Titel: | Ansichten verschiedener französischen Fabrikanten über den gegenwärtigen Zustand ihres Industriezweiges in Frankreich, und über die Folgen der Aufhebung des Prohibitivsystemes für ihre Fabriken. |
Fundstelle: | Band 55, Jahrgang 1835, Nr. LV., S. 307 |
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LV.
Ansichten verschiedener franzoͤsischen
Fabrikanten uͤber den gegenwaͤrtigen Zustand ihres Industriezweiges in
Frankreich, und uͤber die Folgen der Aufhebung des Prohibitivsystemes fuͤr
ihre Fabriken.
Im Auszuge aus dem Temps und Moniteur universel.
(Fortsezung von Heft 2, S. 155.)
Gegenwaͤrtigen Zustand einiger Industriezweige in
Frankreich.
IV. Ueber die Tuch- und
Wollenwaaren-Fabrikation.
3. Aussagen des Hrn. Victor
Rondoing, Tuchfabrikanten zu Abbeville und Abgeordnetem der dortigen
Handelskammer.
Fr. Wie hoch belaͤuft sich die Tuchfabrikation
Abbeville's? – A. Ich bin der einzige Tuchfabrikant daselbst. Meine
Fabrik, in der ein Capital von 1 1/2 bis 2 Mill. Fr. stekt, erzeugt
jaͤhrlich fuͤr 1,400,000 Fr. Waare, und arbeitet mit einem
Betriebscapital von 1,200,000 Fr. Wegen der langen Zahlzeit, die wir den
Tuchhaͤndlern und Schneidern, an welche wir direct verkaufen, zugestehen
muͤssen, beduͤrfen wir eines so hohen Betriebskapitals.
Fr. Wie viel Tuch koͤnnen Sie erzeugen, zu
welchen Preisen, und aus welcher Wolle? – A. Meine Fabrik erzeugt
jaͤhrlich gegen 60,000 Ellen Tuch, dessen Preis von 17, 18 bis zu 30 Fr. die Elle
wechselt; manchmal, jedoch selten, erzeugen wir auch Tuch, welches 35 Fr. die
Elle gilt. Wir verarbeiten gewoͤhnlich Wolle aus der Beauce und aus der
Brie, welche vortrefflich ist; auch mit deutscher Wolle arbeiten wir, doch sind
unsere Maͤrkte nicht gehoͤrig mit dieser Sorte versehen. Der
mittlere Preis des Kilogramm gewaschener Wolle betrug in den lezten 18 Monaten
11 Franken.
Fr. Welchen Einfluß hatte Ihrer Ansicht nach der auf
die fremden Wollen gelegte Einfuhrzoll von 30 Proc.? – A. Ich habe diese
Frage in einer eigenen von mir herausgegebenen Schrift abgehandelt, und erlaube
mir hieraus Folgendes auf diesen Gegenstand Bezuͤgliche vorzulesen.
„Bis zu der im Jahr 1825 eingetretenen Krise hatte jene zahlreiche
und nicht weit voraussehende Classe, welche von ihrer Arbeit lebt, so lange
der Arbeitslohn seinen hohen Stand beibehielt, einen ausgesprochenen Einfluß
auf den Verbrauch an den landwirtschaftlichen und industriellen Erzeugnissen
ausgeuͤbt. Die Erniedrigung des Lohnes wirkte zuerst nachtheilig auf
die lezteren und dann auch auf die ersteren zuruͤk; denn bei Abnahme
der Arbeit oder des Lohnes fuͤr dieselbe sinkt in allen Classen
allmaͤhlich und fortschreitend die Wohlfahrt. Aus dieser zweifachen
Verminderung des Verbrauches erfolgte nothwendig auch ein verminderter
Bedarf an Rohstoffen, und mithin ein merkliches Sinken in deren Preisen.
