Titel: | Ueber das Weinbouquet; von G. E. Habich. |
Autor: | G. E. Habich |
Fundstelle: | Band 153, Jahrgang 1859, Nr. XX., S. 63 |
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XX.
Ueber das Weinbouquet; von G. E. Habich.
Habich, über das Weinbouquet.
Gelegentlich der Mittheilungen Strache's über die
Nachbildung des Weinbouquets stellte sich ziemlich klar heraus, daß die Forschungen
über diesen
Gegenstand noch lange nicht zu einer erschöpfenden Einsicht gefühlt haben.Man sehe polytechn. Journal Bd. CLII S.
72. Man verwechselt sogar häufig sehr wesentlich verschiedene Dinge mit
einander, – als da sind: Weingeruch, „Gähr“ und Bouquet.
Ich glaube zur Aufklärung der Sache beitragen zu können, wenn ich die Erfahrungen
hier mittheile, welche ich während eines mehrwöchentlichen Aufenthalts am Rheine
sammelte. Durch Vermittlung mehrerer Freunde – denen ich, und vor Allen dem
verehrten Präsidenten Dr. Mohr in Oberingelheim, hiemit meinen Dank abstatte – hatte ich
Gelegenheit, an reinen Bouquetweinen der verschiedensten Lagen und Traubensorten
Kellerstudien zu machen, die meine auf der herkömmlichen Anschauungsweise basirte
Meinung wesentlich modificirten. Zur bessern Uebersicht hole ich etwas weiter
aus.
Man hat gesagt, daß der Oenanthäther dem Weine den Weingeruch gebe. Ich bemerke hier ausdrücklich, daß
zwischen dem allen Weinen gemeinsamen Weingeruch und dem Bouquet, welches
den Weinen nur weniger Traubensorten und in einigen Gegenden eigen ist, ein himmelweiter
Unterschied besteht. Und wenn man den einmal kennt, so hat also der Oenanthäther für
die Bouquetbildung keinen Werth. Aber auch der Weingeruch
entstammt demselben nicht einmal. Denn wenn man Zuckerwasser mit wohl ausgewaschener
Hefe (Unterhefe muß man einigemal mit Branntwein behandeln, um das Hopfenharz zu
beseitigen) in Gährung bringt, so erhält man einen Zuckerwein, dem Niemand den Weingeruch streitig machen wird, der aber trotzdem bei
der Destillation keinen Oenanthäther liefert. Zudem ist
der Oenanthäther eine abscheulich riechende Substanz, die auch bei bedeutender
Verdünnung mit Wasser nicht zum Parfüm wird. Das schließt nun aber nicht aus, daß
die Bestandtheile des abdestillirten Oenanthäthers mit anderen Bestandtheilen des
zurückgebliebenen Phlegmas in einer Verbindung gewesen seyn können, welche nicht stinkt, welche vielleicht sogar dem Weine einen
eigenthümlichen Geschmack ertheilt (also auf die sogenannte
„Gähr“ influirt) oder den Weingeruch modificirt.
Strache hat die Entstehung des Oenanthäthers aus Fett und
Fettsäure ganz besonders betont und auch er glaubt damit den Weinen den
„wesentlichsten Riechstoff“ zugeführt zu haben. Wir können
uns an den Rothweinen von dem Einfluß dieses Fetts instruiren. Rothweine, die
bekanntlich mit den Trestern und unter dem Einflüsse des Fettes der Traubenkerne
gähren, besitzen – abgesehen von dem Adstringens – einen eigenthümlichen Geschmack, dessen die aus denselben Trauben weiß gekelterten Weine
entbehren; – feine Weinzungen bezeichnen diesen Geschmack mit
„Gähr“ und sprechen solchen den meisten Weinen aus
schwarzen Trauben ab.
Man hat ferner die wohlriechenden Verbindungen einiger Fettsäuren mit Aethyloxyd,
Amyloxyd u.s.w. als die Gruppe bezeichnet, aus welcher sich die Bouquetweine ihre
Riechstoffe herbei holen. Und die Möglichkeit der
Entstehung derselben bei der Zuckerzersetzung ist leicht in eine chemische Formel zu
fassen. Aber in den Reihen dieser Parfüms – die wohl nach Ananas, Birnen
u.s.w. riechen – findet sich auch nicht einer, der dem Gerüche des
Weinbouquets ähnelte.
