Titel: | Leichte Löslichkeit der aus Mineralien austretenden Kieselsäure in salzsaurem Alkohol; von A. Winkler in Berlin. |
Fundstelle: | Band 154, Jahrgang 1859, Nr. XII., S. 58 |
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XII.
Leichte Löslichkeit der aus Mineralien
austretenden Kieselsäure in salzsaurem Alkohol; von A. Winkler in Berlin.
Aus dem chemischen Centralblatt, 1859, Nr.
43.
Winkler, über Leichte Löslichkeit der aus Mineralien austretenden
Kieselsäure in salzsaurem Alkohol.
Leitet man trockenes salzsaures Gas in absoluten Alkohol, oder mengt man auch nur
etwa 4 Vol. absoluten Alkohol und 1 Vol. concentrirte Salzsäure, und schüttet in
diese Flüssigkeit unter gutem Umrühren oder Schütteln in einem Kolben so viel fein
geriebenes reines Portland-Cement, daß etwa die Hälfte der Salzsäure
neutralisirt wird, so erhält man eine vollständig klare, leicht bewegliche und
leicht filtrirbare Lösung, welche außer CaCl, Al₂Cl₃ und
Fe₂Cl₃ auch sämmtliche Kieselsäure des Cements in einer aus
Kieselerde, Alkohol und Salzsäure bestehenden Verbindung gelöst enthält, und in
verschlossenen Gefäßen beliebig lange unverändert aufbewahrt werden kann. Um eine
vollständige Lösung aller Kieselsäure zu erlangen, muß das angewandte Cement frei
von Kohlensäure und von Ofenschlacken seyn, auch nicht, wie fast alle käuflichen
Cemente, nach dem Brennen Schlacken beigemengt erhalten haben. Durch Aether läßt
sich wenig der gelösten Kieselerde ausziehen, welche nach dem Verdunsten desselben
in nicht wieder löslichen Rinden zurückbleibt, die sich beim Glühen durch
ausgeschiedenen Kohlenstoff schwärzen. Ueberläßt man die alkoholische Lösung in
einer offenen Schale der Verdunstung bei gewöhnlicher Temperatur, so bildet sich
nach Verschwinden des Alkohols die bekannte elastische Kieselgallerte. Uebergießt
man diese Gallerte wieder mit der oben bezeichneten Flüssigkeit, so löst sich auch
nach tagelangem Digeriren und Schütteln die Kieselsäure nicht wieder auf, sondern
bleibt in Gestalt schleimiger Flocken auf dem Filter zurück.
Eben so wie die Kieselerde des Portland-Cements verhält sich die Kieselerde
der folgenden Silicate:
1) Eisenfrischschlacke,
2) Kupfergarschlacke,
3) augitartige Hohofenschlacke,
4) Olivin,
5) Alle gebrannten thonhaltigen Baukalte. (Ich erwähne bei dieser Gelegenheit, daß
die aufgeschlossene Kieselsäure, die man in alten Mörteln gefunden und der
Einwirkung des Kalkhydrates auf den Quarzsand zugeschrieben hat, wahrscheinlich nur
von einem Thongehalte des zum Mörtel verarbeiteten gebrannten Kalkes herrührt, und
schon beim Brennen des Kalksteines gebildet worden ist.)
6) Eine theilweise Lösung der Kieselerde erfolgt bei einem nur bis zur Austreibung
der Kohlensäure geglühten Gemenge von 4 Th. lufttrockenem Thon mit 3 Th. Kreide.
7) Kohlensäurefreies erhärtetes Portland-Cement löst sich ebenfalls
vollständig auf.
Dagegen löst sich die Kieselsäure folgender Silicate nicht
in alkoholischer Salzsäure:
1) gelöstes Wasserglas,
2) kieselsaurer Kalk, dargestellt durch Vermischen von verdünntem Wasserglas mit
verdünntem Chlorcalcium,
3) kieselsaure Thonerde, erhalten durch Vermischen von Wasserglas mit basisch
essigsaurer Thonerde,
4) Meerschaum,
5) Asbest.
Endlich löst sich die Kieselerde folgender Silicate nur nach dem Glühen der Silicate,
nicht im ungeglühten Zustande derselben:
1) Serpentin von Snarum.
2) Kieselsaurer Kalk und Zuckerkalk, entstehend als voluminöser Niederschlag beim
Vermischen von Wasserglas oder Kieselerdehydrat mit Zuckerkalk im Ueberschusse. (Die
Verbindung wird durch reines Wasser wieder zerlegt.)
3) Kieselsaures Zinkoxyd, gebildet durch Vermischen von Wasserglas mit einer Lösung
von Zinkvitriol in Ammoniak.
Anstatt des Weingeistes kann mit gleichem Erfolge Methylalkohol angewandt werden.
