Titel: | Verbesserungen im Stahlschmelzen für große Gußstücke, und Verfahren zum Schmelzen des Stahls im Flammofen ohne Tiegel; als Mittheilung patentirt für Heinrich Johnson in London und Glasgow. |
Fundstelle: | Band 154, Jahrgang 1859, Nr. XXVI., S. 107 |
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XXVI.
Verbesserungen im Stahlschmelzen für große
Gußstücke, und Verfahren zum Schmelzen des Stahls im Flammofen ohne Tiegel; als
Mittheilung patentirt für Heinrich
Johnson in London und Glasgow.
Aus dem Repertory of Patent-Inventions, Septbr.
1859, S. 190.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Johnson's Verbesserungen im Stahlschmelzen für große
Gußstücke.
Diese Erfindung (patentirt in England am 31.
December 1858) bezieht sich auf neue Processe beim Stahlschmelzen,
wodurch man in den Stand
gesetzt wird, auf einmal sehr große gegossene Gegenstände darzustellen, z.B.
Geschütze von schwerem Kaliber; durch diese Erfindung werden auch die gewöhnlichen
kostspieligen Schmelztiegel entbehrlich, und überdieß wird eine große Ersparniß an
Brennmaterial erzielt. Die wesentlichen Punkte dieser Erfindung sind:
1) Die Anwendung von Flammöfen beim Stahlschmelzen, in welche die Materialien zur
Gußstahlerzeugung eingebracht und worin sie gegen die Einwirkung der Flamme und des
Rauches geschützt werden; dieses Schutzmittel besteht in einer auf dem Stahlmaterial
liegenden Schicht von neutraler oder basischer Schlacke, welche schon vorher oder
während des Processes geschmolzen wird. Die geeignetsten Schlacken hierzu sind die
bei Holzkohlen- oder auch bei Kohks-Hohöfen fallenden, welche entweder
allein oder in Verbindung mit anderen Materialien angewendet werden.
2) Ein neues Verfahren zur Gußstahlgewinnung, welcher erzeugt wird, indem man
Cementstahl oder auch Rohstahl (Schmelz- oder Puddelstahl) auf den Herd eines
Flammofens bringt und auf vorher angegebene Weise mit geschmolzenen Schlacken
bedeckt.
3) Die Anwendung eines Flammofens, dessen Herd von Unten her durch einen Canal
geheizt wird, so daß die Flamme frei unter dem Herde circuliren und ein
Brennmaterial von geringer Qualität benutzt werden kann.
4) Die Anwendung brennbarer Gase (von Hohöfen oder Gasgeneratoren) bei der Erzeugung
und dem Schmelzen des Stahls nach obigem Proceß.
5) Die Benutzung eines großen Behälters, welcher auf eine hohe Temperatur erhitzt
wird und zur Aufnahme des nach dem bisherigen Verfahren in den gewöhnlichen Tiegeln
geschmolzenen Gußstahls dient, wenn große Artikel gegossen werden sollen.
6) Die Anwendung von neutralen oder basischen Schlacken als schützende Schicht auf
der Oberfläche des Stahls während dessen Schmelzung im Flammofen, und insbesondere
die Benutzung der Hohofenschlacken vom Holzkohlen-, Steinkohlen- oder
Kohlsbetriebe; deßgleichen die Anwendung von Glasscherben, welche aber bleifrei seyn
müssen, endlich die Benutzung von neutralen oder basischen schmelzbaren Silicaten
erdiger Basen.
Wir wollen nun den zum Stahlschmelzen dienenden Flammofen beschreiben.
Fig. 20 ist
eine Seitenansicht dieses Ofens;
Fig. 21 ist
ein senkrechter Langendurchschnitt desselben, nach der Linie CD in Fig. 22;
Fig. 22 ist
ein horizontaler Durchschnitt desselben, nach der Linie AB in Fig. 21;
Fig. 23 ist
ein Querdurchschnitt nach der Linie EF in Fig. 22.
Das Zurückströmen der Flamme, um die untere Fläche der Herdsohle zu feuern, wird
durch einen weiten Canal a bewirkt, welcher mit dem
Feuerungsraum b durch den Fuchs c in Verbindung steht; letzterer befindet sich am hintern, dem Rost
entgegengesetzten Ende des Ofens, und vor ihm ist eine niedrige Brücke d angebracht. Der weite Canal a ist fast horizontal und so angeordnet, daß er den untersten Theil des
Herdes f erhitzt, welcher sich am leichtesten abkühlt.
Dieser Canal besteht an seinem obern Theil aus einem Bogen, welcher aus feuerfestem
Sandstein oder Ziegelsteinen der besten Sorte construirt ist. Ueber diesem Bogen
befindet sich die Herdsohle f und wird von dem Bogen
getragen. Der Canal a dehnt sich bis zu der Feuerbrücke
c aus, wo er in rechtwinkeliger Richtung mit dem
horizontalen Canal g verbunden ist, durch welchen die
Flamme entweicht. Dieser Canal g führt die Flamme sofort
zu dem Nebenofen Y, welcher rechtwinkelig auf dem
Flammofen X steht und die Muffel Z umschließt, welche den Zweck hat, das Material zur Stahlfabrication und
die Schlacken vorzuwärmen, sowie auch die Luft zu erhitzen, durch welche die
Verbrennung in dem Hauptofen bewirkt wird. Diese warme Luft wird dem Flammofen
entweder durch eine Anzahl von Formen in der Feuerbrücke oder durch eine Röhre n zugeführt, die in dem Aschenkasten p endigt, welcher zu dem Ende mit der Thür q verschlossen ist. Werden Windformen angewendet, so ist
der Herd des Ofens massiv hergestellt und hat eine geringe Neigung von der Feuerthür
ab niederwärts.
