Titel: | Abhängigkeit des Leitungswiderstandes der Erde von der Größe der versenkten Polplatten; von Dr. H. Meidinger. |
Autor: | Heinrich Meidinger [GND] |
Fundstelle: | Band 153, Jahrgang 1859, Nr. LXXXI., S. 294 |
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LXXXI.
Abhängigkeit des Leitungswiderstandes der Erde
von der Größe der versenkten Polplatten; von Dr. H. Meidinger.
Meidinger, über die Abhängigkeit des Leitungswiderstandes der Erde
von der Größe der versenkten Polplatten.
Vor einiger Zeit wurde von Palagi eine kleine Abhandlung
veröffentlichtComptes rendus t. XLV p. 775; polytechn. Journal
Bd. CXLVII S. 56.,
worin derselbe einige merkwürdige, voll ihm nicht weiter erklärte Versuche über die
Zunahme eines durch Kohlen- und Zinkstücke in feuchtem Erdreich gebildeten
Stroms mittheilte, im Falle eine Reihe von gleichartigen Kohlenstücken oder von
gleichartigen Zinkstücken durch Kupferdrähte mit einander verbunden wurden. Die
Beobachtung erregte ein gewisses Aufsehen in Frankreich, wie Verfasser dieses sich
zu überzeugen Gelegenheit hatte, indem Palagi selbst
glaubte, ein neues Princip zur Erzeugung von Elektricität ohne
Kosten ausfindig gemacht zu haben; in Folge dessen wurde eine Reihe
weiterer Versuche angestellt, um sich eine praktische Verwendung der schon
gewonnenen Resultate zu sichern. Man ist jedoch damit, wie es scheint, bis auf den heutigen
Tag noch zu seinem besonders befriedigenden Ergebnisse gekommen.
Wollten sich die französischen Physiker im Allgemeinen mehr Mühe geben, die von den
deutschen ohne Ausnahme adoptirten Ansichten über die Entstehung der galvanischen
Ströme gemäß der modificirten Contacttheorie und Bestimmung ihrer Intensität nach
dem Ohm'schen Gesetz zu verstehen, sie könnten sich
häufig Zeit und Mühe für fruchtlose Versuche ersparen und mancher im ersten
Augenblick auffallenden Erscheinung fast vom Schreibtisch aus ihren rechten Platz
anweisen; auch dürften dann, wie in rein wissenschaftlicher, so in technischer
Hinsicht, wenn auch weniger zahlreiche, doch gehaltvollere Arbeiten von ihnen zur
Oeffentlichkeit gelangen. Ihre meisten Untersuchungen auf dem Gebiet der strömenden
Elektricität sind für unsere Bedürfnisse fast werthlos.
Indem ich den in Frage stehenden Gegenstand hier näher beleuchte, möchte ich den
Lesern dieses Blattes einen Maaßstab zur Beurtheilung vieler anderer von drüben
kommenden Vorschläge für Zusammensetzung elektrischer Batterien, Construction von
Elektromagneten, elektromagnetischen Maschinen etc. geben, und zugleich den Nutzen,
welcher der Praxis aus Palagi's Beobachtung erwachsen
dürfte, auf sein richtiges Maaß zurückführen.
Die Erde besitzt bekanntlich die Eigenschaft den galvanischen Strom zu leiten, und
zwar bietet sie einen Leitungswiderstand dar, der von der Entfernung der in dieselbe
eingesenkten Polplatten fast unabhängig, nur in einem gewissen Verhältniß zu deren
Größe steht. Da die Erde kein einfacher – metallischer – Leiter seyn
kann, so muß sie als ein zusammengesetzter, eine Flüssigkeit, betrachtet werden und
demgemäß durch den Strom eine Zersetzung an den Polen erfahren. Sobald dieß Steinheil's Versuche erwiesen hatten, unterlag es keinem
Zweifel, daß die Erde auch selbstständig, wie jede andere Flüssigkeit, als
Elektromotor eine Rolle spielen und zwischen zwei ungleichartigen durch einen Draht
oberirdisch verbundenen Metallplatten zur Erzeugung eines elektrischen Stroms
Veranlassung geben konnte.
