Titel: | Alcan's Bericht über F. Durand's neue Spinnmaschine. |
Fundstelle: | Band 153, Jahrgang 1859, Nr. VI., S. 18 |
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VI.
Alcan's Bericht über
F. Durand's neue
Spinnmaschine.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement, October 1858, durch das polytechnische Centralblatt,
1859 S. 235.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Durand's Spinnmaschine.
Bekanntlich hat man gegenwärtig zwei Systeme von Spinnmaschinen, die Water-
und die Mulemaschine. Es ist nicht zu verkennen, daß beide Maschinen Vortheile
gewähren, sie haben aber auch beide ihre Mängel. Die Watermaschine empfiehlt sich
durch die Einfachheit ihrer Bewegungen und die ununterbrochene Ausführung ihrer
Functionen (Strecken, Drehen und Aufwinden). Ihre Nachtheile sind: Der Flügel,
welcher dem Faden seine Drehung ertheilt, ist an dem einen Ende frei und in Folge
dessen solchen Schwingungen ausgesetzt, daß man seine Geschwindigkeit nicht über
eine gewisse Gränze hinaus steigern darf, ohne den Faden matt und brüchig zu machen.
Ebenso unvollkommen ist das Aufwinden mittelst der zurückbleibenden Spule. Wenn am
Anfang der Bewickelung die verzögernde Wirkung nicht ausreichend ist, so legt sich
der Faden nicht fest auf und bildet eine weiche Spule; hieraus folgt nicht nur, daß
sich die Spule zu rasch füllt, sondern man erhält auch beim Abwickeln des letzten
Theils der Spule
einen Knäuel, der nur den Abfällen zugetheilt werden kann. Hat man aber durch
Versuche die richtige Reibung am Anfange der Spulenbewickelung gefunden, so muß man
dieselbe nach und nach in dem Maaße, als der Spulendurchmesser wächst, vergrößern,
was praktisch unausführbar ist. Diese Umstände in Verbindung mit der verticalen
Wagenbewegung, verursachen einen verhältnißmäßig sehr großen Kraftbedarf; zugleich
aber führen sie auch die Beschränkung herbei, daß auf diesen Maschinen eine höhere
Nummer als Nr. 40 metrisch (Nr. 48 englisch) nicht gesponnen werden kann.
Viel höhere Nummern kann man auf der Mulemaschine erzeugen, und man hat auch deßhalb
dieses System immer als das vorzüglichere erkannt. Trotzdem ist es noch fortwährend
Gegenstand vielfältiger Untersuchungen und Verbesserungen, Beweis, daß es die
höchste Vollendung durchaus noch nicht erreicht hat. Es unterscheidet sich von dem
Watersystem vorzüglich durch den Mangel eines selbstständigen Aufwindeapparats. Die
Spindel erfüllt abwechselnd die Functionen der Drehung und der Aufwickelung, und
bisweilen bewirkt sie sogar noch eine nachträgliche Streckung. Hieraus folgt, daß
die verschiedenen Operationen, welche die Spinnmaschine auszuführen hat, nicht
gleichzeitig stattfinden können. Die Aufwickelung kann erst nach der Drahtgebung
erfolgen, und da diese einen gespannten Zustand des Fadens erfordert, so müssen die
Spindeln von den Cylindern sich so lange entfernen, als diese Faden abgeben; dieß
geschieht mit einer etwas größeren Geschwindigkeit als die ist, welche die Cylinder
an ihrer Oberfläche haben, wodurch der Zug bewirkt wird. Am Ende des Wagenschubs
bleiben der Wagen und die Streckcylinder stehen, und die Streckung hört auf, die
Spindeln drehen sich aber noch eine Zeit lang fort und geben dem Faden den Rest der
Drehung. Beim Rückgang des Wagens endlich windet sich der Faden auf die Spindel
auf.