In der Mauer des Ofens, in derselben Front mit dem Schürloch, ist eine Oeffnung in
der Ebene des Herdes angebracht, durch welche die von dem Brennmaterial erzeugte
Schlacke ausfließen kann. Um das Schmelzen der Schlacke zu bewirken, wird eine ihrer
Zusammensetzung entsprechende Menge von Kalk oder Sand zugesetzt, es kann aber auch
als Zusatz Schlacke von dem Stahlschmelzproceß oder von Hohöfen angewendet werden.
Letztere Schlacke darf aber nur mit großer Vorsicht und in geringen Mengen
angewendet werden, um die Ofenwände nicht zu beschädigen. Es ist zweckmäßig die
Herdsohle von feuerfestem Sandstein herzustellen, welcher sorgfältig behauen ist und
dessen Fugen mit feuerfestem Thon verbunden werden; auch große Ziegelsteine, von dem
besten feuerfesten Thon, die in der höchsten Temperatur gebrannt worden sind, kann
man benutzen. Wird ein Canal unter dem Herde angewendet, wie die Abbildungen zeigen,
so muß eine Abstichöffnung vorgerichtet werden, um den Stahl zu sammeln, welcher bei
einer Beschädigung des Herdes entweicht.
Wie schon bemerkt, können diese Oefen sehr zweckmäßig mit Gasen gefeuert werden,
welche entweder einem Hohofen entzogen oder in besonderen Generatoren mittelst
wohlfeiler Brennmaterialien erzeugt werden. Die zum Verbrennen der Gase
erforderlichen Einrichtungen brauchen wir als bekannt nicht zu beschreiben. Wenn man
bei Benutzung dieser Gase heiße Gebläseluft und einen geeigneten Apparat zum
Vermischen der Gasströme mit der Luft anwendet, so kann man stets eine hinreichend
hohe Temperatur erhalten, um auch den strengflüssigsten Stahl zu schmelzen.
In einigen Fällen, wenn besondere Stahlsorten erforderlich sind, dürfte es zweckmäßig
seyn das Schmelzen des Stahls in Tiegeln auf gewöhnliche Weise vorzunehmen; wenn
aber große Gegenstände aus Stahl gegossen werden sollen, wobei die Formen nach und
nach aus den einzelnen Tiegeln gefüllt werden müssen, so hat dieses Verfahren den
Nachtheil, daß sehr leicht Schlacken mit in die Form kommen und in der Stahlmasse
zurückbleiben. Dieses nach einander vorgenommene Eingießen kleiner Stahlmengen
veranlaßt auch häufig Blasen, wodurch die Gleichartigkeit der Güsse sehr
beeinträchtigt wird. Indem man nun als Zwischenmittel den Flammofen mit der
schützenden Schlackenschicht anwendet, kann man diesen Nachtheilen abhelfen. Bei
Ausführung dieses Theils der Erfindung wird der Flammofen einige Zeit vor dem
Ausgießen der Tiegel auf eine hohe Temperatur gefeuert und der Herd mit einer einige
Zoll starken Schicht von geschmolzenen Schlacken bedeckt. Dann stellt man in dem
Gewölbe des Ofens über dem tiefsten Theil des Herdes eine Oeffnung her, durch welche
man den in den Tiegeln geschmolzenen Stahl nach und nach auf den Herd ausgießt,
entweder direct oder besser vermittelst Röhren aus feuerfestem Thon; in letzterm
Falle bleibt das Metall während des Eingießens in den Ofen gegen die Einwirkung der
Flamme geschützt. Sobald der geschmolzene Stahl den Herd erreicht hat, sinkt er
durch die Schlackenschicht auf den Boden desselben, wo er sich anhäuft. Das
geschmolzene Metall muß gut umgerührt werden, um es gleichartig zu machen;
allenfallsige Schlacken aus den Tiegeln sammeln sich auf der Oberfläche. Nachdem man
die Formen in die Nähe des Ofens gebracht hat, öffnet man die Abstichöffnung und
läßt den Stahl in einer Operation direct in die Formen laufen. Auf diese Weise
erhält man vollkommen gesunde Güsse.
Die Idee, einen vorher erhitzten Zwischenbehälter für große Stahlgüsse anzuwenden,
kann auch auf die Art ausgeführt werden, daß man einen großen Tiegel benutzt,
welcher äußerlich erhitzt wird und an seinem untern Theil mit einer Abstichöffnung
und einem Canal versehen ist. Dieser Tiegel wird in einen cylindrischen oder
conischen Raum gebracht, welcher mit Steinkohlen oder Kohks gefeuert wird und durch einen beweglichen
Deckel verschlossen werden kann. Um die Oberfläche des Stahls in dem Tiegel zu
schützen, muß eine Quantität Schlacken hineingebracht und darin geschmolzen werden.
Der vorher in kleineren Tiegeln geschmolzene Stahl wird durch eine über dem großen
Sammeltiegel angebrachte Oeffnung in letztern gegossen, und nachdem derselbe gefüllt
ist, der Stahl gehörig umgerührt und durch die Abstichöffnung in die Form
abgelassen. Der durch den Bessemer'schen Proceß
dargestellte Stahl kann sehr vortheilhaft diesem Schmelzverfahren unterworfen
werden, wenn man ihm dabei eine gewisse Menge von reichem Eisenerz zuschlagt.