Titel: | Versuche über den Gang der Verdampfung in Dampfkesseln, von Dr. Graham. |
Fundstelle: | Band 153, Jahrgang 1859, Nr. I., S. 1 |
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I.
Versuche über den Gang der Verdampfung in
Dampfkesseln, von Dr. Graham.
Graham's Versuche über den Gang der Verdampfung in
Dampfkesseln.
In der literarischen und naturhistorischen Gesellschaft zu Manchester wurde im
vorigen Jahre eine Abhandlung des Dr. Graham über den Verbrauch von Steinkohlen und den Gang
der Verdampfung vorgelesen, von welcher wir im Folgenden einen Auszug (nach dem
Moniteur
industrial, 1858, Nr. 2294, durch das württembergische Gewerbeblatt,
1859, Nr. 15) mittheilen.
Dr. Graham hatte seine
Versuche in Manchester angestellt, und in der That, nur in einer so gewerbsamen
Stadt, wie Manchester, die reich an großen Werkstätten mit Dampfmaschinen aller Art
und den verschiedenartigsten Heizmethoden ist, konnten auf dem Versuchsweg
Thatsachen, wie sie Graham gibt, constatirt werden.
Dr. Graham untersuchte zuerst
den Gang der Verdampfung in einer Reihe von Wasserbehältern von gleicher Größe, von
denen einer neben dem andern so aufgestellt war, daß sich unter dem ersten der
Feuerherb befand, während die anderen nur durch den Strom der Flamme, der sie beim
Aufsteigen gegen den Kamin berührte, geheizt wurden. Er fand, daß, wenn man die
Verdampfung in dem ersten Wasserbehälter zu 100 annimmt, solche in dem zweiten nur
27, in dem dritten nur 13 und in dem vierten nur 8 beträgt. Er nahm sodann eine
große Zahl Versuche mit Dampfkesseln vor. Ehe er zur Aufzeichnung der Resultate
schritt, wurden diese Kessel zuerst in ganz guten Stand gesetzt und richtig
eingemauert, sodann stellte man sorgfältige und wiederholte Versuche an über die
Einführung der Luft, über den Zug des Kamins, die Dimensionen des Heizraums, die
Entfernung des Rostes vom Kessel, die Dicke der Roststangen, die Dicke des
aufgeschütteten Brennmaterials, die Form der Flammenströmung, die Form der
Feuercanäle, des Aschenfalles u.s.f. Erst nach einer Menge von Modificationen, die
bei einem der Dampfkessel sich bis auf 30 beliefen, und nachdem 36–40
Versuche von je 12 Stunden Dauer mit jedem Kessel angestellt worden waren, schritt
man endlich zur
Aufzeichnung der nunmehr sich gleichbleibenden Resultate. Den Luftzug erhielt man
möglichst gleich, so daß seine Differenzen sich höchstens auf 13–18
Millimeter Wasserdruck beliefen. Die Temperatur unten am Kamin suchte man etwas über
dem Schmelzpunkt des Bleies zu erhalten, ohne aber bis zum Schmelzpunkt des Zinks zu
steigen. – Nachstehendes sind die Folgerungen, die Dr. Graham aus seinen Versuchen zog:
1) Der in England Butterley oder Fishmouth genannte Kessel (ein cylindrischer Kessel
mit innerer Rauchröhre und vorspringendem Kopfe, unter welchem sich die Heizung
befindet) von 9,144 Meter Länge und 2,134 Meter Durchmesser gibt per Kilogramm Kohle unter gewöhnlichen günstigen
Umständen 8,29 Kilogr., oder nach Abrechnung der Kohle, die nöthig ist, um das zur
Speisung des Kessels nöthige Wasser von 15° C. auf 100° zu erwärmen,
9,67 Kilogr. Dampf.
2) Der auch unter dem Namen Waggonkessel bekannte Kessel von I. Watt gibt bei 7,744 Meter Länge und 1,982 Meter Durchmesser unter
denselben Umständen 8,8 Kilogr., resp. 10,26 Kilogr. Dampf.
3) Der gewöhnliche cylindrische Kessel mit Herd unter demselben von 12,8 Meter Länge
und 1,828 Meter Durchmesser ergibt 6,20, beziehungsweise 7,23 Kilogr. Dampf.
4) Der sogenannte Hosenkessel (ein neuerer Zeit vielfach angewandter Kessel mit zwei
inneren Feuerstellen neben einander, welche in ein einziges, durch das Innere des
Kessels gehendes Heizrohr zusammenlaufen) gibt bei 7,010 Meter Länge und 2,438 Meter
Durchmesser 5,90 Kilogr., resp. 6,88 Kilogr. Dampf.
5) Ein Vorwärmkessel verschafft unter sehr günstigen Umständen eine Ersparniß von 15
Proc.
6) Das Reinigen der den Kessel umgebenden Heizröhren und das Abkratzen der
Heizflächen des Kessels führt, wenn es wöchentlich einmal geschieht, zu einer
Ersparniß von 2 Proc.
7) Eine nur geringe Verschiedenheit im Einmauern eines und desselben Kessels kann
einen Unterschied in der Dampferzeugung bis zu 25 Proc. hervorbringen.
8) Der Unterschied zwischen der Dampferzeugung in einem gehörig eingesetzten Kessel
von geeigneter Form und derjenigen in einem andern Kessel, welcher noch dazu
fehlerhaft eingemauert ist, kann sich bis auf 42 Proc. und noch höher belaufen.
9) Die verschiedene Art des Schürens kann Unterschiede bis zu 13 Proc.
hervorbringen.
