Titel: | Ueber das photochromatische Bild des Sonnenspectrums und die Erzeugung farbiger Bilder in der Camera obscura; von E. Becquerel. |
Fundstelle: | Band 114, Jahrgang 1849, Nr. XXI., S. 119 |
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XXI.
Ueber das photochromatische Bild des
Sonnenspectrums und die Erzeugung farbiger Bilder in der Camera
obscura; von E.
Becquerel.
Aus den Annales de Chimie et de Physique, April 1849, S.
447.
(Schluß von Seite 56 des vorigen
Heftes.)
Becquerel, über Erzeugung farbiger Lichtbilder.
V. Von der Uebertragung colorirter
Kupferstiche u.s.w. und von den Bildern der Camera
obscura
.
Da die verschiedenen Strahlen des Sonnenspectrums analoge Farben wie die ihrigen auf
der in dieser Abhandlung beschriebenen empfindlichen Substanz hervorbringen und sich
überdieß die Silberplatten so zubereiten lassen, daß weißes Licht als Weiß auf ihre
Fläche wirkt, so folgt, daß wenn man auf diese Platten ein Strahlengemisch
projicirt, welches zu zusammengesetzten Farben Anlaß gibt, diese Farben wie die
einfachen Farben zum Vorschein kommen müssen. Wenn man also auf eine zubereitete
Platte einen colorirten Kupferstich legt, die bedruckte Seite mit der Platte in
Berührung, dann das Papier mit einer Glastafel auf die Platte drückt und nun das
Ganze dem Sonnen- oder Tageslicht aussetzt, so findet man nach längerer oder
kürzerer Zeit, die von der Lichtstärke und der Papierdicke abhängt, die Zeichnung
mit ihren Farben übertragen. Auf die Glastafel muß man eine klare, platte, mit schwefelsaurer
Chininlösung gefüllte Glasflasche legen, damit die jenseits des Violetts liegenden
Strahlen entfernt werden. Dadurch werden die weißen Stellen schöner. Wenn das Papier
der Zeichnung dick ist und man die Platte zuvor erhitzt hatte, kann man zwar diesen
flüssigen Schirm entbehren, aber immer ist es vortheilhaft ihn anzuwenden.
Es stellen sich hier dieselben Uebelstände ein, deren wir im §. III bei
Gelegenheit des Erhitzens der Platten gedachten. Um ein schönes Weiß zu erhalten,
darf man diese Operation nicht unterlassen, sonst erhält man ein graues oder
violettes Weiß. Hatte man aber zu stark erhitzt, so erscheinen bloß die rothe,
blaue, braune und violette Farbe, und die gelbe und grüne sind kaum sichtbar. Waren
dagegen die Platten nicht erhitzt, so erscheint zwar die gelbe und die grüne Farbe,
aber nicht das Weiß. Man muß also, nach den Vorschriften des §. III, bei
einer schwachen oder bis 100° C. getriebenen Erhitzung stehen bleiben und
sich mit mattem Weiß begnügen, um nur die verschiedenen Farben auf der Platte zu
erhalten. Ueberhaupt markiren sich, bei Uebertragung farbiger Zeichnungen, bloß die
lebhaften Farben in genügender Weise, und die blassen Farben erscheinen nur sehr
schwach, weil nämlich die durchgelassenen Farben der Zeichnung nicht sehr lebhaft
sind, und das diffuse Licht, welches durch das Papier dringt, auf die Platte
einwirkt.
Glasmalereien müßten sich offenbar mit großer Lebhaftigkeit der Farben auf die
Platten übertragen lassen; ich hatte aber keine zur Disposition, um mit ihnen
experimentiren zu können.
Noch besser muß die Fixirung der Bilder der Camera
obscura gelingen, da deren Farben so lebhaft und, bei guter Construction
der Objecte, kaum mit diffusem Lichte gemengt sind. Hier aber kommt die Zeit in
Betracht, was bei der Uebertragung von Kupferstichen wegen der ungeheuren Stärke des
Lichts, welches das Papier durchdringt, nicht der Fall ist. Um eine Idee zu geben
von der Zeit, die wegen der schwachen Intensität der Bilder der Camera obscura und wegen der, wenn ich so sagen darf,
Faulheit der Substanz, zur Erzeugung farbiger Eindrücke erforderlich ist, will ich
bemerken, daß eine Camera obscura, die mit einem guten
Doppel-Objectiv versehen ist und Daguerreotyp-Portraite in Quartformat
liefert, erst nach zehn oder zwölf Stunden ein gutes Bild von einem anderthalb Meter
vom Objectiv aufgestellten colorirten Kupferstich gibt, und doch muß der Kupferstich
während dieser Zeit dem vollen Sonnenschein ausgesetzt werden.
