Titel: | Verfahren den Torf zu behandeln, um daraus Paraffin zur Kerzenbereitung und andere Producte zu gewinnen; patentirt für Rees Reece, Chemiker in London, am 23. Januar 1849. |
Fundstelle: | Band 114, Jahrgang 1849, Nr. XI., S. 57 |
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XI.
Verfahren den Torf zu behandeln, um daraus
Paraffin zur Kerzenbereitung und andere Producte zu gewinnen; patentirt für Rees Reece, Chemiker in
London, am 23. Januar 1849.
Aus dem London Journal of arts, Sept. 1849, S.
96.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Ueber Reece's Verfahren Paraffin aus Torf zu gewinnen.
Die Erfindung besteht erstens darin, daß man den Torf in
einem Ofen mittelst eines Gebläses verbrennt, so daß man aus demselben brennbare
Gase nebst theerigen und anderen Producten erhält.
Fig. 25 ist
der Grundriß von zwei Oefen mit dem dazu gehörigen Apparat und Fig. 26 der senkrechte
Durchschnitt derselben. a, a sind die
Gebläse-Oefen, an ihrem oberen Theil mit Gußeisen gefüttert; b (Fig. 25) ist ein Rost
oder eine Reihe von Roststangen; c, c sind die
Gebläseröhren, um unter jeden Rost b Luft einblasen zu
können: der Druck des Windes soll 2 bis 2 1/2 Pfd. auf den Quadratzoll betragen.
Jeder Ofen ist oben mit einem Deckel versehen, welchen man aufzieht, wenn man den
Ofen beschickt. Dieß geschieht in Zwischenräumen, wobei man Sorge trägt, daß die
Beschickung nicht so tief sinkt daß sie ausgeht.
d, d sind Röhren, welche von dem oberen Theil jedes
Ofens ausgehen und in das im geschlossenen Trog e
enthaltene Wasser tauchen. f ist ein Rohr, welches den
geschlossenen Trog e mit einer Reihe von Röhren g verbindet, die in dem im Trog h enthaltenen Wasser eingetaucht sind und den Apparat zum Verdichten der
Producte beider Oefen bilden.
Die Gase kann man bei ihrem Austritt aus dem Verdichtungsapparat sammeln, um sie als
Heizmaterial zu verwenden. Die theerigen und anderen flüssigen Producte laufen in
einen geeigneten Behälter ab; erstere werden auf unten angegebene Weise zur
Gewinnung von Paraffin verarbeitet; aus letzteren kann man auf bekannte Art
Ammoniak, Holzgeist etc. darstellen.
Man kann sowohl kalten als heißen Wind in die beschriebenen Oefen leiten; wenn der
Torf aber viel Feuchtigkeit enthält, muß man heißen Wind anwenden.
Der zweite Theil der Erfindung betrifft die Bereitung des
festen und flüssigen Paraffins. Hiezu wird der Theer, welchen man auf oben
angegebene Weise (oder auf gewöhnliche Art mittelst Destillation) aus Torf erhielt,
zuerst vom Wasser befreit; man bringt ihn dann in eine Blase und destillirt die
Hälfte desselben über, aber bei keiner höheren Temperatur als gerade dazu
erforderlich ist; hernach wird der Rückstand in einen zweiten Recipient
überdestillirt. Die Producte in dem zweiten Recipient bestehen aus festem Paraffin,
flüssigem Paraffin (Paraffinhaltigem Theeröl?) und einer kleinen Menge flüchtiger
Kohlenwasserstoffe. Das feste Paraffin ist im Zustand von Krystallen, welche man von
dem flüssigen Paraffin mittelst Haarsieben trennt; dann werden die Krystalle
geschmolzen und in Formen gegossen, welche etwa 2 Zoll tief sind; die so erhaltenen
Kuchen werden wie Stearin gepreßt, um den flüssigeren Antheil daraus abzusondern.
