Titel: | Neue Methode, den Zucker in den Rüben etc. zu bestimmen; von Dr. Grouven. |
Fundstelle: | Band 154, Jahrgang 1859, Nr. LXVI., S. 304 |
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LXVI.
Neue Methode, den Zucker in den Rüben etc. zu
bestimmen; von Dr. Grouven.
Aus Stöckhardt's chemischem Ackersmann, 1859, Nr.
3.
Grouven's neue Methode, den Zucker in den Rüben etc. zu
bestimmen.
Es sind bis jetzt vier Verfahren in Gebrauch, um den Zucker in Rüben oder in
zuckerhaltigen Pflanzensäften zu bestimmen. Die von den Chemikern am meisten befolgte
Methode beginnt damit, die Rüben in Scheiben zu zerschneiden, um diese in einem bis
auf 70º C. erhitzten Luftstrome völlig auszutrocknen. Die getrockneten
Scheiben werden dann zu einem gröblichen Pulver zerstoßen und in passenden Apparaten
mit Alkohol von 80 bis 85 Proc. so lange extrahirt, als der Alkohol noch
Bemerkenswerthes löst. Das Extract wird eingedampft, bei 110º C. getrocknet
und als Zucker gewogen. – An dieser Methode ist zu tadeln: 1) das langwierige
Trocknen; 2) das noch länger dauernde Extrahiren der Rüben; 3) daß bei noch so lange
fortgesetztem Behandeln des Rübenpulvers mit frischen Portionen Alkohol eine
vollständige Erschöpfung kaum zu erreichen ist; aus dem vermeintlich erschöpften
Rübenpulver löst der Alkohol noch immer kleine Mengen organischer Substanz auf; 4)
daß der Alkohol außer Zucker und Fett auch noch andere Rübenbestandtheile auflöst
und daher den Zuckergehalt zu hoch angibt. Dieß ist zu erkennen, wenn man das
eingedampfte alkoholische Extract mit Wasser aufnimmt und diese Lösung mit
Bleioxydlösung versetzt, wodurch ein schwerer Niederschlag von organischen
Bleioxydsalzen entsteht. Durch Benutzung eines stärkeren Alkohols von 88–90
Proc. verringert sich zwar dieser Niederschlag, aber die vollständige Extraction
wird in dem Maaße auch langwieriger.
Die zweite Methode geht dahin, den Zucker im Safte der Rüben zu bestimmen, indem man
annimmt, daß 100 Pfd. Rüben 96 Pfd. Saft enthalten. Ungefähr 30 Grm. dieses durch
Zerreiben und Pressen der Rüben erhaltenen Saftes werden mit einem Ueberschüsse von
basisch-essigsaurem Bleioxyd gekocht und nach Abscheidung des Niederschlages
die Lösung mit Schwefelwasserstoffgas zur Entfernung ihres Bleiüberschusses
behandelt. Nachdem nun durch Kochen der vom Schwefelblei getrennten Lösung unter
Zusatz einiger Tropfen Schwefelsäure das Schwefelwasserstoffgas ganz entfernt und
der Rohrzucker in Traubenzucker übergegangen ist, wird die Lösung durch eine Schicht
Knochenkohle filtrirt, welche mindestens 6 Zoll stark seyn muß, um ihr jene
Farblosigkeit zu geben, die sie bei der schließlich erfolgenden Titrirung mit einer
bestimmten Kupferoxydkali-Lösung besitzen muß. Abgesehen davon, daß diese
Methode viel Arbeit erheischt, so will sie auch, um beruhigende Resultate zu
gewähren, mit einer Umsicht und Sorgfalt ausgeführt seyn, die von einem Ungeübten
gewiß nicht zu erwarten ist.
