Titel: | Ueber die Bestimmung der in der Luft enthaltenen organischen Substanz; von Dr. N. A. Smith. |
Fundstelle: | Band 153, Jahrgang 1859, Nr. XVII., S. 56 |
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XVII.
Ueber die Bestimmung der in der Luft enthaltenen
organischen Substanz; von Dr. N. A.
Smith.
Vorgetragen in der Royal Institution of Great Britain am 25. März 1859.
– Aus der Chemical
Gazette, Mai 1859, Nr. 397.
Smith, über die Bestimmung der in der Luft enthaltenen organischen
Substanz.
Um den relativen Gehalt der Luft an organischer Substanz zu bestimmen, benutze ich
das sogenannte mineralische Chamäleon, das übermangansaure Kali oder Natron, welches
Forchhammer zur Bestimmung der organischen Substanz
im Wasser vorgeschlagen hat. Anfangs ließ ich die Luft durch die Chamäleonlösung
strömen, fand aber, daß dadurch keine vollständige Einwirkung erzielt wurde; die
Luft muß nothwendig mit der zu zersetzenden Lösung einige Zeit in Berührung bleiben.
Es gelang mir dann den relativen Gehalt der Luft an organischer und sonstiger oxrydirbarer Substanz durch einen einfachen
Titrirversuch in einigen Minuten zu bestimmen. Sehr geeignet ist dazu eine Flasche
von 80 bis 100 engl. Kubikzoll (beiläufig 1 1/2 Liter) Inhalt.
Die anzuwendende Chamäleonlösung muß außerordentlich schwach seyn; es sind 600 Grains
derselben erforderlich, um 5 Grains einer Normallösung von Oxalsäure zu zersetzen,
von welcher 1000 Grains 1 Grain kohlensaures Natron neutralisiren, daher 1000 Grains
dieser Normallösung 1,184 Grain krystallisirte Oralsäure enthalten.
Zur Darstellung der Chamäleonlösung bereitete ich mangansaures Natron auf die Art,
daß ich salpetersaures und kohlensaures Natron und Braunstein, mit Zusatz von ein
wenig chlorsaurem Kali, erhitzte. Bei Anwendung dieses Präparats blieb die kleinste
Spur von salpetersaurem Salz in der Chamäleonlösung. Von diesem mangansauren Salz
wurde eine Lösung in reinem Wasser gemacht und durch dieselbe Kohlensäure geleitet,
bis eine röthliche Färbung entstanden war. Sie wurde dann mit Oxalsäure titrirt,
nachdem drei bis vier Tropfen reine Schwefelsäure zugesetzt worden waren. Um diese
Lösung, welche ein Gemisch von mangansaurem und übermangansaurem Alkali ist, auf die
geeignete Stärke zu verdünnen, muß man das reinste Wasser anwenden, welches man sich
verschaffen kann; wenn man ein nicht ganz reines Wasser einige Zeit lang mit einem
mangansauren Alkali stehen läßt, so wird es gereinigt.
Die Chamäleonlösung zersetzt sich allmählich sogar in einer luftdicht verschlossenen
Glasröhre; obige Lösung war in einer solchen Glasröhre nach etwa drei Monaten fast
farblos geworden. Wenn sie durch häufiges Oeffnen der sie enthaltenden Flasche der
Luft ausgesetzt wird, so verändert sie sich bald. Man muß sie daher von Zeit zu Zeit
auf ihre Stärke probiren, und wenn dieselbe von der normalen abweicht, durch
Berechnung eine Reduction vornehmen. Ich wende eine so außerordentlich schwache
Lösung von übermangansaurem Alkali deßhalb an, weil selbst die schlechteste Luft nur
eine äußerst geringe Menge von organischer Substanz enthält.
