nach Frankreich kommt, st sind es Muster, die
mit Genehmigung der Mauth eingefuͤhrt werden, und die dann wieder
ausgefuͤhrt werden muͤssen. So erhielt ich einst von der
Mauthdirection die Erlaubniß, zwei Ballen Tuͤcher, die ich nothwendig
brauchte, um einem Auftrage nachkommen zu koͤnnen, bis nach Elbeuf bringen zu
duͤrfen. Die Mauth versah jedes Stuͤk Tuch mit ihrem Siegel, und
spaͤter wurden beide Ballen, wie ich mich dazu verpflichtet hatte, wieder
ausgefuͤhrt. Man konnte die Tuͤcher, die ich nach diesen Mustern
verfertigte, und an denen ich sowohl den Anschnitt, als die Sahlbaͤnder, wie
an den englischen und belgischen Tuͤchern arbeiten ließ, fuͤglich
fuͤr solche halten. Diese Tuͤcher wurden zu Paris auch um 25 Procent
hoͤher verkauft, als ganz gleiche, aber mit Elbeuf bezeichnete
Tuͤcher.
Fr. Was wird aber. Ihrer Ansicht nach, kommen, wenn, was
doch die gewoͤhnliche Annahme ist, der Handel einen bleibenden und
regelmaͤßigen Gang behaͤlt? – A. Da ich den Zwek dieser Frage
nicht verkenne, so kann ich auf diese Annahme gar nicht eingehen. In der Lage, in
der wir uns befinden, duͤrfen wir die Moͤglichkeit einer Handelskrisis, in Folge deren
unsere Maͤrkte mit einer großen Menge von Tuͤchern
uͤberschwemmt wuͤrden, nie aus den Augen verlieren; denn ich behaupte,
daß wir nicht zwei oder drei solche Krisen auszuhalten im Stande waͤren, und
bloß die Voraussicht einer solchen Krisis wuͤrde unsere Fabriken
noͤthigen, ihre Fabrikation zu beschraͤnken. Ich muß hiebei auch
bemerken, daß es in unserem Handelssysteme einige ehrenvolle Scrupel gibt, die in
England nicht in demselben Grade bestehen. In England betrachtet man die Fallimente
z.B. als viel unbedeutendere Dinge, als bei uns, und ein Kaufmann, der heute fallirt
hat, kann morgen wieder von Neuem beginnen. Bei uns ist dieß anders, und dieß ist
ein Grund mehr, warum wir uns huͤten sollen, mit dem englischen Handel zu
innige Verbindungen einzugehen, indem hier aller Nachtheil auf unserer Seite
ist.
Fr. Erlauben Sie mir, auf die an Sie gerichtete Frage
zuruͤkzukommen. Die Verwaltung haͤlt es fuͤr wesentlich zu
wissen, welcher Unterschied zwischen dem moͤglichen Verkaufspreise in England
und dem moͤglichen Verkaufspreise in Frankreich bestehe. Wir sammeln bloß
Thatsachen, um dieselben gehoͤrig herstellen zu koͤnnen; wollen Sie
daher keine Folgerungen daraus ziehen? – A. Sie besizen selbst die Mittel zur
Berechnung des Unterschiedes in den Preisen der Rohstoffe, und zur Erwaͤgung,
ob man die auf diesen lastenden Zoͤlle herabsezen kann, ohne anderen
Industriezweigen, die unter dem Schuze dieser Zoͤlle gedeihen, zu sehr zu
schaden. Was mich betrifft, so muß ich erklaͤren, daß wir als Fabrikanten uns
nicht dazu hergeben koͤnnen, zur Einfuͤhrung eines Systemes
mitzuwirken, welches wir fuͤr nachtheilig und verderblich halten; ich
enthalte mich daher aller Antwort auf diese Frage.
Fr. Bemerken Sie wohl, daß wir Sie nicht um Ihre Ansicht
uͤber dieses oder jenes System befragen; wir wenden uns an Sie, als an eine
der aufgeklaͤrtesten Personen Ihres Vaterlandes, und ersuchen Sie, uns
Aufschluͤsse uͤber den Preis der Rohstoffe in England, im Vergleiche
der Preise dieser Substanzen in Frankreich zu geben, damit sich danach der englische
und der franzoͤsische Gestehungspreis berechnen laͤßt. Behalten Sie
fuͤr einen Augenblik nur die Facta, abgesehen von allen Folgerungen, von
denen ein ander Mal die Rede seyn wird, im Auge. – A. Es laͤßt sich
keine Paritaͤt zwischen beiden Laͤndern herstellen, indem sie nach
verschiedenen Gesezen verwaltet werden; in Frankreich besteht z.B. keine Armentare,
die in England zu gewissen Zeiten die Production beguͤnstigt.
