Titel: | Die Vertheilung des Kohlenstoffes im Bessemerstahl; von Eduard Belani. |
Fundstelle: | Band 207, Jahrgang 1873, Nr. XXXVII., S. 131 |
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XXXVII.
Die Vertheilung des Kohlenstoffes im
Bessemerstahl; von Eduard Belani.
Aus der österreichischen Zeitschrift für
Berg- und Hüttenwesen, 1873, Nr. 2.
Belani, über die Vertheilung des Kohlenstoffes im
Bessemerstahl.
In vorliegender Arbeit erlaube ich mir eine Reihe von Versuchen zu veröffentlichen,
welche nicht ohne Interesse und vielleicht geeignet seyn dürften, die Vertheilung
und den Verbindungszustand der Kohle im Bessemerstahl einigermaßen zu beleuchten.
Unter der Bezeichnung Bessemerstahl verstehe ich hier speciell nicht dasjenige
Material, welches der wissenschaftlich untersuchende Chemiker zu seinen Arbeiten
verwenden würde, sondern die für technische Zwecke gebräuchliche Walz- und Schmiedewaare. Wenn man den rohen Ingot als eine ziemlich homogene Masse
ansieht, da die Kohlenstoffgehalte und specifischen Gewichte von verschiedenen
Theilen desselben annähernd gleich sind, so erscheint dagegen die aus demselben
dargestellte Walzwaare durchaus anderer Natur.
Nimmt man sauber hergestellte Profile von Bessemerstahl-Walzwaaren und setzt
dieselben der Einwirkung von verdünnten mineralischen Säuren aus, so beobachtet man an
ihnen eine eigenthümliche Erscheinung.
Dieselben zeigen an verschiedenen Stellen eine verschieden starke Einwirkung der
Säure. – Die mittleren Partiell, der Kern des Profiles, sind weitaus stärker
angegriffen, wie die äußeren Partien, der Rand, und mit einem schwarzen Staube
bedeckt, der sich leicht herunter waschen läßt. Durch diesen ungleichmäßigen Angriff
der Säure entstehen nun Figuren, welche bei Profilen einer und derselben Gattung mit
großer Regelmäßigkeit der Zeichnung auftreten.
Um einen Aufschluß über dieses eigenthümliche Verhalten des Stahles gegen die Säure
zu erlangen, wurde im Laboratorium der Staatseisenbahn-Gesellschaft in
Oravitza in Folge Auftrages des Central-Directors Hrn. Alfred Lecomte, eine Reihe von Untersuchungen durchgeführt, die
recht interessante Resultate lieferten. Ich lasse den Bericht des dortigen, sehr
tüchtigen Chemikers Hrn. Alfred v. Maderspach, wörtlich
folgen:
Bericht des Laboratoriums in
Oravitza.
„Das für Eisenschienen übliche Verfahren des Anätzens der blanken
Profilfläche mit mäßig verdünnter Salzsäure, auch auf Objecte angewendet, welche
aus Bessemerstahl hergestellt sind, zeigt, daß auch letzterer nicht vollkommen
homogener Zusammensetzung ist, indem die Querschnitte verschieden stark von den
angewendeten Säuren angegriffen werden. Beauftragt, die Ursache dieser
ungleichen Anätzung zu ermitteln, wurde eine Serie Stahlproben von Reschitza
bezogen, geätzt und von einigen scharf markirten Stücken in der Weise Späne
ausgebohrt, daß immer je eine Probe von den schwächer und eine von den stärker
geätzten Partien desselben Objectes entnommen wurde.
Während des Aetzens selbst sieht man immer die sich stärker ätzenden Partien
zuerst von der Säure angegriffen werden, ferner findet neben Wasserstoff-
und Kohlenwasserstoffgas-Entwickelung, auch Abscheidung von
Kohlenstoff-Partikelchen statt. Diese Kohlenstoff-Abscheidungen
sind jedoch nicht etwa ausschließlich Graphit, sondern gehören zum größeren
Theil dem leicht verbrennlichen chemisch gebundenen Kohlenstoff an. Wirklicher
Graphit ist nur in ganz geringer Menge nachweisbar. Bei Betrachtung der geätzten
Stahlproben ist vor Allem in die Augen springend, der auffallende Unterschied
zwischen gewalzter und geschmiedeter Waare, zu welch letzterer auch die Tyres
gezählt werden müssen.
Erstere zeigt immer einen großen, stark geätzten Kern mit einen: schmalen, viel
weniger angegriffenen Rand, wo hingegen bei letzterer ganz unregelmäßig in
einander gemengt, die stärker und schwächer geätzten Partien hervortreten.
