Titel: | Die Sicherheitslampe von Plimsoll. |
Fundstelle: | Band 207, Jahrgang 1873, Nr. IX., S. 26 |
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IX.
Die Sicherheitslampe von Plimsoll.
Ueber Plimsoll's Sicherheitslampe.
Das dringende Bedürfniß, dem Steinkohlen-Bergmann Schutz zu gewähren gegen
einen ihn stets bedrohenden unsichtbaren, meistentheils unerwartet und plötzlich
über ihn hereinbrechenden bösen Feind, die schlagenden Wetter, oder in einem
gewissen Verhältniß mit atmosphärischer Luft vermischte Kohlenwasserstoffgase, die
sich an dem offenen Grubenlichte entzünden, explodiren und sowohl hierbei, als auch
durch die zurückbleibenden irrespirablen Gase Gesundheit und Leben gefährden, hält
das Bestreben stets rege, eine Lampe herzustellen, welche die Anwesenheit
schlagender Wetter in ihrer Umgebung anzeigt, ohne sie zu entzünden und ohne in
ihrem Lichteffect beeinträchtigt zu werden. Die im Verlauf der Zeit zu diesem Zweck
ersonnenen Vorrichtungen, insbesondere die Sicherheitslampen von Davy, Müseler, Dubrulle, Stephenson etc., bei welchen die Lichtflamme
durch einen über derselben angebrachten hohlen Cylinder von Metallgaze verhindert
wird, unmittelbar mit den sie umgebenden Wettern der Grubenbaue in Verbindung zu
treten und dieselben zu entzünden, haben neben diesen: großen Vortheile auch manche
Nachtheile in ihrer Benutzung und geben durch letztere dem Bergmanne Veranlassung,
theils im angeborenen Leichtsinn, theils im Bestreben, sich durch eine bessere
Beleuchtung die Arbeit zu erleichtern, die Lichtflamme, selbst da wo der Gebrauch
eines freien Grubenlichtes gefahrbringend und jener der Sicherheitslampe geboten
ist, von der schützenden Hülle zu befreien, unbekümmert um die schweren Folgen einer
so frevelhaften Handlung. Es werden daher fortwährend vorzugsweise in England, aber
auch in anderen Steinkohlen-Revieren neue Constructionen für
Sicherheitslampen in Vorschlag gebracht, welche dahin zielen, bei einfacher
Behandlung und leichter Handhabung der Lampe, die Anwesenheit schlagender Wetter an
den Arbeitspunkten anzuzeigen, ohne dieselben zu entzünden und zur Explosion zu
bringen, den Lichteffect so wenig als möglich zu beeinträchtigen und es dem Bergmann
unthunlich zu machen, die Lichtflamme nach Willkür und unbemerkt freizustellen und
dadurch den schlagenden Wettern freien unmittelbaren Zutritt zu dem Lichte zu
gestatten.
Kürzlich ist in England wieder über eine solche Lampe berichtet worden, deren
Construction ihr Erfinder, Henry D. Plimsoll, als neu bezeichnet. Wir entnehmen der Zeitschrift
„The Mining Magazine and
Review“ die nachfolgende Mittheilung über diese Lampe.
„Henry D. Plimsoll hat zur Verwirklichung des
heißen Wunsches des Steinkohlen-Bergmannes, der Herstellung einer unter
allen Umständen und Verhältnissen zuverlässigen Sicherheitslampe, einen großen
Schritt gethan, und wenn auch der eine oder der andere Theil der von ihm
angegebenen Construction einer solchen Lampe noch einer Verbesserung fähig ist,
so hat er doch den richtigen Grundsatz, auf welchem die Construction einer ihrem
Zweck entsprechenden Sicherheitslampe beruhen muß, erkannt und befolgt. Seine
Lampe gibt besseres Licht als irgend eine der älteren Sicherheitslampen und
gewährt zugleich einen solchen Schutz gegen schlagende Wetter, daß die dadurch
erlangte Sicherheit als vollkommen betrachtet werden kann, weil eine Explosion
der Gase innerhalb der Lampe einer solchen außerhalb derselben vorhergehen muß,
dadurch aber das Licht ausgelöscht wird, bevor die letztere erfolgen kann. Durch
den oberen Theil der Lampe können keine Wetter oder Gase eindringen, ohne mit
der Flamme in Berührung zu kommen. Bei guten Wettern ist das Licht der Lampe
hell, verliert aber bei schlechten Wettern seinen Glanz, indem die Flamme länger wird;
sobald genügende schlagende Wetter vorhanden sind, um gefährlich zu werden,
erfolgt eine Explosion innerhalb der Lampe und das Licht erlischt sofort. Ferner
kann man, sobald die Lampe angezündet ist, nicht mehr zu dem Lichte gelangen,
ohne solches dabei auszulöschen. Dieß scheint aber auch wohl Alles zu seyn, was
man von der Sicherheitslampe verlangen kann, wenn sich in der Praxis bewährt,
was die Theorie verspricht und was sich bei Versuchen unter erschwerenden
Umständen, welche von Bergleuten von bewährter Einsicht und vierzigjähriger
verantwortlicher Thätigkeit auf den Gruben der Reviere von Barnsley und St. Helens ausgeführt worden
sind, bestätigt hat.
