Titel: | Ueber die Darstellung von Eisen und Stahl; von Hrn. Heinrich Bessemer. |
Fundstelle: | Band 153, Jahrgang 1859, Nr. LXXVII., S. 270 |
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LXXVII.
Ueber die Darstellung von Eisen und Stahl; von
Hrn. Heinrich
Bessemer.
Aus einem Vortrage desselben in der Institution of Civil Engineers zu
London, gehalten am 10. und 17. Mai 1859, mitgetheilt im Juliheft des London Journal of arts, S.
32.
Bessemer, über die Darstellung von Eisen und Stahl.
Im Eingange seiner Abhandlung besprach Hr. Bessemer das
gewöhnliche Verfahren der Eisenerzeugung mittelst des Puddelns. Bei demselben wird
das Eisen, nachdem es aus dem flüssigen Roheisen durch Abscheidung des Kohlenstoffs
erzeugt wurde, in Luppen gesammelt, die so schnell als möglich aus dem Puddelofen
genommen und zu dem Zängeapparat gebracht werden, welcher viel von der flüssigen
Schlacke, nebst anderen mechanisch beigemischten Unreinigkeiten, aus dem
Frischeisenklumpen entfernt, wobei eine Eisenmasse zurückbleibt, die aus Tausenden
getrennter Metallstückchen besteht, von welchen allen die ganze Oberfläche mehr oder
weniger mit trockenem Oxyd oder mit flüssigem Eisenoxyd-Silicat überzogen
ist. Der von dem Zängeapparat ausgeübte große Druck reicht hin, den flüssigen
Ueberzug der aneinander liegenden Theilchen so weit zu beseitigen, daß ihre
Oberflächen in wirkliche Berührung kommen und folglich diese Theilchen sich mit
einander vereinigen. Es können aber nicht alle auf diese Weise verdrängten
Substanzen ihren Weg durch die Zwischenräume der Frischeisenmasse finden, daher sie
in den vielen Höhlungen derselben eingeschlossen bleiben und schwache und unganze
Stellen in dem Eisen bilden. Alles spätere Ausschweißen, Schmieden und Walzen kann
die Antheile von Schlacke, trockenem Eisenoxyd und Sand, welche der Masse eingemengt
und in derselben vertheilt sind, nicht gänzlich verdrängen; sie veranlassen daher
ein schiefriges, rissiges, überhaupt ein fehlerhaftes Eisen.
Da diese Mängel die natürlichen und unvermeidlichen Folgen der Bedingungen sind,
unter denen jetzt Schmiedeeisen dargestellt wird, so müssen ähnliche Fehler auch bei
dem durch Puddeln erzeugten Stahl vorkommen. Die körnige Beschaffenheit des Metalles
und die Einwirkung von Wärme und Sauerstoff auf dasselbe müssen in beiden Fällen
nothwendig die ganze Oberfläche der zahlreichen Molecüle, die zu einer Masse
vereinigt werden sollen, oxydiren; die Beimischung von Schlacken und anderen
Substanzen aus dem Ofen kann ebenfalls nicht vermieden werden; endlich ist es ebenso
schwierig wie bei der Eisenerzeugung, jedes Theilchen des Metalles auf denselben
Grad der Entkohlung zu bringen, wozu noch der Uebelstand kommt, daß einzelne Theile des Metalles
gänzlich entkohlt und in Frischeisen verwandelt werden.