Da sich aus dem bloßen Verhalten der Stahlproben gegenüber dem Einflusse von
Säuren, wohl manche Combination aufstellen, jedoch ohne eingehendere
Untersuchung schwer begründen läßt, so sahen wir uns veranlaßt, die Bestimmung
des Kohlenstoffgehaltes in den schwächer und stärker geätzten Partien desselben
Profiles vorzunehmen, da derselbe als der beweglichste, am leichtesten
modificirbare Bestandtheil des Stahles den besten Anhaltspunkt zu einer
Aufklärung abgeben kann.
Zur Bestimmung des Kohlenstoffes wählten wir die Ullgren'sche Methode (Verbrennung mit Chromsäure). Wir untersuchten
nachstehende Profile und erhielten dabei an Kohlenstoff:
Textabbildung Bd. 207, S. 132
Im Mittel aus zwei Analysen;
Kohlenstoff-Gehalt des schwach geätzten Theiles;
Kohlenstoff-Gehalt des schwach geätzten Theiles; Differenz; in Procenten;
Staatsbahnschiene, schweres Profil Charg. Nr.; Quadratstahl 2zöllig; 3zöllig;
Wechselschienenprofil; Theißbahnschiene; Staatsbahnschiene, leichtes Profil
Aus vorstehenden Kohlenstoffbestimmungen ist ersichtlich, daß die dunkleren, d.
i. die stärker angegriffenen Partien immer, wenn auch wechselnd,
kohlenstoffärmer sind, als die helleren schwächer geätzten Partien desselben
Probestückes. Nun kann und wird sich wahrscheinlich kein bestimmtes
Durchschnittsverhältniß ergeben, da es wesentlich von der Probenahme abhängt zu
welchen Haltdifferenzen man gelangt. Offenbar hängt jedoch das Angegriffenwerden
durch die Säure immer von dem Kohlenstoffgehalte ab, so daß die
kohlenstoffärmsten Partien am raschesten, die kohlenstoffreichsten dagegen
langsamer angeätzt werden. Dieß zugegeben, kann man schon aus dem bloßen Aetzen
auf das Material schließen und ist bemerkbar, daß die Profile geschmiedeter
Waare viel homogener sind, als solche gewalzter. Nun wären noch die
veranlassenden Ursachen dieser Erscheinungen abzuleiten, dieß kann jedoch aus
den vorliegenden Untersuchungen nur mit allem Vorbehalt geschehen, da vor Allem
zu constatiren wäre, wie das Rohmaterial selbst und die Profile sich in den verschiedenen
Fabricationsstadien (beim Passiven der verschiedenen Walzenkaliber) verhalten.
Wir können daher nur im vorbehaltlichen Sinne folgende Ansicht aufstellen: Es
muß angenommen werden, daß der Rohstahl viel homogener ist, als die gewalzten
Waaren, wie dieß aus den geschmiedeten Stücken schon ersichtlich; ferner daß die
auffallende Regelmäßigkeit in den Aetzfiguren der Profile gewalzter Waaren,
hauptsächlich deren speciellen Fabricationsweise zugeschrieben werden muß, wobei
wesentlich physikalische Momente Einfluß nehmend sind; nämlich durch raschere
Abkühlung, wie stärkere Pressung, werden die äußeren Partien krystallinischer
und dichter, während die inneren Theile mehr sehnig und lockerer bleiben,
wodurch schon allein ein etwas höherer Kohlenstoffgehalt eintreten könnte. Dazu
mag vielleicht auch noch eine Art Wanderung (Transfusion) des Kohlenstoffes nach
der Peripherie des im Zustande der Glühhitze befindlichen Materiales
kommen.“
Soweit der Bericht des Laboratoriums in Oravitza.
Dieses sonderbare Verhalten des Stahles gegen die Säure ließ mich Anfangs eine bloße
Härtung des Materiales im nassen Kaliber vermuthen und Versuche in dieser Richtung
durchgeführt, schienen auch diese Ansicht zu bestätigen, bis eine Bestimmung der
specifischen Gewichte der ungleichen Partien mir zeigte, daß ich es nicht mit bloßer
Härtung zu thun habe, sondern daß in Folge der Druckverhältnisse in den einzelnen
Kalibern eine größere oder geringere Verdichtung des Materiales erfolgt war.
