Titel: | Kritische und experimentelle Beiträge zur Theorie der Färberei; von Prof. Dr. P. A. Bolley in Zürich. |
Fundstelle: | Band 153, Jahrgang 1859, Nr. XCVII., S. 363 |
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XCVII.
Kritische und experimentelle Beiträge zur Theorie
der Färberei; von Prof. Dr. P. A. Bolley in Zürich.Der Verfasser hat diese Abhandlung als Beigabe zum Programm des eidgenössischen
Polytechnicums veröffentlicht, dessen Director er d. Z. ist.A. d. Red.
Bolley's kritische und experimentelle Beiträge zur Theorie der
Färberei.
Schon bei den frühesten Versuchen der Chemiker, der in diesem Gebiete weit
vorausgeeilten Praxis die Unterlage eines wissenschaftlichen Princips zu geben,
haben sich zwei Fragen als unabweislich eingestellt:
1)An welcher Stelle der Faser haftet der Farbstoff? An
ihrer Oberfläche? Ist er durch ihre ganze Masse hindurchgedrungen, also bei den
Pflanzenzellen (Baumwolle und Leinwand) in die Zellwände? Oder endlich, ist er
bei diesen hohlen Fasern in den Schlauch einfiltrirt und dort abgelagert?
2) Findet zwischen dem Pigment und der Faser, die damit gefärbt
worden ist, eine chemische Verbindung statt oder ist
die Farbenfixirung lediglich auf Flächenanziehung zurückzuführen?
Es liegt vor Augen, daß ein sicherer Aufschluß über die erste dieser Fragen vieles
Licht auch über die zweite verbreiten müßte, und zugleich ist damit der Weg
angedeutet, auf welchem vorzuschreiten war, um zur gesuchten Erkenntniß zu gelangen.
Man hat von Seite des chemischen Experiments wie von der der mikroskopischen
Beobachtung die Sache angegriffen, keineswegs aber, weder in der einen noch der
andern Weise in erschöpfendem Maaße. Derartige speciell auf den Gegenstand
gerichtete Untersuchungen sind überdieß erst in neuern Zeiten gemacht worden, früher
begnügte man sich zur Erklärung der fraglichen Erscheinungen lediglich mit
inductiven Methoden. Es gibt mehrere auf diesem Wege entstandene Theorien des Färbeprocesses, die
einander in allen ihren Theilen aufs vollständigste widersprechen; keine derselben
beachtet die zahllosen Instanzfälle, auf die man bei genauer Sichtung der Thatsachen
stößt, und die sich in dem Maaße vermehren, als man den Dingen genauer
nachforscht.
Es ist unerläßlich, die Grundzüge der verschiedenen Erklärungsweisen hier
vorauszuschicken, um die aus der Erweiterung der Kenntniß des positiven
Thatbestandes hervorgehenden Berichtigungen derselben, ohne allzu viele
Wiederholungen am Schlusse der Abhandlung darlegen zu können.
PersozPersoz, Traité
théorique et pratique de l'impression des tissus vol. II p. 126 ff. macht eine verdienstliche Zusammenstellung wenigstens der ältern
theoretischen Lehren über diesen Gegenstand. Es ist für unsern Zweck völlig
ausreichend, die wesentlichsten Züge einiger derselben, so weit sie sich in der
genannten Quelle finden, dieser zu entnehmen.
Am frühesten fand die Ansicht ihre Verfechter, daß wir es in der fraglichen Gruppe
von Erscheinungen mit Adhäsion zu thun haben. Hellot
meint, das Färben der Wolle z.B. beruhe darauf, daß man den Farbstoff in möglichst
zarter Vertheilung in die Poren der Wollfaser einzuführen habe, und daß der
Unterschied zwischen Aechtfärbigkeit und Falschfärbigkeit darin beruhe, daß im
erstem Falle durch „eine adstringirende Substanz“ die gefärbte
Faser gleichsam eingehüllt werde, so daß von Außen die gewöhnlichen Agentien: Licht,
Wasser u.s.w. nicht zu dem Farbstoff gelangen können, während beim Mangel einer
solchen Hülle unächte Farben entständen. An einem andern Orte sagt er: die Poren
müßten gereinigt, geöffnet, gefüllt und wieder geschlossen werden, damit darin der
Farbstoff festgehalten werde wie der Diamant in seiner Fassung. Er kennt die Bildung
von Lacken beim Zusammenbringen gewisser Erd- oder Schwermetallsalze, und
meint, wenn man die Feinheit dieser Lacke beliebig so einrichten und die Poren der
Faser weit genug öffnen könne, daß die ersteren sich in die letzteren einlagern
könnten, so wäre dem Fehler der Falschfärbigkeit abgeholfen.