Das Eisen bietet also einen sehr ungünstigen Contrast mit den anderen streckbaren
Metallen dar, welche sämmtlich frei von Schlacken sind; sie enthalten keine harten
und weichen Theile und es brauchen bei denselben die getrennten Massetheilchen nicht
zusammengeschweißt zu werden, sondern sie sind vollkommen gleichartig und frei von
aller mechanischen Beimischung fremdartiger Substanzen. Gold, Silber, Kupfer, Zink,
Zinn und Blei verdanken die schätzbare Eigenschaft, von den Mängeln des Puddeleisens
frei zu seyn, einfach dem Umstand, daß sie in flüssigem Zustande gereinigt und
raffinirt und noch flüssig in Formen gegossen werden, wodurch die Cohäsion jedes
Theilchens der Masse gesichert ist. Da nun alle anderen streckbaren Metalle durch
das Raffiniren im flüssigen Zustande und das Eingießen in Formen reiner und
gleichartiger als Eisen gemacht werden, ohne im geringsten ihre Geschmeidigkeit zu
verlieren, so fragt es sich, warum das Eisen eine Ausnahme von dieser allgemeinen
Regel bleiben soll? Darauf kann man mit Recht erwiedern, daß bis jetzt die
außerordentlich hohe Temperatur, welche zum Schmelzen reinen Eisens und zum Erhalten
desselben in flüssigem Zustande erforderlich ist, eine unüberwindliche Schranke
bildete.
Es ist daher nicht zu verwundern daß, als Hr. Bessemer den
Vorschlag machte, Roheisen in Stabeisen zu verwandeln, während es sich im flüssigen
Zustand befindet, und diesen Zustand so lange zu unterhalten, daß es in Formen
gegossen werden kann, ohne daß bei dem Proceß irgend ein Brennmaterial angewendet
wird, sein Vorschlag von vielen Personen als eine Schwindelei betrachtet wurde. Von
der Richtigkeit des Princips, auf welcher das neue Verfahren beruht, vollkommen
überzeugt, hat Hr. Bessemer seine Erfindung im Jahre 1856
der Versammlung der brittischen Naturforscher mitgetheilt, dann unbekümmert um die
Zweifler, seinen Weg bisher verfolgt und mehrere Jahre geschwiegen, bis er im Stande
war, seine Gegner auf praktischem Wege zu überzeugen, daß durch sein Verfahren auf
sehr ökonomische Weise sowohl Eisen als Stahl von größerer Güte als durch die
jetzigen mangelhaften und kostbaren Processe erzeugt werden können.
Die Erfolglosigkeit der ersten Versuche wurde von Manchen irrthümlich dem Verbrennen
des Metalles, und von Anderen der Abwesenheit von Schlacken und dem krystallinischen
Zustande der Güsse zugeschrieben. Von den angegebenen Ursachen hat jedoch keine mit
dem Mißlingen des Processes, wo es wirklich stattfand, etwas zu schaffen. Chemische
Untersuchungen wiesen die wahre Quelle der Schwierigkeit bald nach; man fand daß, obgleich das Roheisen
gänzlich entkohlt und das Silicium daraus entfernt werden konnte, die Menge des
Schwefels und Phosphors nur wenig vermindert wurde; durch genaue Analysen
verschiedener Proben überzeugte man sich, daß 1/10 Proc. Schwefelgehalt stets den
Rothbruch veranlaßt und das Vorhandenseyn einer gleichen Phosphormenge den
Kalkbruch, daher die Absonderung dieser Substanzen nothwendig wurde. Man versuchte
Dampf und reines Wasserstoffgas mit mehr oder weniger Erfolg zur Entfernung des
Schwefels; und verschiedene Flüsse, welche hauptsächlich aus Eisenoxyd- und
Manganoxydul-Silicaten bestanden, wurden mit dem flüssigen Metall während des
Processes in Berührung gebracht und dadurch die Phosphormenge vermindert.
Auf diese Weise verstrichen viele Monate mit mühsamen und kostspieligen Versuchen; es
wurden aber auch bedeutende Fortschritte und sehr werthvolle Erfahrungen gemacht.