Mein Apparat zur Prüfung der Luft mittelst der angegebenen Chamäleonlösung besteht
einfach in einer Flasche (von 80 bis 100 engl. Kubikzoll Inhalt) mit durchbohrtem
Stöpsel, durch welchen zwei Röhren gehen, deren jede mit einem Sperrhahn von Glas
oder von hartem Kautschuk versehen ist. Um die Flasche mit der zu prüfenden Luft zu
füllen, entfernt man den Stöpsel und führt das Rohr einer Saugpumpe ein, welches bis
auf den Boden der Flasche reicht. Diese Pumpe ist ein kleiner cylindrischer
Blasebalg von 4 Zoll Durchmesser, welcher ausgedehnt 8 Zoll hoch ist und auf
beiläufig 2 Zoll Höhe zusammengedrückt werden kann; die Seiten desselben bestehen
aus einem Mackintosh-Zeug. Vermittelst dieser Pumpe wird die Luft aus der
Flasche ausgesaugt und die äußere Luft tritt dann in dieselbe ein; 6 bis 10
Pumpenzüge haben sich für eine Flasche von 100 Kubikzoll Inhalt als ausreichend
gezeigt. Die Probeflüssigkeit gießt man in eine Bürette, welche etwas mehr als die
erforderliche Menge davon faßt. Aus dieser gießt man einen Theil derselben in die
Röhre welche durch den Stöpsel geht, und öffnet den Sperrhahn, damit sie durchläuft.
Man wendet stets nur kleine Quantitäten von der Probeflüssigkeit an; nachdem sie in
die Flasche getreten ist, verbreitet man sie an den Seiten derselben und läßt sie
hinreichende Zeit (5 bis 6 Minuten) lang der Einwirkung der Luft ausgesetzt.
Um die Farbe der Flüssigkeit zu beurtheilen, läßt man dieselbe an den Seiten des
Gefäßes hinabfließen und an einer Stelle am einen oder andern Ende des cylindrischen
Theils der Flasche sich sammeln. Diesen Theil muß man in die Ebene des Auges
bringen, so daß die große Achse und folglich der tiefste Farbeton der Beobachtung
dargeboten wird. – Die ersten wenigen Tropfen Probeflüssigkeit, welche man in
die Flasche goß, werden meistens sogleich entfärbt; man muß dann noch einige Tropfen
zusetzen und so fortfahren, bis eine wahrnehmbare Farbe verbleibt, wornach der
Versuch beendigt ist. Man liest dann die verbrauchte Quantität des Reagens an der
Bürette ab. Wenn die Probeflüssigkeit die normale Stärke und die Flasche die
erforderliche Größe (100 Kubikzoll) hat, erspart man eine Reduction der verbrauchten
Grains von Probeflüssigkeit, welche den relativen Gehalt der Luft an oxydirbarer
Substanz repräsentiren.
Manchmal ist der Gehalt der Luft an organischer Substanz so gering, daß man mit dem
Luftvolum des Flascheninhalts keine bestimmbare Reaction erhält. In diesem Falle
nehme ich den Stöpsel aus der Flasche und fülle sie nochmals mit Luft, wie vorher,
was ich nöthigenfalls mehrmals wiederhole. Während dieses Füllens mit Luft reducire
ich die Oberfläche der in der Flasche enthaltenen Probeflüssigkeit auf ihren
kleinsten Betrag; die Veränderung welche sie dann bei dieser Operation erleidet, ist
entweder unmerklich, oder so constant, daß sie keinen Einfluß auf die Resultate
hat.
Bei der Analyse der Luft nach diesem Verfahren findet man, daß sich ein entschiedenes
Resultat in beiläufig fünf Minuten herausstellt. Manchmal ist das Resultat in einer
Minute entschieden, das heißt, die rasche Reaction ist nach dieser Zeit beendigt.
Wenn man nämlich eine in Zersetzung begriffene organische Substanz in die
Chamäleonlösung bringt, so wird diese rasch zerstört; ist die organische Substanz
hingegen nicht im Zustande der Zersetzung, so wirkt sie viel langsamer.
Die in der Luft enthaltene organische Substanz kann also von zweierlei Beschaffenheit
seyn und charakterisirt sich durch die rasche oder langsame Zersetzung der
Chamäleonlösung. In großen Städten, wo man Steinkohlen brennt welche viel
Schwefelkies enthalten, findet man in der Luft schweflige Säure, welche dem
Chamäleon ebenfalls den Sauerstoff entzieht. Wir messen also nach der beschriebenen
Methode den Betrag an Sauerstoff, welchen sämmtliche in der Luft enthaltene
oxydirbare Substanz erfordert, die in manchen Fällen bloß aus organischer Substanz
besteht, in anderen Füllen aber aus organischer Substanz gemischt mit unorganischen
Gasen.
Ich theile nun einige von den Hauptresultaten mit, welche ich nach dieser Methode
erhielt.