Das harte Product hat eine dunkelgelbe Farbe; um ihm diese zu benehmen, wird es destillirt, das Uebergehende
in Formen gesammelt und die erhaltenen Kuchen werden dann in heißen Stearinpressen
ausgepreßt, wobei die Hitze aber 30° R. nicht übersteigen darf: sollte die
erste Destillation die Farbe nicht beseitigen, so wird der Proceß wiederholt. Nach
dem Entfärben wird das feste Paraffin geschmolzen und mit Wasser und freiem Dampf
gewaschen; das Product setzt man einige Tage der Einwirkung der Atmosphäre aus,
worauf es zur Kerzenbereitung tauglich ist.
Das flüssige Paraffin (paraffinhaltige Theeröl) wird einmal oder öfter destillirt, um
es zu entfärben; es kann dann in Lampen gebrannt werden.
Zusatz.
Bekanntlich hat Hr. Dr. v. Reichenbach zu Blansko im Jahr 1830 aus den öl- und theerartigen
Producten, die bei der trocknen Destillation von Holz erhalten werden, mehrere
merkwürdige Substanzen abgeschieden, von denen einer, das Paraffin, im Pflanzentheer in nicht unbedeutender Menge enthalten ist.
Das Paraffin (welches bloß aus Wasserstoff und Kohlenstoff, in denselben
Verhältnissen wie das ölbildende Gas besteht) ist eine krystallinische ganz weiße
Substanz, welche weder Geruch noch Geschmack besitzt; es fühlt sich fast wie
Wallrath an; es ist bildsam, ohne daß sich Stückchen desselben leicht wieder
vereinigen ließen. Bei gewöhnlicher Temperatur ist es nicht flüchtig; bei 35°
R. schmilzt es und bildet ein farbloses, durchsichtiges, ölartiges Liquidum; es
kocht bei höherer Temperatur und destillirt dann unverändert in weißen Dämpfen über.
An eine Kerzenflamme gehalten, schmilzt es ohne zu brennen; erhitzt man es in einem
Platinlöffel bis zur beginnenden Verdampfung, so kann es sich entzünden und brennt
mit weißer Flamme ohne Ruß oder Rückstand. Ein damit getränkter Docht brennt ohne
Geruch, wie eine Kerze; reibt man ungeleimtes Papier damit, so saugt es nichts davon
ein. Bei gewöhnlicher Temperatur macht es nicht wie das Fett Flecken. Sein spec.
Gewicht ist 0,870.
Das Terpenthinöl, Theeröl und Steinöl lösen es leicht schon in der Kälte auf. Der
absolute Alkohol löst davon wenig in der Kälte auf und der kochende nimmt nur 3 1/2
Proc. davon auf. – In chemischer Beziehung zeichnet sich das Paraffin durch
eine merkwürdige Indifferenz aus; Chlorgas, Kali und Natron im äzenden oder
kohlensauren Zustande,
Kalkhydratpulver etc. wirken gar nicht darauf ein. – Bienenwachs schmilzt, sich gut damit zusammen und bildet beim Gestehen
eine gleichartige Masse, aus der sich nichts absondert. Stearin schmilzt damit zusammen, wird beim Erkalten gleichartig, und
trennt sich nicht wieder; wenn das Stearin vorwaltet, so behält die Mischung die
Eigenschaft beim Festwerden krystallinisch zu werden. Schweinfett mengt sich geschmolzen damit, scheidet sich aber wieder beim
Gestehen des neuen Körpers im flüssigen Zustande ab, kann auch durch Löschpapier
davon wieder abgesondert werden, in das es einzieht.
