Titel: | Zwei Distanzmesser; von Julius v. Olivier, Artillerie-Major a. D. |
Autor: | Julius v. Olivier |
Fundstelle: | Band 207, Jahrgang 1873, Nr. XXX., S. 116 |
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XXX.
Zwei Distanzmesser; von Julius v. Olivier, Artillerie-Major a. D.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
v. Olivier, über zwei Distanzmesser.
Erstes Instrument.
Drei Stücke belegtes Planparallelglas pq, no und ro
Figur 12 sind
auf eine Spiegelglasplatte a ausgekittet. pq und or stehen
unter 45°, pq und no unter 44° 8'
25'' Neigung. Auf diese Weise ist ein doppelter
Winkelspiegel hergestellt; der innere pq und or zeigt einen rechten, der äußere pq und no einen
spitzen Winkel von 88° 16' 50'' und man sieht deßhalb von jeden: seitwärts liegenden
Gegenstande zwei nahe neben einander stehende Bilder, gleichgültig ob fg oder hi die
Richtung des Auges ist. Unter die Bodenplatte ist eine Tabelle geklebt, deren Zweck
aus der Anwendung erhellt und das Ganze ist in ein Etui eingeschlossen.
Anwendung. – Man steht annähernd an dem Punkte a
Fig. 13; die
Entfernung nach dem Ziel d soll bestimmt werden. Es wird
im inneren Winkelspiegel (or
Fig. 12)
irgend ein entfernter rechts oder links seitwärts liegender Punkt 6 (das Blickziel)
durch Vor-, Zurück- oder Seitwärtsgehen genau auf das Ziel
eingestellt, wiederholt angesehen (weil jede Verwechslung die Messung unbrauchbar
macht), dann der gefundene Standpunkt a durch
Niederlegen der Handschuhe oder auf eine andere nahe liegende Weise bezeichnet. Nun
geht man in der Richtung da nach c so weit fort, bis das Blickziel d im äußeren Winkelspiegel (on
Fig. 12),
ebenso wie vorher im inneren, auf das Ziel eingestellt ist. Die Strecke ac abgeschritten, oder weit besser, mit einem
Bandmaaß abgemessen, läßt auf der Tabelle die entsprechende Zieldistanz ab ersehen. Das Verhältniß von ab: ac beträgt
bei der angegebenen Spiegelstellung 100 : 3.
Das Blickziel ist immer möglichst entfernt zu wählen und wird deßhalb am besten auf
der Seite gesucht welche die weiteste Aussicht gewährt. Gezwungen einen nahen
Gegenstand einzustellen, muß Punkt a sehr genau
bezeichnet werden, da es sich um Feststellung der Richtung da handelt. Liegt das Blickziel nach rechts, statt
wie hier auf der Zeichnung nach links, so dreht sich die Construction nur um, zu
welchem Zweck für alle Fälle zu merken ist, daß immer der innere Winkelspiegel ro anfängt und man sich bei Aufsuchung des zweiten
Standpunktes (c) vom Blickziel entfernt.
Bei allen Messungen ist die Richtung des Auges annähernd in die Ebene norpq
Fig. 12 und
diese annähernd in die Ebene dacb
Fig. 13 zu
legen. Dieß beachtet, leidet die Genauigkeit der Messung nicht, wenn das Ziel höher
oder tiefer liegt, weil man die Operation auf der letzterwähnten Ebene ausführt. Bei
kleinen Terrainwinkeln erfüllt man genannte Bedingungen von selbst, große dagegen,
wo die Spiegelbilder bedeutend schief stehen, fordern die Kenntniß genannter Regel.
In diesem Fall ist auch zu beachten, daß man immer einen Punkt, nicht eine Kante,
einstellen muß, also z.B. nicht die Kante eines Hauses, sondern ihren Durchschnitt
mit der Gesimslinie.
Die Operation kann ungemein rasch ausgeführt werden, doch fordert eine genaue
Messung, besonders wenn eine große Distanz (2000 bis 4000 Met.) gesucht wird,
sorgfältige Ausführung. Der mittlere Fehler beträgt dann weniger als 2 Proc.
Der Gebrauch des Instrumentes fordert einige Uebung; erst nach 20–30 Messungen
fängt man an mit Leichtigkeit zu arbeiten. Wer Winkelspiegel oder Prisma zu brauchen
versteht, hat einen bedeutenden Vorsprung. In offenem wenig coupirtem Terrain ist es
am leichtesten anzuwenden, wogegen im Gebirge die Punkte d,
a, c, b oft schwer in eine Ebene zu legen sind, auch Ziel und Blickziel
leicht verdeckt werden.
Das Instrument hat dem Verfasser in allen Gefechten vortreffliche Dienste geleistet;
man kann dasselbe immer benutzen, wenn die Stellung des Gegners sich an markirte
Gegenstände im Terrain (ein Gehöfte, eine Allee etc.) anlehnt. Abgesehen davon, ist
dasselbe bei allen rasch auszuführenden Meßoperationen, besonders bei Bestimmung von
Coordinaten werthvoll; doch ist hier ein Gehülfe zum Abmessen der Grundlinie nöthig
sowie zwei Pikete wünschenswerth, deren eines zum Auflegen des Winkelspiegels, deren
anderes gelegentlich als Blickziel dient.
