Titel: | Ueber die Fabrication von Hufnägeln mit Maschinen. |
Fundstelle: | Band 207, Jahrgang 1873, Nr. LV., S. 180 |
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LV.
Ueber die Fabrication von Hufnägeln mit
Maschinen.
Ueber die Fabrication von Hufnägeln mit Maschinen.
Obwohl die Anwendung von Maschinen zur Anfertigung der Nägel in den letzten 20 Jahren
sehr allgemein geworden ist, so hat doch eine Gattung von den etwa 300, die auf den
Markt kommen, bisher jedem Versuche, sie der Verfertigung durch Maschinen zugänglich
zu machen, mit Erfolg widerstanden. Diese ist der Hufnagel, welcher gegenwärtig noch
ebenso hergestellt wird, wie beim Aufschlagen des ersten Hufeisens, nämlich mit der
Hand. Der Grund davon ist der Umstand, daß der Hufnagel ganz besonders die
Eigenschaften der Steifheit und Biegsamkeit in ungewöhnlichem Grade besitzen muß;
Steifigkeit, um, wenn in den Huf eingetrieben, nicht von seiner Bahn abzuweichen und
den Fuß zu lähmen, und Biegsamkeit, um die durchgetriebene Spitze ohne Nachtheil für
das Metall durch Brechen umschlagen zu können, so wie die verschiedenen
Beanspruchungen während seines Dienstes gehörig auszuhalten. Ein guter Hufnagel soll
in der That die Eigenschaften von Stahl und Blei verbinden, weßhalb begreiflicher
Weise nur das vorzüglichste Eisen zu seiner Verfertigung benutzt werden kann, und
seine Behandlung dabei eine solche seyn muß, daß nach Vollendung des Nagels nicht
etwa eine Verschlechterung, sondern eher eine Verbesserung des Materiales
eingetreten ist. Maschinennägel werden gewöhnlich aus Blechen geschnitten, und wie gut auch die
Qualität des Eisens seyn mag, es liefert nie Nagel von so festem Gefüge und von
solcher Dehnbarkeit, wie jene, die aus gewöhnlichem Nageleisen mit der Hand
geschmiedet werden. Der größte Nachtheil übrigens, welcher dem Handel damit
anhaftet, ist seine stete schwankende Lage, welche hohe Preise und oft große
Schwierigkeiten, überhaupt Hufnägel zu erlangen, im Gefolge hat.
Die Fabrication der Hufnägel wird hauptsächlich in der Umgegend von Birmingham und
Derbyshire betrieben, obwohl sich auch einige Fabrikanten zu Bristol damit
beschäftigen. Die Hufnägelschmiede sind sogenannte Hausarbeiter, d.h. sie treiben
ihr Geschäft in der eigenen Wohnung, wo sie eine kleine Werkstätte haben. Vor
wenigen Jahren noch war die Nagelschmiede häufig mit kleinen Farmhäusern verbunden,
und der Farmer mit seiner Familie machten darin Nägel, wenn sie nicht auf dem Felde
zu arbeiten hatten. Der Geschäftsinhaber (nail-master) übergab dem Nagelschmied an gewissen Wochentagen
hinreichend viel Nageleisen, um es mit Hülfe seiner Familie in einer Woche zu
verarbeiten, nach welcher Frist er die gefertigten Nägel übergab und neuen
Eisenvorrath erhielt. In Folge dessen ist der Herr so ziemlich in den Händen der
Arbeiter, deren Stellung eine besondere Verstärkung durch den Umstand erhält, daß
bisher alle die verschiedenen Versuche, Hufnägel mit Maschinen herzustellen,
fehlschlugen. Im Bewußtseyn dieser Thatsache bildeten die Arbeiter schon vor Jahren
einen Gewerkverein; im Glauben, schließlich einen sehr hohen Lohn erkalten zu
müssen, machten sie höchst willkürliche Gesetze, und quälten ihre Arbeitgeber mit
Ansprüchen der außerordentlichsten Art. In dieser Weise geht die Sache, und wird
wahrscheinlich so fortgehen, bis die Maschine in diesem Arbeitszweige den Sieg über
die Handarbeit thatsächlich errungen hat.