Unter diesen Umstaͤnden forderte die akerbautreibende Classe, die
sich beeintraͤchtigt fuͤhlte, von Seite der Staatsverwaltung
fuͤr einige ihrer Producte einen Schuz, der an Mißbrauch
graͤnzte. Zahlreich in den Kammern vertreten, und in damaliger Zeit
von großem Einfluͤsse auf die Minister, brachten es die großen
Guͤterbesitzer leicht dahin, daß man ihre Reklamationen bei einem
neuen Mauthgeseze zur Grundlage nahm; und so kam es denn, daß das
Schlachtvieh, die Wolle und andere Producte, die wir bisher zum Theil von
unseren oͤstlichen und suͤdlichen Nachbarn bezogen, uns
entweder gar nicht mehr, oder nur mit Muͤhe zukamen, indem sie mit
einem Zolle belegt worden waren, der beinahe einem Verbote gleichkam. Dieses
System, welches man gegen die allgemeinen Interessen des Landes und selbst
gegen die speciellen Interessen derjenigen einfuͤhrte, die dasselbe
hervorriefen, fuͤhrte bald zu Repressalien, deren Opfer sowohl die
Landwirthschaft als die Industrie wurde. Denn, wie schon gesagt, gehen diese
beiden Saͤugmuͤtter des Staates sowohl im Gluͤk als
Ungluͤk Hand in Hand; und man mag wie Sully die Landwirthschaft obenan sezen, oder mit Colbert der Industrie den Vorrang
einraͤumen, so wird, man mag zu Gunsten der Landwirthschaft oder zu
Gunsten der Industrie eine Maßregel ergreifen, diese, wenn sie wahrhaft
nuͤzlich ist, nicht verfehlen auf beide Zweige ihren
wohlthaͤtigen Einfluß zu aͤußern. In unserem Falle wurde in
Folge desselben Principes, allein in entgegengeseztem Sinne, ein Theil des
neuen Mauthgesezes, obschon er dem Schein nach der Landwirthschaft
guͤnstig war, derselben dennoch nachtheilig, weil er dem Absaze
unserer Industrieproducte noch groͤßere Hindernisse brachte, als ihm
ohnedieß schon im Wege standen. Ich will versuchen die Richtigkeit dieser
meiner Behauptung klar ins Licht zu sezen. So lange sich die Zoͤlle,
womit die fremden Rohstoffe belegt waren, auf einem hohen, aber doch
erreichbaren Grade erhielten, hatte sich zwischen den producirenden
Laͤndern und uns ein Tauschhandel ausgebildet, der um so mehr zu
unserem Vortheile war, als wir die Rohstoffe, die wir bezogen, mit unseren
Erzeugnissen bezahlten, und auf diese Weise den Arbeitslohn hereinbrachten,
und auch noch fuͤr die Fabrikation einen ansehnlichen Gewinn
sickerten. In Folge des Prohibitivzolles, der im Jahr 1826 auf die Einfuhr
der Rohstoffe gelegt wurde, wurden diese unsere Verbindungen mit
Voͤlkern, die beinahe kein anderes Mittel hatten mit uns in Verkehr
zu bleiben, unterbrochen. Von unserem Boden zuruͤckgestoßen, wendeten
sie natuͤrlich ihre Blike auf andere Laͤnder, in welchen man
den reichen Tribut, den wir zuruͤkwiesen, freudig in Empfang nahm;
und wenn es nun auch wahr geworden ist, daß wir nichts aus dem Auslande
beziehen, so ist es eben so wahr, daß wir auch nichts dahin versenden. Wenn
daher die Landwirthschaft bereits fruͤher gegen die
Ruͤkwirkungen der ersten industriellen Krisen zu kaͤmpfen
hatte, so mußte sie natuͤrlich um so empfindlicher die Folgen einer
neuen von ihr selbst unkluger Weise hervorgerufenen Krise verspuͤren.
Kaum waren auch unsere Verbindungen mit dem Auslande unterbrochen, als sich
die Production unserer Fabriken, die fruͤher auf einen Absaz
berechnet war, welcher uns nunmehr entging, sogleich verminderte; die
notwendige Folge hievon war Mangel an Arbeit, mithin verminderte Consumtion
im Inneren, und daher nothwendig ein neues Sinken der
Landesproducte.“ Meine Ansicht ist daher die, daß uns der Zoll
von 30 Proc. unseren Absaz nach Wuͤrtemberg, Bayern und Spanien raubte,
und daß die Verminderung unserer Ausfuhr diesem Zolle zuzuschreiben ist.
Fr. Welche Wirkung hatte Ihrer Ansicht nach die
Ordonnanz vom 8 Julius, durch welche der Zoll um 11 Proc. ermaͤßigt
wurde? – A. Es ist schwer den bisherigen Erfolg dieser Maßregel zu
bemessen, denn die deutschen Wollen liegen in Magazinen, in denen sie von
Spekulanten zuruͤkgehalten werden, aufgespeichert, und aus Spanien
koͤnnen wir gegenwaͤrtig wegen der Cholera keine Wolle beziehen.
Uebrigens bin ich folgender Ansicht: wenn die Herabsezung des Zolles unseren
Verkehr mit dem Auslande belebt, so werden wir dabei gewinnen, und ebendeßhalb
wird auch der Akerbau dabei gewinnen. Wenn aber Spanien dieser Herabsezung der
Zoͤlle ungeachtet uns keine Zugestaͤndnisse macht; wenn Preußen
fortfaͤhrt alle Laͤnder, uͤber die es seine Hand ausstrekt,
mir seinem Mauthneze zu umgarnen, so wird die Verminderung des Zolles
fuͤr uns nur wenig Erfolg haben.
