Titel: | Ueber die Wirkungsweise des Gypses als Düngmittel; von L. C. Caillat. |
Fundstelle: | Band 114, Jahrgang 1849, Nr. LXXXII., S. 423 |
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LXXXII.
Ueber die Wirkungsweise des Gypses als
Düngmittel; von L. C.
Caillat.
Aus den Comptes rendus, Octbr. 1849, Nr.
17.
Caillat, über die Wirkungsweise des Gypses als
Düngmittel.
In dem ersten Theil dieser ArbeitMitgetheilt S. 148 in diesem Bande des polytechn. Journals. suchte ich nachzuweisen, daß durch Einäscherung der Futterhülsengewächse bei
hoher Temperatur die in ihnen enthaltenen schwefelsauren Salze eine theilweise
Zersetzung erleiden; ich zeigte ferner, daß wenn man diese Gewächse, anstatt sie
einzuäschern, mit verdünnter reiner Salpetersäure behandelt, man in den Pflanzen
immer mehr Schwefelsäure findet, als man bis jetzt durch die Analyse erhielt.
Mittelst in verschiedenen Gegenden und auf verschiedenem Erdreich vorgenommener
Gypsungen (Gypsdüngungen) habe ich mich nun überzeugt, daß in der Luzerne und dem
Klee, wenn sie gegypst wurden, mehr Schwefelsäure enthalten ist als in denselben
Pflanzen, wenn sie im selben Boden, der aber nicht mit Gyps gedüngt wurde, gewachsen
sind.
Mehrere Chemiker, namentlich aber Hr. Boussingault, fanden
vor mir, daß eine der Wirkungen des Gypses darin besteht, in den Ernten die Menge
aller anorganischen Substanzen, besonders aber des Kalks zu vermehren. In dieser
Beziehung stimmen die Resultate aller meiner Versuche mit jenen meiner Vorgänger
überein. Da nun einerseits in gegypsten Ernten mehr Schwefelsäure enthalten ist als
in nicht gegypsten, anderseits aber in jenen auch mehr Kalk zu finden ist als in
diesen, so muß man wohl annehmen, daß diese beiden in den Pflanzen gefundenen Körper
von der Gypsung herrühren; überdieß ist es mir aber höchst wahrscheinlich, daß beide Körper sich
wenigstens zum Theil zu schwefelsaurem Kalk verbunden in der Pflanze befinden und
als aufgelöster Gyps in sie eingedrungen sind.
Ich weiß, daß man behaupten könnte, die Schwefelsäure sey im Zustand schwefelsaurer
Alkalien in die Pflanzen gedrungen und mit andern Vasen als dem Kalk darin in
Verbindung geblieben; daß dieser letztere als kohlensaures Salz eingeführt werde und
vorzüglich mit organischen Säuren verbunden sich vorfinde, so daß kein
schwefelsaurer Kalk als solcher in der Pflanze enthalten sey. Um diesen Einwurf zu
beseitigen, habe ich direct gezeigt, daß das schwefelsaure Kali sich bei hoher
Temperatur in Berührung mit den Verbrennungsproducten einer organischen Substanz
nicht zersetzt, wie dieß unter gleichen Umständen mit dem schwefelsauren Kalk der
Fall ist. Es ist daher anzunehmen, daß die Schwefelsäure, oder wenigstens ein guter
Theil derselben sich als schwefelsaurer Kalk in den Pflanzen befinde, und nicht
gänzlich als schwefelsaures Kali oder Natron, weil beim Einäschern gegypster Ernten
ein Theil ihrer Schwefelsäure verloren geht. Es ist auch kaum zu bezweifeln, daß die
Pflanzen den Gyps aus dem Boden, in welchen er gebracht wurde, als solchen aufsaugen
können.
Aus sämmtlichen, in meinen beiden Abhandlungen niedergelegten Versuchen glaube ich
also schließen zu dürfen:
1) Daß der schwefelsaure Kalk in den gegypsten Futterhülsengewächsen in größerer
Menge vorhanden ist, als in denselben Pflanzen, welche in dem nämlichen Boden
gewachsen sind, aber keinen Gyps erhielten.
2) Daß, wenn man bis jetzt dieses Salz in den gegypsten Gewächsen nicht in so großer
Menge fand wie ich, die Ursache das Einäscherungsverfahren ist, welches man
anwandte, um die Mineralsubstanzen der Pflanzen zu bestimmen, wobei man einen Theil
des Gypses zersetzte.
3) Daß der Gyps sich wie eine assimilirbare Substanz verhält, daß er als solcher in
die Pflanze eingeführt wird, deren Wachsthum er begünstigt, und daß er sich den
verschiedenen Geweben einverleibt, zu deren Entwickelung und Functionen er
unentbehrlich zu seyn scheint.
Doch will ich nicht behaupten, daß dieß die einzige Wirkungsweise des Gypses sey; ich
anerkenne mit Hrn. Boussingault, daß ein Quantum
schwefelsauren Kalks, einem cultivirten Erdreich beigemengt, beim Vorhandenseyn
kohlensaurer Alkalien im Boden, oder im Dünger, einerseits kohlensauren Kalk und
andererseits schwefelsaure Alkalien erzeuge, welche von den Pflanzen aufgesaugt
werden können. Ich anerkenne sogar mit Liebig, daß ein
Antheil des kohlensauren Ammoniaks der Atmosphäre und des Düngers, bei Gegenwart von Gyps in
schwefelsaures Ammoniak übergehen könne. Dieß sind aber nach meinem Dafürhalten sehr
untergeordnete Ursachen der Wirksamkeit des als Düngmittel angewandten Gypses.
4) Daß endlich der schwefelsaure Kalk, welcher in eine Pflanze eindrang, sich in viel
beträchtlicherer Menge in den Blättern, Blüthen, jungen Trieben und allen zarten
Theilen befindet, als in den Stengeln; und sich in größerem Mengenverhältniß in den
ersten Monaten des Wachsthums der Pflanze vorfindet, als nachdem sie ihre volle
Größe erreicht hat.
Die noch jungen gegypsten Futterkräuter können mithin unter gewissen Umständen bei
den kräuterfressenden Wiederkauern schneller Bauchschwellen (Aufblähung)
hervorbringen, als solche Kräuter welche bereits ihre volle Entwickelung erreicht
haben.