Titel: | Die Fabrication der Mosaikteppiche; von Prof. E. H. Schmidt in Stuttgart. |
Fundstelle: | Band 154, Jahrgang 1859, Nr. LXXVII., S. 358 |
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LXXVII.
Die Fabrication der Mosaikteppiche; von Prof.
E. H. Schmidt in
Stuttgart.
Aus dem württembergischen Gewerbeblatt, 1859, Nr.
38.
Schmidt, über die Fabrication der Mosaikteppiche.
Das Verfahren zur Herstellung der Wollmosaikteppiche (in England unter dem Namen Tunbridge-ware bekannt) ist nach einer im Art Journal 1859 S.
181 gegebenen, sehr ausführlichen Darstellung Folgendes.
Nachdem die Zeichnung des anzufertigenden Musters in der für die Ausführung
angenommenen Größe mit allen Farbennüancen hergestellt ist, wird dieselbe mittelst
eines Netzes von Linien in Quadrate von 12'' Seitenlänge abgetheilt. Die in jeder
dieser Abtheilungen enthaltene Zeichnung wird dann, wie jedes andere Webemuster, auf
Patronenpapier übertragen und diese Copien werden dann bei der Fabrication benützt.
Zunächst gehen sie in die Hände einer Arbeiterin über, deren Beschäftigung darin
besteht, Garne von den erforderlichen Farben, deren oft mehr als 100 vorkommen,
auszuwählen, die als passend anerkannten Garnpartien zu numeriren und ein
correspondirendes System von Nummern an den betreffenden Stellen der Patrone
einzuschreiben. Die ausgewählten Garne werden nebst der Patrone einer andern
Arbeiterin, der sogenannten Rahmarbeiterin, übergeben, welche durch drei ihr
untergebene Kinder die Anordnung der Fäden ausführen läßt.
Der hiebei zur Anwendung kommende Rahmen besteht aus drei, in Zwischenräumen von
100'' aufgestellten starken gußeisenen Ständern, welche mittelst gußeisernen Röhren
so verbunden sind, daß den Zugkräften, welche die Ständer einander zu nähern suchen,
ein hinreichender Widerstand entgegengesetzt wird. Die obere Partie der beiden
äußeren, um 200'' von einander entfernten Ständer ist auf angemessene Weise zur
Aufnahme der Wollfäden eingerichtet. Vor dem vordern Ständer sitzt die oben erwähnte Rahmarbeiterin
und hat vor sich die Patrone nebst den ausgewählten Garnpartien; sie übergibt den
Kindern die Fäden in der erforderlichen Reihenfolge und diese befestigen dieselben
in Reihen, welche mit den Linien der Patrone correspondiren, an den inneren einander
zugekehrten Seiten der Endständer, indem sie die Fadenenden um dünne, etwa 1/2''
lange Drahthäkchen schlingen. Auf diese Weise werden 50,000 Fäden ausgespannt, und
dabei ist die Anordnung so getroffen, daß sämmtliche Fäden schließlich ein Prisma
bilden, dessen Grundfläche ein Quadrat von 12'' Seite darstellt, während die Länge
natürlich mit der Entfernung der Endständer übereinstimmt, also 200'' beträgt.
Dieses Prisma wird, um Verschiebungen zu verhindern, an gewissen Stellen gebunden,
und hierauf mittelst scharfer Messer in zehn gleiche Theile, sogenannte Blöcke (blocks), geschnitten, so daß jeder Block eine Höhe von
20'' erhält.
Angenommen, die anzufertigenden Teppiche sollen 3' Breite und 5' Länge erhalten, so
werden, falls keine Wiederholungen im Muster vorkommen, 45 Blöcke von ebenso viel
Rahmen, im Ganzen mit 15 . 50,000 = 750,000 Fäden, in einen Kasten, dessen
Dimensionen mit den Dimensionen des Teppichs übereinstimmen, so placirt, daß ein
Blick auf die Schnittflächen, also auf die Fadenenden, den Anblick des Musters
darbietet. Diese mit Rädern versehenen Kästen werden in die Trockenkammer
transportirt, um aus dem Garne alle Feuchtigkeit zu entfernen, und bleiben hier bis
zur Zeit ihrer weiteren Verwendung. Die freiliegende Schnittfläche der Blöcke wird
hierauf mit größter Sorgfalt mit einer Kautschuklösung überzogen, wieder in die
Trockenkammer transportirt und nach dem Trocknen noch mit einem zweiten und dritten
Ueberzug versehen. Ist diese Operation vollendet, so wird derjenige Webstoff, auf
welchem das Mosaikbild befestigt werden soll, welcher gleichsam den Boden desselben
bilden soll (in den meisten Fällen eine Art grober Kanevas oder englisches Leder,
seltener ein auf gewöhnliche Weise gewebter Teppich) ebenfalls mit Kautschuklösung
bestrichen, gleichzeitig wird auch das Bestreichen der Fadenschnittfläche nochmals
wiederholt und nun wird der Webstoff durch entsprechende Manipulationen, welche
vorzugsweise die Entfernung aller Luftblasen zum Zwecke haben, mit der Schnittfläche
möglichst innig verbunden.
Nach dem Trocknen erfolgt das Abscheren des Teppichs. Dieß wird ausgeführt mittelst
eines kreisförmigen Messers, d.h. einer mit schneidigem Rande versehenen und mit
sehr großer Umfangsgeschwindigkeit sich drehenden Stahlscheibe. Im vorliegenden
Falle hat die mit einer senkrechten Achse versehene Scheibe circa 12' Durchmesser und macht 170 Umdrehungen per Minute. Das in dem Kasten noch befindliche Fadenprisma wird nun durch Emporschrauben
des Bodens in die erforderliche Stellung gegen die oberen Kastenränder gebracht und
hierauf mittelst eines anderen Schraubenmechanismus auf einer Schienenbahn gegen die
Schneidescheibe geführt, wo die über die Kanten des Kastens hervorragende Partie des
Prisma's sehr scharf und rein abgeschnitten wird. Sobald die Teppichfläche auf
einige Zoll abgetrennt ist, wird dieselbe durch Klammern erfaßt und mit angemessener
Geschwindigkeit auf eine Walze gewunden. Der im Kasten zurückbleibende Theil wird
von Neuem mit Kautschuk überzogen, mit Webstoff verbunden, endlich abgetrennt u.s.f.
Nimmt man die Höhe der das Mosaikbild darstellenden Fäden zu 3/16 Zoll, so können
aus jedem Block gegen 100, aus den vorhandenen 10 Blöcken sonach gegen 1000 Teppiche
geschnitten werden.