Unter den zahlreichen Versuchen, die Handarbeit bei Herstellung der Hufnägel durch
Maschinen zu ersetzen, ist der bemerkenswertheste jener von Hall. Sein Patent versprach Gutes, und wurde von einem unternehmenden
Fabrikanten aufgenommen, der eine ausgedehnte Werkstätte und Maschinenanlage zum
Zwecke der Ausbeutung der Erfindung anlegte. Die Nägel jedoch, welche aus Blech
gefertigt wurden, fanden keinen Absatz, und das Unternehmen mußte schließlich mit
einem Verluste von 20000 Pfd. Sterl. seitens des Eigenthümers aufgegeben werden.
Wenn nämlich das Maschinenfabricat dem mit der Hand gefertigten nicht nachstehen
soll, muß die Maschinerie von Jemandem entworfen werden, der eben so kundig in der
Kunst des Hufschmiedes, wie in der praktischen Mechanik ist, denn es gibt allerlei
kleine Erfordernisse an einem Hufnagel, auf welche bei der Herstellung Rücksicht
genommen werden muß. Vielleicht verdankt der Erfinder der nachfolgend zu beschreibenden Maschinerie
diesem Umstande seinen Erfolg; denn einen Erfolg hat er thatsächlich erzielt, und es
gewährt eine gewisse Genugthuung, zu wissen daß in Zukunft statt einer oft
ungenügenden Production manchmal nicht ganz guter Nägel, eine Lieferung dieses
Artikels in constant guter Qualität zu erwarten ist.
Die Maschinerie, welche solch guten Effect verspricht, ist erfunden und Schritt für
Schritt in praktischen Betrieb gesetzt durch J. Huggett,
welcher seine Ideen den HHrn. H. und R. J. Moser
mittheilte. Diese Herren errichteten zu Battersea eine Fabrik, worin gegenwärtig die
Nagelfabrication kräftig betrieben wird. Das hierzu benutzte Eisen ist schwedisches
Holzkohleneisen, welches in Stäben von 2 Fuß 4 Zoll (710 Millimet.) Länge, 7/16 Zoll
(11 Millimet.) Breite und 5/32 Zoll (4 Millimet.) Dicke geliefert wird. Der erste
Schritt in dem Processe der Nägelfabrication ist, die Stäbe in einem Siemens'schen Ofen zu einer hellen Rothglühhitze zu
bringen. Wenn die Stäbe aus dem Ofen kommen, werden sie in rascher Aufeinanderfolge
zwischen ein Walzenpaar eingeführt, welches mit 540 Umdrehungen per Minute umläuft.
Die untere dieser Walzen, wovon verschiedene Größen für verschiedene Nagelsorten
benutzt werden, besitzt eine ringsum laufende Furche, in welcher sich Vertiefungen
von 1 3/4 Zoll (44 Millimet.) Länge und 5/16 Zoll (8 Millimet.) größter Tiefe (von
der Peripherie der oberen Walze ab gemessen) befinden, welche von Mitte zu Mitte 6
1/2 Zoll (159 Millimet.) von einander abstehen. Diese Vertiefungen bewirken, daß die
durch die Walzen gelassene Stange an einzelnen Stellen ihrer Länge mit der Form
derselben übereinstimmt, und Verdickungen zeigt, welche schließlich die Köpfe zweier
Nägel bilden, während der zwischenliegende Theil, der 3/16 Zoll (5 Millimet.) breit
ist und in der Mitte bis zu 1/16 Zoll (1,0 Millimet.) Stärke abnimmt, den Schaft
bildet. Wenn die Stäbe aus den Walzen kommen, sind sie 6 Fuß (1830 Millimet.) lang;
sie gleiten über eine schiefe Ebene auf eine Tafel hinab, und werden daselbst von
Knaben an beiden Enden mit Zangen ergriffen und gerade gezogen, und hierauf in einen
Trog bei Seite gelegt. Mit zwei Mann am Ofen und drei Knaben an dem Abnahmetisch
werden 900 Stäbe per Stunde gewalzt und gerade
gestreckt. Da zwei Oefen in Gang stehen, so ist die Production hierbei in einer
Stunde bei vollem Betriebe 1800 Stäbe, oder 10800 Fuß (3292 Met.) Nageleisen.