Fr. Sie werden doch wenigstens die Rohstoffe zu
besseren Bedingungen erhalten, und dieß wird fuͤr den inneren Verkehr von
wesentlichem Nuzen seyn? – A. Allerdings, allein wozu wird uns alles dieß
helfen, wenn unsere Ausfuhr nicht zunimmt? Ich muß hiebei immer wieder auf das
Ausland zuruͤkkommen, denn nur von dieser Seite her duͤrfen wir
eine Erhoͤhung der Consumtion erwarten, auf der doch allein die
Vermehrung des Wohlstandes beruht.
Fr. In welchem Verhaͤltnisse stehen die Kosten
der uͤbrigen Substanzen, des Oehles, des Indigo und der uͤbrigen
Farbstoffe, zu dem Gestehungspreise der Tuͤcher, im Vergleiche mit dem
englischen oder belgischen Gestehungspreise? – A. Unsere eigentlichen
Rivalen sind nicht sowohl die Englaͤnder, sondern vielmehr die Belgier,
und diese will ich bei meinem Vergleiche zum Grunde legen. Man erlaube mir
zuerst die Berechnungen des Hrn. Bacot von Sedan, der
zu einer groͤßeren Differenz gelangte, als ich, anzufuͤhren. Nach
dessen Angaben kommt naͤmlich das Kilogramm Wolle in Belgien um 23 Proc.
wohlfeiler zu stehen, als in Frankreich:
Davon die Haͤlfte genommen,
gibt
11
Procent.
Der Arbeitslohn ist um 26 Proc.
niedriger, davon die Haͤlfte
13
–
Der Unterschied in den Interessen des
Geldes betraͤgt
2
–
Eine Anstalt, welche in Frankreich
500,000 Fr. kosten wuͤrde, kostet in Belgien nur 300,000
Fr., der Unterschied betraͤgt also
1 1/1
–
Der Unterschied im Preise der Kohlen
betraͤgt die ungeheure Summe von
2 1/2
–
––––––––––––
Gesammt-Differenz:
30
Procent.
per Kilogramm verarbeiteter Wolle. In meiner Fabrik
berechnet sich dieser Unterschied jedoch nur auf 20 bis 22 Procent.
Fr. Wie theuer zahlen Sie die Steinkohlen, und woher
beziehen Sie dieselben? – A. Ich bezahle den Hectoliter Steinkohlen,
welche ich bald von Anzin, bald von Mons auf dem Canale von Saint Quentin und
auf der Somme bis an die Thuͤre geschafft erhalte, zu 3 Fr. und 3 Fr. 25
Cent. Englische Steinkohlen habe ich nie benuzt, so daß ich daher nicht weiß, ob
sie uns conveniren wuͤrden. Der auf den Steinkohlen lastende Zoll von 33
Cent, ist unbedeutend; dagegen sind die Frachtkosten die Ursachen des hohen
Preises dieses Brennmateriales. Ich verbrauche taͤglich 22 bis 25
Hectoliter Kohle, und folglich jaͤhrlich fuͤr 24,000 Fr.
Fr. Welcher Unterschied besteht zwischen den
franzoͤsischen und englischen Maschinen? – A. Unsere Maschinen
sind um den dritten Theil, d.h. um 20 bis 50 Proc. theurer als die
englischen.
Fr. Die Fabrikanten von Elbeuf schlagen diesen
Unterschied doch weit geringer an, und erklaͤren ihn beinahe fuͤr
null und nichtig? – A. Ich schlug den Unterschied danach an, daß ich die
Zoͤlle und Transportkosten der fremden Maschinen als Basis nahm. Meine
Maschinen wurden in Frankreich gebaut, und erst in neuerer Zeit ließ ich mir aus
Aachen eine Scheermaschine kommen.
Fr. Wie viele Arbeiter beschaͤftigen Sie, und
in wie viele Classen theilen Sie dieselben? – A. Ich beschaͤftige
650 bis 700 Personen, und theile die Arbeiter in drei Classen. Der Arbeitslohn
der Maͤnner wechselt von 25 bis zu 40 Sous und betraͤgt demnach im
mittleren Durchschnitte 32 Sous. Die Weiber verdienen taͤglich 15 bis 25,
und die Kinder 10 bis 15 Sous.
Fr. Hat der Arbeitslohn in einer bestimmten Reihe von
Jahren große Schwankungen erfahren, und sichert er den Arbeitern ein
gehoͤriges Auskommen? Wie viele Stunden wird bei Ihnen gearbeitet?