Ungeachtet dieser Langsamkeit ist es mir, nach vielen Versuchen, gelungen, einige
Bilder darzustellen, welche schönere Farben zeigen als die bei der Uebertragung von
Kupferstichen erhaltenen. Die gelben und grünen Farben waren gut, die rothen, blauen, violetten und
Weißen sogar vortrefflich; aber landschaftliche Ansichten mißlangen, da sich das
Laub nur mit schwachen, grünlichen Farben abmalte. Ich schreibe dieses schlechte
Resultat der geringen Intensität dieses grünen Lichtes, sowie der Schwierigkeit zu,
die Erhitzung der Platten so zu leiten, daß sie zugleich die grünen und die weißen
Farben geben. Uebung und Wiederholung führt vielleicht dahin; ich betrachte indeß
diese Aufgabe für eine secundäre und habe mich nicht dabei aufgehalten, da ich weiß,
daß für jetzt kein Nutzen für die Künste daraus zu ziehen ist.
Wie gesagt, erhält man eine Chlorsilberschicht, die weit empfindlicher als die
mittelst der Säule dargestellte, wenn man eine recht blanke plattirte Platte in eine
Lösung von Kupferchlorid taucht, sie nach wenigen Augenblicken rasch herauszieht und
abwäscht, sobald man sieht, daß sie eine gelbliche, dem Violettblau erster Ordnung
vorangehende Farbe besitzt. Diese Platte nimmt nämlich den Lichteindruck mehr als
zehnmal schneller an als eine sonst irgendwie bereitete, und gibt Weiß im weißen
Licht, ohne der vorherigen Erhitzung zu bedürfen; allein die Farben sind immer grau
und nur in den ersten Augenblicken sind die erzeugten Farben denen der wirkenden
Strahlen gleich. Da ich nach zahlreichen Versuchen keine Nüancen erhielt, die denen
mit der Säule nahe kamen, so zog ich die letztere Bereitungsweise vor, ungeachtet
der Langsamkeit des dabei stattfindenden Lichteindrucks.
VI. Verschlechterung der Bilder am
Licht.
Im Dunklen können die photochromatischen Bilder und die der Camera obscura beliebig lange aufbewahrt werden; allein am Lichte
verschlechtern sie sich, und fahren fort sich zu verändern, je nach der Farbe der
Strahlen, mit denen man sie beleuchtet. Legt man eins dieser Bilder unter ein rothes
oder ein blaues Glas, so verschwindet es und die Fläche wird roth oder blau. Wäscht
man eine mit einem photochromatischen Bilde bedeckte Platte mit einem Lösemittel des
weißen Chlorsilbers, z.B. mit einer Lösung von Ammoniak, unterschwefligsaurem
Natron, Chlornatrium, alkalischen Chlorüren etc., so verschwinden alle Farben und es
bleibt, in Weiß auf gebräuntem Grunde der Platte, nur eine Spur des Spectrums oder
der Umriß des Bildes der Camera obscura. Dieser farblose
Umriß zeigt, daß gleichzeitig mit der Färbung der empfindlichen Substanz eine
chemische Reaction stattfindet, weil diese weiße Spur, welche an den zuvor vom Licht
getroffenen Stellen zurückbleibt, alle Kennzeichen eines sehr zarten Pulvers von metallischem Silber
besitzt, das sich bei geringster Reibung fortnehmen läßt. Dieses Resultat zeigt
also, daß man auf einer und derselben Platte nicht verschiedene Bilder durch
abwechselnde Bestrahlung mit verschiedenen Lichtern hervorbringen kann, denn, nach
einer gewissen Zeit, wenn auf die Oberfläche hinlänglich eingewirkt ist, wird sie,
weil sie chemisch zersetzt worden, unfähig Farben zu geben. Wäscht man sie dann mit
Ammoniak, so bleibt auf der Platte ein Staub von metallischem Silber.