Dieser allzu plastisch gehaltenen Vorstellungsweise, die sich auf den ersten Blick
als höchst unklar und in sich selbst widerspruchsvoll erweist, ist bald eine etwas
mehr ausgeführte von Le Pileur d'Apligny gefolgt. Er
bespricht die Fähigkeit der Wolle, Seide, Baumwolle und Leinwand Farbstoffe
aufzunehmen in einer Weise, daß man seine geläuterte Bekanntschaft mit der
Färbetechnik deutlich daraus ersieht. Die (übrigens nur unter gewissen Bedingungen
richtige) Beobachtung, daß die Wolle in einer Cochenilleabkochung von bestimmter Stärke sich
tiefer färbe als Seide, und diese wieder intensiver als Baumwolle, führt er auf die
Ursache zurück, daß die Poren der Wolle größer seyen, um den Farblack (den der
Farbstoff der Cochenille mit Zinnchlorid bildet) aufnehmen zu können, während die
Seide mit engern Poren es nicht könne, und Baumwolle wie Leinwand aus dem gleichen
Grunde noch weniger.
Persoz ist wohl der erste, der die Ansicht, das Fixiren
der Farben bestehe in einer Flächenanziehung, in durchaus wissenschaftlicher Weise,
und ohne das täuschende Spielzeug willkürlicher Vorstellungen von der Constitution
der Fasern verficht. Die Grundgedanken seiner Anschauungen sind die folgenden:
Alle Anziehungserscheinungen lassen sich in drei Gruppen bringen.
Die erste umfaßt solche, deren Resultat wir chemische Verbindungen nennen; dieß sind
Juxtapositionen von Atomen oder Atomgruppen, die unter gleichzeitiger wesentlicher
Veränderung der physikalischen Eigenschaften des Products, verglichen mit jenen der
Componenten, stattfinden.
Die zweite Reihe sind unmittelbare Juxtapositionen von Atomen oder Atomgruppen,
solche Nebeneinanderlagerungen, die nur stattfinden können, wenn die Form und Größe
der Atome es zulassen; diese Reihe umfaßt das, was man gewöhnlich
Cohäsionserscheinungen nennt. Persoz
Ausführlicher in seinem Werke: Introduction à
l'etude de la chimie moléculaire, Strasbourg 1839, –
in welchem viele treffliche, zum Theil später von Andern erfolgreich weiter
ausgearbeitete Ideen zur Molecularchemie, z.B. die vom Atomvolum starrer und
flüssiger Körper niedergelegt sind. setzt auseinander, wie die beiderlei Erscheinungen, die man gewöhnlich als
höchst verschieden von einander bezeichnet, sich sehr nahe kommen.
Die dritte Gruppe von Anziehungserscheinungen, weniger genau verfolgt, steht von
jeder der beiden vorigen ferner als diese unter sich, und sie umfaßt: die Anziehung
von Gasen und porösen Körpern; die Verbindung von Gasen unter Gegenwart poröser
Körper (Contactwirkungen); die Absorptionsfähigkeit gewisser Gase in Wasser; die
Abscheidung farbiger Substanzen aus ihren Lösungen durch Kohle; die zerlegende
Wirkung von Kohle auf gelöste Salze.
Die diesen einleitenden Betrachtungen folgende Frage: in welche der drei Reihen
gehört nun die Fixirung der Farben auf den Zeugen und Garnen? wird in folgender
Weise beantwortet. Man hat beim Färbeproceß zwei Stadien zu unterscheiden:
1) Das Unlöslichwerden des Farbstoffes. Dieß geschieht entweder
durch chemische Veränderung die das Pigment an sich erfährt (Oxydation wie Eisenoxydul und
Indigweiß), oder Fällung (Safflor), oder Verdunstung des Lösungsmittels
(Schwefelarsen aus ammoniakalischer Auflösung) – alles Beispiele
sogenannter substantiver Farbstoffe – oder durch Erzeugung salzartiger
chemischer Verbindungen (Lacke), worin das Pigment den einen Bestandtheil
ausmacht – das Färben mit Beizen und den sogenannten adjectiven
Farbstoffen. Kein Zweifel, daß diese Vorgänge
sämmtlich in die Reihe chemischer Anziehungen gehören.
