Titel: | Ueber Gußstahlerzeugung, besonders nach den Verfahrungsarten von Chenot und Uchatius; von P. Tunner, k. k. Sectionsrath. |
Fundstelle: | Band 153, Jahrgang 1859, Nr. XI., S. 31 |
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XI.
Ueber Gußstahlerzeugung, besonders nach den
Verfahrungsarten von Chenot
und Uchatius; von P. Tunner, k. k.
Sectionsrath.
Aus dem berg- und hüttenmännischen Jahrbuche, Bd.
VIII S. 151.
Tunner, über Gußstahlerzeugung.
Kein Artikel des seit zwei Decennien vielbewegten und belebten Eisenwesens war und
ist so sehr ein Gegenstand der Speculation, wie die Stahlerzeugung. Die absolut, wie
relativ vermehrte Anwendung dieses Materiales in der Technik, und die große Dunkelheit,
welche gerade über dem Wesen des Stahles noch zur Stunde obwaltet, sind die Ursache
der vielen Ideen, welche über die Stahlerzeugung fortwährend auftauchen. Daß die
meisten dieser Ideen, als unpraktisch, früher oder später untergehen, liegt in der
Natur der Sache.
Im Interesse der Wissenschaft, des Fortschrittes, ist es sehr zu bedauern, daß die
wahren Ergebnisse der meisten Versuche über Stahlerzeugung unbekannt bleiben. Die
mißglückten Versuche fallen in der Regel bald der gänzlichen Vergessenheit anheim,
die mehr oder weniger glücklichen Resultate werden aber gewöhnlich, so lange als
möglich, von Einzelnen hinter geschlossenen Thüren auszubeuten getrachtet, weil
meist Gründe vorhanden sind, den Schutz durch Privilegien nicht für zureichend zu
halten. In der großen Mehrzahl liegt der Geheimnißkrämerei, welche neuerlichst bei
der Gußstahlerzeugung völlig modern geworden ist, jedoch keine
Manipulations-Verbesserung, sondern die Wahrnehmung zu Grunde, daß das
Publicum von der Fabrication mehr hält, wenn ihm dieselbe unsichtbar bleibt.
Ungeachtet der öfter vermeintlichen Geheimhaltung bei der Gußstahlerzeugung ist
demnach höchst selten ein wirkliches werthvolles Fabrikgeheimniß vorhanden. Von dem,
was in diesem Zweige geschieht, ist aber auch jenes von Interesse, dessen Werth noch
mehr oder weniger fraglich erscheint.
Hieher gehört, nach meinem Erkennen, vor Allem die Stahlerzeugung nach Chenot und Uchatius. In
neuester Zeit ist dazu noch der Wolframstahl gekommen.
Von letzterem ist mir aber bisher zu wenig bekannt geworden, um darüber jetzt schon
ein Urtheil mir bilden zu können; denn aus einzelnen Bruchstücken mit ausgezeichnet
feiner Textur, wie aus einzelnen sehr harten Meißeln, vermag ich nicht genügende
Thatsachen für den Werth des fraglichen Stahles zu ersehen. Noch weniger ist aus
wissenschaftlichen Gründen der Wolframstahl zu empfehlen. Das Wenige, was ich von
diesem Stahle gesehen habe, ist jedenfalls mehr, als ich nach der Theorie davon
erwartet hätte. Mögen die weiteren Versuche und Erfolge die mehrseitig darauf
gebauten Hoffnungen rechtfertigen, und der Industrie wie den Künsten in dem
Wolframstahl der vorzüglichste Instrumentenstahl geboten seyn; denn von
Massengußstahl kann hierbei nicht die Rede seyn.
Ueber die Stahlfabrication nach Chenot und nach Uchatius habe ich mich vor längerer Zeit, theils von
Amtswegen bei der letzten allgemeinen Industrieausstellung, theils im Interesse des
Fortschrittes öffentlich ausgesprochen. Hier soll nur mit den passenden Anmerkungen
wieder nachgetragen werden, was mir über den weitern Verlauf dieses Gegenstandes seither bekannt geworden
ist. Ich fühle mich hierzu um so mehr gedrungen, da verlautetOesterreichische Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, 1857, Nr.