Die dritte Methode stützt sich auf die Eigenschaft des Zuckers, in Berührung mit
Bierhefe, bei einer Temperatur von 20–30º C. sich in Kohlensäure und
Alkohol zu spalten. Für je 49 Theile Kohlensäure, welche ein Saft dann entwickelt,
enthält er 100 Theile Zucker. Es kommt also darauf an, das entweichende
Kohlensäuregas dem Gewichte nach zu bestimmen, wozu eine feine und zugleich starke Waage
nothwendig ist. Das Mißliche bei dieser Methode, die sonst leicht ausführbar,
besteht darin, daß man kein entscheidendes Kriterium für den Moment der gerade
beendigten Gährung des Saftes hat, und daher die Gährung entweder zu früh
unterbricht, oder sie controlirt, nachdem sie längst beendigt und die alkoholische
Maische in anderweitige Zersetzung übergegangen ist. Je nach der Temperatur, in
welcher man den zu prüfenden Zuckersaft gähren läßt, und je nach der Menge der
zugesetzten Bierhefe und der Concentration der ganzen Gährflüssigkeit dauert die
Gährung 4–8 Tage. Ein Resultat kann also bei günstigster Ausführung nicht
rasch erlangt werden. – Diese und ähnliche Methoden, welche wegen ihrer
Einfachheit den Interessenten so häufig empfohlen werden, sind es aber, welche, wenn
nicht in der Hand des umsichtigen Chemikers, am ehesten zu ganz falschen Resultaten
hinführen.
Die vierte Methode erfolgt mittelst des Biot'schen
Polarimeters, wobei man den mit Bleioxydlösung gereinigten und geklärten Rübensaft
zwischen zwei Nicol'sche Prismen stellt und aus der zu
beobachtenden Stärke, womit dann der Saft einen durchfallenden Lichtstrahl
polarisirt, auf dessen Gehalt an krystallisirbarem Zucker nach bestimmten Scalen
schließen kann. Die Genauigkeit und rasche Vollführung hat diese Bestimmungsmethode
besonders in Zuckerfabriken eingebürgert; unter andern Umständen aber dürfte sie
wegen der Kostspieligkeit des Polarimeters nur wenig in Gebrauch gelangen.
Die bei obigen drei ersten Methoden angedeuteten Inconvenienzen bewogen mich, nach
mehrfachen vergleichenden Versuchen davon abzusehen und anstatt derselben ein
Verfahren ins Auge zu fassen, welches sich auf das Verhalten des Rohrzuckers zu
Kalkhydrat gründet und bereits von Schatten als Grundlage
einer einfachen Zuckerbestimmungsmethode hingestellt worden ist. Die von Schatten gegebenen Vorschriften dürften indessen nicht
genügend gewesen seyn, indem die von ihm vorgeschlagene Zuckerbestimmung nicht in
allgemeineren Gebrauch gekommen ist. Und doch möchten die Resultate meines näheren
Eingehens auf diese Methode die allgemeine Brauchbarkeit derselben zu erreichen
geeignet seyn.
Zum Detail der Ausführung übergehend, muß ich vorausschicken, daß der Rohrzucker dem
Kalkhydrat gegenüber sich wie eine Säure verhält und sich in bestimmten
Gewichtsverhältnissen mit ihm zu einer in Wasser leicht löslichen Verbindung
vereint.
Je 45 Theile Rohrzucker binden hiebei genau 7 Theile Calciumoxyd oder Kalk. Da nun
der Kalk sich maaßanalytisch mit Schärfe und Leichtigkeit bestimmen läßt, so könnte man
aus der Menge des Kalkes den Rohrzuckergehalt einer Lösung ebenfalls genau
berechnen.
Digerirt man aber einen zuckerhaltigen Saft mit einem Ueberschüsse von Kalkhydrat und
trennt den ungelösten Kalk sammt den unlöslichen organischen Kalkverbindungen von
der Lösung, so enthält letztere nicht bloß eine ihrem wirklichen Zuckergehalte
entsprechende Kalkmenge, sondern dazu noch diejenige kleine Kalkmenge, welche das
Wasser an sich schon auflöst. Diese ist, da 750 Grm. Wasser 1 Grm. Kalk bei
15º C. auflösen, schon zu beträchtlich, um übersehen werden zu dürfen. Bringt
man zum Beispiel x Grm. Rohrzucker in ein
Zuckerkalkvolum von 75 K. C., so wären darin 7x/45 +
1/10 Grm. Kalk aufgelöst. Bringe ich 3,6 Grm. Rohrzucker, welche in 25 K. C.
Rübensaft durchschnittlich enthalten sind, in ein 7 Zuckerkalkvolum von 75 K. C., so
sind darin 7/45 . 3,6 + 1/10 = 0,66 Grm. Kalk aufgelöst, was bei der Methode, unter
Anwendung dieser Masse, so viel heißt, als daß für je 7 Theile aufgefundenen Kalk
38,2 Theile Rohrzucker in Anrechnung zu bringen seyen.