– A. Der Arbeitslohn blieb bei uns so ziemlich gleich; unsere Lage ist
unter guͤnstigen Umstaͤnden daher besser, unter
unguͤnstigen Umstaͤnden hingegen schlechter, als jene anderer
Fabriken. Im Jahr 1830 z.B. behielten wir alle unsere Arbeiter bei. Da unsere
Arbeiter im Allgemeinen maͤßig und ordentlich leben, so finden sie bei
uns ihr gehoͤriges Auskommen. Wir haben uͤbrigens in neuerer Zeit
auch eine Sparcasse errichtet, von der wir uns segensreiche Resultate
versprechen. Die Zahl der Arbeitsstunden belaͤuft sich bei uns auf
13.
Fr. Fuͤhren Sie von Ihren Fabrikaten etwas
aus? – A. Nur sehr wenig; allein im Inneren von Frankreich finden
dieselben uͤberall Absaz.
Fr. Geschah der Verkauf seit dem vergangenen Jahre
unter guͤnstigen Umstaͤnden, und welche Handelskrisen hatten Sie
im Laufe der lezten Jahre zu bestehen? – A. Unser Absaz war bis zum
lezten Junius ziemlich gut; seither zeigte sich aber eine große Abnahme
desselben. Der Preis der Wolle ist sehr schwankend, und wir fuͤrchten daher eine
Anhaͤufung von Fabrikaten. Die erste Handelskrisis hatten wir im Jahr
1818, in welchem viele Tuchfabriken errichtet wurden, und wo durch den
Ueberschuß der Fabrikation ein Stoken der Geschaͤfte eintrat, zu
bestehen; eine zweite und dritte folgte in den Jahren 1821 und 1830.
Fr. Welches ist der Durchschnittspreis Ihrer
Fabrikate und welche Zahlungsfrist und Skontro gestatten Sie? – A. Ich
fabricire Tuch im Preise von 18 bis zu 30 Fr.; der Mittelpreis betraͤgt
jedoch 22 bis 23 Fr. Unsere Facturen lauten zwar auf 6 Monate; allein im
Allgemeinen ist die Zahlungsfrist laͤnger, und mehr als der dritte Theil
unserer Geschaͤfte wird auf 12 und selbst 14 Monat Zeit gemacht. Dieß ist
jedoch ein Verkaufssystem, welches uns eigen ist; denn wir wenden uns ohne
Dazwischenkunft der Großhaͤndler direct an die Detailhaͤndler.
Fr. Fuͤhren Sie von Ihrem Tuche aus, und wie
hoch belaͤuft sich die Ausfuhr? – A. Ich fuͤhrte Tuch nach
Baden aus, allein mit dem Januar 1835 wird diese Ausfuhr wegen des preußischen
Zollvereines wohl aufhoͤren. Unsere Ausfuhr geht daher vorzuͤglich
nach der Schweiz und zum Theil auch nach Piemont; wir machen gegenwaͤrtig
auch einen Versuch der Ausfuhr nach Triest, Rom und Livorno. Die Gesammtausfuhr
mag sich auf 250,000 Fr. oder beilaͤufig auf
den siebenten Theil unserer Fabrikation belaufen.
Fr. Fuͤhren Sie auch nach Belgien Tuch aus?
– A. Ich will mich auch in dieser Hinsicht ohne Hinterhalt aussprechen.
Die Mode und die Neuheit mochten bewirken, daß in Belgien so wie
anderwaͤrts gewisse Sorten franzoͤsischer Tuͤcher gesucht
waren; ich gestehe daher, daß wir gegen eine Praͤmie von 10 Procent
Tuͤcher nach Bruͤssel und Antwerpen schmuggelten; deren
Quantitaͤt war jedoch nur sehr gering.
Fr. Koͤnnen Sie uns den Gang angeben, den Ihr
Industriezweig seit dem Jahr 1816 nahm? – A. Die ersten Fortschritte
unserer Fabrikation aͤußerten ihre Wirkung hauptsaͤchlich auf den
Arbeitslohn, welcher bedeutend sank. Die Scheermaschinen wurden z.B. so
vereinfacht und vervollkommnet, daß eine derlei Maschine gegenwaͤrtig 60
Personen ersezt. Tuch, welches wir fruͤher zu 40 und 42 Fr. verkauften,
koͤnnen wir gegenwaͤrtig selbst von besserer Qualitaͤt zu
22 und 23 Fr. geben, und fuͤr Tuch, welches wir jezt zu 18 Fr. liefern,
erhielten wir fruͤher 30 Fr.
Fr. Hat Ihre Produktion zugenommen? – A. Nein,
und zwar aus dem Grunde, weil unser Absaz zu beschraͤnkt ist. Die innere
Concurrenz hindert eine groͤßere Zunahme der Fabrikation; namentlich thut
uns Elbeuf, welches einen großen Aufschwung nahm, und welches vor uns den Vorzug
eines Marktes voraus hat, großen Eintrag.