50., daß die mehrgenannten zwei Methoden in Oesterreich ebenfalls zur Ausführung
im Großen kommen sollen, und gelegentlich dieser Bekanntgabe, auch auf meine frühere
Beurtheilung derselben hingewiesen wurde.
Das Chenot'sche Verfahren, wie es jetzt in Frankreich
ausgeübt wird, ist wesentlich verschieden von dem, wie es zur Zeit der Pariser
allgemeinen Industrieausstellung von dem Erfinder selbst angegeben und in meinem
noch im Jahre 1855 erschienenen Berichte Seite 46 und 47 veröffentlicht worden ist.
Die Absonderung der Bergarten in den Erzen auf mechanischem Wege durch einen eigens
construirten elektro-magnetischen Apparat, ist nach Angabe eines Augenzeugen
gänzlich aufgegeben worden. Die Reduction der Eisenerze geschieht nicht mehr in
größeren Räumen durch einen Cyclus von Kohlensäure und KohlenoxydgasSiehe polytechn. Journal, 1858, Bd. CXLVII S. 429., sondern einfach durch lagenweises Eingeben mit Kohlenpulver in einem
geschlossenen Schachtofen, welcher durch Flammfeuerung von Außen erhitzt wird. Der
aus Ziegeln und Thon möglichst luftdicht hergestellte Schachtofen ist etwas über 1
1/2 Fuß weit und 6–7 Fuß hoch. Eine besondere Vorrichtung, wesentlich aus
einem eisenblechernen Cylinder und einer tiefer liegenden beweglichen Bühne
bestehend, ist am untern Ende des Reductionsofens vorhanden, damit die heißen
reducirten Erze vorerst bei Ausschluß der Luft abgekühlt werden können, bevor sie
herausgenommen werden. Es wird dieses als nothwendig erachtet, um die
Selbstentzündung der reducirten Erze zu unterdrücken, indem das fein vertheilte
metallische Eisen bei Zutritt der atmosphärischen Luft in etwas höherer Temperatur,
wie bekannt, sich wieder oxydirt. Es ist jedoch irrig, wenn man glaubt, daß das
Selbstentzünden und völlige Oxydiren des reducirten Eisens schwer zu verhindern sey.
Ich führe dieses ausdrücklich an, weil man das Mißlingen der von Gerstorff'schen Versuche in Schlögelmühl neuerlichst
diesem Umstand hat zuschreiben wollen. Die Reduction ist bei diesen Versuchen nicht
allein ohne Anstand erfolgt, sondern auch erhalten worden, wie ich an Proben aus
jener Zeit noch jetzt nachweisen kann.
Die reducirten und nothwendig mehr oder weniger zugleich gekohlten Eisenerze werden
bei dem Chenot'schen Verfahren von dem überschüssigen
Kohlenpulver durch Siebe abgesondert, sodann in einer Quetschvorrichtung, ähnlich
einer Sandquetsche bei den Eisengießereien, zerkleinert.
Das Meiste von den Erzen wird hiebei sehr fein, ein Theil aber bleibt als
zusammengefrittete metallische Graupen in gröberen Partien. Jede dieser, durch Siebe
getrennten Partien wird für sich mit etwas Braunstein- und Kohlenpulver
gemengt, in kleine cylindrische Stücke gepreßt, sodann in Tiegeln zu Gußstahl
geschmolzen.
Die Stabeisenbereitung nach der Chenot'schen Methode
scheint demnach ganz verlassen zu seyn, und die Stahlbereitung nicht wie vom
Erfinder angegeben war, durch Tränken des sogenannten Metallschwammes (der
reducirten Erze) in verschiedenen öligen Flüssigkeiten, sondern einfach durch
Beigabe von Braunstein- und Kohlenpulver und sofortiges Schmelzen in Tiegeln
bewerkstelligt zu werden.