Die günstigen Resultate, welche man bei Anwendung einiger der besseren
Roheisensorten erhielt, veranlaßten eine gänzliche Umänderung des Verfahrens, wozu
Hr. Longsdon Vieles beitrug. Man bezog von dem besten
schwedischen Roheisen, aus welchem ein vortrefflicher Stahl erzeugt wurde, welcher
sich fast für alle Zwecke eignete, wozu die besten Stahlsorten verwendet werden. Man
entschied sich nun dahin, eine zeitlang alle weiteren Versuche zu unterlassen und in
Sheffield Stahlwerke zu errichten, um das neue Verfahren vollständig zu entwickeln
und in praktischen Betrieb zu bringen, damit die über den Bessemer'schen Proceß allgemein verbreiteten irrigen Ansichten widerlegt
werden.
Zur Fabrication des besten Werkzeugstahls fand man es aus mehreren Gründen
zweckmäßiger, das beste schwedische Roheisen zu benutzen, und nachdem es durch den
Bessemer'schen Proceß in Stahl verwandelt ist, den
flüssigen Stahl in Wasser zu gießen und dann das abgeschreckte Metall in einem
Tiegel umzuschmelzen, wie es jetzt bei der Darstellung des Blasenstahls
geschieht.
Bekanntlich kommen in England sehr reiche Lagerstätten der reinsten, zu dem Proceß
geeigneten Eisenerze vor. Vom Rotheisenstein werden allein jährlich 270,000 Tonnen
gefördert und dieses Quantum könnte verdoppelt oder verdreifacht werden; aus diesem
Rotheisenstein wird auf dem Workington Eisenwerke Roheisen erblasen, welches in der
letzten Zeit hauptsächlich zur Eisen- und Stahlerzeugung nach dem Bessemer'schen Proceß diente. 1 Tonne 13 Ctr. Erz, von
welchem die Tonne 10 Shilling kostet, liefern 1 Tonne Roheisen mit 60 Procent
weniger Zuschlagskalk und 20 Proc. weniger Brennmaterial, als gewöhnlich zur
Zugutemachung geringerer Erze erforderlich sind; überdieß produciren die Oefen, wenn
sie dieses Erz allein
verhütten, wöchentlich 220–240 Tonnen Roheisen, während sie mit gewöhnlichen
Eisensteinen in derselben Zeit nur 160–180 Tonnen erzeugen. Die Eisenwerke zu
Cleatormoor, zu Weardale und im Forest of Dean produciren ebenfalls ein treffliches
Material für den Bessemer'schen Proceß.
Die Behälter, worin das Roheisen durch den Bessemer'schen
Proceß in Stabeisen und Stahl verwandelt wird, haben jetzt die Form der
Glasretorten, welche die Chemiker zur Destillation anwenden. Sie lagern in Achsen
und werden mit Chausseestaub ausgefüttert, welcher 30–40 Stahlchargen aushält
und dann schnell und wohlfeil reparirt oder erneuert werden kann. Der Behälter wird
in eine geneigte Stellung gebracht, um die Roheisencharge aufzunehmen, während
welcher Zeit die Formen sich über der Oberfläche des Metalles befinden. Sobald die
ganze Charge eingelaufen ist, wird der Behälter um seine Achsen gedreht, so daß die
Formen unter den Spiegel des Metalles kommen, worauf der Proceß sogleich in volle
Thätigkeit kommt und zwanzig dünne, jedoch kräftige Luftstrahlen durch die flüssige
Masse hinaufspringen. Die Luft, indem sie sich ausdehnt, zertheilt sich in Blasen
oder springt heftig aufwärts, eine große Menge des flüssigen Metalles mit sich
reißend, welches wieder in die kochende Masse hinabfällt. Der Sauerstoff der Luft
bewirkt bei diesem Processe zuvörderst die Verbrennung des Kohlenstoffes in dem
Roheisen und oxydirt gleichzeitig das Silicium; die so gebildete Kieselerde
verbindet sich mit dem Eisenoxyd, welches durch die Verbrennung einer geringen Menge
metallischen Eisens entstand, zu flüssigem Eisenoxydsilicat oder Schlacke, welche in
dem Behälter zurückbleibt und die Reinigung des Metalles befördert.
