Titel: Das Hipp'sche Chronoskop, zur Messung der Fallzeit eines Körpers und zu Versuchen über die Geschwindigkeit der Flintenkugeln etc.
Autor: Oelschläger
Fundstelle: Band 114, Jahrgang 1849, Nr. XLVII., S. 255
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XLVII. Das Hipp'sche Chronoskop, zur Messung der Fallzeit eines Körpers und zu Versuchen über die Geschwindigkeit der Flintenkugeln etc. Mitgetheilt vom Oberreallehrer Oelschläger in Reutlingen. Mit Abbildungen auf Tab. IV. Hipp's Chronoskop, zur Messung der Fallzeit eines Körpers etc. Bei den überraschenden Resultaten, welche mit dem in Poggendorff's Annalen und in Dingler's polytechnischem Journal (Bd. CX S. 184) angezeigten Chronoskop seit der Erfindung desselben erzielt worden sind, dürfte eine detaillirte Beschreibung des Instrumentes und der Versuche mit demselben gewiß von Interesse seyn. Fig. 5 ist die vordere Ansicht des Werkes in 1/2 der natürlichen Größe, Fig. 6 dasselbe sammt Gestell in 1/4 Größe. Die beiden Zifferblätter a und b sind in je 100 Theile getheilt. Der Zeiger des Zifferblattes a durchläuft dasselbe in 10 Secunden, der Zeiger des Zifferblattes b in 1/10 Secunde. Es entspricht also ein Theilstrich von a einer 1/10 Secunde und von b einer 1/1000 Secunde. Die Seitenansicht, Fig. 7, zeigt die Construction des Werkes. Das Rad e wird durch das Rad f, an welchem das Gewicht hängt, in Bewegung gesetzt und greift selbst wieder in das Getriebe des Rades d. Auf der Achse des letzteren ist zugleich das Kronrad g fest aufgesetzt und theilt somit die Bewegung desselben, 10 Umlaufe in der Secunde. Das Rad d setzt endlich das Steigrad c in Bewegung. Das Echappement besteht in einer Feder, deren Spitze die Zähne des Steigrades c berührt. Es läßt sich durch diese Verrichtung der Gang so reguliren, daß jede Schwingung der Feder dem Vorübergehen eines Zahnes entspricht. Die Länge und Stärke, und sonach der Ton der Feder sind wichtige Momente zur Bestimmung der Geschwindigkeit des Werkes. Anfangs zeigte es sich, daß wenn man das Werk in Gang brachte, zwei auch drei Schwingungen der Feder auf das Vorübergehen eines Zahnes sielen, somit das Instrument nur 1/2 oder 1/3 der erforderlichen Geschwindigkeit erhielt. Diesem Uebelstande abzuhelfen, wird dem Rade e mittelst der Auslösung durch eine besonders hiezu angebrachte starke Feder eine Impulsion ertheilt, welche den Rädern alsbald die nöthige Umdrehungsgeschwindigkeit gibt. Hat nun aber einmal das Werk diejenige Geschwindigkeit, nach welcher das Vorübergehen eines Zahnes einer Schwingung der Echappementsfeder entspricht, so ist keine Möglichkeit mehr, daß der Gang langsamer werde, vielmehr bleibt derselbe vollkommen constant. Dieß haben zahlreiche Versuche, welche mit diesem Instrument angestellt wurden, zur Genüge dargethan. Es hat dieses Echappement noch weiter den Vortheil, daß einige Vermehrung und Verminderung des Gewichtes keinen Einfluß auf die Geschwindigkeit des Werkes ausübt. Das Zeigerwerk ist unabhängig vom Gehwerk, und hierin liegt eben das Wesentliche des Instrumentes. Durch Vermittelung des Rades h, Fig. 5 und 7, wird der Zeiger a vom Zeiger b in Bewegung gesetzt. Der Zeiger b steckt auf der Achse l und diese geht ohne Reibung durch die durchbohrte Achse der Räder d und g. Auf dieser Achse l ist zwischen dem beweglichen Kronrad g und dem auf der vorderen Platine festgeschraubten, also unbeweglichen Kronrad q, von je 100 Zähnen, ein zweiter Zeiger oder eine Nadel befestigt. Die Achse l läßt sich nun so weit vor- und rückwärtsschieben, daß jene Nadel entweder von den Zähnen des einen oder des anderen Kronrades gefaßt wird. Stellen wir uns vor, das Werk sey in Bewegung und die Nadel liege zwischen den Zähnen