2) Ein anderes Stadium aber ist das Haftendmachen der unlöslich
gewordenen Pigmente an der Faser. Diese Erscheinungen reiht Persoz in die zweite Gruppe der Anziehungen, das
heißt er erklärt sie für Flächenanziehungen.Seine Worte sind: Selon nous, cette
adhérence des couleurs est due à une juxtaposition
immédiate, la matière colorante se déposant,
non dans les pores des brins de coton, de laine et de soie, mais à leur surface, qui, ainsi
qu'on peut s'en assurer au microscope, se compose de facettes, assez
semblables pour la laine aux écailles de poisson.
Man bemerkt, daß hiermit zugleich mit der zweiten der Eingangs erwähnten Fragen, um
die sich die Untersuchung dreht, auch die erste in sehr unzweideutiger Weise
beantwortet ist.
Die von Persoz für seine Ansicht angeführten, der Praxis
entnommenen Beweismittel werden von ihm gleichzeitig gegen eine von Walter Crum aufgestellte Theorie der Baumwollfärberei
gebraucht. Wir wollen deßhalb von dieser ebenfalls eine kurze Skizze geben, bevor
wir die Argumentation von Persoz darlegen.
Nach W. Crum
Ueber die Art, in welcher Baumwolle sich mit Farbstoffen verbindet, im
polytechn. Journal Bd. XCII S.
130. wäre die Gestalt der Baumwollfaser die, daß die Zelle im reifen Zustande
ihrer ganzen Länge nach zusammengedrückt, die beiden Ränder aber röhrenförmig hohl
und erhaben geblieben wären. Er beruft sich auf die mikroskopischen Beobachtungen
von Thomson zu Clitheroe und von Bauer (die aber, wie alle neueren Forschungen beweisen, unrichtig sind),
und stellt sich die Sache so vor, daß die Beize durch seitliche Poren in diese
Canäle eindringe, dort sich zersetze und eintrockne, und daß die später dargebotene
Farblösung den gleichen Weg mache, um mit der Beizbasis einen Lack zu bilden. Der
bei der Baumwollfärberei so häufig vorkommenden und nöthig gefundenen Arbeit des
Waschens weist er den Zweck zu, daß dadurch alle äußerlich an der Faser anhängende Beize entfernt werde. Er zieht zum
Schlusse eine Vergleichung zwischen dem Anziehungsvermögen der Kohle gegen
Farbstoff- und
Salzlösungen, und erklärt verschiedene Färbeoperationen, namentlich die welche der
Beize entbehren können, als zurückführbar auf eine Rolle der Faser, die derjenigen
der Kohle analog sey.
Persoz fragt sehr richtig: wie soll das Färben der Faser beim Zeugdruck, wo das
Pigment mit einem Klebmittel verdickt ist, nach W. Crums
Theorie erklärt werden? Man könne doch wohl nicht annehmen, daß die dickliche Masse
in die Poren eindringen und die Luft in dem röhrenförmigen Raume austreiben werde.
– Küpenblau zu färbende Stoffe werden häufig vorher mit einem dicken Appret
von Stärkekleister und Kupfervitriollösung versehen; es ist daher unmöglich daß das
Indigblau in die Seitenschläuche der Zelle eingelassen werde. Der Proceß des
sogenannten Enlevage- oder Aetzdrucks wäre schwer begreiflich, wenn die
Färbung im innern Hohlraume der Baumwolle und nicht äußerlich stattfände. Beim
Färben in der Indigküpe wie beim Nankingfärben kann man leicht die Beobachtung
machen, daß durch wiederholtes Eintauchen und Trocknen die Indigo- oder
Eisenrostschichte immer mehr zunimmt. – Ein Stück küpenblau gefärbtes
Baumwollzeug wurde wochenlang in reines fließendes Wasser eingelegt und man fand es
zuletzt beinahe ganz entfärbt. – Wie sollte es kommen, daß ein satt
rothgefärbter Stoff, das hieße nach W. Crum ein solcher,
an welchem die Zellen vollständig angefüllt sind, durch Bedrucken mit Blau ein
tiefes Schwarz, und durch Bedrucken mit Gelb ein Orange liefere? – Durch
diese Einwürfe macht es Persoz plausibel, daß die Färbung
auf der Oberfläche geschehe.