Zur Prüfung dieses Verhältnisses benutzte ich eine reine Melislösung, deren
Zuckergehalt durch Eindampfen und Trocknen des Rückstandes bei
100–110º C. genau bestimmt wurde und per
25 K. C. ungefähr 3,6 Grm. betrug. 25 K. C. dieser Lösung versetzte man in einem
enghalsigen Glaskölbchen mit 50 K. C. Normalkalkmilch,
ließ das Gemisch 1/2 Stunde unter paarmaligem Umrütteln stehen und filtrirte es in
einem bedeckten Trichter. Die zuerst ablaufenden 25 K. C. wurden genommen und mit
Normalschwefelsäure auf ihren Kalkgehalt titrirt. So
fand ich bei vielfach wiederholten Versuchen, daß auf 7 Theile in Lösung
befindlichen Kalk 38 Theile Zucker zu rechnen sind.
Bei diesem Resultate bleibt noch immer die Vermuthung statthaft, daß eine
Zuckerlösung kein so großes Lösungsvermögen für Kalkhydrat besitze als reines
Wasser, denn der dadurch etwa bedingte geringere Kalkgehalt der Lösung scheint beim
Versuche sich ganz ausgeglichen zu haben gegen eine kleine Volumstörung, welche die
benutzten 75 K. C. Flüssigkeit dadurch erleiden, daß in ihnen noch überschüssiges
Kalkhydrat verbleibt. Man hat daher auf das Volum und die Consistenz der
zuzusetzenden Kalkmilch nach Vorschrift wohl zu achten, sonst kann jenes
Zahlenverhältniß nicht als richtig garantirt werden.
Anfangs glaubte ich die Zuckerlösung mit Kalkhydrat kochend digeriren zu müssen, aber
die bezüglichen Versuche mit reinen Melislösungen sowohl wie mit Rübensaft ließen
mich davon abgehen, einestheils weil das Kochen solcher Flüssigkeiten zu
umständlichen Correctionen wegen des dabei verdunstenden Wassers nöthigt,
anderntheils, weil das Kochen des Rübensaftes mit Kalkhydrat gar nicht nothwendig
ist, indem schon bei gewöhnlicher Temperatur der Zucker mit dem Kalk sich rasch und
vollkommen verbindet. Nach dem Kochen finde ich sogar, daß die Lösung erheblich
weniger Kalk enthält als die bei kalter Digestion bereitete. Eine Erklärung hiefür
liegt überhaupt darin, daß kochendes Wasser kaum halb so viel Kalkhydrat auflöst als
kaltes. Ein in der Kälte mit Kalkhydrat gesättigter und geklärter Rübensaft trübt
sich beim Kochen stark durch niederfallendes Kalkhydrat.
Nun sind zur Ausführung dieser Zuckerbestimmung
nothwendig:
1. Normalkalkmilch. Man bereitet sich selbige für einige
50 Zuckerbestimmungen, indem man 1/2 Pfund gebrannten Marmor in einem großen Glase
mit der 3 fachen Wassermenge löscht und 2 Stunden lang ruhig stehen läßt. Man
schüttelt und rührt dann das Ganze gut durcheinander, worauf es wieder 5 Minuten
stehen bleibt, damit die grobkörnigen ungelöschten Kalktheilchen sich sämmtlich zu
Boden senken können. Die überstehende feine Kalkmilch gießt man vorsichtig in eine
Flasche, welche 2 bis 3 Pfd. Flüssigkeit faßt und einen gut schließenden Glasstöpsel
hat. Den gröberen Rückstand im Glase rührt man noch ein paarmal mit Wasser, so daß
dessen feinste Theilchen noch abgetrennt werden können. Die Kalkmilch läßt man nun
zwei Tage lang in der Flasche ruhig stehen; sie hat dann einen 2–3 Zoll hohen
Bodensatz gebildet und sich vollständig geklärt. Nun wird in die Flasche so viel
Wasser nachgegossen, bis das Volum des Kalkniederschlages zum Volum des
überstehenden Wassers sich verhält wie 1 : 3–4.
Um bei Analysen eine stets gleich consistente Kalkmilch zu haben, hat man vorher bloß
den ganzen Inhalt der Flasche heftig durch einander zu rütteln und davon mittelst
einer 50 K. C. fassenden Pipette das bedürftige Volum Kalkmilch aufzusaugen.