Wenn bei diesem neuerlichen Verfahren möglichst reiche und reine Eisenerze angewendet
werden, so kann auf diesem Wege für die Gußstahlerzeugung ein billigeres Material,
als sonst gebräuchlich ist, dargestellt werden; denn der Reductionsproceß kann nach
vielfältigen Erfahrungen leicht und billig in der angedeuteten Art und Weise
durchgeführt werden. Die Abscheidung der bei reichen Erzen nur in geringerer Menge
vorhandenen Bergarten kann im Gußstahltiegel ganz gut erfolgen, und zwar um so
vollständiger, wenn zu deren bessern Vermittelung Braunstein zugeschlagen wird. Wie
es aber möglich seyn sollte, auf diesem Wege mit einiger Sicherheit einen Gußstahl
von bestimmtem Kohlengehalte, von bestimmter Härte darzustellen, ist mir nicht
einleuchtend. Schon aus dem Reductionsofen müssen die Erze, wenn sie nicht
theilweise unreducirt bleiben sollen, mehr oder weniger gekohlt herauskommen; denn
die Gränze in der Temperatur, welche einerseits für die Reduction, und andererseits
für die Kohlung zureichend ist, ist nicht so scharf, und kann unmöglich im
Reductionsofen genau eingehalten werden. Durch das darauf folgende Zerkleinern und
Sieben kann aber nur eine sehr beiläufige Abtheilung nach dem aufgenommenen
Kohlengehalte erfolgen. Endlich kann die Einwirkung sowohl der zugesetzten
Holzkohle, als des Braunsteins, im Gußstahltiegel kaum als sich stets zureichend
gleichbleibend angenommen werden, obschon das vorausgegangene innige Mengen der in
feinen Aggregationszustand gebrachten drei Bestandtheile, wie das Pressen des
Gemenges zu cylindrischen Stücken von etlichen Kubikzoll Größe, in dieser Beziehung
einige Unterstützung gewährt.
Nach meinem unmaßgeblichen Erkennen liegen in diesem neuen Verfahren, welches
übrigens, im Vergleich mit dem früheren, kaum noch das Chenot'sche genannt werden kann, der Unsicherheiten für die Erlangung
einer bestimmten Stahlqualität mindestens eben so viele, als in dem Vorgange nach Uchatius, von welchem letzteren hier übrigens kein
neuerer Fortschritt zu berichten ist.Das Verfahren von Uchatius ist beschrieben im
polytechnischen Journal Bd. CXLII S.
34. Beide in Rede stehende Methoden haben unter sich jedoch größere
Aehnlichkeit, als beim ersten Anblick in die Augen fällt. Bei der neueren Chenot'schen Methode wird das Hauptmaterial für die
Stahlerzeugung, um Vergleichungsweise zu sprechen, dem Eisenhohofen gleichsam aus
der Gegend zwischen Obergestell und Kohlensack, bei dem Uchatius'schen Verfahren hingegen aus dem Stichloche am Boden entnommen.
Bei der Ersteren ist im Durchschnitte noch nicht Stahl entstanden, muß daher in
Gußtiegeln noch kohlend eingewirkt werden; bei der Letztern ist aber schon über den
Stahl (zum Roheisen nämlich) hinaus gegangen worden, muß im Gußstahltiegel demnach
wieder entkohlend gewirkt werden. Hiernach erschiene Chenot's Methode als die einfachere, richtigere, wäre nicht der Uebelstand
dabei, daß in diesem Materiale auch alle Bergarten der Erze mit enthalten sind,
welche bei dem Uchatius'schen Materiale, dem Roheisen,
als Hohofenschlacken abgesondert wurden. Auf den weitern Unterschied, daß im
Roheisen nebst überschüssiger Kohle noch andere Körper enthalten sind, während das
reducirte Eisen nach Chenot außer etwas Kohle nur sehr
wenig von andern Körpern enthalten kann, dürfte kein so großer Werth zu legen seyn,
als es von Chenot's Anhängern geschieht, weil einerseits
sehr unreine Erze bei keiner dieser Methoden verwendet werden dürfen, und
andererseits der dießfällige Unterschied zwischen beiden genannten Materialien bei
dem nachfolgenden Vorgange im Schmelztiegel wieder ausgeglichen wird. Wichtiger
scheint mir der vorwaltend feine Aggregationszustand, die innige Mengung und das
Zusammenpressen der Gemengtheile nach Chenot's
Verfahren.
