Titel: | Ueber eine neue, von dem Hrn. Grafen v. Dundonald (ehemals als Lord Cochrane berühmt) erfundene Triebkraft. |
Fundstelle: | Band 55, Jahrgang 1835, Nr. XLII., S. 247 |
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XLII.
Ueber eine neue, von dem Hrn. Grafen v. Dundonald (ehemals als Lord Cochrane beruͤhmt) erfundene Triebkraft.
Aus dem Mechanics'
Magazine, No. 583, S. 29.
Ueber v. Dundonald's neue erfundene Triebkraft.
Die Frage uͤber die Thunlichkeit und Moͤglichkeit der
Dampfschifffahrt-Verbindung mit Ostindien um das Vorgebirge der guten
Hoffnung herum nahm in lezter Zeit einen großen Theil der Zeit und Forschungen des
Hrn. Grafen v. Dundonald, der sich ehemals als Lord Cochrane beruͤhmt machte, in Anspruch. Das
Resultat seiner Forschungen war, daß sich zwar der Dampf wegen des großen Raumes,
den die Maschinerie und der Vorrath an Brennmaterial beduͤrfen, fuͤr
so weite Seereisen nicht als Triebkraft eignet; daß sich aber eine andere
Triebkraft, welche nicht dieselben Hindernisse gewaͤhrt, ausfindig machen
laͤßt. Das neue Princip, auf welches der Graf hiebei kam, ist in
Kuͤrze folgendes.
Das Gleichgewicht schwerer Fluͤssigkeiten kann bekanntlich gestoͤrt
werden, und eben so bekannt ist, daß Fahrzeuge, welche auf der Oberflaͤche
einer bewegten See schwimmen, eine solche Stoͤrung des Gleichgewichtes
bewirken. Gesezt also, es werde an Bord eines Schiffes zur Erzielung einer
Triebkraft Queksilber, wovon ein Kubikfuß dem Gewichte nach 13 Kubikfuß Wasser
gleichkommt, angewendet; und zwar indem man in einem Gefaͤße Luft auspumpt,
in einem anderen hingegen comprimirt, so wird auf diese Weise ein mit Luft
gefuͤllter Raum und ein luftleerer Raum erzeugt werden, der dieselbe Wirkung
hervorbringt, wie aͤhnliche Raͤume, die durch die Erzeugung und
Verdichtung von Dampf erzeugt werden. Graf Dundonald
glaubt zwar nicht, daß man mit Huͤlfe dieser Mittel bei ruhiger See eine
Triebkraft erzielen koͤnne, allein er haͤlt sich bei seiner großen
Erfahrenheit in Gegenstaͤnden der Nautik fuͤr uͤberzeugt, daß
das Meer selten so ruhig ist, als daß man durch die Bewegung eines Fahrzeuges nicht
wenigstens die Kraft einer Atmosphaͤre gewinnen koͤnnte, und daß
manchmal sogar mehrere Atmosphaͤren gewonnen werden duͤrften.
Die nach dieser Methode comprimirte Luft kann durch die gewoͤhnlichen und
wohlbekannten Vorrichtungen, womit die atmosphaͤrischen Maschinen bisher betrieben
wurden, ausgedehnt und verdichtet werden. Es ist zwar wahr, daß diese
atmosphaͤrischen oder Luftmaschinen wegen der Groͤße der Pumpe, die
zum Comprimiren der Luft erforderlich ist, und wegen der zu ihrem Betriebe
noͤthigen großen Kraft noch zu keinen praktisch guͤnstigen Resultaten
fuͤhrten; allein in dem von Graf Dundonald
angenommenen Falle kann die atmosphaͤrische Luft auf die gewoͤhnliche
Weise durch eine sehr geringe Menge Brennmaterial ausgedehnt und verdichtet werden,
Uebrigens ist die Anwendung von Brennmaterial nicht einmal durch- aus
nothwendig, weil eine doppelte Anzahl von Behaͤltern dieselben Dienste
leisten wird.