Fr. Erlauben Sie mir darauf zu beharren, daß dieser
Vergleich sehr wohl angestellt werden kann. Ich frage Sie bloß, wie hoch eine Elle
Tuch dem franzoͤsischen Fabrikanten kommt, und wie hoch die Elle
aͤhnlichen Tuches dem Englaͤnder kommt? – A. Ich verstehe Ihre
Frage sehr wohl; allein ich fuͤhle in mir einen Drang, sie nicht zu
beantworten, indem ich die Folgerungen fuͤrchte, die man allenfalls daraus
ziehen moͤchte. Ich glaube, ich mag nun Recht oder Unrecht haben, daß Ihre
Frage darauf abzielt, zu einer Differentialzahl zu gelangen, die, wenn darauf gebaut
wuͤrde, uns zum Untergange fuͤhren wuͤrde. Ich erschreke vor
den Resultaten, die ich voraussehe.
Fr. Wir glauben, Sie haben sehr Unrecht, zu erschreken,
und ich muß Ihnen bemerken, daß diese Verweigerung der Antwort fuͤr die
franzoͤsische Industrie sehr unguͤnstig ausgelegt werden kann.
– A. Wenn ich die Antwort verweigere, so geschieht dieß nicht bloß in meinem
Interesse, sondern im Interesse aller derer, die den Schuz des Tarifes
beduͤrfen. Waͤre es uns nur um unser eigenes Interesse zu thun, so
wuͤrden wir eine Herabsezung des Zolles auf die Rohstoffe verlangen, indem
wir dann wohlfeiler fabriciren koͤnnten, und indem hieraus ein vermehrter
Absaz folgen muͤßte. Wenn Sie aber durchaus eine Berechnung verlangen, so
wollen wir sie gemeinschaftlich anstellen, und ich kann um so eher hierauf eingehen,
als der Unterschied nicht so bedeutend ist, als man glauben moͤchte, indem
die bessere Lage Englands zum Theil wieder dadurch aufgewogen wird, daß bei uns der
Arbeitslohn wohlfeiler ist. Ich abstrahire jedoch, wie gesagt, immer von der
Armentare, die oͤfter zur Erhoͤhung der Production beitraͤgt.
Ich will mit dem Eisen beginnen, und bemerke hier, daß dasselbe, als Element des
Gestehungspreises betrachtet, unsere Fabrikate kaum um ein Procent gegen die
englischen theurer macht. Die Wolle koͤnnen Sie eben so gut
abschaͤzen, als ich; sie betraͤgt mehr als die Haͤlfte, ja
beinahe 2/3 des Gestehungspreises des Tuches. Der Arbeitslohn wurde fruͤher
zur Haͤlfte angeschlagen; allein seit der Einfuͤhrung und Verbesserung
der Maschinen kommt er, oder vielmehr die Zeit nur mehr zu 1/7 in Anschlag. In
Betreff der Steinkohlen ist der Unterschied enorm. Ich verbrauche jaͤhrlich,
je nach dem Preise derselben, fuͤr 80 bis 100,000 Fr.; davon muß ich den
vierten Theil, der zum Faͤrben anderer Tuͤcher als der meinigen
verwendet wird, abziehen, so daß ich also zur Erzeugung meiner 2500 Stuͤke
Tuch fuͤr 60,000 Fr. Steinkohle brauche, waͤhrend dieselbe
Quantitaͤt Kohle zu Halifax oder Leeds nur den vierten Theil dieser Summe
kostet. Der Unterschied, den der Preis des Brennmateriales bedingt, betraͤgt
demnach allein 3 Procent. Was die Farbstoffe betrifft, so zahlen wir auch diese in
Folge des Privilegiums, welches die franzoͤsische Schifffahrt in dieser
Hinsicht genießt, theurer. Der Tarif fordert von dem auf franzoͤsischen
Schiffen eingefuͤhrten Indigo einen Zoll von 75 Proc. per Kilogr., und doch verkaufen die Rheder von Bordeaux und Marseille, auf
ihr Privilegium sich stuͤzend, ihren Indigo eben so theuer wie die Fremden,
so daß es uns oft mehr convenirt unseren Indigo in London zu kaufen, und ihn
uͤber Ostende zu beziehen, obschon er auf diesem Wege 3 Fr. 50 Cent. Zoll
zahlen muß.