Fr. Nach andern Aufschluͤssen, die uns gegeben
wurden, waͤre der Unterschied zwischen den franzoͤsischen und
auswaͤrtigen Fabrikaten nicht so bedeutend, als wie Sie ihn angaben?
– A. Die Thatsachen sind doch klar; in Hinsicht auf den Preis der
Rohstoffe findet zwischen uns und Belgien ein Unterschied von 22, und in
Hinsicht auf den Arbeitslohn von 26 Proc. Statt; und was den Verkaufspreis
betrifft, so sind auch hierin die belgischen Fabriken im Vortheile. In Belgien
sammelte sich naͤmlich das Vermoͤgen schon seit langer Zeit in
gewissen Familien an; der Sohn folgte immer seinem Vater, und an Capitalien gibt
es daher einen großen Ueberfluß. Hr. Ingler, ein
reicher belgischer Fabrikant, der an der Spize einer großen Anzahl von
Fabrikunternehmungen verschiedener Art steht, versicherte mich, daß er sich sehr gluͤklich
schaͤze, wenn er von seinen Capitalien 4 1/2 Proc. Interessen gewinnen
koͤnne. In gleichem Falle befindet sich das Haus Bioley und Simonis, welches sich
hauptsaͤchlich von franzoͤsischem Gelde bereicherte, und dessen.
Schaͤze durch Aufhebung des Einfuhrverbotes nur noch zunehmen
wuͤrden.
Fr. Die franzoͤsische Ausfuhr ist doch
ziemlich bedeutend, denn sie belief sich im Jahr 1832 auf 18 Millionen. Wie
waͤre dieß moͤglich, wenn sich Frankreich im Vergleiche mit andern
Laͤndern unter so unguͤnstigen Fabrikationsverhaͤltnissen
befaͤnde? – A. Dieß laͤßt sich leicht erklaͤren. Ich
habe so eben gesagt, daß die Neuheit und die Mode eine kleine Ausfuhr unserer
Tuͤcher nach Belgien erzeugt; es ist daher nicht zu wundern, wenn aus
denselben Gruͤnden auch auf andere Maͤrkte etwas von unseren
Fabrikaten gezogen wird. Uebrigens genießen die franzoͤsischen
Tuͤcher einen gewissen Ruf; sie stehen zwar an aͤußerem Ansehen
hinter den englischen Tuͤchern zuruͤk, allein sie tragen sich
besser, und werden daher in einigen Laͤndern diesen vorgezogen. In der
Schweiz z.B., wo ich mich eben befand, als die gegenwaͤrtige
Handelsuntersuchung zur Sprache kam, will man keine englischen Tuͤcher
mehr; allein die Schweizer sind auch unsere Nachbarn und Alliirten, die gern mit
uns in Verbindung bleiben. Dieß ist jedoch immer noch keine Ausfuhr von Belang;
denn was sind 18 Millionen Franken fuͤr ein Land wie Frankreich, und was
sind sie vollends, wenn man sie mit der Ausfuhr Englands und Belgiens
vergleicht! Sie sind nichts weiter als das Resultat der Phantasie der Bewohner
einiger Winkel unserer Erde.
Fr. Wenn diese geringe Ausfuhr jedoch constant ist,
so scheint es doch nicht, daß sie durch die Mode allein bewirkt werde? –
A. Wenn unsere Ausfuhr fortwaͤhrt, so liegt der Grund
hauptsaͤchlich darin, daß wir fuͤr unsere Tuͤcher fremde
Rohstoffe in Tausch annehmen.
Fr. Glauben Sie, daß unsere Fabriken mit einem auf
die fremden Tuͤcher gelegten Schuzzolle auf unseren eigenen
Maͤrkten Concurrenz halten koͤnnen? – A. Die Consumtion
Frankreichs ist beschraͤnkt, wir koͤnnen dieselbe nicht erweitern,
und wenn man auch die erwaͤhnte Maßregel traͤfe, so wuͤrde
unsere Ausfuhr in deren Folge dennoch nicht zunehmen. Welchen Zoll man daher
auch immer auf die fremden Tuͤcher legen mag, so wird die Erlaubniß der
Einfuhr unseren Fabriken dennoch immer nachtheilig bleiben. Unser Verbrauch im
Inneren muß zwar im Verhaͤltnisse der Zunahme der Bevoͤlkerung
steigen; allein diese Zunahme ist nicht sehr merklich, so zwar, daß sich unsere
Produktion in den lezten zwei Jahren um gar nichts vermehrte.
Fr. Welches wuͤrden Ihrer Ansicht nach die
Folgen seyn, wenn man das Einfuhrverbot durch einen Schuzzoll ersezen
wuͤrde? – A. Wenn Sie mich unter den gegenwaͤrtigen
Verhaͤltnissen lassen, so kann ich diese Frage nicht loͤsen; denn
wie groß auch der Schuzzoll seyn mag, so wird uns die Aufhebung der
Einfuhrverbote schaden. Man verlangt von uns ein Opfer, ohne uns eine
Entschaͤdigung dafuͤr zu geben; denn in dem vorgeschlagenen Zolle
kann ich keinen Schuz, sondern nur eine unkluge Maßregel erbliken.