des Kronrades g, so wird die Folge seyn, daß sich diese Nadel mit demselben dreht, somit wird auch die Achse l und das vor der Platine befindliche Zeigerwerk die Bewegung theilen. Liegt aber die Nadel zwischen den Zähnen des Rades q, so muß, weil dieses unbeweglich ist, das Zeigerwerk stille stehen, wenn schon das Hauptwerk sich bewegt. Die rück- und vorwärtsgehende Bewegung der Achse l geschieht durch eine Feder nach der einen Richtung, und nach der entgegengesetzten durch den in dem Lager n, Fig. 7 und 8 beweglichen Anker m. Wird dieser von dem Elektromagnet k bis s angezogen, so schiebt er die Achse l soweit vor, das die Nadel durch das Kronrad q gehalten wird, somit das Zeigerwerk stille steht; hört die Anziehung auf, so wird der Anker sowohl als auch die Achse l durch eine Feder zurückgeschoben, die Nadel demnach von den Zähnen des Kronrades g gefaßt, folglich theilt das Zeigerwerk die Bewegung des Hauptwerkes. Die Fallversuche mit diesem Instrument werden auf folgende Weise angestellt. Der Fallapparat, Fig. 9, wozu das Gestell einer Atwood'schen Fallmaschine genommen werden kann, besteht aus dem mittelst der Schraubenzwinge z auf- und abwärts beweglichen Abfallapparate A und dem Auffallapparate B, welche Apparate, auf die Kante gestellt, in Fig. 10 und 11 in 1/4 der nat. Größe zu sehen sind. Die Arme einer Zange a, a, Fig. 10, werden durch die Spirale c, welche auf das Verbindungsstück d der Hebelarme b, b wirkt, ungefähr unter einem rechten Winkel auseinander gehalten. Die Hebelarme b, b sind durch Glas oder Holz isolirt. Zwischen jedem Drahthalter g und je einem Arm a der Zange findet metallische Verbindung statt. Die Klammer l, in ihrer Mitte isolirt, hält die Arme der Zange a, a in solcher Nähe beisammen, daß die Metallkugel C gerade noch in der Rundung der Zange liegen kann, ohne hindurchzufallen. Durch diese Kugel nun ist die galvanische Kette geschlossen und das Zeigerwerk bleibt stille stehen, wenn schon das Hauptwerk geht. Wird die Klammer e jetzt an dem seidenen Schnürchen s etwas rasch weggezogen, so öffnet sich die Zange a, a und die Kugel fällt auf den Ausfallapparat B, Fig. 9 und 11. Dieser hat gleichfalls zwei Drahthalter f, f, deren einer mit dem Metallstück k, der andere aber mit h in metallischer Verbindung steht. Das Brettchen i läßt sich so weit heben, daß keine metallische Berührung zwischen k und h stattfindet. Eine kleine Reibung, erzeugt durch die Federkraft von k, verhindert das Zurückfallen des Brettchens. Durch das Auffallen der Kugel wird diese Reibung überwunden, und das Brettchen i etwa um 1/4 Millimeter abwärts gedrückt; die metallische Verbindung zwischen k und h erfolgt, die Kette wird geschlossen und die Zeiger des Werks bleiben wieder stehen, nachdem sie während des Falls der Kugel in Bewegung waren. Jetzt ist der Versuch vollendet; das Hauptwerk wird wieder gestellt und das Resultat an den Zeigern abgelesen. Fig. 12 zeigt wie die Drahtverbindungen zum Experimentiren gemacht werden müssen. Es sey D die Batterie (ein Platinelement von 1 Decimeter Höhe reicht zu Fallversuchen hin), E die Halter o, o des Instrumentes, Fig. 6, welche durch die Säulen p, p mit den Windungen i, i, Fig. 8, des Elektromagnets k in Verbindung stehen, und A die Halter des Abfallsapparats, Fig. 10, so ist die Kette auf dem längeren Wege AE geschlossen, wenn die Kugel auf der Zange liegt und bei B, dem Auffallapparat, geöffnet ist. Fällt die Kugel, so ist die Verbindung während des Falls unterbrochen, und mit dem Auffallen bei B wird die Kette auf dem kürzeren Wege B, E wieder geschlossen. Bei den Fallversuchen sind in Betreff des Abfallapparates schon verschiedene Veränderungen vorgenommen worden. So wurde z.B. statt der