Eben so läßt sich die Salzsäure durch Salpetersäure ersetzen, dagegen nicht durch
Oxalsäure oder Schwefelsäure; doch kann man aus verdünnten Lösungen des
Portland-Cements den Kalk durch Schwefelsäure ausfällen, ohne daß die
Kieselsäure mit gefällt wird. Bei Anwendung von Essigsäure in Weingeist gibt das
Cement unmittelbar eben so eine Gallerte, wie durch verdünnte wässerige
Salzsäure.
Diese bisher noch nicht bekannte Löslichkeit der Kieselsäure glaube ich einer
Aufnahme von Alkohol an Stelle des Hydratwassers zuschreiben zu müssen; diese
Substitution findet jedoch, wie das Verhalten der untersuchten Silicate zeigt, nur
dann statt, wenn die Kieselsäure noch kein Wasser, sondern ein Oxyd an dessen Stelle
hat, also nur bei Silicaten, welche durch Feuer entstanden
sind.
Besonders bemerkenswerth ist der Unterschied, welcher zwischen dem Kalksilicate, das
nach acht Monate langem Digeriren von Portland-Cement mit viel
kohlensäurefreiem Wasser in Gestalt von Flocken zurückbleibt, und zwischen dem auf
nassem Wege dargestellten kieselsauren Kalke besteht, weil daraus nothwendig folgt,
daß die Silicate des erhärteten Cements nicht erst durch die Vermittelung des
Wassers neu entstanden, sondern einfach Zersetzungsproducte der den frischen Cement
bildenden Silicate sind. Stellt man daher die Verbindung des durch Wasser
ausgeschiedenen Kalkes mit dem übrig gebliebenen Silicate wieder her, indem man das
erhärtete Cement fein gerieben wieder bis zur starken Versinterung, wozu meist hohe
Weißgluht erforderlich ist, brennt, so erhärtet dieses Cement zum zweitenmale eben
so gut wie zum erstenmale, vorausgesetzt natürlich, daß das Cement nicht mit
Schlacken oder Traß verfälscht war. In einer früheren Mittheilung hatte ich auf die
Ausscheidung von krystallisirtem Kalkhydrat in den inneren Blasenräumen eines
Cements aufmerksam gemacht, welches ich aus gewöhnlichem gebrannten Baukalke von
Strehlen bei Dresden durch Vermengen desselben mit etwa 2 Proc. Flußspath nach
vorherigem vollständigen Löschen dieses Kalkes in kochendem Wasser dargestellt
hatte. Ein solches
Ausscheiden von Kalkhydratkrystallen kann man auch bei anderen Cementen auf folgende
Art leicht nachweisen: Man füllt ein Becherglas etwa zur Hälfte mit Cementbrei,
steckt in diesen eine Anzahl Glasstäbchen und übergießt etwa 1 Zoll hoch mit Wasser.
Sobald das Cement erstarrt ist, zieht man die Glasstäbchen heraus und verschließt
das Becherglas luftdicht. Nach etwa 4 Wochen findet man die Wandungen der durch
Stäbchen gebildeten Röhren mit zahlreichen Rhomboedern von Kalkhydrat, etwa von
Sandkorngröße, bedeckt. An der Luft nehmen die Krystalle Kohlensäure auf, ohne Form
und Glanz zu verlieren, scheinen also gleichsam in Kalkspath überzugehen. Als
mitwirkende Ursache dieser Entstehung von krystallinischem Kalkhydrat sind die
allmählich frei werdenden Alkalien zu betrachten, weil sie das im Wasser gelöste
Kalkhydrat ausscheiden.Der Redacteur des chemischen Centralblattes, Dr.
W. Knop, bemerkt zu obiger Abhandlung:
„So viel mir bekannt ist, hat Winkler hiermit zuerst die Löslichkeit der aus Mineralien
austretenden Kieselsäure in Alkohol nachgewiesen. Ich will deßhalb
hierbei daran erinnern, daß ich (s. Centralblatt 1858, S. 397), als ich
Fluorkieselalkohol mit Harnstoff und Anilin ausgefällt hatte,
gleichfalls Kieselsäure in dem rückständigen Alkohol gelöst vorfand, die
sich auch beim Mischen dieser Lösung mit Aether nicht ausschied. Aus den
übrigen dabei stattfindenden Bedingungen schloß ich, es möge außer den
bekannten Ebelmen'schen Kieselsäureäthern
noch ein anderer Aether existiren, der Aethyloxyd, C₄H₅O,
Kieselsäure, SiO₃, und Wasser enthalten dürfte. Winkler schließt nun oben, daß die
Löslichkeit der Kieselsäure bei seinen Versuchen auf einer Aufnahme von
Alkohol an der Stelle des Hydratwassers jener Säure beruhe, und kommt
also unabhängig von meinen Versuchen zu ganz demselben
Schlusse.“