Titel: | Ueber Chenot's Verfahren zur Stahlerzeugung; von Jul. Ziane. |
Fundstelle: | Band 153, Jahrgang 1859, Nr. X., S. 26 |
Download: | XML |
X.
Ueber Chenot's
Verfahren zur Stahlerzeugung; von Jul.
Ziane.
Aus der Revue universelle des Mines, März 1859, S.
99.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Ziane, über Chenot's Verfahren zur Stahlerzeugung.
Chenot hatte sich sein Verfahren zur Stahlfabrication
(beschrieben im polytechn. Journal Bd. CXXXVIII S.
209 u. Bd. CXLVII S. 429), welches jedoch nur für sehr reiche und sehr
reine Eisenerze anwendbar ist, in mehreren Ländern, namentlich in Frankreich und in
Belgien patentiren lassen; seine Erben überließen die französischen und belgischen
Patente belgischen Capitalisten, welche zwei Gesellschaften gründeten: die eine
davon hat ihre Anlage zu Couillet bei Charleroi mit einem Capital von 1 Million
Francs gemacht; die andere errichtete ein großes Etablissement zu Haumont bei
Maubeuge im französischen Norddepartement, mit einem Capital von 2 1/2 Millionen
Francs; beide Gesellschaften, größtentheils aus denselben Interessenten bestehend,
werden sich jetzt vereinigen. Die belgische Hütte ist im vollen Betriebe und hat
bereits Producte in den Handel gebracht, welche sehr gut aufgenommen worden
sind.
Ich verdanke der Güte des Hrn. Ed. Puissant d'Agimont,
eines Hauptinteressenten beider Gesellschaften, einen bedeutenden Theil der hier
mitgetheilten Bemerkungen. Auch dem Hrn. Scheuren,
Director der belgischen Anstalt, und dem Hrn. Ingenieur Ronge, welcher die französische Hütte dirigirt, bin ich zu Dank
verpflichtet; beide haben mich mit den Details der Verbesserungen des ursprünglichen
Verfahrens bekannt gemacht, so daß ich im Stande bin das Verfahren, wie es jetzt in Belgien und in Frankreich ausgeübt wird, zu
beschreiben.
Das zu Couillet und Haumont zu Gute gemachte Erz, welches von Bilbao bezogen wird,
ist zersetzter derber Spatheisenstein von rother Farbe und liefert eine Ausbeute von
ungefähr 50 Procent. Das Erz kommt in Stücken zur Hütte und wird dort zuvörderst
einer schwachen Haufenröstung mit Holzkohlenlösche unterworfen; dann wird es mit
Handfäusteln bis zu Nußgröße zerschlagen und auf die Gicht des Reductionsofens
gehoben.
Dieser Reductionsofen ist in Fig. 1 im senkrechten
Durchschnitt nach der Linie EF, und nach GH der Fig. 2 dargestellt; in
Fig. 2 im
horizontalen Durchschnitt nach ABCD der Fig. 1; in Fig. 3 im
horizontalen Durchschnitt
nach NO der Fig. 1, und in Fig. 4 im
senkrechten Durchschnitt nach LM der Fig. 3.
Der Ofen besteht aus zwei Haupttheilen: aus einer verticalen Retorte von feuerfesten
Ziegelsteinen, die von außerhalb gefeuert wird und über einem metallenen
Refrigerator (Abkühler) r angebracht ist, welcher
denselben Querschnitt hat wie die Retorte und gewissermaßen ihre untere Verlängerung
bildet. Das in der Retorte reducirte Erz gelangt zuvörderst in diesen Refrigerator,
ehe es mit der Atmosphäre in Berührung kommt; ohne diese Vorsichtsmaßregel würde
sich der glühende Schwamm an der Luft entzünden. Die Retorte von feuerfesten
Ziegelsteinen ist 9,50 Meter hoch und hat einen Querschnitt von 1,50 Met. auf 0,50
Meter. Sie ruht auf kleinen Gewölben von feuerfesten Ziegelsteinen, die in der Figur
nicht dargestellt sind. Die Retorte reicht etwas unter diese Gewölbe hinab, aber
dieser Theil k, l, welcher nur eine Höhe von 1 Meter
hat, ruht auf einem gußeisernen Rahmen, der mit Füßen s, ebenfalls aus Gußeisen,
versehen ist, welche auf vier sehr festen Pfeilern P von
behauenen Steinen aufstehen. Von diesen Pfeilern steigen ebenfalls Gewölbe v, v' aus gewöhnlichen Ziegelsteinen auf, welche das
Ofengemäuer mit den Feuerungsräumen tragen. Von letzteren sind vier vorhanden, die
an den Ecken des Gemäuers angebracht sind und aus denen die Flammen längs den großen
Wänden der Retorte durch eine Reihe von Canälen c, c
emporsteigen, welche in dem obern Theil des Gemäuers in zwei Canälen d auslaufen, die mit der Zugesse in Verbindung
stehen.