Ich benutze die Gelegenheit zu einer Einschaltung über eine – wie es scheint,
in diese Gruppe gehörige – Verbindung, deren nähere Kenntniß uns zur Zeit
noch abgeht. Unter den Krankheiten des Weines findet sich ein Zustand, den man am
Rheine mit „rohn“ bezeichnet. Man
kann denselben bei weißen Weinen sehr leicht hervorrufen, wenn man einen Rest in
einer Flasche 24 Stunden stehen läßt. Es tritt dann neben einer tief braungelben
Färbung ein charakteristischer Geruch nach Aepfelwein auf. Unter den önologischen
Schriftstellern habe ich nur bei Babo (s. dessen
Erzeugung und Behandlung des Traubenweins, S. 144) Einiges über diese noch ganz im
Dunkeln liegende Veränderung gefunden. Babo stellt dabei
die Veränderung des Extractivstoffs, der unter Sauerstoff-Aufnahme braun
wird, in den Vordergrund, – mir scheint aber der unangenehme Geruch und
Geschmack vor Allem Berücksichtigung zu verdienen. Es wäre eine interessante
Aufgabe, die Destillationsproducte eines rohngewordenen Weins neben denen eines
gesunden genauer zu untersuchen. – Man pflegt solche Weine durch sehr starkes
Einschwefeln wieder herzustellen. Besser ist es, sie durch einen geringen
Zuckerzusatz nochmals in Gährung zu bringen, wobei die Kohlensäure den lästigen
Riechstoff deportirt, – die Farbe wird durch eine Milchschönung
gebleicht.
Kehren wir nach dieser Abschweifung wieder zu unserm Bouquetstoff zurück, so erübrigt
uns – nachdem die Nachforschungen auf den bisherigen Wegen resultatlos
geblieben – nur noch, unter den Bestandtheilen der Traube schon nach diesem
Bouquetstoffe zu suchen. Und da kann man seiner sehr leicht habhaft werden.
Es ist Thatsache, daß nur solche Trauben, welche an sich schon
mit Wohlgeruch behaftet sind, einen Bouquetwein geben. Das ätherische Oel,
welches dabei im Spiele seyn mag, findet sich sowohl in dem Marke und Safte, als
auch in der Schale der Traube. Nur wenige Spielarten der zu solchen Wandelungen ungemein hinneigenden
Rebe besitzen die Tugend, unter gewissen localen Verhältnissen
wohlriechende Trauben zu erzeugen. Ich habe bis jetzt darüber folgende
Erfahrungen sammeln können.
Als hierher gehörige Rebensorten, in soweit sie für die Weinbereitung benutzt werden,
pflegt man den Rießling und (an manchen Orten) den Traminer zu bezeichnen. Damit ist
die Sache aber nicht erschöpft, – auch andere, zum Theil nicht sehr edle
Rebensorten liefern oft bouquetreiche Weine. Wir wollen sie der Reihe nach
betrachten.
Der Rießling mag als die edelste Bouquettraube den Reigen
eröffnen. Ihm entstammen die edelsten Weine des Rheingaues und die Einwirkung
örtlicher Verhältnisse veranlaßt die Menge von Variationen im Dufte der Rießlingtraube. Der Rochusberg bei Bingen gibt
die beste Gelegenheit über dieses Capitel ins Klare zu kommen. Dieses höchst
interessante Weingebirge ist ringsum mit Wein bepflanzt
und zwar meistens mit einem Rießlingsatz. In den bessern sonnigen Lagen läßt man dem
Weinstock auch eine Bogrebe, so daß die Trauben großentheils unter Einwirkung des
Sonnenlichts reifen, – an dem nördlichen Abhange dagegen wird der Rebschnitt
so geführt, daß lediglich an den sog. Knötern nahe dem Boden die Früchte wachsen und
durch die gleichmäßige Wärme des Bodens zur Reife gebracht werden. Diese
verschiedenen Umstände spiegeln sich nun eben so sehr in dem Aroma der erzielten
Trauben, als in dem Bouquet der daraus hervorgehenden
Weine ab. Man braucht gerade nicht eine sehr fein organisirte Nase zu haben, um die
Unterschiede in den Bouquets zu erkennen und namentlich das des bekannten
Scharlachberger augenblicklich herauszufinden. – Wird die Rießlingtraube am
Stocke überreif, so verliert sie ihr Aroma zum Theil, und dann ist auch der daraus
gewonnene Wein viel ärmer an Bouquet. – Wie weit die Gewalt der localen
Einwirkungen geht, darüber gibt uns Bronner (s. dessen
Bereitung der Rothweine, S. 271) einen schlagenden Beweis. In dem Theile von
Steyermark, der gegen Kroatien und Kram liegt, hat man auch den dem Rheingau
entstammenden Rießling angepflanzt. Der damit erzielte Wein ist zwar sehr feurig,
besitzt aber nicht die Spur des bei uns so beliebten
Bouquets und kein Weinkenner wird dahinter den Rießling vermuthen! –
Solche Localeinflüsse finden sich denn auch beim.