isolirten Klammer e eine leitende genommen und dafür eine nichtleitende Kugel von Achat oder Chalcedon angewendet. Da jedoch diese Kugeln, wie sie im Handel vorkommen, nicht vollkommen rund sind, so liegen sie bald höher bald tiefer auf der Zange und es stellen sich kleine Differenzen von 3 bis 4 Tausendtheilen einer Secunde heraus. Das Instrument ist mit sehr großer Genauigkeit gearbeitet; denn nur die äußerste Pünktlichkeit in den Eingriffen der Räder, in der Bewegung der Zapfen in den Löchern u.s.w. läßt befriedigende Resultate erwarten. Auf diese Dinge verwendete der Verfertiger seine volle Aufmerksamkeit; und seine Bemühung wurde auch durch die glänzendsten Resultate belohnt. Es können mit Leichtigkeit Versuche bei einer Fallhöhe von 10 Millimetern angestellt werden und die Galilei'schen Fallgesetze lassen sich aufs Ueberraschendste nachweisen.Wir verweisen hierüber auf die Anzeige im polytechnischen Journal, Jahrgang 1848, Bd. CX S. 184. bemerken jedoch, daß das Instrument seit dieser Zeit wesentliche Vervollkommnungen, wie z.B. die Einrichtung, daß es 1/1000 Secunde zeigt, erhalten hat. Ueber alles Erwarten zeigten sich bei vielen aufeinander folgenden Versuchen keine größeren Abweichungen vom Mittel als 1 höchstens 2 Tausendtheile einer Secunde! Neuerdings wurden nun auch Versuche über die Geschwindigkeit der Flintenkugeln mit diesem Instrumente angestellt. Der Apparat zu diesen Versuchen ist sehr einfach und ähnlich dem Fallapparat. Vor der Mündung der Büchse geht ein feiner Draht vorüber, der durch eine an den Lauf zu befestigende Vorrichtung, etwa in Form einer Schraubenzwinge, vom Lauf isolirt, gehalten wird. Die abgeschossene Kugel zerreißt bei ihrem Austritt aus der Mündung den Draht und öffnet somit die Kette; also laufen jetzt die Zeiger. Die Scheibe ist nichts anderes als ein etwas größerer verticalgestellter Auffallapparat, Fig. 11, dessen bewegliches Stück i aus einer starken Eisenplatte besteht. Die Drahtverbindung wird auf gleiche Art, wie bei den Fallversuchen eingerichtet, so daß A, Fig. 12, den Draht vor der Mündung des Geschosses, B die Scheibe vorstellen kann oder auch umgekehrt. Die Batterie muß etwas verstärkt werden. Die Resultate der Versuche fielen, wie vorauszusehen war, sehr verschieden aus. Das Gewicht der Kugel, die Lage des Schwerpunks derselben, die Quantität und Qualität des Pulvers, die Construction des Laufs und der Pulverkammer u.s.w. sind Dinge welche einen wesentlichen Einfluß auf die Geschwindigkeit der Kugel ausüben. Bei einer Entfernung von 100 Metern stellte sich im Durchschnitt eine Geschwindigkeit von 0,33 Secunden heraus; also, wenn man die Geschwindigkeit während dieser Zeit als gleichförmig annimmt, von ungefähr 1 Fuß für 1/1000 Secunde; ähnlich der Geschwindigkeit des Schalls. Die bisher in dieser Richtung angestellten Versuche scheinen darauf hinzuweisen, daß eine Kugel während der Zeit ihres Laufes ebensoviel falle, als ein freifallender Körper in dieser Zeit fallen würde. Hier öffnet sich ein weites Feld für die Wissenschaft, und es lassen sich mittelst des beschriebenen Instruments manche schöne Resultate in der Physik und Ballistik erzielen. So wäre es gewiß von hohem wissenschaftlichem und ohne Zweifel auch technischem Interesse, wenn von Artilleristen genaue Versuche über die Geschwindigkeit der Kanonenkugeln angestellt und seiner Zeit veröffentlicht werden würden.Der Preis des Instruments sammt Fallapparat, ist, bedeutenderer Vervollkommnungen wegen, von dem Verfertiger, Uhrenmacher und Mechaniker Hipp in Reutlingen etwas erhöht und beträgt 88 fl. Auch werden Schießvorrichtungen von demselben auf Bestellung verfertigt.

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