Titel: | Kipp's Dampfmaschine. |
Fundstelle: | Band 207, Jahrgang 1873, Nr. I., S. 1 |
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I.
Kipp's
Dampfmaschine.
Aus dem Journal of the
Franklin Institute, November 1872, S. 291.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Kipp's Dampfmaschine.
Diese Dampfmaschine, von welcher wir in Fig. 1 eine
perspectivische Abbildung, in Fig. 2 einen
Verticaldurchschnitt rechtwinkelig zur Drehungsachse, und in Fig. 3 einen
Verticaldurchschnitt längs der Drehungsachse geben, zieht gegenwärtig in Amerika die
öffentliche Aufmerksamkeit durch ihre höchst eigenthümliche und sinnreiche
Construction in hohem Grade auf sich. Ihrem äußeren Ansehen nach scheint sie der
Gattung der rotirenden Dampfmaschinen anzugehören, ist jedoch in der Wirklichkeit
eine Cylinder- und Kolbenmaschine, nur von neuer Construction.
Die Maschine besitzt, wie sich aus der Betrachtung der Durchschnitte ergibt, zwei
rechtwinkelig mit einander verbundene Cylinder, welche in der Mitte getheilt sind,
so daß sie vier wirksame Cylinder bilden; ihre Kolben sind durch doppelte Stangen
miteinander verbunden. A ist das Einströmungsrohr, durch
welches der Dampf in den centralen Raum B gelangt und
seinen Druck gleichmäßig nach allen Richtungen ausübt. Dieser Dampfraum, welcher
seine Gestalt und Lage bezüglich des Rotationscentrums C
beständig ändert, dient zunächst nur als Kammer zur Aufnahme des Dampfes, welcher
successiv auf die äußeren Seiten der Kolben D zu wirken
die Bestimmung hat. Letztere sind durch die Stangen E
paarweise mit einander verbunden, und jedes Paar arbeitet in zwei getrennten
Cylindern. Die Achsen der beiden Cylinderpaare schneiden einander rechtwinkelig,
wodurch der todte Punkt beseitigt wird.
Das auf der rechten Seite oberhalb Fig. 3 im Grundrisse
dargestellte stationäre Ventil F dient zur Regulirung
des Dampfzuflusses. G (Fig. 3) zeigt, gleichfalls
im Grundrisse, die über die Fläche dieses Ventiles gleitenden Dampfcanäle. H ist das Ausströmungsrohr, welches mit dem im Piedestal
der Maschine angebrachten Speisewasserheizer I
communicirt und zugleich als Pfeiler oder Träger der Maschine dient. Die Kraft wirkt auf den
Mittelpunkt der Kurbel J, und zwar in der durch die
Pfeilspitze am Ende der punktirten Horizontallinie in Fig. 2 angedeuteten
Richtung; die Rotation des äußeren mit Holz bekleideten Cylinders erfolgt daher in
der Richtung des krummen Pfeiles.
Der Mittelpunkt der Thätigkeit der Kolben ist der Kurbelzapfen J. Da die beiden Mittelpunkte J und C in Bezug auf einander excentrisch sind, so bildet jede
in der Linie des einen angebrachte Kraft einen Winkel mit der Linie des anderen. In
Fig. 2
befindet sich der Kolben rechter Hand in dieser Stellung, welche in der That
bezüglich der Kurbellinie dem Maximalwinkel entspricht. Da jedoch der Kurbelzapfen
fest und die Kurbelwelle beweglich ist, so ist die Wirkungsweise dieser Maschine die
entgegengesetzte der gewöhnlich adoptirten, d.h. der Cylinder statt des Kolbens ist
mit den beweglichen Theilen verbunden. (?)
Da bei der in Rede stehenden Form der Maschine der Dampfdruck gegen den Kolben und
den Cylinderkopf der nämliche ist, so findet dadurch daß der Cylinder statt des
Kolbens sich frei bewegen kann, kein Kraftverlust statt, dagegen im Vergleich mit
gewöhnlichen Kolbenmaschinen ein positiver Gewinn bezüglich der Compactheit und
bequemen Form der Maschine. Die Cylinder sind rechtwinkelig zu einander in einem Stück gegossen, und ihre Achsen liegen in einer Ebene. Durch den einen ihrer hohlen Zapfen geht die
Kurbelwelle, während der andere den Dampf ableitet und die Speisepumpe treibt. Das
mit einem Holzmantel umgebene Gehäuse dient als Treibrolle. Die Kolben sind mit der
gewöhnlichen Ringpackung ausgestattet und die Verbindungsstangen so construirt, daß
jede von dem Gelenkbolzen aufgenommene Bewegung zugleich auf den Kurbelzapfen
übertragen wird.. Das Ventil, welches zur Gattung der Schieberventile gehört,
überdeckt die Canäle der kreisrunden Gleitfläche; dasselbe ist in einem Stück gegossen und wird durch den Kurbelzapfen
stationär gehalten (?); handelt es sich aber um eine rückgängige Bewegung, so gibt
man ihm mit Hülfe eines Außen angebrachten Hebels eine halbe Drehung, und ändert auf
diese Weise die Bewegung.
Die Kurbelachse ist an ihrem äußeren Ende festgekeilt und mit dem Ventile stationär,
wenn die Maschine im Gang ist. Beide Kolben sind mit einer und derselben Kurbel
verbunden, indem die Schubstangen des einen Kolbens zwischen denen des anderen
hindurchgehen. Ein todter Punkt ist nicht vorhanden, und die Maschine kann von jeder
Stellung aus in Gang gesetzt werden.
Da die beiden Seiten des Kolbens gleich groß sind, so wirkt der Dampf beständig auf
die volle Fläche, so daß für den Querschnitt der Kolbenstange nichts abzuziehen ist.
Das Ventil ist so construirt, daß es den Dampf an jeder beliebigen Stelle abschneidet, so daß
man diesen in expansivem Sinne wirken lassen kann. Ein Schwungrad ist nur bei
veränderlichem Arbeitswiderstande nöthig.
Die Maschine bedarf keiner besonderen Fundamentirung, kann leicht und rasch
aufgestellt werden, nimmt wenig Raum ein, und steht hinsichtlich der Dauerhaftigkeit
und Oekonomie den besten Maschinen mit hin- und hergehender Bewegung nicht
nach.