Nach Passiren des ersten Walzenpaares gehen die Stäbe durch ein zweites, in welchem
die dickeren Theile derselben in der Dicke verkleinert, aber verbreitert werden, mit
anderen Worten, worin die Köpfe ihre erste Form erhalten, indem sie mehr oder minder quadratische
Form erhalten. Die Walzen bestehen aus Hartguß. Es sind drei solcher Maschinen
vorhanden, die von Mädchen bedient werden, deren noch eine große Anzahl bei den
nachfolgenden Operationen Verwendung findet. Die drei Maschinen zum
Quadratisch-Walzen (squaring) versehen sechs
Schneidmaschinen mit Stäben, deren jeder in 18 Stücke geschnitten wird, wovon jedes
einen Nagel in seiner ersten Form darstellt (diese Angabe stimmt nicht mit dem
Vorigen, es müßten vielmehr etwa 22 Nägel daraus erhalten werden). Bei jedem
Niedergange eines Schneidkopfes mit drei Messern wird die Stange ein Mal quer durch
eine der Verstärkungen abgeschnitten, wodurch die Köpfe der Nägel entstehen, während
gleichzeitig zwei schiefe Schnitte durch die Mitte des dünnen Theiles zur Bildung
der beiden Nagelspitzen geschehen. Bei jedem Schnitt erhält man zwei rohe Nägel,
welche, sobald die Schneiden sich beben, durch einen hin und her gebenden Stößer,
der hinter den Messern arbeitet, entfernt werden. Jede solche Maschine liefert bei
ununterbrochener Arbeit 30000 Rohnägel per Tag. Von der
Schneidmaschine wandern die Rohnägel zu einer Scheuertonne, worin sie von
Hammerschlag gereinigt werden. Sie sind nun für den nächsten Proceß, das Anköpfen
(heading) bereit, welches auf sechs von Mädchen
bedienten Maschinen vorgenommen wird. Die Anköpf-Maschine besteht aus einer
Hartgußwalze, welche um eine horizontale Achse von dem Arbeiter weg rotirt. In dem
Umfange dieser Walze ist eine Reihe von Matrizen angebracht, in deren jede ein
Robnagel eingesteckt wird; sobald dieser im Verlauf der Umdrehung an der höchsten
Stelle der Walze eine verticale Stellung annimmt, kommt er unter einen Stempel, der
beim Niedergehen den Nagelkopf bildet. Nachdem die Nägel die Anköpf-Maschine
verlassen haben, woraus sie beim Rotiren der Walze herausfallen, kommen dieselben zu
dem Glühofen, in welchem sie nach üblicher Weise in geschlossenen Gefäßen getempert
werden. Nach dem Abkühlen gelangen sie zu den Form-Maschinen, worin sie einer
nach dem anderen auf den Umfang einer rotirenden Hartgußwalze gelegt werden, so daß
sie mit ihrer Länge in der Richtung des Durchmessers liegen. Sobald der Nagel im
Verlaufe der Umdrehung den höchsten Punkt der Walze erreicht, wird er von drei
Stempeln ergriffen, deren einer senkrecht von oben her wirkt, während die anderen
die Seiten des Nagels bearbeiten. Der Oberstempel gibt dem Nagel einen Schlag,
während die Seitenstempel jeder zwei Schläge in rascher Aufeinanderfolge abgeben.
Von der Form-Maschine gelangen die Nägel in einen Ofen, woselbst sie
hellrothglühend gemacht werden, und wieder abkühlen. Das Resultat ist, daß sie, wie
man sagt, angelaufen (coloured) sind, d.h. daß eine schwache
Schicht Hammerschlag darauf entsteht, welche das Verrosten auf dem Lager verhindert.
Gleichzeitig werden hierdurch die Nägel auch noch getempert. Aller Rost, der sich
etwa nachher noch auf den Nägeln bildet, fällt sammt dem Hammerschlage ab, wenn die
Nägel schließlich zum Gebrauche des Hufschmiedes gespitzt werden. Diese letzte
Arbeit wird stets vom Hufschmied selbst gemacht, mögen die Nägel nun Hand-
oder Maschinenfabricat seyn.