Beide Hauptmaterialien, die reducirten und mehr oder weniger gekohlten Erze, wie das
Roheisen, sind in ihrer Beschaffenheit nothwendig variirend; das Roheisen dürfte
aber leichter und sicherer zu sortiren seyn, als die reducirten Erze. Welcher Proceß
im Gußstahltiegel mehr Sicherheit bietet, die fortgesetzte Kohlung und sofortige
Abscheidung der Bergarten als Schlacke nach Chenot, oder
die Entkohlung und sonstige Reinigung des Roheisens durch Eisenoxydate (geröstete
Eisenerze) nach Uchatius, das muß ich dahin gestellt seyn
lassen. Gewiß aber dünkt mir, daß völlige Sicherheit im Endresultate auf keinem
dieser Wege zu erreichen ist. Nothwendig muß nach beiden Methoden der Tiegel von der
gebildeten Schlacke leiden, nach Uchatius Verfahren aber
mehr als nach dem von Chenot, weil die Eisensilicate in dieser
Beziehung am schlimmsten sind. Beide Erfinder bedienen sich der Zuschläge von
Braunstein, um eine dünn- und leichtflüssige Schlacke, eine bessere Reinigung
der Stahlmasse zu bezwecken. Wie unsicher aber die Erfolge durch den Zuschlag von
Braunstein sind, hat man in England lange vorher erfahren, und war aus diesem Grunde
des Engländers Heath Methode, nach welcher Kohlenmangan
(oder einfacher, die zu dessen Erzeugung bestimmten, aus Braunstein, Kohlenpulver
und Theer bereiteten Kuchen) dem geschmolzenen Stahl nachgetragen wird, von
günstigen Folgen begleitet.Siehe Mining Journal von 1853, Nr. 943. (Ueber
die Darstellung der dreifachen Verbindung von Eisen, Kohlenstoff und Mangan
sehe man Robert Mushet's Patent im polytechn.
Journal Bd. CXLVI S. 204)
So wie dem Verfahren nach Uchatius das alte patentirt
gewesene Verfahren von Obersteiner, den Gußstahl aus
Spiegeleisen und Stabeisen zusammen zu schmelzen, am nächsten steht und von jenem
auch mitbenutzt wird, so ist ingleichen das neuere Verfahren nach Chenot zunächst verwandt mit der alten Methode, den
Gußstahl aus Stabeisen und Kohle zusammen zu schmelzen. Selbst die uralte Methode
der Bereitung des Wootz gehört in diese Kategorie. Sowohl das Obersteiner'sche Verfahren, wie das der Wootzbereitung haben bis unlängst
keine Verbreitung gefunden, weil sie sich in den Erfolgen zu unsicher erwiesen
– wenigstens zu unsicher für die Bereitung des Instrumenten- oder
feinen Gußstahles. Beide diese alten Methoden haben an dem Stabeisen, und respective
an dem Roheisen, zwar ein etwas kostspieligeres, dafür aber zugleich ein etwas
verläßlicheres, bestimmteres Material benutzt, dadurch also nothwendig mehr
Sicherheit erlangt. Waren dessen ungeachtet diese Methoden zu unsicher in ihren
Erfolgen, so ist schwer abzusehen, wie die Bereitungsarten von Chenot und Uchatius in dieser Beziehung genügen
sollen. Bei dem Obersteiner'schen Verfahren war ich
selbst als Praktikant thätig und hatte Gelegenheit, mich zu überzeugen, daß mitunter
eine recht brauchbare, wenn gleich keine vorzügliche Stahlqualität erhalten wurde.