Wirklich ist die einfache Zink-Erde-Kupferkette auch schon lange in
Vorschlag gebracht worden; weil sie jedoch nur sehr schwache Ströme liefern konnte,
nach kurzem Leben wieder aufgegeben worden. An eine Verstärkung der einfachen
elektromotorischen Kraft zwischen Zink-Kupfer und Erde durch mehrere ähnliche
Zink-Kupfer-Paare, die etwa parallel in geringen Abständen von
einander und von dem einen schon vorhandenen Pole in die Erde versenkt würden, ist
darum nicht zu denken, weil sich die Elektricität von der mit dem Leitungsdraht
direct in Verbindung stehenden Platte ungehindert in die ganze Erde und nach dem an
der andern Station mit
dem Draht verbundenen Pole ergießen würde, da der Leitungswiderstand der Erde
zwischen diesen beiden Polen nicht merklich größer ist wie zwischen den einzelnen
noch so nahe aneinander gelegten Paaren. Uebrigens würde bei einigermaßen starken
Strömen bei den in der Erde direct verbundenen Zink-Kupferpaaren an sich
schon sehr bald die Polarisation des negativen Pols so beträchtlich, daß die
Intensität des Stroms auf einen Bruchtheil seines ursprünglichen Werths
zurücksänke.
Es scheint sich nun bei vielen französischen Physikern, die sich von den Gründen,
warum die Erde in jenem Fall zur Entbindung von Strömen Veranlassung gab, keine
Rechenschaft zu geben wußten, der Gedanke festgesetzt zu haben, die Erde müsse, wie
eine besondere magnetische, so auch eine eigenthümliche elektrische Kraft besitzen,
und es handle sich nur um die Mittel, dieselbe durch besondere Vorrichtungen zu
entwickeln oder frei zu machen. Nur in dieser Voraussetzung lassen sich die Versuche
von Palagi, sowie früher angestellte, erklären.
Schon in der kurzen historischen Einleitung gibt Palagi
die Wichtigkeit seines Gegenstandes zu erkennen. Mit Steinheil's einfacher Entdeckung waren für uns die Acten hierüber schon
geschlossen. Da zur Entstehung eines einigermaßen merklichen Stroms bekanntlich
immer drei verschiedenartige Leiter, von denen wenigstens einer ein Elektrolyt seyn
muß, gehören, so beweist der Versuch, daß auch durch zwei gleichartige in die
feuchte Erde gebrachte Kupferplatten ein äußerst schwacher, in seiner Richtung aber
durchaus nicht gleichbleibender Strom gebildet wurde, nur den Umstand, daß entweder
die Kupferplatten immerhin geringe oberflächliche Verschiedenheiten besaßen, oder
daß sich dieselben in ungleichartigen veränderlichen Lösungen des feuchten Erdreichs
befanden. Ein ebenfalls eintretender Wechsel der Stromrichtung, wenn die eine
Kupferplatte durch eine Zinkplatte ersetzt wurde, läßt sich nur dann etwa erklären,
wenn die Pole in verschiedenem Brunnellwasser von sehr wechselnder chemischer
Zusammensetzung waren. Befinden sich dieselben in einer und derselben gleichartigen
Flüssigkeit, so kann zwar durch Polarisation der Kupferplatte eine Abnahme der
Stromstärke, aber nie eine Umkehrung der Stromrichtung stattfinden.
Auch erfahren wir weiter damit nichts Neues, daß der Strom constant in seiner
Richtung und von größerer Intensität wurde, wenn man jetzt die Kupferplatte durch
Kohks ersetzte. Ersteres ist selbstverständlich, letzteres erklärt sich durch das
größere negative Verhalten der Kohle. Wendet man ja auch bei uns schon seit Jahren
die einfache Zink-Kohle-Schwefelsäurekette zum Betrieb des Telegraphen
an. Das Ersetzen der Säure durch die verdünnte meist neutrale Salzlösung des
feuchten Erdreichs kann
nur die Größe und Constanz der elektromotorischenelektromagnetischen Kraft beeinträchtigen.