Die Temperaturerhöhung, welche in dem Metall eintritt und außer Verhältniß mit der
Menge des verzehrten Kohlenstoffs und Eisens zu stehen scheint, rührt ohne Zweifel
von den günstigen Umständen her, unter denen die Verbrennung erfolgt. Es ist hier
kein Material vorhanden, welches die erzeugte Hitze absorbirt und ihre Aufnahme von
dem Metall verhindert, denn die Hitze wird an Tausenden von Punkten entwickelt,
durch die ganze flüssige Masse vertheilt, und wenn das Metall ins Kochen kommt,
erhebt sich die ganze Masse weit über ihr natürliches Niveau und bildet eine Art von
schwammigem Schaum, wobei eine außerordentlich lebhafte Verbrennung in jeder seiner
zahllosen beständig wechselnden Höhlungen vor sich geht. Man erreicht so durch die
bloße Wirkung des Gebläsewindes in den größten Eisenmassen, in 10–12 Minuten,
eine Temperatur, wie sie durch tagelange Behandlung in dem wirksamsten Ofen nicht
erzielt werden könnte.
Die Entkohlung des Metalles wird mit großer Genauigkeit durch eine Gasuhr regulirt,
welche auf einem Zifferblatte die Anzahl der Kubikfuße Luft anzeigt, die durch das
Metall strömten; man kann daher Stahl von jeder Beschaffenheit oder Härte mit der
größten Sicherheit darstellen. Sobald das Metall (nach Angabe des Zifferblattes) die
gewünschte Entkohlung erreicht hat, wird der Behälter so gedreht, daß das flüssige
Stabeisen oder der Stahl in eine Gießpfanne ausläuft, die an dem Arm eines
hydraulischen Krahnes hängt, daher sie leicht über die Formen gebracht werden kann.
Die Gießpfanne ist am Boden mit einem Stöpsel von feuerfestem Thon versehen, nach
dessen Emporheben mittelst eines Hebels das flüssige Metall in senkrechtem Strome in
die Form abfließt. Nachdem die erste Form gefüllt ist, wird der Stöpsel
niedergedrückt und das Metall kann daher nicht ausfließen, bis die Gießpfanne über
die nächste Form geschafft wurde, wornach das Aufziehen des Stöpsels deren Füllung
in ähnlicher Weise veranlaßt, und so fort bis alle Formen gefüllt sind.
Das Gießen großer Massen eines vollkommen gleichartigen streckbaren Metalles in jede
gewünschte Form macht die langwierige, kostspielige und unsichere Arbeit des
Schweißens, wie sie jetzt erforderlich ist, sobald große Eisen- oder
Stahlmassen verlangt werden, unnöthig.
Die außerordentliche Zähigkeit und Streckbarkeit des Bessemer'schen Eisens ergibt sich daraus, daß man einen kalten Eisenstab
von 3 Zoll im Quadrat unter dem Hammer so umbiegen kann, daß die beiden Hälften
dicht auf einander passen, ohne daß sich irgendwo der geringste Bruch zeigt; dabei
wird der Stab auf der Außenseite der Biegung von 12 auf 16 3/4 Zoll ausgedehnt, und
auf der Innenseite von 12 auf 7 1/4 Zoll zusammengedrückt. Ein eisernes Kabel, aus
vier Strängen von 1 1/2 zölligem Rundeisen bestehend, wurde im kalten Zustande so
dicht zusammengedreht, daß die Stränge an ihren Berührungspunkten ineinander
eingedrungen blieben; jeder von diesen Strängen hatte sich auf einer Länge von 4 Fuß
um 12 1/2 Zoll gestreckt und sich auf der ganzen Länge um 1/10 Zoll im Durchmesser
vermindert. Ferner wurden mehrere Stahlstäbe von 2 1/2 Zoll im Quadrat und 2 1/2 Fuß
Länge im kalten Zustande zu einer Spirale gewunden, deren Winkel etwa 45 Grad
betrugen. Auch wurden starke runde Stahlstangen von 2 Zoll Durchmesser in kaltem
Zustande unter dem Hammer zur Gestalt eines gewöhnlichen Hufeisenmagnets gebogen,
worauf die Außenseite der Biegung 5 Zoll mehr maß als die Innenseite.