Allein oft wieder fiel der Stahl bei demselben Mengungsverhältnisse zwischen
Stabeisen und Roheisen in einem Grade ungleich aus, daß das Product nicht zu
gebrauchen war; hierbei muß ich jedoch bemerken, daß Obersteiner bei seinen Versuchen noch den wesentlichen Mangel hatte, daß
der geschmolzene Stahl nicht ausgegossen wurde, was gerade bei dem Gemenge von
Stabeisen und Roheisen am nothwendigsten ist. So viel steht fest, daß auf diesem
Wege ein vorzüglicher, in seiner Harte verläßlicher Stahl nicht darzustellen ist.
Wenn aber reines Stabeisen und Roheisen in möglichst kleinem Aggregatszustande im
passenden Verhältnisse vollkommen zusammen geschmolzen und das Schmelzgut gehörig
flüssig ausgegossen wird, dann wird nach diesem Verfahren ein für viele Zwecke
genügender und zugleich billiger Maschinen- oder Massengußstahl erhalten.
Nachdem in neuester Zeit ein großer Verbrauch von Massengußstahl entstanden ist,
dessen Festigkeit und Zähigkeit durch einen Zusatz von Braunstein oder Kohlenmangan,
und besonders durch größere Stahlgüsse und demgemäß vermehrtes Glühen und mehrere
mechanische Bearbeitung gar sehr verbessert werden kann, so ist kein Zweifel, daß
auf diesem Wege tauglicher Maschinen-Gußstahl erzeugt werden kann. Wie ich
aus verläßlicher Quelle weiß, d.h. von Augenzeugen versichert worden bin, welche
selbst Fachmänner sind, und unaufgefordert keinen Grund haben konnten mir
Unwahrheiten aufzutischen, so wird derzeit in zwei großen, wohlbekannten
Stahlfabriken des Continents aus Roheisen und Stabeisen, wie aus Stabeisen und
Kohlenpulver ordinärer Gußstahl in großen Quantitäten
producirt. Auf etlichen kleineren Fabriken habe ich mir von dem gleichen Vorgang
selbst die Ueberzeugung verschafft. Ueberhaupt werden und können die in sehr
verschiedener Qualität verlangten Gußstahlsorten nicht sowohl durch eine
verschiedene Behandlung in der Manipulation, sondern hauptsächlich nur durch die
verschiedenen, in den Schmelztiegel gebrachten Materialien dargestellt werden.
An und für sich ist zwar die kostspielige Tiegelschmelzerei zur Erzeugung eines
ordinären Stahles nicht angezeigt; wenn aber durch den Schmelztiegel der
unvollkommenere und unverläßlichere Schweißproceß zum Hervorbringen größerer Stücke
beseitigt wird, dann kann erstere gleichwohl angezeigt seyn, um ein verläßliches
Product mit vergleichungsweise geringeren Kosten darzustellen. Bei größeren
Maschinenstücken, nicht aber bei gewöhnlichem Stangenstahl, kann dieser Umstand zum
Vortheil des Schmelztiegels auch für geringere Stahlqualitäten sich geltend
machen.
Unter solchen Umständen kann weder dem neuerlichen Verfahren von Chenot, noch dem von Uchatius
aller Erfolg in der Praxis abgesprochen werden, was um so anmaßender erscheinen
müßte, als angeblich beide Erfindungen wiederholt um hohes Geld an Stahlfabrikanten
und Gesellschaften verkauft worden sind. Zweifelhaft aber ist mir derselbe Werth
immer noch; und gewiß ist, daß jenes Verfahren von Chenot, welches auf der Pariser Ausstellung repräsentirt war und beurtheilt
worden ist, sich als unpraktisch darstellte, und darum von dem Erfinder und dessen
Nachfolgern gegen die vorstehend berührte, jedenfalls auf rationelleren Gründen
basirte Methode vertauscht worden ist.