10) Der geringe Verlust, der dadurch entsteht, daß, um den Rauch zu verbrennen oder
aus anderen Gründen, kalte Luft durch die Thüre des Herdes oder beim Vorherd, vorn
oder hinten, eingelassen wird, beträgt 1,7 Proc.
11) Der Verlust in Folge des Ansehens von Gyps in einer Dicke von nur 1 1/2
Millimeter belief sich auf 14,7 Proc.
12) Weder die Nässe der Kohlen, noch deren dreijähriges Alter, noch feuchtes Wetter,
noch eine Veränderung der atmosphärischen Temperatur von 5° bis 21° C.
brachten einen nennenswerthen Unterschied in der Dampferzeugung hervor.
13) Windige Witterung ist von gutem Einfluß.
14) Ein mäßig starkes und lebhaftes Feuer mit raschem Zug gibt stets das beste
Resultat.
15) Der Unterschied unter den mit verschiedenen aus der unmittelbaren Nachbarschaft
von Manchester entnommenen Brennmaterialien erzielten Resultate kann sich bis auf 11
Proc. belaufen.
16) Die aus denselben Schächten bezogenen Kohlen geben bis zu 6 Proc. verschiedene
Dampferzeugung.
17) Wenn ein Kessel einzig zu dem Zweck arbeitet, um mit seinem Dampf Färbereikufen
oder andere Dampfgehäuse zu heizen, so ist bei gleichem Kohlenverbrauch seine
verfügbare Kraft bei 1 1/2 Atmosphären Spannung = 100, bei 5 Atmosphären 120 und bei
7 Atmosphären 130. Diese bis jetzt noch unerklärte Thatsache läßt sich auch so
ausdrücken: ein und dasselbe Gewicht Kohlen heizt in derselben Zeit mit Dampf von
1,5 Atmosphären Spannung 10 Behälter, mit Dampf von 5 Atmosphären 12 Behälter, mit
Dampf von 7 Atmosphären 13 Behälter.
18) Vervollkommnungen lassen sich daher noch erwarten bei dem Bau des
Feuerungsplatzes, bei der Behandlung des Feuers, bei der Einrichtung des Zuges, bei
der Form des Kessels, bei dem Gebrauch von Vorwärmern, bei dem Reinerhalten aller
Theile etc., und ist dadurch eine bedeutende Kohlenersparniß zu hoffen. Dagegen ist
nichts zu hoffen von vermehrter Ausdehnung der Heizcanäle, sobald dieselben einmal
mit Ruß bedeckt sind, noch von einer Verlängerung des Kessels, welche über die
vierfache Länge des Herdes hinausgeht.
19) Die Dampfbildung pro Kilogramm Kohle scheint mit der
Spannung des Dampfes zuzunehmen und mit derselben im Verhältniß zu stehen.Bei den aufeinanderfolgenden Versuchen hat die Verdampfung in offenen, der
freien Luft ausgesetzten Kesseln niemals mehr als 5,60 bis 6 Kilogr. Dampf
pro Kilogramm Kohle geliefert, während unter
der im Dampfkessel stattfindenden Spannung die Dampfgewinnung, wie oben sub 2) erwähnt, 10,26 Kilogr. betragen hat.
20) Als Mittel gegen den Kesselstein, d.h. gegen die im Kessel sich bildenden mehr
oder weniger festen Niederschläge von Gyps, kohlensaurem Kalk, Schlamm etc.,
versuchte Dr. Graham
Aetznatron, gelöschten Kalk, Salzsäure, Seifenwasser, Sägespäne, ausgebrauchten
Krapp und Späne von Campecheholz mit mehr oder weniger günstigem Erfolg, besonders
aber hat er Thatsachen erhoben über die Neigung der harten Wässer zur
Kesselsteinbildung.
Der Gyps scheidet sich da aus dem Wasser ab, wo letzteres mit andern Körpern in
Berührung kommt, z.B. am Boden und an den Seitenwänden des Kessels oder an festen
Bestandtheilen, wie z.B. Sägespänen, welche sich im Wasser befinden; allein der
Niederschlag findet erst dann statt, wenn sich das Wasser durch die Verdampfung
concentrirt hat und in den Zustand einer gesättigten Lösung gekommen ist. Der
kohlensaure Kalk und der Schlamm treiben sich hauptsächlich frei im Wasser und sind
wenig geneigt, sich an den Kessel anzuhängen, wofern sie nicht von Gyps umgeben
zusammengekittet und festgehalten werden.
Die Erfahrung hat bewiesen, daß sich selbst bei Gebrauch harten Wassers und nach
Anwendung heftigen Feuers keine Kesselsteinbildung von irgend welchem Belang zeigt,
wenn man alle Tage durch den Auslaßapparat 450 Liter concentrirte Flüssigkeit, was
etwa 4 Procent des Speisungswassers gleichkommt, und deßgleichen alle Samstage 12
bis 1300 Liter dieser Flüssigkeit, gleich 42 Procent des Speisungswassers, aus dem
Kessel abläßt. Außerdem ist dann der Kessel noch alle 6 Wochen vollständig zu leeren
und zu reinigen. Das von Graham angewandte Wasser war so
hart, daß 35 bis 40 Maaß Clark'scher Flüssigkeit nöthig
waren, um es weich zu machen. Das Ablassen des Wassers kann am Schlusse des Tages
geschehen. Der Aufwand hiefür verschwindet daher völlig, verglichen mit den
hierdurch erzielten ungeheuren Vortheilen. Denn nicht nur wird bei diesem Verfahren
an Brennmaterial sehr viel erspart, hält der Kessel viel länger, sondern es wird
auch der Gefahr einer Kesselexplosion hierdurch am wirksamsten begegnet.