Die Temperatur nimmt von der Oeffnung bis zum Niveau des Feuerraums, wo die Hitze am
stärksten ist, zu. Zwei Deckel von Blech f, f'
verschließen die Retorte an ihren Enden und verhindern jeden Luftzutritt.
Der Betrieb des Ofens ist einfach folgender. Das Erz wird durch den obern Theil der
Retorte in Schichten eingebracht, die mit gleich starken Schichten von Holzkohle, in
Stücke von etwa 1 Kubikcentimeter zerschlagen, abwechseln. Diese Füllung wird von
den Feuerräumen nach und nach erhitzt, dann reducirt und endlich mit Kohlenstoff
angereichert. Indem sie langsam sinkt, gelangt sie in den Refrigerator r, in welchem sie ganz auskühlt. Je mehr man Schwamm aus
dem Refrigerator auszieht, desto rascher findet der Niedergang der Gichten statt und
um so schneller muß wieder aufgegeben werden.
Zum Ausziehen des Eisenschwammes aus dem Refrigerator wird ein eigenthümlicher
Mechanismus angewendet. Ein Arbeiter steckt nämlich eine Reihe von Eisenstäben b, b ein, die am untern Theil des Refrigerators einen
Rost bilden, auf welchem die ganze Säule der in der Retorte enthaltenen Materialien
ruht; er entfernt alsdann den blechernen Deckel f, (Fig. 5), entzündet sofort
das heraustretende Kohlenoxydgas, damit er gegen dessen schädlichen Einfluß
geschützt ist, und schiebt unter die Retorte einen Wagen w mit beweglichem Boden (Fig. 1), den er mittelst
einer Schraube auf welcher der Boden ruht, fast bis unter den Rost hebt; er zieht
dann die Stäbe heraus und läßt den Eisenschwamm auf dem Boden des Wagens aufruhen;
hierauf läßt er diesen wieder beliebig hinab, schiebt neuerdings die Roststäbe ein,
entfernt den Wagen und bringt den untern Deckel t'
wieder an seine Stelle, worauf oben wieder aufgegeben und die Retorte angefüllt
wird.
Der Gang des Apparates ist sehr regelmäßig. Die hauptsächlich zu vermeidenden
Störungen sind Versetzungen, welche entstehen, wenn man die Temperatur zu sehr
steigert; das Erz frittet dann zusammen, bildet eine Masse in der Retorte und
behindert den Niedergang der Gichten; man muß diese Massen alsdann mit langen
Brechstangen zertheilen. Aus der Farbe der Ziegelsteine der Canäle, welche die
Flamme von dem Rost ableiten, läßt sich jedoch die Temperatur beurtheilen; man
bringt zu dem Ende im untern Theil der senkrechten Canäle eine Oeffnung an, welche
als Schauloch dient und zugleich der Luft Zutritt gewährt, so daß die gekohlten Gase
vollständiger verbrannt werden. Minder unsichere Anzeichen über den Gang des Ofens
gewähren die Gase, die aus einer eisernen Röhre g
abziehen, welche durch die ganze Masse und die Wände der Retorte gesteckt ist und in
der Gegend der Feuerungen ausmündet; so lange die Reduction nicht vollständig ist,
hat das an der Röhrenöffnung entzündete Gas eine weißliche Farbe, wogegen die
vollständige Reduction durch eine röthlich bläuliche Farbe angezeigt wird.
Die Inbetriebsetzung dieses Apparates bietet keine Schwierigkeiten dar. Nachdem das
Mauerwerk des Ofens und der Retorte gehörig abgewärmt ist, macht man ein gelindes
Feuer auf den vier Rosten und füllt sodann die Retorte mit Holzkohlen oder Kohks in
kleinen Stücken an. Man schließt dann die Retorte durch den obern und untern Deckel
und steigert nun die Feuerungen auf den Rosten nach und nach. Sobald die
Retortenwände eine kirschrothe Farbe erreicht haben, beginnt man das Aufgeben der
abwechselnden Erz- und Holzkohlengichten, die eine Dicke von 6 bis 7
Centimetern haben. Den Niedergang regulirt man nach Bedürfniß dadurch, daß man unter
dem Refrigerator die kleinen Kohks auszieht, bis die Erze dort angelangt sind,
worauf wie oben angegeben verfahren wird.
Ein solcher Ofen wird in der Regel täglich viermal gefüllt und entleert und producirt
dabei ungefähr 1250 Kilogr. Schwamm.