Wie verlautet, tauchte in allerneuester Zeit noch eine Methode der Gußstahlbereitung
auf, welche gleichfalls in die hier behandelte Kategorie einzureihen kommt. Es soll
nämlich das zu verwendende Roheisen, in glühenden Zustand versetzt, sofort gepocht
werden. Dieses Pochen ist leicht und billig auszuführen, wovon der Beweis in dem
Vorbereiten des Roheisens bei dem Salzburger SinterfrischproceßSiehe Tunner's Hammermeister. 2. Auflage, Bd. II
S. 52. vorliegt. Es ist diese Zerkleinerung des Roheisens entschieden billiger, als
das Granuliren, vielleicht auch vollkommener. Der erhaltene Roheisensand wird durch
Siebvorrichtungen sortirt, das Gröbste allenfalls nochmals erwärmt und gepocht. Ein
Theil des Roheisensandes wird durch oxydirendes Rösten in Oxyd verwandelt. Der
oxydirte und der rohe Eisensand werden nun in entsprechenden Verhältnissen und mit
allfälliger Zugabe von Braunstein gemengt, im Tiegel zu Gußstahl geschmolzen. Der
oxydirte Eisensand ist hierbei zwar ein etwas kostspieligeres, dafür aber ein
verläßlicheres und reineres Material, als bei dem Verfahren nach Uchatius die gerösteten Eisenerze sind, und ist damit der
große Uebelstand beseitiget, welchen bei letztgenannter Methode die viele
Eisensilicatschlacke verursacht. – Selbstverständlich ist, daß dieses neueste
Project gleichfalls nur auf Massengußstahl berechnet seyn kann.
Um schließlich die wiederholt berührte, größere Sicherheit in der angestrebten Härte
und Gleichförmigkeit des aus Cement-, Schmelz- oder Puddlingsstahl
bereiteten Gußstahles anschaulicher zu machen, darf nur darauf hingewiesen werden,
daß diese Materialien bereits Stahl sind, daß nach ihrem Bruchansehen genaue, sich
gleichbleibende Sortimente eingehalten werden können, und endlich, daß durch den
einfachen Schmelzproceß im Tiegel wesentlich bloß eine gleichförmige Vertheilung und
Beseitigung aller Ungänzen angestrebt wird. Nur bei den unreinem Stahlsorten wird
durch die spätere, geringe Zugabe von ungefähr 1 Procent Kohlenmangan zugleich eine
Reinigung bezweckt. Ist die Schmelzung vollständig erfolgt, was durch das darauf
folgende Ausgießen außer Zweifel gesetzt wird, so kann dieser einfache Proceß
unmöglich vielen oder großen Variationen ausgesetzt seyn, und mit guten Tiegeln
können drei Schmelzungen hinter einander gemacht werden. Je gleichförmiger, reiner
und fester der ursprüngliche Stahl war, desto besser fällt der Gußstahl aus. Wird im
Allgemeinen derselbe Stahl zweimal nach einander geschmolzen und inzwischen, wie
nachher, mechanisch bearbeitet, so gewinnt er wesentlich an Güte, natürlich um so
augenfälliger, je geringer die Qualität nach der ersten Schmelzung war.Siehe Karsten's Archiv, Bd. XXV, Heft 1. Es werden sogleich selbst die Zwecke des einfachen Schmelzprocesses um so
besser erreicht, je weniger Arbeit demselben zur Erlangung eines möglichst guten
Stahls überlassen bleibt. – In der Chemie wie in der Mechanik bestätigt sich
allenthalben das Gesetz, je einfacher und unbedeutender die durchzuführende
Operation, desto vollständiger und sicherer ist der Erfolg.
Wenn aber mehr auf Billigkeit als auf Güte des Productes gesehen werden soll, dann
kann allerdings eine passende Zusammenziehung der einzelnen Processe möglicher Weise
am rechten Platze seyn. Am Ende könnte man selbst aus reinen Eisenerzen,
Kohlenpulver und Braunstein, in richtigen Verhältnissen gemengt, unmittelbar
Gußstahl erzeugen. Ohne Zweifel würde es auf diesem einfachsten Wege dann und wann
gelingen, einen brauchbaren Gußstahl zu erhalten; aber als
Fabrications-Verfahren möchte ich dasselbe doch nicht empfehlen.