Dufay hat schon 1737 und Bergmann 1776 eine der obigen ganz entgegengesetzte Meinung ausgesprochen;
ihnen folgte später Macquer (1778), Berthollet und endlich Chevreul. Die ganze
Reihe dieser Forscher, unter welchen wir die glänzendsten Talente ihrer Zeit finden,
hält die Verbindung der Pigmente (und Lacke) mit den Fasern für eine chemische. Die Eigenschaft der Wolle, sich besser als
Seide, und diejenige dieser, sich besser als Baumwolle und Leinwand färben zu
lassen, wird den verschiedenen Graden chemischer Verwandtschaft, den diese Fasern zu
den Farbstoffen haben, zugemessen.
Wir dürfen nicht unterlassen, den Darlegungen der Ideen und Versuche Chevreul's, die Persoz ganz
unerwähnt läßt, genauer zu folgen. Dieselben finden sich in der Abhandlung:
Allgemeine Theorie der Färbekunst.Dictionnaire technologique T. XXI p. 365; polytechn. Journal Bd. LIV S. 343. Er hebt im Eingang der manches Lehrreiche enthaltenden Abhandlung hervor, daß der
Gegenstand der Färberei der sey: auf den verschiedenen Fasern gefärbte Körper
anzubringen, „welche sich darauf durch die chemische
Verwandtschaft und nicht mechanisch“ befestigen.
Die unser Thema berührende Partie der Abhandlung zerfällt in sechs Abtheilungen,
worin von zahlreichen eigenen Beobachtungen und Versuchen berichtet wird.
1) Das Verhalten der vegetabilischen und thierischen Fasern, als
ternärer und quaternärer Verbindungen zu den Grundstoffen ist, wie zu erwarten, das, daß letztere sich ungern und
in geringer Menge mit ersteren verbinden.
2) Die Säuren verhalten sich nach Chevreul's Versuchen in folgender Weise: Eine
Flüssigkeit, die 1 Gramm Schwefelsäure mit Wasser auf 10 Kubikcentimeter
verdünnt enthielt, gab an Wolle und Seide, die damit digerirt wurden, Säure ab,
da die abgegossene saure Flüssigkeit sich weniger sauer erwies. Bei Baumwolle
hat sich das entgegengesetzte Resultat gezeigt, d.h. die Faser hatte Wasser
aufgenommen und eine stärkere Säure zurückgelassen. Das Verhalten der
Chlorwasserstoffsäure wurde nur gegen Wolle geprüft. Eine Lösung, die in 10
Kubikcentimeter 1,1628 Gram. Cl H enthielt, hat an Wolle Säure abgegeben.
Die Säuren können aus den Fasern wieder durch längeres Auswaschen entfernt
werden.
3) Von den Basen berichtet Chevreul: Bittererde und Kalk können sich mit der
Wolle verbinden, über die Art des Zusammenbringens ist nichts gemeldet.
Eisenoxydhydrat, in Wasser vertheilt, färbte nach einem Jahr in verschlossenen
Flaschen Wolle und Seide, aber nicht Baumwolle.
4)Salze, mit Fasern zusammengebracht, liefern vier
Möglichkeiten: a. Keine Einwirkung: ein Fall der
unentschieden gelassen, von dem aber bezweifelt wird, ob er je
vorkomme.b. Es können sich die Salze in ihrer
Zusammensetzung unverändert mit den Stoffen verbinden.
Kaliumeisencyanid soll, sich aus einer verdünnten wässerigen Lösung
abscheidend, mit Wolle und Seide sich verbinden, und aus diesem
Verhalten wird abgeleitet, daß dasselbe bei vielen Salzen der Fall seyn
werde. Es wird der Versuch von Thenard und
Roard angeführt, daß Alaun sich mit den
Fasern (welchen?) verbinde und aus ihnen wieder ausgewaschen werden
könne.c. Ein anderer Fall ist die Aufnahme eines
basischen Salzes aus einem neutralen und das Zurücklassen eines
sauren. Eine Lösung von schwefelsaurem Eisenoxyd, mit Seide
zusammengestellt, färbt diese nach kurzer Zeit rostfarben, was von
Ablagerung eines schwer löslichen basischen Salzes herkommt. Chevreul hebt ausdrücklich hervor, daß diese
Zersetzung nur der chemischen Verwandtschaft der Seide zum basischen
Eisensalze zugeschrieben werden könne. Das Anziehungsvermögen der
Seide zu dem basischen Salze ist größer bei einer gewissen
Concentration, kleiner in verdünnter Lösung: bei zu starker
Concentration nimmt aber die Ausscheidungstendenz des basischen Salzes
eher wieder ab. Verschiedene Eisensalze werden um so mehr basisches Salz
abgeben, je größer ihre Neigung ist, basische Salze zu bilden.d. Die letzte Möglichkeit ist, daß nur
einer der beiden Bestandtheile eines Salzes, die Säure oder die Basis fixirt wird. Es soll nach Thenard und Roard die Wolle den
Weinstein zersetzen, indem sie sich mit Weinsäure und etwas unzersetztem
Salze verbinde und neutrales weinsaures Kali zurücklasse. Baumwolle in
essigsaure Alaunerde getaucht, getrocknet, dann mit heißem Wasser
gekocht, soll lediglich Alaunerde zurücklassen.