Kesselplatten von Stahl und Eisen, noch unbeschnitten und die Enden kalt umgebogen
(welche Hr. Bessemer nebst den vorher erwähnten Proben in
der Versammlung vorzeigte), bewiesen ebenfalls die außerordentliche Festigkeit und Zähigkeit des
Metalles, während die glatte Oberfläche der stählernen Eisenbahnwagenachsen und des
aus Stabeisen bestehenden Geschützes sich vollständig frei von Rissen, Schiefern
oder harten Adern zeigten, was ein charakteristisches Kennzeichen des neuen Metalles
ist. Die absolute Festigkeit desselben ist nicht weniger bemerkenswerth; die
verschiedenen, mit der Maschine im Arsenale zu Woolwich probirten Stahlstücke
widerstanden nach den Berichten des Artillerieobersten Eardly-Wilmot einer Belastung von 150,000 bis 162,900 Pfund auf den
Quadratzoll; und vier Muster von Kesselblech widerstanden einer Belastung von 68,314
bis 73,100 Pfd., während nach den von W. Fairbairn
angestellten Versuchen Staffordshire Kesselbleche einer mittleren Belastung von
45,000 Pfd. und die Bleche von Low Moor und Bowling einer mittleren Belastung von
57,120 Pfd. per Quadratzoll widerstanden.
Bekanntlich steigen bei der Fabrication von Kesselplatten und von Platten zum
Schiffsbau die Produktionskosten beträchtlich mit der Gewichtszunahme der Platten;
so verlangt die Low Moor Eisen-Compagnie 22 Pfd. Sterl. per Tonne für Platten, deren jede 2 1/2 Ctr. wiegt; wenn
aber das Gewicht einer Platte 5 Ctr. überschreitet, so steigt der Preis von 22 Pfd.
Sterl. auf 37 Pfd. Sterl. per Tonne. Da nun Hr. Befsemer das Material zu diesen Platten in Formen gießen
kann, so lassen sich aus den Gußkolben Platten von 10–20 Ctr. Gewicht mit
weniger Aufwand von Arbeit und Kosten und mit geringerem Abgang an Material
herstellen als leichtere Platten, daher man ohne Zweifel vorzugsweise große Platten
darstellen und kleinere daraus schneiden wird. Da durch das Zusammennieten der
einzelnen Platten 30 Procent an Festigkeit verloren gehen, so haben lange Platten
für den Bau von Gitterbrücken und Schiffen einen sehr großen Werth.
Für die Fabrication von Geschützen ist es sehr wichtig,
daß mittelst des Bessemer'schen Processes Cylinder (oder
conische Massen) sowohl von weichem Stabeisen als von weichem Stahl, von je 10 bis
20 Tonnen Gewicht gegossen werden können, aus denen man also die Geschütze ohne
irgend eine Schweißung anzufertigen im Stande ist, daher sie frei von allen den
Fehlern bleiben, welche das Stabeisen stets erlangt, wenn es langen und wiederholten
Schweißhitzen unterworfen wird. Die absolute Festigkeit solcher gegossenen Cylinder
von weichem Stabeisen ergab sich im konigl. Arsenal zu Woolwich = 64,566 Pfd. auf
den Quadratzoll.