Das einzig Neue in Palagi's Untersuchung liegt darin, daß
der Strom keine Aenderung erlitt, wenn man statt des ursprünglichen Kohksstücks ein
etwas größeres oder kleineres Stück anwendete; daß er sich hingegen verstärkte, wenn
ein gegebenes Stück getheilt und die beiden Hälften durch einen Kupferdraht wieder
verbunden wurden, und daß ein fortwährendes Wachsen des Stroms stattfand, wenn eine
größere Anzahl solcher Kohksstücke mit Kupferdraht zu einer Kette verbunden wurden.
Ein ähnliches Verhalten zeigte der Zinkpol.
Es steht diese Erscheinung mit allen seitherigen Theorien über elektrische Ströme
scheinbar im Widerspruch. Eine Zunahme der elektromotorischen Kraft läßt sich unter
solchen Umständen nicht denken, wo eine Reihe einfacher Leiter in directe
metallische Verbindung mit einander kommen.
Nach dem Ohm'schen Gesetz ist aber der Ausdruck für die
Stromstärke q = K/L ein
Quotient der elektromotorischen Kraft, dividirt durch den gesammten
Leitungswiderstand, und kann ebensowohl dadurch eine Aenderung erfahren, daß sich
der Zähler, wie daß sich der Nenner ändert. Eine Zunahme der elektromotorischen
Kraft im gegebenen Falle war undenkbar, es konnte somit nur eine Abnahme des
Leitungswiderstandes stattgefunden haben.
Versuche, die ich meinerseits anstellte, vorerst in der Absicht die Richtigkeit jener
Angaben zu prüfen, bestätigten letztere Voraussetzung. Es trat eine merkliche
Zunahme der Stromstärke ein, wenn mehrere Stücke Kohle oder Zink mit einander durch
Kupferdrähte verbunden wurden; die Gesammtzunahme des Stroms war jedoch nie größer,
wie in dem Falle, wo man die Kette von Kohlenstücken oder von Zinkplatten durch ein
einziges Kohlenstück oder eine einzige Zinkplatte von der Länge und der Breite der
ganzen Kette in Anwendung brachte, deren Masse und Gesammtoberfläche also weit
bedeutender war wie die Summe der einzelnen Kettenglieder. Wir haben es somit hier
ohne Zweifel mit einem Leitungsphänomen zu thun.
Die gleich große Leitungsfähigkeit einer Kette nach Palagi's Anordnung erklärt sich übrigens bald auf eine einfache Weise. In
einer nach allen Seiten unbegränzten oder so breiten Flüssigkeit, daß ihr
Querschnitt sehr groß gegen Entfernung und Größe der Pole ist, verbreitet sich die
Elektricität nicht bloß in gerader Richtung, sondern auch in größeren Bögen um die
Verbindungslinie der Pole herum. Die Quantität der in verschiedenen Bögen circulirenden Elektricität
steht im umgelehrten Verhältniß ihrer Länge; sie ist also z.B. in einem Bogen von
der doppelten Länge der directen Verbindungslinie noch immer halb so groß wie in
letzterer. Der gesammte Leitungswiderstand der Flüssigkeit ist aber alsdann auch im
selben Verhältniß geringer, wie der mittlere Querschnitt der von den einzelnen
Stromelementen durchlaufenen Flüssigkeit größer wie die Pole ist. Bringt man zwei
Pole von gegebener Oberfläche in weitere Entfernung von einander, so wächst im
gleichen Verhältniß der Querschnitt, indem die Elektricitäten zu einander übertreten
können. Der Gesammtleitungswiderstand wird somit dadurch nicht geändert. So erklärt
es sich denn auch leicht, warum die Erde bei allen Entfernungen der Pole gleich gut
leitet.
Bei konstantem Abstand der Pole wird nun ferner der mittlere Querschnitt einer
Flüssigkeit, in dem sich die Elektricität bewegt, nicht wesentlich dadurch
verändert, daß man einen etwas größeren oder kleineren Pol wie den ursprünglichen
anwendet – wohl aber wird dadurch beinahe ein ganz neuer Querschnitt
gebildet, daß man einen zweiten Pol in einiger Entfernung von dem früheren anbringt
(je größer diese Entfernung, um so vortheilhafter); im selben Verhältniß als die
Summe beider mittlerer Querschnitte größer ist als ein einziger, kann dann die
Stromstärke zunehmen.