5) Ist die Rede von der Wirkung der Faser auf die neutralen, nicht salzartigen, binären, ternären etc.
Verbindungen.
Verbindungen unorganischer Natur, die hieher gezählt werden müssen, sind die
Schwefelmetalle, die entweder aus ammoniakalischer Lösung durch Verdunsten des
Ammoniaks, oder in Lösung eines fixen Alkalis durch Nachbehandlung mit einer Säure,
oder durch Beizen in einem Metallsalz und passiren durch Schwefelkaliumlösung
niedergeschlagen worden.
Die organischen Farbstoffe endlich werden noch in ihrem Verhalten bei directem
Zusammenkommen mit der Faser betrachtet. Es wäre völlig nutzlos, die Mittheilungen,
die in dieser Beziehung gemacht sind, zu wiederholen. Die Erfahrungen, die man seit
dem Jahre 1833, in welchem der Aufsatz geschrieben seyn mag, über die organischen
Farbstoffe gemacht hat, haben so wichtige Veränderungen in diesem Gebiete der
organischen Chemie hervorgebracht, daß das Wenigste aus Chevreul's Abhandlung noch auf der Höhe unserer Kenntnisse steht.
Eben so wenig erheblich sind die Betrachtungen in der Abtheilung:
6) der Abhandlung: Wirkung der Fasern, der basischen Säuren oder salzartigen
Verbindungen und der organischen Pigmente, d.h.
also Ueberblick der Verhältnisse, die sich ergeben bei gleichzeitigem
Zusammentreffen von Beize, Faser und Pigment. Es werden in den beiden letzten
Abtheilungen zudem ganz bekannte Erscheinungen aus der Praxis der Färberei
berichtet, die zu den Beweisen, daß wir es mit chemischen Verbindungen zu thun
haben, so viel als nichts beitragen.
Auf Chevreul's Ansichten und Arbeiten werden wir später
noch zurückkommen müssen. Es ist nun noch über drei verschiedene Arbeiten, die das
Verdienst der beobachtenden Methode für sich haben, in ihren hauptsächlichsten
Ergebnissen zu berichten, um so mehr, als dieselben noch nirgends im Zusammenhang
mit einer allgemeinen Theorie der Färberei besprochen worden sind.
A. Oschatz
Berliner Gewerbe-, Industrie- und Handelsblatt Nr. 1–11;
im polytechn. Journal Bd. CX S.
342. lieferte im Jahre 1848 eine sehr beachtenswerthe Abhandlung: „Ueber den Bau der wichtigsten, technisch verwendbaren
Faserstoffe,“ an deren Schluß sich eine kurze Betrachtung:
„Mikroskopische Grundlagen zur Theorie des
Färbens“ findet. Die Folgerungen, die er aus seinen
Beobachtungen zieht, sind, in seinen eigenen Worten ausgedrückt, die folgenden:
„Wenn man feine Querschnitte gefärbter Fasern herstellt und diese der
mikroskopischen Prüfung unterwirft, sieht man, daß die ganze solide Substanz der
Fasern gleichmäßig gefärbt ist. Die selbst bei der Baumwolle verhältnißmäßig
beträchtliche Stärke der Wandung läßt darüber auch bei dieser keinen Zweifel
übrig. Daß indessen, namentlich bei türkischrother Baumwolle, die äußerste
Schicht der Wandungen mitunter eine größere
Intensität in der Färbung zeigt, ist nicht in Abrede zu stellen, wogegen bei
Wolle und Seide die ganze Fläche des Querschnittes die größte Gleichförmigkeit
zeigt.