Fr. Sie werden doch nicht annehmen, daß das
Prohibitivsystem ewig dauern muͤsse; wir haben nicht das Wohl der
Tuchfabrikanten allein, sondern jenes von ganz Frankreich zu
beruͤksichtigen? – A. Ich wuͤnschte sehr, daß es
moͤglich waͤre, das Einfuhrverbot durch einen Zoll zu ersezen;
allein ich muß bemerken, daß unsere Industrie mit anderen in Verbindung steht,
und daß ein Schlag,
der sie treffen soll, nothwendig auch auf die anderen zuruͤkwirken muß.
Ich spreche aus diesem Grunde nicht bloß im Interesse der Tuchfabriken. Die
Frage scheint, so wie sie gegenwaͤrtig gestellt ist, nur die
Fabrikationsproducte im Auge zu haben; ich betrachte dieselbe hingegen von einem
ganz anderen Gesichtspunkte. Nach meiner Ansicht muß der Schuz je nach den
Auflagen, die auf den verschiedenen Industriezweigen lasten, stufenweise
vertheilt werden. So gibt es z.B. einige Rohstoffe, von denen man so wenig Zoll
als moͤglich fordern soll, und einige andere Producte, welche, obschon
sie sich nicht im vollkommen rohen Naturzustande befinden, dennoch nur einen
geringen Zoll bezahlen sollten, weil sie zum Betriebe verschiedener ausgedehnten
Fabriken erforderlich sind. Einen großen Schuz fordern jedoch jene Fabrikate,
welche hauptsaͤchlich aus inlaͤndischen Rohstoffen verfertigt
werden, und dabei eine große Anzahl von Menschen naͤhren, wozu z.B. die
Tuͤcher gehoͤren. Wenn die Tuchfabrikation durch hohe
Zoͤlle auf die zu ihr nothwendigen Rohstoffe beschraͤnkt wird, so
schadet man den Wollenzuͤchtern und folglich wird auch die
Landwirthschaft selbst dadurch beeintraͤchtigt werden. Man muß die Frage
daher sowohl von dem industriellen, als von dem landwirthschaftlichen
Standpunkte aus betrachten.
Fr. Sie werden wohl einsehen, daß es sich
gegenwaͤrtig nicht darum handelt Ihnen den Schuz, dessen Sie
beduͤrfen, zu entziehen, sondern um die Erforschung einer Maßregel,
welche die Interessen des Producenten so gut als moͤglich mit jenen des
Consumenten in Einklang bringt, und welche den Interessen der Mehrzahl am
meisten entspricht? – A. Ich wuͤrde gern in eine Maßregel, die die
Gestehungskosten verminderte, einstimmen, wenn fuͤr andere
Industriezweige kein Nachtheil daraus erwuͤchse. Man muͤßte also
zuerst die Consumtion erhoͤhen, wo wir dann den Ueberschuß mit dem
Auslande theilen wuͤrden.
Fr. Die Regierung will, wie Sie nicht zweifeln
werden, mit großer Klugheit und Vorsicht zu Werke gehen. Alles, was sie
gegenwaͤrtig bezwekt, beruht auf Erzielung eines Mittels, wodurch die
Fabrikation in Frankreich so angeregt wuͤrde, daß die
franzoͤsischen Fabriken die Concurrenz des Auslandes nicht mehr zu
fuͤrchten brauchten? – A. Wenn man die Frage so stellt, und
angenommen, daß andere hiemit in Verbindung stehende Interessen dadurch nicht
beeintraͤchtigt wuͤrden, so wuͤrde ich meinerseits mich auf
die Wechselfaͤlle der Concurrenz einlassen. Ich bin kein absoluter
Anhaͤnger des Prohibitivsystemes; allein ich verlange, daß man uns vorher
bessere Arbeitsbedingungen schaffe, damit wir, wenn der Tag des Wettstreites
kommt, mit gleichen Waffen auftreten koͤnnen. So lange ich fuͤr
meine Fabrikate nur einen beschraͤnkten Absaz habe, und so lange man mich
nicht von den Fesseln, die mich an einer Erweiterung desselben hindern, befreit,
kann ich den Kampf mit einer freieren Production nicht aufnehmen.
Fr. Welches sind denn die Fesseln, uͤber die
Sie sich zu beklagen haben? – A. Ich sprach oben von einem Unterschiede
von 20 bis 22 Proc. im Vergleiche mit den belgischen Producten; in Sedan
schlaͤgt man diesen Unterschied selbst zu 30 Proc. an. Machen Sie daher
vor Allem, daß auch wir um 20–30 Proc. wohlfeiler fabriciren
koͤnnen.