Fr. Die Buͤcher der Mauth weisen jedoch aus, daß
nur der 20ste Theil des Indigo auf solche Weise bezogen wird. – A. Wenn auch
nur 10 Kisten eingefuͤhrt wuͤrden, so geschaͤhe dieß nicht ohne
Roth. Ich war gleich im vorigen Jahre gezwungen, meinen Indigo von London zu
beziehen. Ich kenne den Indigohandel sehr genau; denn zur Zeit, als mein Bruder
unsere Tuͤcher nach China fuͤhrte, nahmen wir daselbst Thee entgegen,
und kauften in Calcutta Indigo, indem wir gleichfalls von dem den
franzoͤsischen Rhedern zugestandenen Privilegium Gebrauch machten.
Fr. Koͤnnen Sie uns die Gesammtzahl der Differenz
angeben? – A. Ich bemerke, daß ich sehr Unrecht hatte, mich in diese
Berechnungen hineinzuwagen, auf die ich um so weniger vorbereitet war, als ich diese
Fragen umgehen zu koͤnnen glaubte. Ich gab diese Erklaͤrungen bloß,
weil Sie mir sagten, daß mein Stillschweigen unguͤnstig ausgelegt werden
koͤnnte. Um jedoch nicht in Unrichtigkeiten zu verfallen, erlaube ich mir,
mich auf eine Tabelle zu beziehen, welche Hr. Pattay im
J. 1830 bey Gelegenheit der Praͤmie anfertigte. Dieser Tabelle gemaͤß,
welche ziemlich genau ist, wird man finden, daß wir uns gegen England in einer
Inferioritaͤt befinden, die auf 17 1/2 Proc. angeschlagen werden kann.
Fr. Wie hoch schaͤzen Sie die Ersparniß an
Arbeitslohn in Frankreich im Vergleiche mit England? – A. Diese Abschaͤzung ist sehr
schwierig. Die Englaͤnder haben fuͤr jede Operation sogenannte
Meisterarbeiter. Beim Rauhen z.B. hat ein Meisterarbeiter 2 oder 3 andere Arbeiter
unter sich; ersterer verdient taͤglich 5 1/2 Schill., leztere taͤglich
nur 2 Schill. Unsere Arbeiter beziehen keinen so hohen Lohn, wie die englischen;
allein wir muͤssen sie von Werkfuͤhrern, die sehr theuer bezahlt
werden, beaufsichtigen lassen. Der franzoͤsische Arbeiter hat nicht dieselbe
Beharrlichkeit, wie der englische; auch sind unsere Arbeiter nicht so sehr an eine
und dieselbe Arbeit gebunden; sie haben daher mehr allgemeine Kenntnisse, als die
englischen, allein in einzelnen Zweigen bringen sie es zu keiner solchen
Vollkommenheit, wie diese. Aus diesem Grunde muͤssen wir sie auch mehr
beaufsichtigen. Die englischen Fabrikanten brauchen etwas weniger Leute als wir,
zahlen ihnen aber etwas mehr.
Fr. Sie haben von Ihrer Ausfuhr nach China und von dem
Opfer gesprochen, welches die ostindische Compagnie brachte, um die Preise daselbst
herabzudruͤken; wie hoch schaͤzen sie dieses Opfer? – A. Auf 12
bis 15 Procent. Die Compagnie verlor an den zu Canton bestehenden Vorraͤthen
3 Millionen, und wir hatten doch beilaͤufig nur fuͤr 700,000 Fr.
ausgefuͤhrt.
Fr. Glauben Sie, daß Sie auf unseren eigenen Markten
Concurrenz halten koͤnnten, wenn auf die fremden Tuͤcher nach dem
Werthe derselben ein Zoll von 25 bis 30 Procent gelegt wuͤrde? – A.
Ich muß zuerst bemerken, daß ein Zoll von 25 Proc. dem Wesen nach eigentlich nur
einen Zoll von 12 Proc. repraͤsentiren wuͤrde. Es waͤre
unmoͤglich, den Werth des Tuches genau abzuschaͤzen, und man
wuͤrde eine Menge falscher Deklarationen machen, gleichwie dieß zur Zeit des
Vertrages vom J. 1786 geschah, wo man nur den dritten Theil des Zolles erhob. Allein
gesezt auch, man erhoͤbe die Haͤlfte, welchen Schuz wird uns ein
solcher Zoll zur Zeit einer Handelskrisis gewaͤhren, dergleichen sich in
England so haͤufig ereignen, und bei denen die englischen Fabrikanten auf
unseren Maͤrkten mit 40 bis 50, ja sogar mit 80 Procent Verlust losschlagen
wuͤrden. Ich beziehe mich in dieser Hinsicht auf Hrn. Brice-Michel von Sct. Malo, einen angesehenen Rheder, der schon
seit 15 Jahren Schifffahrt treibt, und der mich versicherte, zu Calcutta von
leichten englischen Tuͤchern die Vare oder spanische Elle zu 1 1/2 Schill.