„Es ist somit den fernerhin aufzustellenden Theorien über die Färberei
durch Feststellung dieser durchgängigen Thatsache, von der mall sich auf dem
angegebenen Wege leicht überzeugen kann, wenigstens ein sicherer Ausgangspunkt
gegeben. Eine Ausscheidung von Farbenpartikeln, die etwa durch die ganze
organische Substanz vertheilt wären, ist hier eben so wenig, selbst nicht bei
den stärksten Vergrößerungen wahrzunehmen, wie die Kalksalze in der organischen
Grundlage der Knochen sich gesondert erkennen lassen, oder die Kieselsäure in den
Zellenwandungen des Schachtelhalms und der Gräser. Wenn man daher nicht eine
chemische Verbindung der Farbstoffe mit der Substanz der Fasern annehmen will,
so ist man genöthigt vorauszusetzen, daß die ausgesonderten Partikeln so klein
und so gleichmäßig vertheilt sind, daß sie selbst der stärksten Vergrößerung
sich noch entziehen.“
VerdeilComptes rendus, Dec. 1858 Nr. 24; polytechn.
Journal Bd. CLI S. 204. übermachte im December 1858 der französischen Akademie der Wissenschaften
eine Mittheilung „über die Färbung der Zeugfasern
thierischen und vegetabilischen Ursprungs,“ deren Inhalt
sich im Folgenden zusammenfassen läßt:
1) Es sind Wolle, Seide und Baumwolle mittelst Durchdringung gefärbt. Sie erscheinen
unter dem Mikroskop gleichmäßig mit Farbe imprägnirt und
durchsichtig. Eine Ausnahme bilden die mit chromsaurem
Bleioxyd oder mit Chromoxyd gefärbten Stoffe, denn diese sind zum Theil mittelst Ablagerung des Farbstoffs auf der Oberfläche der Faser,
zum Theil mittelst Durchdringung gefärbt. In einigen ausnahmsweisen Fällen ist die schwarzgefärbte Seide durch eine der Faser
wenig anhaftende Kruste gefärbt; diese Hülle zerbricht und zeigt die Faser
gleichmäßig mittelst Durchdringung gefärbt. Abgesehen von diesen eigenthümlichen
Fällen sind die gefärbten Zeugfasern stets mittelst
Durchdringung des Farbstoffs und durch seine innige Vereinigung mit der Substanz der
Faser gefärbt.
2) Die Verfahrungsarten, welche man in der Praxis zum Färben der Stoffe anwendet,
sind nach der Natur der Gewebe verschieden. Während nämlich die Fasern thierischen
Ursprungs, Wolle und Seide, sich der Farbstoffe bemächtigen, die in einem Färbebad
aufgelöst sind, welches ein Metallsalz als Beize enthält, wird dagegen der Holzstoff
unter denselben Umständen keine Spur von Farbe fixiren. Damit Baumwolle, Flachs oder
Hanf sich so färben können, daß weder das Waschen mit Wasser noch das Reiben die
Farbe beseitigt, muß nothwendig der Farbstoff, nachdem er die Substanz der Faser
durchdrungen hat, unauflöslich gemacht worden seyn. Die Wolle
und die Seide scheinen hingegen eine wirkliche Verwandtschaft zu den mit den
Beizen gemischten Farbstoffen zu besitzen.
3) Fand er, daß Wolle und Seidenstoffe, mit Lösungen von Thonerde-,
Eisen- und Zinnsalzen zusammengebracht, die Eigenschaft besitzen, eine
gewisse Menge „von der Basis“ der
Beize zu fixiren.
Die kleine Zusammenstellung ist folgende:
Wolle,
gebeizt
mit
Alaun,
enthielt
in 100
Theilen
0,75 Asche
„
„
„
deßgleichen
„
„
„
0,72 „
„
„
„
schwefelsaurer Thonerde
„
„
„
0,86 „
„
„
„
Alaun und Weinstein
„
„
„
1,12 „
„
„
„
essigsaurem Eisen
„
„
„
0,75 „
„
„
„
Zinnchlorid
„
„
„
1,25 „
Seide,
gebeizt
mit
essigsaurer Thonerde
„
„
„
0,50 „
„
„
„
essigsaurem Eisen
„
„
„
1,00 „
„
„
„
Alaun
„
„
„
0,40 „
Es hat endlich O. Maschke
Journal für prakt. Chemie von Erdmann und Werther, Bd. LXXVI S. 37. eine Abhandlung bekannt gemacht, deren Tendenz zwar nicht ist, eine Theorie
der Färberei zu geben, in der aber Beobachtungen aufgezeichnet sind, die so sehr in
die vorliegende Frage einschlagen, daß wir sie nicht unberührt lassen dürfen. Die
Abhandlung führt den Titel: „Pigmentlösung als Reagens bei
mikroskopisch-physiologischen Untersuchungen.“
Im Eingang werden die erheblichsten Resultate aus den Untersuchungen Hartig's, über die Einwirkung gewisser Pigmente auf die
Zellkernmasse, zusammengestellt. Der für unsere Zwecke allein wichtige Satz Hartig's betrifft die Erklärung der Erscheinung, daß der
Zellkern Pigmente anziehe. Maschke gibt Hartig's Meinung in folgender Redaction. Auch für Maschke's eigene Erklärung dieser Beobachtungen bedienen
wir uns seiner eigenen Worte.