Zweites Instrument.
Ein großer unveränderlicher Winkelspiegel wird, ähnlich dem vorigen, dadurch
hergestellt, daß zwei belegte rechteckige PlanparallelgläserDie Größe dieser Gläser beträgt circa 8
Centimeter Höhe und 15 Centimeter Länge.
cd und ef
Fig. 14 auf
eine Spiegelplatte von demselben Glas a, aufgekittet und
oben in gleicher Weise zugedeckt werden. cd und
ef stehen unter 45° Neigung zu
einander, zeigen also einen rechten Winkel. Eben so wird ein zweiter kleiner
Winkelspiegel d, der einen spitzen Winkel zeigt,
construirt, an dem aber die Deckplatte wegfällt. Der große Winkelspiegel ist in ein Gehäuse
eingeschlossen, auf welchem ein Kreuz mnop
befestigt wird, das in p und m ein Diopter, in n und o ein Fadenkreuz hat, dessen Visirlinien parallel zur Ebene a liegen.
Anwendung. – Die Entfernung ax soll von a aus
gefunden werden. Ein starkes Piket wird an dieser Stelle in den Boden gestoßen, auf
welches der große Winkelspiegel gesteckt werden kann, dann die Visirlinie po auf das Ziel x
gestellt. Nun geht man in der Richtung mn so weit
rückwärts, bis die Spiegelbilder des Zieles in: kleinen und großen Winkelspiegel
sich decken, auf welche Weise ein Dreieck mit den betreffenden beiden Winkeln
construirt wird. Ein auf der Erde liegendes Bandmaaß gibt die Länge der Linie ab. Wenn das Verhältniß von Grundlinie und Höhe
bekannt ist, erhält man damit die Zielentfernung.
Weit schärfer, als mit bloßem Auge, kann eingestellt werden, wenn der kleine
Winkelspiegel so an ein Fernrohr gesteckt ist, daß die obere Hälfte des Objectives
zur Beobachtung des Bildes im anderen Winkelspiegel frei bleibt. Ein mit dem oberen
Rande des kleinen Winkelspiegels paralleler Metallstab sr wird bei dem Einstellen parallel zu dem Arm oh des Visirkreuzes gehalten. Dann geht die
Grundebene des kleinen Winkelspiegels durch die des großen und durch den Zielpunkt,
und die beiden Spiegelbilder stehen in gleicher Neigung zum Horizont. Es ist dann
ganz gleichgültig, ob der Beobachter sowohl als das Ziel in gleichem Niveau mit dem
großen Winkelspiegel stehen oder nicht. Ein Piket zum Auflegen des Fernrohres
erleichtert die Beobachtung und ein Gehülfe bei m kann
durch schwaches Neigen oder Anziehen des Pikets mit dem großen Winkelspiegel dafür
sorgen daß die Visirlinie mn auf den Augenbogen
des Beobachters gestellt bleibt, damit das Zielbild nicht nach auf- oder
abwärts aus dem großen Winkelspiegel tritt, wenn man in unebenem Terrain rückwärts
geht.
Genaue Messungen fordern natürlich ein Ablothen der Grundlinie.
Bei Distanzen von 600 bis 1500 Met. hat der Verfasser ein Verhältniß von Grundlinie
zur Höhe circa = 1 : 100 in Anwendung gebracht. Kleinere
Entfernungen gestatten eine vergleichsweise größere Grundlinie, wodurch an
Genauigkeit gewonnen wird. Die Grenze liegt darin, daß eine zu große Grundlinie die
Beobachtung erschwert, weil das Gesichtsfeld des großen Winkelspiegels sehr klein
wird.
Das Instrument braucht nie eine Correctur; die Anwendung ist sehr leicht zu lernen
und die Ausführung jeder einzelnen Messung fordert kaum mehr als eine halbe Minute
Zeit. Man kann damit die Entfernung von Gegenständen, welche sich bewegen, z.B. von
Schiffen, beinahe mit
gleicher Leichtigkeit bestimmen wie die von unbeweglichen, mit Hülfe einiger
unbedeutenden Modificationen sogar von einem in Bewegung befindlichen Schiffe aus
die Entfernung eines anderen finden. Zu trigonometrischen Aufnahmen setzt man das
Instrument auf einen Dreifuß und kann es auch mit einer Vorrichtung zum Ablesen des
Terrainwinkels verbinden. Abgesehen von der Zeitersparnis ist hier die Eigenschaft
von besonderem Werthe, daß es unter sehr ungünstigen Terrainverhältnissen
Distanzbestimmungen möglich macht.
Die Anfertigung beider Instrumente hat die optische Anstalt der HHrn. Reinfelder und Hertel in
München übernommen. Der Preis des kleinen Instrumentes beträgt circa 25, der des großen circa 400 Mark.
Bordighera, den 22. December 1872.