Reichenbach sprach schon in seiner ersten Abhandlung über
das Paraffin die Ueberzeugung aus, daß ein Stoff der so günstige Eigenschaften in
sich vereinigt (aus dem so wohlfeilen Holztheer ausgeschieden und) ins gewerbliche Leben eingeführt werden wird;Schweigger-Seidel's Journal für Chemie und
Physik, 1830, Bd. LIX S. 459. er sagt: „Das Paraffin vereinigt in sich nicht nur eine Menge der
trefflichen Eigenschaften des Wachses, sondern übertrifft diese noch in manchen
Stücken, namentlich in Stärke des Widerstandes gegen die Einwirkung der
stärkeren Säuren und der ätzenden Alkalien. Es verspricht daher zu Tafelkerzen ein passendes, neues Material abzugeben;
dann könnte es zu Ueberzügen von Stoffen und Gefäßen, die Säuren Widerstand zu
leisten haben, zu Verpfropfungen, Verkittungen, Verschlüssen gute Dienste
leisten.Berzelius versuchte das Paraffin zum
Einschmieren von Glasstöpseln, bei starken Säuren und Alkalien,
anzuwenden; er fand aber, daß es zu diesem Zweck nicht die nöthige
Geschmeidigkeit besitzt, denn es breitet sich nicht über den Stöpsel
aus. (Lehrbuch der Chemie, 1839, Bd. VIII S. 563) Es ist ferner die Grundlage einer guten Reibungsschmiere und die gemeine
Bauernwagenschmiere, aus Theer bereitet, verdankt ihre Brauchbarkeit
hauptsächlich einer kleinen Menge darin enthaltenen Paraffins, welches in der
übrigen, nicht fettigen Masse vertheilt ist. Endlich entlehnt das schwarze
Schusterpech seine Fettigkeit und seine Eigenschaft, bei mäßiger Wärme in der
Hand zu erweichen, theils direct seinem Gehalt von Paraffin, theils den dessen
Verbindungen zukommenden Eigenschaften.“
Dasselbe technische Verfahren, welches Reece zur
Abscheidung des Paraffins aus dem Torftheer anwendet, hat
auch Reichenbach schon bei dem Holztheer
eingeschlagen;Schweigger-Seidel's Journal für Chemie und
Physik, Bd. LXI S. 289. er sagt: „Wenn das Paraffin in dem Pflanzentheer, besonders dem aus Buchenholz,
gut in die Enge getrieben war, so gelang es mir nicht selten, daraus, nachdem
ich gut erkalten ließ, mittelst Abfiltrirung des Oeles und bloßen Auspressens
des Rückstandes, unmittelbar das Paraffin gleich schneeweiß darzustellen, ohne
Weingeist anzuwenden.“
Im brittischen Hause der Gemeinen kam vor einiger Zeit Reece's Behandlung des Torfs zur Gewinnung von Paraffin als eine für
Irland wichtige Entdeckung zur Sprache.Polytechn. Journal Bd. CXIII S.
237. In der That dürfte auch nur auf dem von Reece
eingeschlagenen Weg die Verwerthung der ungeheuren irischen Torfmoore möglich seyn;
an eine Ausfuhr des getrockneten Torfs ist bei Großbritanniens Steinkohlenreichthum
nicht zu denken; die Destillation des Torfs kann sich ebensowenig rentiren, weil die
Anwendbarkeit der Torfkohle wegen ihres Aschengehalts eine beschränkte ist und diese
Kohle überdieß wegen ihrer äußerst mürben Beschaffenheit den Transport nicht
verträgt. Das Verbrennen des Torfs (auf seinen Lagern) in einem geschlossenen
verticalen Cylinder, in dessen unteren Theil Luft eingeblasen wird, ist offenbar das
wohlfeilste Mittel zur Gewinnung seiner Destillationsproducte – Paraffin,
Naphthalin, Holzgeist, Ammoniak, Brandharz, Brandöl etc. – und gestattet die
Ausbeutung solcher Torfmoore, welche bisher wegen mangelnder Communicationsmittel
unbenutzt bleiben mußten.
1 Cntr. irischen Torfs soll nach Reece's Methode 10 Loth
Paraffin liefern; die Ausbeute an diesem Stoff muß übrigens von den Pflanzenarten
abhängen, durch deren Vermoderung der Torf vorzugsweise erzeugt wurde. Eine
zweckmäßige Verwendung des Paraffins dürfte seine Vereinigung mit Stearin zu
Compositionskerzen seyn.
E. D.