„1) Carmin sey keineswegs der einzige Farbstoff, der von
dem Chlorogen (Kernmasse) des Zellkernes aufgenommen werde; ein Gleiches
geschähe mit dem Safte von Phytolacca decandra, mit
Lackmus, Gummigutt, Kupfervitriollösung, Zinnober, Tinte.
„2) Das Chlorogen habe er als Pflanzenleim und Eiweiß
erkannt und ebenso bestehe der Kleber des Weizens aus denselben Bestandtheilen,
deren jeder einzelne die Eigenschaft der Farbenaufspeicherung zeige. Auch das
thierische Eiweiß (aus Eiern), die Faserbündel der Hausenblase vor und nach
ihrer Auflösung in Leim, ferner das stickstoffreiche Klebermehl der übrigen
Sämereien und die stickstofffreien Schleimschichten
der Gummi-Traganth Zellen und anderer schleimiger Zellwandungen
(Entwickelungsgeschichte des Pflanzenkeims von Hartig
S. 6) besäßen ein gleiches Verhalten gegen Farbstoff.
„3) Von einer chemischen Reaction könne keine Rede seyn,
aber auch nicht von einer einfachen Färbung oder Durchdringung, da die geringste
kaum wahrnehmbare Beimengung zum Zellsaft das Chlorogen und nur dieses färbe,
nicht die Zellhäute und Zellsäfte, in die es eingeschlossen sey. Die Färbung
trete schon nach einigen Secunden ein und steigere sich nach wenigen Minuten zur
gesättigten Färbung.
„4) Es lasse sich die ganze Erscheinung wohl nicht anders
erklären, als durch die Annahme eines außerordentlich raschen Durchganges der
umgebenden Flüssigkeit durch die Chlorogenmasse, wie durch einen Filtrirapparat,
wobei dann der in dieser Flüssigkeit gelöste Farbstoff in ihr zurückbleibe und
in Folge dessen sich anhäufe.
„5) Unter den verschiedenen in Anwendung gebrachten
Farbstoffen behalte Carminlösung den Vorzug, weil die gefärbten Objecte trotz
tiefer Röthe noch durchscheinend genug bleiben.
„Wenn die unter 1) aufgeführten Beobachtungen Hartig's vollständig richtig wären, so hätte seine Ansicht über die
Färbung des Zellkernes wenig Befremdendes, namentlich in Anbetracht seiner schon
vor längerer Zeit aufgestellten Theorie über die physiologische Bedeutung dieses
Centralorgans.
„Es ist aber leicht nachzuweisen, daß die stickstoffhaltigen Bestandtheile
der Zelle durch Pigmente sich leicht färben, wenn sie nur im vertheilten Zustande dargeboten werden, wie das beim
Zinnober z.B. nur der Fall seyn kann.
„Wenn lösliche Pigmente allein zur mikroskopischen Färbung geeignet sind,
so liegen hier offenbar dieselben Verhältnisse, wie beim Färben der Wolle und
Seide im Großen, vor: stickstoffhaltige Substanzen und Farbebäder. Man weiß nun
schon lange, daß die Pigmente zur Substanz der Wolle und
Seide in einer chemischen Verwandtschaft
stehen; auch ist es bekannt, daß gewisse Farbestoffe, z.B. Indigo, die man
deßhalb substantive Farben nennt, eine so große Verwandtschaft besitzen, daß
selbst die Anwendung von Mordants überflüssig wird;
es ist demnach nichts natürlicher, als daß man etwas Aehnliches auch bei den
mikroskopischen Färbungen vermuthet und die am Zellkern durch irgend ein Pigment
entstehende Farbenreaction einfach durch die chemische
Verwandtschaft zwischen der Substanz des
Zellkernes und dem angewandten Pigmente erklärt.