Wie bei fast allen werthvollen Erfindungen, zeichnet sich auch diese Lampe durch
Einfachheit der Construction aus. Am Boden derselben befindet sich eine durch
eine von sehr kleinen Löchern durchbrochene Metallplatte geschützte Luftkammer
von der Gestalt eines abgestumpften Kegels, deren oberer Rand den Lampendocht
enge umschließt, so daß die Luft nur auf diesem Wege zu dem Dochte gelangen
kann, und jedes so zur Lampe gelangende Luft- oder Gastheilchen in
unmittelbare Berührung mit der Flamme kommen muß. In der Mitte der Luftkammer
befindet sich der Oelbehälter, und der Raum zwischen der Außenfläche des
letzteren und der inneren Fläche der Luftkammer beträgt nur 1/8 Zoll, so daß
darin, wie Plimsoll mit Recht behauptet, keine
explosive Flamme existiren kann. Sollte dieß dennoch zu befürchten stehen, so
würde es leicht seyn, der Lichtflamme die zum Brennen nöthige Luftmenge
zuzuführen, indem man die Luftkammer in sechs oder acht von einander getrennte
Räume theilt und den Luftzutritt nur abwechselnd durch einen um den anderen
dieser Räume bewirkt, also die Hälfte derselben verschließt. Strömen aber
schlagende Wetter durch die Oeffnungen in der Metallplatte ein, so gelangen sie
unmittelbar an das brennende Licht, explodiren an demselben und treiben die
entzündeten Gase nach allen Richtungen hin. Es kann sich jedoch keine
hinreichende Menge dieser entzündeten Gase bilden, um den oberen Theil des mit
eingekitteten Gläsern versehenen Cylinders zu gefährden, und nur das
Hervordringen der entzündeten Gase durch die Oeffnungen, durch welche die Wetter
eingetreten sind, könnte gefährlich werden, was jedoch dadurch unmöglich wird,
daß die Flamme in der Luftkammer, sowohl wegen des beschränkten Raumes dieser
letzteren, als auch wegen der Dichtigkeit der Gase sogleich erlöschen muß.
Für den Fall, daß diese Vorsicht nicht für genügend erachtet werden möchte, hat
Plimsoll noch eine andere Vorrichtung angegeben,
welche genügend
erscheint, die Gefahr auch in den unsichersten Gruben zu beseitigen. Er
verbindet nämlich die Luftkammer der Lampe vermittelst einer Haube und eines
biegsamen Rohres mit einem aus einem Beutel oder einem anderen Gefäße
bestehenden Reservoir guter Luft, welche zur Speisung der Lampe dient. Das Licht
muß daher erlöschen, sobald das Reservoir geleert ist, oder auch, wenn etwa an
der Oeffnung durch welche die Rückstände der Verbrennung ausziehen, ein nach
unten gerichteter Luftzug eintreten sollte, weil in letzterem Falle die Flamme
in dem engen Durchgange der Luftkammer keine genügende Nahrung zu ihrer
Erhaltung findet und sogleich erlöschen muß. Plimsoll
behauptet daher, daß diese Lampe selbst in solchen Grubenbauen mit Sicherheit zu
gebrauchen ist, in welchen Niemand ohne Taucherhelm und Luftzuführung aus einem
ähnlichen Reservoir wie das zur Speisung seiner Lampe benutzte, oder ohne
Luftzuführungsrohr und Druckpumpe zu athmen vermag.
Diese Lampe bietet neben ihrem Hauptziele, Explosionen schlagender Wetter in den
Grubenbauen ganz oder doch fast ganz unmöglich zu machen, mehrere andere, ihre
Verwendung in Steinkohlengruben empfehlende und dem Erfinder den Dank der
Bergarbeiter sichernde Nebenvortheile dar. Das dem Dochte entströmende Gas des
Oeles wird vollständig aufgezehrt. Die Lichtflamme ist dadurch glänzender und
die ganze Leuchtkraft auf die Erleuchtung der Arbeit verwendet, da der äußere
Cylinder nicht aus Gaze, sondern aus dickem Glase besteht, also kein Licht
absorbirt. Außerdem kann durch Verengung oder Erweiterung des Raumes um den
Docht herum ein beständiges, ziemlich starkes Licht erzielt werden. Der Docht
braucht bloß bei Füllung des Oelbehälters, also wenn die Lampe nicht in den
Händen des Bergmannes und fern von allen gefährlichen Grubenbauen sich befindet,
geschürt zu werden und die Verbrennungsproducte des Oeles werden so vollständig
aufgezehrt, daß thatsächlich kein Rauch das Innere des Glascylinders beschmutzen
kann. Wichtiger als alles Andere ist aber, daß der Bergmann nicht in Versuchung
kommt den Versuch zu machen, sich ein freies Licht anstatt der Lampe zu
verschaffen, weil bei der Richtung des Luftzuges auf den Docht eine
vollkommenere Beleuchtung als durch irgend ein freies Licht, welches er sich
leicht zu verschaffen und angemessen zu verwenden vermöchte, erzielt wird. Ein
Verschluß dieser Lampe ist nicht erforderlich, weil bei ihrer Oeffnung das Licht
erlischt.