Um diese stärkere Compression der peripherischen Theile zu constatiren, ließ ich aus
den verschieden geätzten Theilen einer Stahlschiene Stücke in der Größe eines
Kubikcentimeters herausschneiden und bestimmte deren specifische Gewichte, und zwar
wurden sie entnommen:
1) aus dem stark geätzten Theile des Kopfes der Schiene;
2) aus dem Steg zu gleichen Theilen stark und schwach geätzt;
3) aus dem Fuß derselben, wo er am wenigsten geätzt war.
Um zugleich einen Vergleich in der Dichtigkeit zwischen der Walzwaare und dem rohen
Ingot zu finden, wurde ein Block derselben Charge gebrochen und ebenfalls zwei
Proben genommen, eine vom Rand, eine aus der Mitte, und die specifischen Gewichte
bestimmt. Die Resultate waren folgende:
Roher Ingot,
Mitte
= 7,8860
Rand
= 7,8851 also nahezu gleich
Stahlschiene
ad 1
= 7,8802
ad 2
= 7,9828
ad 3
= 8,4080.
Diese Unterschiede in den specifischen Gewichten dürften wohl den Beweis liefern, daß
man es mit einem Material von ungleicher Dichtigkeit zu thun hat. Ob die variablen
Kohlenstoffgehalte eine Folge dieser verschiedenen Dickte sind, dieß zu erklären
dürfte schwer fallen. Ich nehme nur durchaus nicht vor, dieß zu versuchen, sondern
ich will nur die analogen Erscheinungen bei einem ähnlichen Material hervorheben. Zu
diesem Behufe will ich etwas weiter ausholen, um einen näheren Einblick in die Natur
der Verbindung der Kohle im Stahl zu gewinnen.
Karsten, der die Beziehungen des Kohlenstoffes zum Eisen
zuerst erkannt und sich am meisten damit beschäftigt hat, sagt in seinem Werke:
„Behandelt man gehärteten Stahl mit verdünnter Salz- oder
Schwefelsäure, so bedeckt er sich nach längerer Zeit mit einem schwarzen Staube,
welcher, wenn er isolirt wird, weder vom Magneten gezogen wird, noch einen
Rückstand beim Verbrennen hinterläßt, also reine Kohle ist, die mit dem Eisen
chemisch verbunden war. Im weichen Stahl ist die Kohle ebenfalls chemisch
gebunden, allein ihr Verhältniß zum Eisen ist ein anderes wie im gehärteten
Stahl. Wenn man diesen Stahl mit verdünnter Säure behandelt, so bleibt ein
schwarzer Rückstand von graphitischem Aussehen. Diese kleinen graphitartigen
Schüppchen werden, nachdem sie gesüßt und getrocknet sind, vom Magneten lebhaft
allgezogen und hinterlassen beim Glühen an der Luft 80–95 Proc.
Fe²O³. Ihre Zusammensetzung ist nie constant. Behandelt man sie
längere Zeit mit Säure, so bleibt Kohle zurück und Eisen befindet sich in
Lösung. Man sieht daraus, daß diese schwarze Masse eine Verbindung von Eisen mit
Kohle, ein Eisencarburet ist.“
Von dieser Verbindung, welche Karsten ein Polycarburet
nennt, heißt es in der Uebersetzung und Bearbeitung der Eisenhüttenkunde von Percy:
„Das angenommene Polycarburet, welches sich im festen Eisen befindet, kann
durch Rothgluth zerstört werden, und bei plötzlicher Abkühlung sich mit dem
Eisen zu einer homogenen metallischen Masse verbinden. Das Polycarburet kann
wieder umgekehrt gebildet werden, wenn diese Masse wieder zur Rothgluth erhitzt
und dann langsam abgekühlt wird.“
Weiter unten heißt es:
„Karsten überzeugte sich, das graues Roheisen,
welches langsam erkaltet war, auch dann in der Mitte des Gußstückes immer
weniger Kohle enthält, als zunächst an den äußeren Flächen, aber mehr Graphit
und daß die
Polycarburete der beiden Roheisenarten verschieden zusammengesetzt sind. Das
Roheisen von den Rändern enthält allster Graphit, Polycarburete, welche dem
weißen Roheisen und harten Stahle eigenthümlich sind, während die Carburete des
Kernes denen von geglühtem weißen Roheisen und weich gemachtem Stahle gleichen.