Der Kupferdraht, welcher je zwei Zink- oder Kohlenstücke verbindet, dient bloß
als einfacher Leiter der Elektricität, ohne irgendwie die Erregung oder Quantität
der Elektricität zu beeinflussen. Es könnte eben so gut von jedem einzelnen Stück
Zink oder Kohle ein irgend beliebiger metallischer Leiter isolirt nach außen gehen
und sich an den oberirdischen Leitungsdraht besonders anschließen.
Der Gewinn, den die Praxis aus den besprochenen Versuchen ziehen könnte, liegt also
nicht sowohl darin, Elektricität ohne Kosten aus der Erde zu holen, wie es in Palagi's Absicht war, sondern nur in einer
Materialersparniß, wenn man die Leitungsfähigkeit der Erde vergrößern will.
Aber selbst in diesem Fall dürfte sich Palagi's Anordnung
nicht zweckmäßig erweisen. Die Verbindungsstellen zwischen ungleichartigen Metallen
sind im feuchten Erdreich sehr schnell der Zerstörung ausgesetzt. Es ist nicht
selten, daß die Unterbrechung einer Telegraphenlinie bloß auf diesem Umstand beruht.
Wo nun gar so viele Verbindungen vorhanden sind, wie in Palagi's Kette, doppelt so viele wie einzelne Kettenglieder, deren Zahl
für die Kohlenreihe allein schon über vierzig gesteigert wurde, da müßte es ein wahres Wunder
seyn, wenn sich der ganze Apparat mehr wie ein paar Wochen in voller Wirksamkeit
erhielte.
Ohne Zweifel ist bei den Versuchen von Palagi die
Verbindung der einzelnen Theile an sich schon eine sehr lockere gewesen. Wie läßt
sich anders die große Zahl höchst merkwürdiger Resultate erklären, die unter: 4, 6,
7, 8, 10 angegeben sind? Nur eine sehr oberflächliche Beobachtung kann dergleichen
generalisiren!
Will die Praxis einen reellen Nutzen aus der neuen Beobachtung ziehen, so ist dieß
nur in der Weise möglich, daß man statt einer sehr großen
Platte mehrere ganz kleine von vielleicht bloß einem Zehntel Gesammtoberfläche in
Abständen von etwa 10–20 Fuß für sich in die Erde versenkt und dieselben
nicht untereinander, sondern jede einzelne direct mit dem Leitungsdraht in
Verbindung bringt.
Es ist übrigens schließlich noch zu bemerken, daß letztere Anordnung, wie Palagi's Kette überhaupt, nur da von Nutzen seyn kann, wo
der Leitungswiderstand der Erde der beträchtlichere Theil des
Gesammtleitungswiderstandes ist. Nennt man ersteren l
und den Leitungswiderstand im Schließungsdraht λ, so sagt die Formel q = K/(l + λ), daß die Stromstärke sich nur dann durch
Veränderung von l wesentlich ändern kann, wenn λ sehr klein gegen l
ist. In der Praxis, beim Telegraphiren, besitzt aber λ einen gegebenen, gewöhnlich außerordentlich großen Werth, gegen
den l fast verschwindend klein ist. Wollte man auf
irgend eine Weise den Werth von lλ, absolut genommen, wirklich auf Null reduciren, im Endresultat würde darum
die Stromstärke doch nicht verändert.
Beim Telegraphiren auf sehr große Entfernungen, etwa zwanzig Stunden und mehr, ist es
somit ganz ohne Einfluß, ob eine sehr kleine oder eine sehr große Polplatte, oder
statt letzterer eine Anzahl kleinerer Platten getrennt von einander in die Erde
versenkt werden. Bei einer Entfernung von fünfzig Stunden dürfte es vielleicht schon
hinreichen, daß der einfache Telegraphendraht in die feuchte Erde ausläuft.
Auch hat wirklich einer der Versuche von Palagi gezeigt,
daß auf eine Entfernung von 120 Kilometer hin (etwa 35 Wegstunden) der Wheatstone'sche Nadeltelegraph bei Anwendung einer
einzigen Kohle ebenso sicher in Bewegung gesetzt werden konnte, wie bei Anwendung
einer großen Kette von 41 Kohlenstücken.