Die HHrn. Uley von Wombwell Main Colliery und Hopton von St. Helens haben einen gutachtlichen
Bericht über die Vortheile der neuen Lampe erstattet, aus welchem die nachstehenden
Angaben hervorzuheben sind:
1) Die Lampe ist sehr empfindlich gegen Gase.
2) Sobald eine Explosion in der Lampe stattfindet, erlischt dieselbe dadurch
augenblicklich. Es ist also nicht zu befürchten, daß sie rothglühend werde.
3) Beim Abschrauben des Lampencylinders erlischt das Licht, so daß die Bergleute
weder eine Lampe an der anderen entzünden, noch das brennende Licht frei machen
können.
4) Sie gibt ein helleres und reineres Licht, weil die Flamme durch keinen
Gazecylinder geschützt zu werden braucht, und das bessere Licht wird als eine
willkommene Gabe betrachtet werden, weil die Bergleute dadurch die zu gewinnende
Steinkohle besser sehen und reiner gewinnen können.
5) Der Wetterzug kann so stark als möglich seyn, ohne die Lampe auslöschen zu
können, weßhalb auch die durch das Wiederanzünden ausgelöschter Lampen
entstehende Gefahr bei dem Gebrauch dieser Lampe vermindert ist.
6) Bei einer innerhalb der Lampe erfolgenden Explosion kann die Flamme durch den
Luftzug, wie stark derselbe auch immer seyn möge, nicht nach außen geführt
werden, wodurch also eine andere Gefahr beseitigt ist.“
Wie aus der Beschreibung der Sicherheitslampe von Plimsoll
hervorgeht, beruhen die Vortheile welche dieselbe bei ihrer Benutzung in den durch
schlagende Wetter bedrohten Grubenbauen darbietet, vorzugsweise in der von der
Construction der meisten Sicherheitslampen abweichenden Art der Zuleitung der
äußeren Luft oder Wetter zu dem brennenden Dochte, indem, sobald schlagende Wetter
damit auftreten, solche zu demselben gelangen, sich entzünden und explodiren, dabei
aber das Licht auslöschen und in dem engen Zuleitungscanale selbst erlöschen, ohne
die zündende Flamme den Wettern außerhalb der Lampe mitzutheilen. Die Lampe zeigt
also das Vorhandenseyn der schlagenden Wetter in dem Grubenbaue an und gestattet es,
deren Abzug vor Belegung desselben zu bewirken. Wie groß die Empfindlichkeit der Plimsoll'schen Sicherheitslampe gegen schlagende Wetter
ist, um deren Auftreten früh genug anzuzeigen, damit der Gefahr rechtzeitig
vorgebeugt werden könne, muß erst durch umfassende Versuche mit dieser Lampe
festgestellt werden. Doch dürfte dieselbe sich nicht dazu eignen, die nothwendige
vorgängige Untersuchung der Grubenbaue vor dem Einfahren jeder wechselnden
Belegschaft vorzunehmen. Das Mining Magazine and Review
empfiehlt daher auch dem
Erfinder, seine Lampe in den Versammlungen englischer Steinkohlen-Bergleute
auszustellen, in welchen sich dann gewiß Freiwillige zum Gebrauch derselben und
Gelegenheit zu ausgedehnten Versuchen damit finden würden.
Es sind indessen auch schon andere, weniger günstige Urtheile über die neue,
selbsterlöschende Sicherheitslampe von Plimsoll in der
englischen Presse laut geworden, welche dieselbe als eine bloße Modification der Stephenson'schen Lampe, und das Princip auf welchem ihre
Construction beruht, zwar als gut bezeichnen, dagegen aber für gewisse
Steinkohlengruben einen großen Mangel darin erblicken, daß bei dem Gebrauch dieser
Lampe die Bergleute in dem gefährlichsten Augenblick im Dunkeln gelassen werden. Aus
diesem Grunde hat die Stephenson'sche Lampe auch nur auf
einem Theile der englischen Steinkohlengruben Eingang gefunden, während auf vielen
anderen die Davy'sche Sicherheitslampe allein im Gebrauch
geblieben ist und auch unbedingt diesen Vorzug verdienen dürfte, vorausgesetzt daß
sie von tadelloser Arbeit und gutem Material, wie z.B. jene von Abbot in Gateshead oder von
Watson in New-Castle ist. Unter allen Umständen verdient die Davy'sche Sicherheitslampe den Vorzug bei der vorgängigen
Untersuchung der Grubenbaue vor dem Anfang der Schichten durch die dazu gewählten
Bergleute, da es sehr gefährlich ist, diese Bergleute der für sie verlockenden
Versuchung auszusetzen, eine erloschene Lampe wieder anzuzünden, welcher sogar
manche Aufseher nur schwer zu widerstehen vermögen. B. (Oesterreichische Zeitschrift
für Berg- und Hüttenwesen, 1872, Nr. 52.)