Relative Quantitäten von organischer und sonstiger oxydirbarer
Substanz in 100 Kubikzoll Luft.
Manchester (Durchschnitt von 131 Versuchen)
52,9
„ All
Saints, Ostwind (37 Versuche)
52,4
„ „ Westwind,
weniger rauchig (33 Versuche)
49,1
„ „ Ostwind
über 21° C. (16 Versuche)
58,4
„ „ „
unter 21° C. (21 Versuche)
48,0
„ in
einem geschlossen erhaltenen Hause
60,7
„ in
einem unbedeckten Ferkelstalle
109,7
Themse bei Lambeth
43,2
„
„ Waterloobrücke
43,2
London bei warmer Witterung (6 Versuche)
29,2
„ nach einem
Gewittersturm
12,3
Felder während warmer Witterung im nördlichen Italien
6,6
Feuchte Felder bei Mailand
18,1
Ruhige offene See (Nordsee, 60 engl. Meilen von
Yarmouth)
3,3
Wald zu Chamouny
2,8
Luzerner See
1,4
Die ersten Versuche machte ich in Manchester und erhielt im Durchschnitt in der Stadt
die Zahl 50, welche gegen das Land zu allmählich abnahm und in den Feldern auf 13
herabsank. Die Atmosphäre an der Themse wurde nicht geprüft, während sie am
schlechtesten war, sondern unmittelbar nachher, wo sie jedoch schon aufgehört hatte
den Geruchssinn der meisten Personen zu afficiren; sie gab dann die sehr hohe Zahl
58. Einige Versuche in den Straßen von London ergaben die Ziffern 22 bis 34. In der
Schweiz und der Lombardei erhielt ich die Ziffern 6 bis 18. Die feuchten Felder um
Mailand herum gaben 18; wenn das Wasser von den Reisfeldern abzieht und die
ungesunde Jahreszeit veranlaßt, wird sich aber ohne Zweifel eine viel höhere Ziffer
herausstellen.
Versuche in den unteren Theilen unserer (englischen) Städte bewiesen entscheidend,
daß die Luft dort schlechter ist; die Ursache davon ist nach meiner Ansicht, daß
eine trockenere Luft der organischen Substanz nicht so schnell aufzusteigen
gestattet. Nur mit Hülfe von Feuchtigkeit wird die organische Substanz in die Luft
geführt.
Die Feuchtigkeit selbst äußert, wie vorauszusehen war, gar keine Wirkung auf die
Probeflüssigkeit; eine der niedrigsten Zahlen erhielt ich auf der Nordsee, beiläufig
60 engl. Meilen vom Lande, an einem ruhigen und heitern Tage.
Die Höhe hat einen entschiedenen Einfluß auf die Güte der Luft; in den höheren
Gegenden von Lancashire, bei Preston, erhielt ich die Zahlen 2 bis 4. Der Einfluß
der See ist eben so entschieden wie derjenige der Höhe.
Die Wärme vergrößert den Gehalt der Luft an organischer Substanz, wenn Feuchtigkeit
zugegen ist. Trockenheit scheint diesen Gehalt zu vermindern. Den Einfluß großer
Kälte habe ich noch nicht ermittelt.
Bei warmer Witterung ist der Einfluß des Regens sehr auffallend; derselbe wirkt bis
auf einen gewissen Grad abkühlend, hauptsächlich aber reinigend durch Waschen der
Luft. Nach einem Gewittersturm und Regenguß fiel im Camden Square die frühere Zahl
31 auf 12.
Der Einfluß der Städte, besonders unserer rauchigen Städte, ist ebenfalls ein sehr
entschiedener; man kann in der Umgebung derselben mittelst der Chamäleonlösung
sofort erkennen, ob der Wind von der Stadt oder vom Lande her weht.
Ich habe stets einen auffallenden Unterschied zwischen der Vorder- und
Hinterseite der Häuser in Manchester gefunden; ein ähnlicher Unterschied zeigte
sich, wenn ein Zimmer einige Zeit bewohnt gewesen war.
Bis jetzt wissen wir noch nicht, welche Art organischer Substanz gesund und welche
ungesund ist; dieß ist der Hauptpunkt, auf welchen wir zunächst unsere
Aufmerksamkeit zu richten haben; zur Zeit vermögen wir nur den Gesammtbetrag von
organischer Substanz in der Luft zu bestimmen.