Um Brennmaterial zu ersparen, hat man Doppelöfen construirt, bei denen zwei Retorten
in demselben Mantel eingeschlossen sind, wahrscheinlich sind jedoch die
vortheilhaftesten Dimensionen für solche Oefen noch nicht ermittelt. Schon
gegenwärtig ist der Betrieb der oben beschriebenen Oefen ein sehr befriedigender,
indem sie Campagnen von einem Jahre machen und der Schwamm sehr ökonomisch erzeugt
wird. Seine Productionskosten belaufen sich nicht höher als die des aus
Kohksroheisen fabricirten Walzeisens und stellen sich viel niedriger als der Preis
des schwedischen Cementireisens, mit welchem der Eisenschwamm insofern die größte
Aehnlichkeit hat, als er eine ähnliche Reihe von Operationen durchmachen muß, um in
Gußstahl verwandelt zu werden.
Von der Kohlenlösche wird der Eisenschwamm dadurch gereinigt, daß man ihn durch eine
Siebtrommel schlägt. Man nimmt dann mit dem Schwamm eine sorgfältige Handscheidung
in drei Sorten vor, wozu die Arbeiter sehr bald die erforderliche Geschicklichkeit
erlangen. Man scheidet nämlich zuvörderst die unvollständig reducirten Stücke ab,
welche wieder dem Reductionsproceß unterworfen werden; den Schwamm selbst scheidet
man in harten und weichen, je nachdem er mehr oder weniger Kohlenstoff aufgenommen
hat. Durch Zusammenschmelzen dieser zwei Sorten Eisenschwamm in verschiedenen
Verhältnissen erzielt man Stahl von beliebiger Härte.
Chenot hatte zur Trennung der unvollständig reducirten
Stücke von dem Eisenschwamm einen elektromagnetischen Apparat vorgeschlagen, welcher
aber im Großen nicht in Anwendung kam, da er zu complicirt ist und leicht in
Unordnung kommt.
Der geschiedene Schwamm wird alsdann unter zwei verticalen Mühlsteinen zerrieben, von
denen jeder 1500 Kilogr. wiegt und die sich in einem runden Troge drehen. Das
grauliche Pulver, welches man auf diese Weise erhält, muß sobald als möglich der
Zusammenpressung unterworfen werden, um daraus kleine Cylinder von 35 Millimeter
Durchmesser und 30 Millim. Höhe zu formen. Für diese Zusammenpressung des Schwammes,
welche unerläßlich ist, um die Schmelzung des Stahls ökonomisch zu bewirken, hat Chenot mehrere Maschinen versucht und blieb bei der nun
zu beschreibenden stehen.
Fig. 6 ist ein
Aufriß der ganzen Maschine;
Fig. 7 ein
Aufriß von dem Excentricum;
Fig. 8 ein
horizontaler Durchschnitt.
Eine kreisförmige Platte m, die sich auf einer starken
gußeisernen Tafel f dreht, ist in der Nähe ihrer
Peripherie mit einer Reihe von Löchern versehen. Durch die, dieser Platte mittelst
eines Excentricums (Fig. 7 u. 8) mitgetheilte
rotirende Bewegung gelangt jedes der Löcher nach und nach unter einen Trichter,
wodurch es sich mit Schwammpulver füllt. Darauf gelangt es in die Achse eines
Preßstempels p, der an einem Hebel l angebracht ist, welchem eine schwingende Bewegung
ertheilt wird. Nach der Zusammenpressung wird das gebildete Stäbchen über eine
Oeffnung o' in der Tafel f
geführt, durch welche es ein Stempel p' ausstoßt.
Um zwei Cylinder auf einmal zu formen, hat man zu beiden Seiten des Hebels einen
Preßstempel angebracht. Jeder Cylinder erhält einen Gesammtdruck von etwa 14000
Kilogrammen. Die Maschine preßt 15 Stäbchen in der Minute oder in 10 Arbeitsstunden
1300 Kilogr. Schwamm. Sie wurde von Hrn. Detombay in
Marcinelle bei Charleroi ausgeführt.
Die so gebildeten Stäbchen oder Cylinder sind nun zum Schmelzen geeignet, was die
kostspieligste und unvollkommenste Operation ist, sich aber in nichts von dem
gewöhnlichen Stahlschmelzverfahren unterscheidet. Man benutzt Tiegel von feuerfestem
Thon, in denen man 20 Kilogr. Schwammstäbchen auf einmal, in mit Kohks gefeuerten
Windöfen, schmilzt. Ehe man den Stahl in die gußeisernen Formen ausgießt, wirft man
etwas zerstampftes Ziegelmehl auf die Schlacke, welche über dem flüssigen Metall
schwimmt, und hebt dann die dadurch teigig gewordene Schlacke mittelst einer kleinen
hölzernen Schaufel ab, worauf man zum Guß schreitet. Die gegossenen Stäbe sind im
Innern blasenfrei; ihre Textur ist blätterig und die Facetten sind um so größer, je
weicher der Stahl ist. Die Stahlstäbe werden hierauf ganz auf dieselbe Weise wie
gewöhnlicher Gußstahl behandelt und erhalten dabei ein sehr schönes Korn.