Um Geschütze durch bloßen Guß aus Bessemer'schen Metall
darzustellen, benutzt man das in den Kanonengießereien angewandte Verfahren, jedoch
mit dem Unterschiede, daß das Roheisen aus dem Schmelzofen nicht direct in die Form,
sondern vorerst in den Umwandlungsbehälter fließt, in welchem es in 10 Minuten in
Stahl oder in geschmeidiges Eisen verwandelt wird, wornach der Guß auf gewöhnliche
Weise erfolgt. Hr. Bessemer hat auf diese Weise eine
kleine Kanone angefertigt, das erste derartige, ohne Schweißung und ohne
Schweißnäthe aus hämmerbarem Eisen bestehende Stück. Die Wichtigkeit dieses
Verfahrens geht daraus hervor, daß in Woolwich conische Massen dieses reinen, zähen
Metalles von 5 bis 10 Tonnen Gewicht zu einem Preise dargestellt werden können,
welcher einschließlich der Kosten für Roheisen, Transport, Umschmelzen, Abgang beim
Proceß, Arbeitslöhne und Maschinenkraft, nur 6 Pfd. Sterl. 12 Shilling per Tonne beträgt. Die conischen Massen werden in
eisernen Formen gegossen und dadurch wird der große Zeitaufwand vermieden, welchen
die Anfertigung der Lehmformen veranlaßt, wozu noch kommt, daß die benutzten
eisernen Formen eine Stunde nach beendigtem Guß aus der Dammgrube genommen werden
können, während jetzt die gußeisernen oder bronzenen Geschütze drei Tage in der
Dammgrube bleiben müssen. Ueberdieß kann das Gewicht solcher Geschütze aus
geschmiedetem Gußstahl oder aus Stabeisen um 20 bis 25 Procent, wegen der größeren
Festigkeit des Metalles, vermindert werden. Diese wichtigen Vortheile werden von dem
Director der königl. Geschützgießereien, dem Obersten Eardley-Wilmot, vollkommen anerkannt; derselbe hat sich für die
Fortschritte des Bessemer'schen Verfahrens von Anfang an
sehr interessirt, und der Erfinder verdankt ihm sehr werthvolle Versuche über die
Festigkeit verschiedener von ihm dargestellten Eisensorten.
Das Bessemer'sche Verfahren hat bereits in anderen
europäischen Ländern Eingang gefunden. Daniel Elfstrand
u. Comp. zu Edsken, welche dasselbe in Schweden
einführten, haben mittelst desselben bereits mehrere hundert Tonnen vortrefflichen
Stahls dargestellt. Eine andere große Fabrik wurde seitdem in ihrer unmittelbaren
Nachbarschaft errichtet, und außerdem haben sich noch drei andere Gesellschaften zur
Ausbeutung des neuen Verfahrens gebildet. Die tüchtigsten Eisenhüttenmänner
Schwedens haben den ganzen Proceß genau geprüft und sich vollkommen zu dessen
Gunsten ausgesprochen. In Frankreich haben vor einiger Zeit James Jackson u. Sohn das neue
Verfahren in ihren Stahlwerken in der Nähe von Bordeaux eingeführt, und jetzt wollen
sie größere Apparate bei den Hohöfen der Landes errichten. Vier andere Hohöfen
werden gegenwärtig im südlichen Frankreich bloß zur Ausführung des neuen Verfahrens
gebaut. Aus dem Roheisen von Algerien und Sachsen (wahrscheinlich Westphalen)
erhielt man den besten Stahl. Belgien blieb nicht hinter seinen Nachbarn zurück; in
der Nähe von Lüttich wird jetzt vortrefflicher Stahl aus dem Kohks-Roheisen der dortigen Hohöfen
nach dem Bessemer'schen Verfahren dargestellt. Sardinien,
Rußland, Oesterreich und mehrere andere Länder haben Hüttenmänner und Professoren
der Chemie nach England und Schweden geschickt, um die Ausführung des neuen
Verfahrens kennen zu lernen und darüber zu berichten. Dasselbe wird natürlich durch
die Erfahrungen, welche man bei seiner Anwendung im Großen macht, noch
vervollkommnet werden.