2. Normalschwefelsäure. Reine englische Schwefelsäure von
1,84 spec. Gewicht und 80 Proc. wasserfreier Säure mischt man mit destillirtem
Wasser in dem Gewichtsverhältnisse von 10 : 617. Alsdann sättigt ein Kubikcentimeter
dieser Säure genau 0,009 Grm. Kalk.
Wenn nun die zu untersuchenden Rüben gewaschen, gereinigt und abgetrocknet sind, dann
werden sie halbirt und die eine Hälfte gleichmäßig auf einer einfachen Handreibe von
Blech zerrieben. Das Reibsel ist in einem leinenen Tuche mit der bloßen Hand leicht
so weit auszupressen, daß man 1/2 Pfund klaren Saft bekommt. Davon werden 25 K. C.
mittelst einer Pipette aufgesogen und in ein kleines enghalsiges Glaskölbchen geschüttet, wozu dann
sofort 50 K. C. Normalkalkmilch gegeben werden. Unter paarmaligem leichtem
Umschwenken läßt man das Fläschchen 1/2 Stunde lang stehen, rüttelt schließlich
nochmals dessen Inhalt durch einander und filtrirt ihn durch leichtes Papier in
einem bedeckten Trichter. Die zuerst ablaufenden 25 K. C. werden weggenommen, mit
etwas Wasser verdünnt, mit Lackmustinctur gebläut und dann mit Normalschwefelsäure
aus einer 1/10 K. C. anzeigenden Mohr'schen Bürette
titrirt. Der Moment der Sättigung des Kalkes durch die Schwefelsäure ist sehr scharf
bestimmt, indem der Uebergang der blauen Flüssigkeit zur rothen ein plötzlicher ist.
Multiplicirt man jetzt die Anzahl der verbrauchten K. C. Säure mit 0,527,Bei Berechnung dieses Factors wurde angenommen, daß die Rübe 96 Proc. Saft
enthalte und daß 25 K. C. dieses Saftes durchschnittlich wiegen 26,7
Grm.Falls man das specifische Gewicht des Rübensaftes besonders bestimmt, wie ich
es gethan, dann erhält man ein genaueres Resultat durch den Factor 0,568/a, wo a das
specifische Gewicht des Saftes bedeutet.Will man bloß den Zuckergehalt des Saftes und nicht den der Rübe wissen, so
gilt der Factor 0,568/a. so bekommt man ohne Weiteres die Gewichtsprocentzahl des Zuckers in der
untersuchten Rübe.
Zu diesem ganzen Verfahren ist nur wenig Zeit erforderlich. So bestimmte ich in der
dießjährigen Generalversammlung des landwirtschaftlichen Vereins Cöln den Zuckergehalt eines dicken Rübenexemplars,
welches mir daselbst vorgelegt wurde, zu 12,2 Proc. in weniger als einer halben
Stunde. Mit Hülfe eines Polarimeters würde man das nicht rascher fertig gebracht
haben.
Was besonders dieß Verfahren empfehlenswerth macht, das ist die große Sicherheit, mit
der jeder, selbst wenig in chemischen Arbeiten Geübte ihm folgen kann. Es enthält
keine von denjenigen Operationen, welche bei weniger umsichtiger Ausführung so
leicht zu Fehlerquellen werden. Hinsichtlich seiner Genauigkeit glaube ich genügend
überzeugt zu seyn, daß es mit den drei oben beschriebenen Verfahren concurriren
kann, welche, abgesehen von dem mißlichen Gefühle der Unsicherheit, das sie in einem
zurücklassen, selbst bei guter Ausführung die Richtigkeit ihrer Resultate kaum bis
auf 1/4 Proc. Zucker wissenschaftlich verbürgen können.
Zur Controle dieses Verfahrens hatte ich den Zuckergehalt meiner Rüben gleichzeitig
nach der Gährmethode bestimmt, muß aber gestehen, daß letztere mir durchweg keine so
vertrauenerweckenden Zahlen gegeben, als jene Kalkmethode, deren ganze Ausführung
man vollkommen in der
Hand behält, und deren Fehlergränzen unter den gegebenen Versuchsvorschriften bloß
in dem als richtig angenommenen Verbindungsverhältnisse zwischen Zucker und Kalk (38
: 7) liegen können.