Die Nothwendigkeit, die Bewegung der Cylinder und des Wagens nach gewissen
Zeitabschnitten zu unterbrechen und den Spindeln, deren Zahl bisweilen 600 in einer
Maschine beträgt, sowohl eine drehende, als auch eine fortschreitende Bewegung zu
ertheilen, macht die Maschine complicirt, ganz abgesehen von den
Geschwindigkeitsdifferenzen, die diese Operationen erfordern, damit der Faden eine
gleichmäßige Drehung erhält und dem Material seine natürliche Elasticität so viel
als möglich bewahrt wird. Die Vortheile der Mulemaschine werden hiernach durch die
Periodicität in der Production, durch den bedeutenden Raum, den sie beansprucht,
durch die große Menge Betriebsmechanismen, namentlich wenn die Maschine eine
selbstthätige ist, endlich durch die Schwierigkeiten bei der Bedienung und
Regulirung reichlich wieder aufgewogen.
Durand's Maschine vereinigt nach der Ansicht des
Berichterstatters die Einfachheit und Wohlfeilheit des Watersystems mit der
allgemeinen Anwendbarkeit einer gut gebauten Mulemaschine. Dieses neue System läßt
sich nicht nur für alle Materialien benutzen, sondern man kann auch jede beliebige
Garnsorte, ohne Rücksicht auf ihre Feinheit, ihre Bestimmung, ihren Draht etc., auf
derselben herstellen. Die Regulirung der Maschine geht mit einer solchen Genauigkeit
vor sich, daß bei gut vorbereitetem Material Fadenbrüche gar nicht mehr vorkommen.
Das Streckwerk hat dieselbe Einrichtung wie bei unsern gewöhnlichen Maschinen, nur
die Spindel ist abweichend.
Dieselbe besteht aus einem vertical stehenden, von allen Seiten geschlossenen Bügel,
durch dessen Grundplatte in der Mitte eine feste Stange hindurchgeht. Das obere Ende
dieser Stange ragt um etwa 15 Millimeter über die Grundplatte heraus und ist auf
diese Länge mit einem Schraubengewinde versehen; unterhalb des Bügels trägt sie
einen Muff mit einem Würtel zur Aufnahme der Bewegung. Die Spule, auf welche der
Faden sich aufwickelt, liegt unterhalb des Flügels; ihre Achse ist horizontal, also
rechtwinkelig gegen die Drehungsachse des Flügels. Auf die beiden Zapfen der Spule
wirken Schraubenfedern, die in die verticalen Säulen des Bügels eingelegt sind, in
der Weise, daß die Zapfen sowohl, als die Spule selbst unter dem Drucke dieser
Federn ihre Lage in vertikaler Richtung verändern können. Ihre drehende Bewegung zum
Behuf der Aufwickelung des Fadens in concentrischen Lagen erhält die Spule durch
Reibung von einem vertical unter ihr und parallel zu ihr liegenden geriffelten
Cylinder, der durch geeignetes Räderwerk von jener oben erwähnten Schraubenspindel
aus getrieben wird. Damit der Faden sich in Schraubenwindungen auf die Spule
auflege, wird der Faden innerhalb des Bügels durch einen Fadenführer geleitet, der
vermittelst einer Herzscheibe eine hin- und hergehende Bewegung erhält.
Der Berichterstatter verbreitet sich hierauf noch mit vielem Lobe über die Vortheile
der neuen Maschine und bemerkt zum Schlusse, daß dieselbe bereits in mehreren
Etablissements zur vollständigen Zufriedenheit ihrer Besitzer im Betriebe sey.
Auf Tab. I ist die neue Spinnvorrichtung in mehreren Ansichten abgebildet. Fig. 16 zeigt
die Seitenansicht derselben, Fig. 17 ebenfalls, jedoch
mit einigen Durchschnitten, Fig. 18 den
Horizontaldurchschnitt nach der Linie xy in Fig. 16, Fig.
19–21 einige Details, Fig. 22–23
Modificationen einiger Details. Der Bügel besteht aus den verticalen Säulchen A, die oben durch die Bänder B mit einander verbunden sind und unten auf einer Grundplatte C, deren Grundriß Fig. 18 zeigt, aufruhen.