Fr. Sollen wir hieraus schließen, daß, wenn das
Einfuhrverbot durch einen Zoll von 20–30 Proc. ersezt wuͤrde, Sie
keinen Schaden dabei erleiden wuͤrden? – A. Nein, ich
wuͤrde gewiß einen unendlichen Schaden dabei erleiden; denn in
dergleichen commerciellen Wettkaͤmpfen tragen die großen Capitalien den
Sieg davon. Das Haus Bioley besizt ein
Vermoͤgen von 22 Millionen Franken, und viele andere belgische
Fabrikanten besizen 6–7 Mill. Fr.; sie koͤnnten daher, wenn sie
sich mit einander zu einem augenbliklichen Opfer verbaͤnden, unsere
Maͤrkte leicht so uͤberschwemmen, daß unsere Fabriken dadurch
ruinirt waͤren.
Fr. Da die Consumtion in Frankreich beinahe an 200
Mill. Fr. betraͤgt, so scheint es, daß außerordentlich große Opfer
erforderlich waͤren, um zu dem von Ihnen angedeuteten Resultate zu
gelangen? – A. Und doch bin ich uͤberzeugt, daß sich die Belgier
zu einem solchen Schritte entschließen wuͤrden, indem sie gewiß seyn
wuͤrden, ihren Verlust nach dem Ruine unserer Fabriken in Kuͤrze
wieder zu ersezen. Uebrigens habe ich die Frage nur von Einem Gesichtspunkte aus
betrachtet. Wer wuͤrde die belgische Regierung, die sich erst zu
befestigen suchen muß, hindern, 20 bis 30 Mill. Fr. an Praͤmien zu
opfern, um dadurch die Ausfuhr der belgischen Producte nach den
franzoͤsischen Maͤrkten zu beguͤnstigen?
Fr. Es scheint sehr zweifelhaft, daß die belgische
Regierung zu einem solchen Zweke uͤber 20 bis 30 Mill. Fr.
verfuͤgen koͤnnte oder wollte. Wenn uͤbrigens gegen alles
Erwarten eine solche Maßregel ergriffen werden sollte, so wuͤrde die
franzoͤsische Regierung dagegen solche Wege einzuschlagen wissen, die
deren Erfolg neutralisiren wuͤrden. Erlauben Sie mir Ihnen zu bemerken,
daß sie, was ganz natuͤrlich ist, bisher in Betreff der in Ihrer
Industrie stekenden Capitalien immer von einer vorgefaßten Meinung eingenommen
waren, und daß die Regierung die Sache von einem allgemeineren Gesichtspunkte
aus betrachten muß. Sie muß bei dem Conflicte der Interessen einem jedem
derselben gehoͤrig Gerechtigkeit widerfahren lassen. Ich frage Sie, ob im
Falle der Beibehaltung des Einfuhrverbotes gegen fremdes Tuch der Landmann nicht
eben so gut das Recht haͤtte, ein Verbot der fremden Wollen zu fordern;
und dieses wuͤrde Ihnen doch gewiß sehr unangenehm seyn, indem Sie dann
der Ausfuhr Ihrer Fabrikate ganz entsagen muͤßten? – A. Die
Ausfuhr ist gegenwaͤrtig im Vergleiche mit der Masse unserer Producte so
gering, daß wir durch ein Aufhoͤren derselben nicht sehr viel verlieren
wuͤrden. Wuͤrde auch die fremde Wolle verboten, so wuͤrde
doch die Wollenproduction Frankreichs unsere Fabriken hinreichend
bethaͤtigen. Uebrigens muß ich hier abermals auf das Dilemma
zuruͤkkommen: entweder ist der Zoll, den man statt des Verbotes
einfuͤhren will, illusorisch, und warum beunruhigt man uns dann in diesem
Falle unnoͤthiger Weise? Oder die Maßregel wird ihre natuͤrliche
Folge haben, und wenn 100 Stuͤcke Tuch eingefuͤhrt werden, so
koͤnnen eben so gut deren 1000 und 10,000 eingefuͤhrt werden und
die Folge wird seyn, daß man in einigen Jahren in unsere Fabriken eine endlose
Verwirrung gebracht haben wird, ohne irgend einen Ersaz dafuͤr geschaffen
zu haben.
Fr. Diese unangenehmen Folgen wuͤrden sich nur
ergeben, wenn der Zoll schlecht berechnet wuͤrde. Gesezt aber der Zoll
waͤre gehoͤrig berechnet, und er wuͤrde vollkommen erhoben,
so scheint es mir, daß Sie sich nicht zu beklagen haben duͤrften?