„Daß hierbei in der That die chemische Verwandtschaft im Spiele sey, geht
a priori schon daraus hervor, daß andere körnige
oder bläschenartige Gebilde der Zelle, die in morphologischer Hinsicht ganz
ähnliche Verhältnisse darbieten, aber von anderer chemischer Constitution sind, sich
nicht mit Pigmenten zu verbinden im Stande sind; noch klarer wird die
Richtigkeit dieser Ansicht sich im Verlaufe der vorliegenden Arbeit bei den
einzelnen Stoffen herausstellen.
„Allein so ganz und gar ohne Wirksamkeit scheint mit die physikalische
Beschaffenheit des zu färbenden Stoffes nicht zu seyn; außer der chemischen
Anziehung ist sicherlich in einigen Fällen auch die Flächenanziehung, wie wir
sie bei der Kohle und dem Platin kennen, thätig, so daß die Wirkungen der
ersteren durch die der letzteren um ein Bedeutendes erhöht werden.
„Ich habe nun die folgenden Versuche vorläufig darauf gerichtet,
diejenigen physiologisch wichtigen Substanzen zu ermitteln, denen die
farbeanziehende Kraft inne wohnt; da es aber aus der Färberei bekannt ist, daß
stickstoffhaltige Substanzen, wie Wolle und Seide, sich vorzugsweise zum Färben
eignen, so habe ich mit dieser Gruppe, oder vielmehr mit der Gruppe der
Proteinsubstanzen, die Reihe meiner Versuche begonnen.“
Maschke theilt auch eine Reihe eigener Beobachtungen mit,
aus welchen wir nur einiges für uns Bemerkenswerthes herausheben.
Ueber die Hornsubstanz z.B. sagt er:
„Die Farbenanziehung der Hornsubstanz ist durch die Kunst der Färberei
bekannt; desto mehr mußte es mich überraschen, als ich bei wiederholt und auf
die sorgsamste Weise ausgeführten Färbeversuchen kaum eine Andeutung von Färbung
unter dem Mikroskope erhielt, selbst wenn die mit Aether behandelten Haare oder
die Wolle viele Stunden lang in einem Farbebade gelegen hatten; nur an ihren
Schnitt- oder Bruchstellen wurde nach längerer Einwirkung die Färbung
sichtbar, oder da, wo durch Druck oder Reibung das Oberhäutchen des Haares in
der Weise entfernt worden, daß die Rindensubstanz der Einwirkung des Pigmentes
bloß lag.
„Dieser Widerspruch löste sich jedoch sofort, als ich das Object unter dem
Deckgläschen in der Farbelösung stark erwärmte; alsdann sieht man die Färbung
von den Schnittflächen der Haare ausgehen, dann an den Haarspitzen auftreten und
von hier sich über die ganze Länge der Haare herabziehen. Es scheint demnach,
daß diese Eigenthümlichkeit daraus entspringt, daß das Oberhäutchen sich dem
Eintritt der Pigmentlösung hartnäckig widersetzt, und daß dieses sowohl, wie die
Rindensubstanz in wässerigen Flüssigkeiten bei gewöhnlicher Temperatur nur sehr
langsam aufzuquellen vermag.“
Endlich wird auch der Cellulosegruppe gedacht und darüber Folgendes berichtet:
„Diese Stoffe, sämmtliche Cellulose (und auch die Substanz wohl
sämmtlicher Schlauch- oder Bläschenmembranen, die ich für Korksubstanz zu
halten geneigt bin, d.h. für dieselbe Substanz, aus der die Kartoffelschalen und
die Cuticula der Pflanzen bestehen), ferner Amylum, Zucker, Schleim, gaben
durchaus negative Resultate;“ und am
Schlusse heißt es:
„Wir haben also zwei Gruppen von organischen Körpern, von denen die eine
sich mit Farbstoffen verbindet, während die andere nichts derartiges unter dem
Mikroskope erkennen läßt; beide Gruppen gewinnen dadurch an Bedeutung, daß zu
der einen sämmtliche Glieder der Proteinfamilie, während zu der anderen die der
Cellulose-Familie gehören, und daß fast alle Glieder dieser Familien
beinahe ausschließlich den Pflanzenkörper zusammensetzen.“
Es geht aus dieser Zusammenstellung aufs deutlichste hervor, daß über die beiden
Eingangs erwähnten Fragen, um welche sich die Untersuchung dreht, durchaus keine
Uebereinstimmung unter den verschiedenen Autoren herrscht.
(Der Schluß folgt im nächsten Heft.)