Traminer, der in den meisten Gegenden einen feurigen,
aber bouquetlosen Wein gibt. An wenigen Orten und in den besten Lagen der Hardt
(sowie auch in einigen Orten am Rhein) aber bekommt die Traube etwas Aroma, man
nennt ihn dann Gewürztraminer und der Wein hat ein entsprechendes
Bouquet. Verpflanzt man den „Gewürztraminer“ in schlechtere
Lagen, so gibt er wieder ein durchaus bouquetloses Gewächs. – Unter den
Traubensorten, welche man als Weinmaterial im Rheingau eben nicht respectirt,
befindet sich auch der Trollinger, am Rheine
Fleischtraube genannt. Als Tafeltraube schätzt man sie hoch, – sie ist
wohlschmeckend und aromatisch. Der Wein derselben aber ist schwach und nicht vom
angenehmsten Geschmack und die Fleischtraube wird deßhalb
am Rhein immer mehr verdrängt. Daß aber solcher Wein ein sehr feines Bouquet
besitzt, davon hatte ich Gelegenheit, mich in Algesheim
(einer der wenigen Orte, wo die Fleischtraube noch in Gnade steht) zu überzeugen.
– Von dem weißen Muskateller, der im Süden
Frankreichs den kostbaren Muskatwein liefert, weiß man, daß die Traube nur dann
höchst aromatisch wird, wenn man an der Tragrebe nicht mehr
als ein Auge stehen läßt. Wollte man eine von den an allen anderen Orten
gebräuchlichen Rebschnittarten anwenden, so erhält man keine aromatischen Trauben
und auch keinen Muskatwein.
Damit ist die Reihe der Bouquettrauben geschlossen. Höchst wahrscheinlich aber würde
man die Zahl derselben bedeutend vermehren dürfen, wenn Erfahrungen darüber
vorlägen, welche Veränderungen die nicht aromatischen
Trauben einer Gegend beim Verpflanzen in eine andere erleiden.
Daß nun dieser in der Traube bereits enthaltene Riechstoff die alleinige Ursache des Bouquets der Weine ist, dafür sprechen folgende
chemische Erfahrungen.
Wird frischer Rießlingmost mit thierischer Kohle gut umgeschüttelt und filtrirt, so
ist die ablaufende Flüssigkeit frei von allem Wohlgeruch und liefert durch die
Gährung auch einen bouquetlosen Wein. – Auch durch anhaltendes Schütteln mit
fettem Oel läßt sich dem Moste der Riechstoff entziehen und er gibt dann ebenwohl
einen bouquetlosen Wein. Selbst beim Eindampfen des Mostes verflüchtigt sich das
Aroma desselben und der so erhaltene Syrup liefert nach der Verdünnung mit Wasser
einen durchaus bouquetfreien Wein.
Schwerlich wird es noch weiterer Nachweise bedürfen, daß das Weinbouquet dem
Traubenaroma (dem es auch im Geruch höchst ähnlich ist) entstammt. Daß während der
Gährung eine Veränderung mit diesem Riechstoffe vor sich geht, ist wahrscheinlich.
Versuche liegen darüber nicht vor und für die Technik bieten dieselben auch nicht
das mindeste Interesse.
Wohl aber ist die Thatsache von Wichtigkeit, daß auch die Schale der Traube ein Sitz
des Traubenaromas ist. Der Tresternwein von
Rießling steht dem Mostweine nicht im mindesten nach in Bezug
aufs Bouquet.
Auch die Traubenblüthe ähnelt im Geruch dem Aroma der
Rießlingtraube und wird deßhalb mit dem besten Erfolge zum Parfümiren bouquetloser
Weine angewendet, indem man sie dem Moste vor der Gährung zusetzt. Insbesondere
dienen zu diesem Zwecke die sehr duftigen Blüthen des wilden Weins.
Schließlich will ich noch eine Erfahrung mittheilen, die zu weitern praktischen
Vortheilen führen kann. Der Wein einer Bouquettraube besitzt die größte Fülle an
Bouquet gleich nach der Gährung, als älterer sog. firner Wein duftet er viel
weniger, – und erst beim Altern des Weins kommt das Bouquet wieder in der
ersten Stärke, aber etwas modificirt, zum Vorschein. Dieses Verhalten beruht darauf,
daß die fortwährende gelinde Kohlensäure-Entwickelung auch eine Portion des
Bouquetstoffs mit sich führt und ihn so den Geruchsorganen bemerklicherBouquetarme Weine kann man durch Zusatz von etwas Champagner stark duftend
machen. Den Zwecken der Champagnerfabrication aber dienen die Bouquettrauben
keineswegs, ein solcher Wein würde zu stark riechen. macht, – beim firnen Wein fehlt die Kohlensäure als Träger des
Bouquets, – beim alten Weine aber stellt sich dann der flüchtigere Essigäther
ein und colportirt wiederum das Bouquet, wobei aber der Geruch nicht unangenehm
verändert wird.
Aus diesem Verhalten erhellt, daß auch während der Gährung ein Theil des
Bouquetstoffes durch die Kohlensäure fortgeführt wird. Wollte man dieses Gas in
einen firnen Wein leiten, so würde man das Bouquet desselben nicht allein wiederum
zur kräftigern Entwickelung bringen, sondern ihn auch thatsächlich mit Bouquetstoff
bereichern, so daß beim Altern desselben eine Fülle
von Bouquet zum Vorschein kommen muß.