Die Verschiedenheit in der Constitution der Polycarburete aus der inneren und
äußeren Masse des Eisens gibt Aufschluß über die variablen Mengen Kohlenstoff
und wird erklärlich durch die länger fortgesetzte Einwirkung der erhöhten
Temperatur auf den inneren Eisenkern; aber auch diese Verschiedenheit zeigt das
Streben der Kohle, sich vom Eisen zu trennen. Graues Roheisen mit 7,1839
specifischem Gewicht und 4,0281 Gesammtkohlenstoff wurde umgeschmolzen und in
eine dicke eiserne Schale gegossen. Der 1 Zoll starke abgeschreckte Rand hatte
7,5467 specifisches Gewicht und 5,0929 chemisch gebundenen Kohlenstoff. Der
innere Kern zeigte 7,1753 specifisches Gewicht und 3,8047 Gesammtkohle, wovon
3,1941 Graphit und 0,6106 chemisch gebunden waren.“
Die analogen Erscheinungen zwischen grauem Roheisen und Stahl, zwei Materialien
welche einander nicht in hohem Grade fern stehen, lassen die Vermuthung aufkommen,
daß bei beiden die veranlassende Ursache dieselbe ist. Bei dem ersten findet eine
Concentrirung der Kohle gegen die Peripherie durch das Abschrecken statt, beim
zweiten durch stärkere Compression.
Es ist anzunehmen, daß bei der plötzlichen Abkühlung eine große Kraft thätig wird,
welche die einzelnen Molecüle fest an einander preßt. Es ist damit nicht gesagt, daß
der gehärtete Stahl dadurch dichter wird. Im Gegentheil, Versuche haben mir
bewiesen, daß das specifische Gewicht mit der Härtung sinkt. Die Probe vom rohen
Ingot hatte ein specifisches Gewicht von 7,8860 ungehärtet. Im Platintiegel unter
Luftabschluß zur Rothgluth erhitzt und gehärtet, zeigte sie 7,8560 specifisches
Gewicht – Differenz also 0,03. Dieses zu erklären, dürfte nicht schwer
fallen. Die durch die Kraft der Wärme auseinander getriebenen Molecüle werden durch
das plötzliche Abkühlen in ihrer Stellung fixirt. Damit ist aber durchaus nicht der
Druck ausgeschlossen, welcher sie stärker wie vorher zusammenhält, ohne jedoch so
stark zu seyn, um die plötzlich starr gewordene Masse auf ein kleineres Volumen zu
bringen. Daß wirklich ein kräftiger Druck vorhanden ist, bemerkt man an der
Sprödigkeit und Elasticität des gehärteten Stahles, welche beide durch die darin
herrschende Spannung erzeugt wurden, und diese sogenannte Spannung ist eine
Aeußerung der durch das Contractionsbestreben erzeugten und gleichsam gebundenen
Kraft, die bei jedem mechanischen Einflusse von Außen an dem Verhalten des
gehärteten Stahles kenntlich wird. Wenn man nun dieselbe plötzliche Kraft, welche
bei der Härtung stattfindet, auf andere Weise erzeugt, z.B. durch den Schlag eines
schweren Hammers oder durch eine große Druckerhöhung im Walzenkaliber, so sollte sie
wohl eine ähnliche Wirkung auf den Verbindungszustand der Kohle äußern. Dieß scheint
auch in der That der Fall zu seyn. Stücke, die durch Schmieden erzeugt sind, weisen
beim Netzen mit Säure keine nennenswerthe Zeichnung auf, nur hier und da dunklere
Flecken, je nachdem sie mehr oder weniger durchgearbeitet sind; im Ganzen zeigen sie
das Verhalten wie der lichte Rand der Walzwaarenprofile, d. i. ein Verhalten wie
gehärteter Stahl.
Gerade so wie die durch das Contractionsbestreben erzeugte Kraft, wirkt der Schlag
des schweren Dampfhammers zerstörend auf das Polycarburet, dessen Kohle sich
gleichmäßig mit dem Gesammteisen verbindet.
Ich bin überzeugt, daß zwei unter gleichen Verhältnissen gewalzte und geschmiedete
Stahlstangen derselben Härtenummer, dieselben Mengen Kohlenstoff besitzen, ebenso
wie graues Roheisen beim Abschrecken keinen Kohlenstoff abgibt. Erwiesen jedoch ist
es bei beiden Materialien, daß bei einer theilweisen Verdichtung derselben eine
Concentrirung des Kohlenstoffes in den verdichteten Theilen stattfindet. Wie und
warum dieß geschieht, das Bestreben der Kohle sich vom Eisen zu trennen, näher zu
erklären, dürfte wohl noch mehr in den Bereich der Hypothesen fallen, als die
Theorie der Modification der Kohlenstoffverbindung im Stahle.
Eisenerz, im November 1873.