gekauft zu haben. Bei der im Jahre 1826 eingetretenen Handelskrisis gab es englische
Fabriken, die in Newyork allein 600,000 Fr. am Gestehungspreise verloren! Waͤre dieß auf unseren
franzoͤsischen Maͤrkten geschehen, so waͤren unsere Fabriken
ruinirt gewesen. Seit einem Jahre, seit welcher Zeit diese Fragen besprochen werden,
haͤlt sich jeder von uns zuruͤk, indem wir den Einbruch der englischen
Tuͤcher befuͤrchten, und wir beklagen, im Vertrauen auf die Vertrage,
so große Capitalien in unsere Fabriken gestekt zu haben. Man behauptet, daß die
englische Concurrenz noͤthig sey, um uns anzuspornen; allein wir haben nicht
auf diese Concurrenz gewartet, um uns auf gleiche Stufe mit unseren Rivalen zu
erheben. Unsere eigene Concurrenz treibt uns hinreichend an; und was meine Person
betrifft, so kann ich wohl versichern, daß ich all meinen Gewinn zur Erweiterung
meiner Anstalten und zur Vervollkommnung meines Industriezweiges verwendete. Allein,
wenn die englischen Tuͤcher auf dem inlaͤndischen Markte zugelassen
werden sollten, so wuͤrde ich mich gluͤklich schaͤzen, wenn ich
noch den dritten Theil meines Capitals retten koͤnnte.
Fr. Die englischen Tuͤcher duͤrfen doch in
Belgien gegen einen Zoll von 15 Procent eingefuͤhrt werden; wenn daher die
Handelskrisen so nachtheilig wirken koͤnnen, wie Sie sagten, so muͤßten
wohl auch die belgischen Fabriken schon zu Grunde gegangen seyn? – A. Belgien
befindet sich unter aͤhnlichen Verhaͤltnissen wie England, und ich
wuͤrde die belgischen Tuͤcher beinahe noch mehr fuͤrchten, als
die englischen.
Fr. Wenn man von Seite der englischen Fabriken die
Moͤglichkeit eines Opfers von 80 Procent annaͤhme, welche Industrie
koͤnnte ihnen dann noch widerstehen? – A. Ich kann nicht fuͤr
Belgien sprechen; allein ich muß wiederholen, daß in Frankreich, wo die Produktion
bereits groͤßer ist, als der Verbrauch, und schon bei der geringsten Abnahme
der Nachfrage mit einer Unterbrechung bedroht ist, die Fabriken einer solchen
Krisis, wie ich sie voraussehe, nicht zu widerstehen im Stande seyn werden. Man
eroͤffne uns neue Absazquellen, und bewirke dadurch, daß wir unsere
Production erhoͤhen koͤnnen, und wir werden uns in einer Lage
befinden, in der wir einen solchen Wettstreit eher aushalten koͤnnten.
England fuͤhrte im Jahre 1833 nicht weniger als 597,000 Stuͤke Tuch zu
25 bis 30 Ellen aus. Elbeuf fabricirt jaͤhrlich 70,000 Stuͤke, d.h.
den fuͤnften Theil der Production von ganz Frankreich, welche ich aus 350,000
Stuͤke anschlage. Die 597,000 englischen Stuͤke geben 14,925,000
franz. Ellen; unsere 350,000 Stuͤke geben 14 Mill. Ellen; die
Quantitaͤt, welche England ausfuͤhrt, und deren Werth auf 6 Mill. Pfd.
Sterl. angeschlagen wird, ist demnach allein groͤßer, als die Production von
ganz Frankreich.
Fr. Ist diese Annahme nicht zu hoch und nach alten
angenommenen Preisen berechnet? – A. Sie basirt sich auf den declarirten
Werth, und die Englaͤnder haben kein Interesse falsch zu declariren, weil sie
keine Ausfuhrpraͤmie genießen. Die Wolle zahlt in England nur ein Waaggeld
von 1/2 Procent, und ist nicht zur Wiederausfuhr gezwungen. Es ist Thatsache, daß
die englischen Fabriken nicht bestehen koͤnnten, wenn sie, wie die unserigen,
nur auf den Absaz im eigenen Lande beschraͤnkt waͤren. Daher
beschleunigt England den Zeitpunkt, in welchem seine Producte bei uns zugelassen
werden sollen, so viel in seinen Kraͤften steht.
Fr. In welchem Verhaͤltnisse steht die Ausfuhr der
Englaͤnder zu ihrem eigenen Verbrauche? – A. Ich meine sie
fuͤhren 4/5 ihrer Tuchfabrikate aus, und verbrauchen 1/5 bei sich; wir
hingegen verbrauchen 4/5 fuͤr uns und 1/5 fuͤhren wir aus.
(Fortsezung folgt.)