Die Erklärung des Phänomens der Färbung scheint hiernach sehr verwickelt zu seyn. Für
jetzt werde ich keine Theorie darüber aufstellen, sondern nur sagen, daß die
empfindliche Schicht möglicherweise ein Silbersubchlorid ist, und daß, bei der
Zersetzung dieses Subchlorids und der Ueberführung desselben in einen Zustand von
geringerer Chlorung durch Wirkung der Strahlen, die wirkenden Strahlen, in Folge
eines beim gegenwärtigen Zustand der Wissenschaft nicht weiter erklärlichen Effects,
ihre eigene Farbe diesem Subchloride einprägen, d.h. verursachen, daß es, wenn es
vom diffusen Licht getroffen wird, vorzugsweise Strahlen von gleicher Brechbarkeit
mit den aufgefallenen reflectirt.
Daß die photochromatisch empfindliche Schicht ein Subchlorid sey, stützte ich auf
folgenden Versuch.
Man nehme weißes, frisch gefälltes und im Dunklen wohlgewaschenes Chlorsilber,
streiche es auf Papier oder eine matte Glasplatte aus, bedecke es zur Hälfte mit
einem opaken Schirm und setze den nicht bedeckten Theil schwachem Lichte aus. Wirft
man nun ein Sonnenspectrum auf diese zur Hälfte schon veränderte (impressionnée), zur Hälfte noch unveränderte (non impressionnée) Fläche, so, daß die
Trennungslinie beider Theile das Spectrum der Länge nach halbirt, so kann man die
gleichzeitige Wirkung des Spectrums auf das veränderte und nicht veränderte Chlorid
verfolgen. Man sieht alsdann, nach Verlauf einer gewissen Zeit, wenn alles diffuse
Licht gehörig entfernt worden ist, daß vom Blau an bis jenseits des prismatischen
Violetts das veränderte und das nicht veränderte Chlorid gleichmäßig violett gefärbt
sind, daß dagegen vom Roth bis zum Blau das nicht veränderte Chlorid durch eine
halbstündige Einwirkung des Spectrums nichts gelitten, während auf dem ursprünglich
veränderten Chlorid das Roth eine schwache Rosenfarbe und das Grün eine grünliche
Farbe hervorgerufen hat. Wenn man statt des weißen, wohlgewaschenen Chlorids ein
photogenisches Papier, das salpetersaures Silber in Ueberschuß enthält, anwendet, so sind die
Erscheinungen verwickelter und die Färbung kann gänzlich verdeckt seyn. Man
beobachtet alsdann vom Blau bis zum Roth Stetigkeitseffecte (effets de continuation), die ich vor mehreren Jahren beschrieben habe.
In Betreff der chemischen Veränderungen die hier eintreten können, muß ich noch einer
recht sonderbaren Thatsache erwähnen, deren Erklärung vielleicht später, bei
besserer Kenntniß dieser Erscheinungen gefunden wird.
Unter den Lösungen, welche die Farben der photochromatischen Bilder zerstören,
nämlich das Subchlorid des Silbers in sich auflösendes Chlorid und zurückbleibendes
Silbermetall zerlegen, ist die wirksamste ohne Zweifel die Ammoniakflüssigkeit.
Wäscht man mit dieser Flüssigkeit ein Abbild des Spectrums, so verschwindet, wie
schon gesagt, jegliche Färbung, und das Spectrum erscheint als ein gräulicher
Streifen auf dem braunen Grund der Platte. Untersucht man aber diesen Streifen, wenn
er noch feucht ist, mit Aufmerksamkeit, so sieht man, daß das Ende, welches vor der
Waschung roth war, eine schwach grünliche Farbe hat, während das zuvor violette Ende
ins Bläuliche schielt. Diese Farben, die complementar zu den frühern sind,
verschwinden beim Trocknen der Platte. Man findet sie auch gleich nach der Waschung
der photochromatischen Bilder, die von farbigen Kupferstichen abgenommen sind, so
lange die Platte noch feucht ist. Es herrscht hier also eine Tendenz zur Erzeugung
complementarer Farben, vor allen bei den zuvor rothen Theilen. Für jetzt ist eine
Erklärung dieser Erscheinungen unmöglich.
Ich habe alle Arten von Reactionen versucht, um die Bilder unveränderlich im Lichte
zu machen, aber vergebens; man müßte das Subchlorid zersetzen und ihm sein Chlor
nehmen können, ohne daß seine Farbe verschwände. Alle bisher gemachten Versuche aber
waren fruchtlos; so wie die Substanz verändert ward, verschwanden auch die
Farben.