Der Muff D, welcher mit der Grundplatte C fest verbunden ist, trägt einen Würtel E, durch welchen die ganze Vorrichtung ihre Bewegung
empfängt. Die verticale Stange F dient dabei als
Drehungsachse und geht lose durch den Muff D und die
Mitte der Grundplatte C hindurch; unten ist sie an dem
Spindelbaum X befestigt und oben endigt sie in eine
endlose Schraube. Die horizontale Spule G ist sowohl
einer geradlinig verticalen, als einer rotirenden Bewegung fähig; die letztere
erhält sie durch den geriffelten Cylinder A, auf dem sie
aufruht. Die Zapfen der Spule gehen durch Schlitze in den Säulen A hindurch und sind in denselben der Wirkung von
Schraubenfedern ausgesetzt, welche eine beständige Berührung zwischen dem
geriffelten Cylinder H und der Spule erhalten, auch wenn
mit der fortschreitenden Bewickelung der Durchmesser der letzteren wächst. I ist eine auf der Grundplatte C aufgelagerte, gegen die Spulenachse geneigte, aber ebenfalls horizontal
liegende Welle; die Bewegung, die sie vermittelst des Schraubenrades J von der endlosen Schraube an der Stange F empfängt, pflanzt sie durch die Schraubenräder 1 und 2
auf den geriffelten Cylinder H fort.
Die kurze Achse K unterhalb der Welle I liegt rechtwinkelig gegen den Cylinder H und dient zur Bewegung des Fadenführers L; ihren Betrieb erhält sie durch ein Schraubenrad O, welches mit einer endlosen Schraube an der Welle I im Eingriff steht. Der Fadenführer L hat oben einen Ring für den Durchgang des Fadens und
unten einen Stift, welcher, wie Fig. 19–21 zeigen, in
eine Nuth am Umfange der Herzscheibe M eingreift. Durch
die Verschiebung, welche der Stift in der Nuth der Herzscheibe bei der Drehung
derselben erleidet, wird der Kopf des Fadenführers mit dem durchgezogenen Faden
abwechselnd nach rechts und links abgelenkt, was zur Folge hat, daß die Spule in
regelmäßigen Windungen bewickelt wird.
Hiernach dreht sich die Achse I nicht nur mit dem ganzen
System sondern auch um sich selbst, und überträgt dieselbe Bewegung auch auf den
geriffelten Cylinder H mit der Spule G und auf den Fadenführer. Während daher der die Spindel
vertretende Bügel je nach dem erforderlichen Grade der Drehung bis zu 4500
Umdrehungen in der Minute macht, erhalten dagegen die Spule und der Fadenführer eine
viel langsamere selbstständige Bewegung.
Die rasche Umdrehungsbewegung macht eine besondere Schmiervorrichtung nöthig, die in
Folgendem besteht: N ist ein mit Oel gefüllter,
feststehender Becher, auf dessen Grundfläche der unterhalb des Würtels E befindliche Theil des Muffs D ruht; in diesen Theil ist von unten an eine stark steigende,
schraubenförmige Nuth eingeschnitten, die unmittelbar unter dem Würtel in einen
kleinen Canal ausmündet. Bei der Drehung der Spindel steigt das Oel in der Nuth in
die Höhe und fließt durch den Canal in den Becher zurück.
P, P sind die Vordercylinder; von ihnen aus geht der
Faden durch die Röhre Q im Bügel nach dem Fadenführer
L.
Wenn der Faden nur eine geringe oder gar keine Drehung erhalten soll, so sind einige
Modificationen zulässig, von denen Fig. 22 und 23 ein Bild
geben. Im ersteren Falle macht man die Bewegung der Spule unabhängig von der des
Bügels; der letztere ruht hier in einer Pfanne R (Fig. 23) und
erhält seinen Betrieb wieder mittelst des Würtels E. Die
Stange F ist nicht mehr fest, sondern wird vermittelst
eines Schraubenrades S und einer über die ganze Länge
der Maschine gehenden Welle V mit so viel
Schraubengewinden T, als Spindeln vorhanden sind, in
drehende Bewegung versetzt. Im zweiten Falle wo gar keine Drehung stattfinden soll,
braucht man nur die Bewegung des Würtels E ganz
aufzuheben und das Aufwinden vermittelst der Welle V und
der von dieser getriebenen Stange F zu bewirken.