Wenn man sich auf einen Apparat dieser Art auch nicht ganz verlassen kann, weil er
bei vollkommen ruhiger See unthaͤtig ist, so kann man denselben doch in sehr
vielen und bei weitem den meisten Gelegenheiten zur Ersparung von Brennmaterial
benuzen. Graf Dundonald ist vollkommen uͤberzeugt,
daß keine Kraft, welche in einem Boote durch Dampf erzeugt werden kann, eine eben so
rasche Durchkreuzung des Oceans hervorbringen koͤnne, als wie sie durch diese
Compression der atmosphaͤrischen Luft bewerkstelligt wird. Wenn das Fahrzeug
z.B. 1400 Tonnen Ladung hat, so wird das Gewicht des Rumpfes gewoͤhnlich eben
so hoch angeschlagen. 7 1/2 Tonnen Queksilber, die mit einer Geschwindigkeit von 220
Fuß in der Minute bewegt werden, kommen 100 Pferdekraͤften gleich; die
Pferdekraft einer Maschine wird auf 33,000 Pfd. angeschlagen, welche per Minute einen Fuß hoch gehoben werden; und die Kraft,
die zur Erzielung dieser oder irgend einer anderen Wirkung von gleichem Werthe
erforderlich ist, wird eine Pferdekraft genannt: so daß also 33,000 Pfd. getheilt
durch die Geschwindigkeit bei jeder Geschwindigkeit die vergleichsweise Kraft geben
werden. Graf Dundonald ist der Meinung, daß 150 Pfd.,
welche mit der Geschwindigkeit von 220 Fuß in der Minute bewegt werden, ein
Aequivalent der eben angegebenen, auf einen Fuß gehobenen Quantitaͤt sind. 7
1/2 Tonnen Queksilberdruk sind daher der effektiven Kraft einer Maschine von 100
Pferdekraͤften, welche 15,000 Pfd. Wasser auf die Hoͤhe von 220 Fuß
hebt, gleich, und mithin werden 15 Tonnen Queksilberdruk erforderlich seyn, um
dasselbe zu leisten, wie eine Maschine von 200 Pferdekraͤften. Dazu muß aber
noch jene Quantitaͤt Queksilber gerechnet werden, welche in den die beiden
Behaͤlter mit einander verbindenden Canaͤlen enthalten ist, so daß
also die ganze Quantitaͤt zu 20 Tonnen angeschlagen werden muß;
uͤbrigens wird vorgeschlagen, diese Quantitaͤt noch zu verdoppeln, um
selbst bei ruhigerer See noch eine gehoͤrige Compressivkraft zu erhalten.
Diese 40 Tonnen werden
auf die Bewegung eines Fahrzeuges, welches beilaͤufig 2800 Tonnen wiegt und
faßt, kaum eine merkliche Wirkung haben, und wer je gesehen hat, mit welcher
Leichtigkeit große Fahrzeuge ungeachtet ihrer außerordentlichen Schwere auf dem
Oceane wogen, wird wohl einsehen und wissen, wie selten die erforderliche
Quantitaͤt Queksilber von der einen Seite zur anderen bewegt werden wird,
wobei dasselbe so viel als in seiner Kraft ist, dazu beitragen wird, das um
angenehme und nachtheilige Schaukeln des Fahrzeuges zu maͤßigen.
Ebendieselben Individuen werden ferner auch uͤberzeugt seyn, daß ein
Maͤngel von rollenden Wogen nicht oft einen Maͤngel an Triebkraft
erzeugen wird.
Die mit dem Queksilberapparate versehenen Fahrzeuge koͤnnen auf die
gewoͤhnliche Weise mit Segeln ausgestattet werden. Man hat hier weder mit
Rauch, noch mit Feuer zu thun, und uͤberhaupt wird man an diesen Fahrzeugen
von Außen nicht den geringsten Unterschied von den gewoͤhnlichen bemerken.
Der Preis des Queksilbers ist zwar hoch, indem derselbe beilaͤufig 200 Pfd.
Stell, per Tonne betraͤgt; allein, wenn man
erwaͤgt, daß eine Dampfmaschine von 200 Pferdekraͤften innerhalb 12
Monaten fuͤr 14,000 Pfd. Sterl. Kohlen verbraucht, und daß die ganze
Quantitaͤt Queksilber, welche erforderlich ist, um ein Fahrzeug nach Graf Dundonald's Plan fuͤr immer mit Triebkraft
auszustatten, nicht mehr kostet, als der Kohlenbedarf, den die Dampfmaschine in 9
Monaten verbraucht, so wird man finden, daß der Gewinn hiebei außerordentlich ist.
Verlust an Queksilber kann sich moͤglicher Weise nur ein sehr geringer
ergeben, indem die in den Behaͤltern befindliche Luft immer in denselben
eingeschlossen bleibt.
Graf Dundonald berechnet, daß eine Fregatte von 38 Kanonen
bei einem Aufwogen der See in einer Minute 3 1/2 doppelte, d.h. 7 halbe Rollungen
macht; abgesehen von diesen rechnet er aber auch noch, daß er 100 Umdrehungen des
Ruderrades oder in der That eine beliebige Anzahl von Umdrehungen erhaͤlt.
Denn obschon jedes Rollen nur einen luftleeren Raum erzeugen kann, indem nur eine
Compression Statt findet, so laͤßt sich doch jede beliebige Anzahl von
Compressionen anwenden, und jede Anzahl von einzelnen Vacuums erzielen. An der
koͤnigl. Muͤnze, wo man bekanntlich mit einer Vacuumkraft arbeitet,
betraͤgt die Zahl der Hube, welche die große Maschine macht, nur 20 per Minute, waͤhrend die kleinen pneumatischen
Maschinen, die durch erstere in Bewegung gesezt werden, deren 100 machen. Der
Apparat des Grafen Dundonald wuͤrde auf dieselbe
Weise arbeiten.