– A. Welchen Zoll man auch an die Stelle des Einfuhrverbotes sezen mag,
so wird derselbe doch immer Anlaß zur Schmuggelei geben, gegen die man keine
Hausdurchsuchungen mehr wird vornehmen koͤnnen.
Fr. Dagegen muß ich Ihnen bemerken, daß mittelst
Beisezung einer Marke auf die verzollten Tuͤcher die Visitation im Innern
dennoch fortwaͤhrend moͤglich seyn wuͤrde, so daß die
Garantien, welche die gegenwaͤrtigen Zollgeseze gewaͤhren, durch
die Aufhebung des Einfuhrverbotes nicht im Geringsten beeintraͤchtigt
werden wuͤrden. Dieß angenommen und wohl verstanden muß ich Sie
neuerdings fragen, ob Sie bei einem Schuzzolle von 30 Proc., der von dem Minimum
des Werthes erhoben wuͤrde, von der Concurrenz des Auslandes etwas zu
befuͤrchten zu haben glauben? – A. Ich muß auch hierauf antworten,
daß so lange wir uns in denselben Fesseln bewegen, wie bisher, wir uns selbst
auf einen Schuzzoll von 30 Proc. nicht einlassen duͤrfen.
Fr. Erklaͤren Sie sich noch ein Mal und genau
uͤber diese Fesseln. – A. Ich verstehe darunter
hauptsaͤchlich die Auflagen, welche unsere Rohstoffe vertheuern. Wenn es
moͤglich waͤre durch eine allmaͤhliche Verminderung der
Zoͤlle und der Transportkosten die Wolle, die Steinkohlen und die
Farbstoffe (ich will von dem Eisen nicht sprechen, weil ich nach der Maßregel,
fuͤr die man sich in Folge der lezten Untersuchung entschied, der Meinung
bin, daß das Eisen uns in Zukunft nicht theurer zu stehen kommen wird, als dem
Auslande), wenn es, sage ich, moͤglich waͤre, diese Substanzen auf
dieselben Preise zu bringen, auf denen sie im Auslande stehen; und wenn die
Interessen der Capitalien in Frankreich so weit herunter gebracht werden
koͤnnten, als wie sie in Belgien und England stehen, so wuͤrde ich
sehr gern in die Aufhebung des Einfuhrverbotes willigen.
Fr. Wuͤrden Sie denn nicht auch in diesem
Falle den Einbruch belgischer Fabrikate und dessen Folgen, die Sie vorhin
angaben, zu befuͤrchten haben? – A. Unter den Umstaͤnden,
unter denen wir uns gegenwaͤrtig befinden, kann ich nur weniger erzeugen;
allein, wenn unter der von mir angenommenen Hypothese die Verminderung des
Preises der Rohstoffe eine entsprechende Verminderung im Preise der Fabrikate
hervorgebracht haben wird, so wird eine Vermehrung der Consumtion Statt finden.
Dieser Ueberschuß an Consumtion oder Verbrauch nun wird uns von der fremden
Concurrenz streitig gemacht werden; und wenn sich diese dieses Ueberschusses
auch ganz bemaͤchtigen wuͤrde, so bliebe uns doch noch immer das
Feld der gegenwaͤrtigen Consumtion uͤbrig. Ich koͤnnte bei
einer staͤrkeren oder wenigstens gleichen Nachfrage die
Thaͤtigkeit in meiner Anstalt fortwaͤhrend unterhalten, und
brauchte die Erschuͤtterungen jener Krisen nicht zu fuͤrchten,
welche beinahe alle 4 Jahre in den Fabrikstaaten Statt finden, und welche mich
zwingen wuͤrden meine Fabrikation einzustellen, wenn sie mit ihrer ganzen
Gewalt auf mich zuruͤckwirken wuͤrde.
Fr. Sie sind also, so lange diese Bedingungen nicht
erfuͤllt sind, gezwungen, auf der Beibehaltung des Einfuhrverbotes zu
bestehen? – A. Ich muß mit Bedauern darauf bestehen, obschon ich nicht
blind an dem Einfuhrverbote haͤnge. Wenn es sich nur um das Aushalten des
Wettkampfes handeln wuͤrde, so wuͤrde ich mich bei meiner Jugend
und Thaͤtigkeit nicht scheuen mich darauf einzulassen. Allein die Frage
ist nicht so einfach; denn es handelt sich nicht um die Wohlfahrt einzelner
Individuen, sondern um jene eines großen Theils des Vaterlandes. Wenn ich das
Einfuhrverbot vertheidige, so geschieht dieß nicht bloß zum Schuze der
Tuchfabrikation, sondern einer großen Masse damit in Verbindung stehender
nationaler Interessen.
(Fortsezung folgt.)