Man sieht demnach, daß in den Moser'schen Werkstätten die
Nägel neun gesonderte Processe durchmachen, von welchen sechs rein mechanischer
Natur sind. Ungeachtet dessen, sowie der Kosten für Gebäudeanlagen und Maschinen,
deren Abnutzung und Betriebskraft etc., werden die Nägel dennoch zu einem Preise
hergestellt, welcher erlaubt, sie selbst in dem jetzigen Stadium der Fabrication zu
einem etwas niedrigeren Preise, als die durch Handarbeit bergestellten, auf den
Markt zu bringen. Ein wichtiger Punkt bezüglich der Billigkeit, welcher bei der
Maschinenarbeit mitwirkt, ist die Verminderung des Materialabfalles. Allerdings
beträgt derselbe bei den Maschinen 23 1/2 Proc. während des ganzen Processes; allein
19 Proc. davon sind durch weiteres Umarbeiten wieder zu gewinnen, so daß der
wirkliche Verlust nur 4 1/2 Proc. beträgt. Bei der Handarbeit dagegen beträgt der
Abfall 20 Proc., da das Material, welches durch mehrfaches Erhitzen verschlechtert
worden ist, sich nicht wieder verarbeiten läßt. Die Maschinen auf den Werken von Moser stehen in ihrer Leistungsfähigkeit im genauen
Verhältniß zu einander, d.h. es sind zwei Siemens'sche
Oefen, zwei Walzwerke, drei Quadrir-Walzwerke, sechs Schneidmaschinen, sechs
Anköpfmaschinen mit zehn Formmaschinen erforderlich, um wöchentlich 5 Tonnen (5080
Kil.) Hufnägel zu produciren. Diese Maschinen werden von einer 15pferdestärkigen
Condensationsmaschine betrieben, die mit Dampf von 50 Pfd. Spannung (3,5 Kil. per Quadratcentimeter) arbeitet.
Obschon gegenwärtig die Production der Moser'schen Werke
auf 5 Tonnen per Woche beschränkt ist, so kann doch leicht eine Mehrproduction
bewerkstelligt werden, da die Fabrik Raum genug zur Ausdehnung hat, sobald die
Nachfrage nach Maschinen-Hufnägeln steigt. Dieß wird wohl bald geschehen, da
hinreichend feststeht, daß die Qualität der Maschinennägel jener des Handfabricates
völlig gleichkommt, während zu ihren Gunsten der niedrigere Preis spricht, sowie die
Sicherheit einer regelmäßigeren Lieferung. Daß in diesem Industriezweige noch ein
weites Feld für Unternehmungen ist, geht daraus hervor, daß die Production von
Hufnägeln in Großbritannien allein 100 bis 150 Tonnen per Woche erreicht, was in letzterem Falle 22 Millionen Nägeln entspricht.
Um diese
verhältnißmäßig hohe Zahl zu verbrauchen, sind in Großbritannien und Irland 2 1/2
Millionen Pferde, welche etwa alle drei Wochen ein Mal zu beschlagen sind. Die Eisen
der schweren Zugpferde erfordern etwa alle 14 Tage Erneuerung. Jede solche Operation
erfordert 32 Stück Nägel, so daß die totale Konsumtion per Woche etwa 107 Tonnen beträgt. Dieß ist also die Anforderung an die
Fabrication, exclusive des Exportes; es wird jedoch dieser Bedarf theilweise durch
Import von dem Continente her gedeckt, welcher aber nur Nägel von geringerer
Qualität, als die englischen, liefert.
Für die Einführung einer neuen mechanischen Methode in einen: so bedeutenden
Industriezweige verdienen die HHrn. Moser besondere
Anerkennung; nicht minder aber auch Hr. Hugget für die
Vervollkommnung der Maschinen, durch welche die Fabrication schließlich zu gutem
Erfolge gelangte. Die ganze Erfindung kam nicht plötzlich zur Vollkommenheit;
mehrere Jahre Zeit, viele ängstliche Gedanken, mehrere Tausend Pfd. Sterl. mußten
aufgewendet werden, ehe sich der ganze Proceß aus der ersten rohen Idee entwickelte.
Nicht ehe jedes mechanische Detail vollendet, und jede Furcht vor
Betriebsunterbrechung durch Versagen der Apparate völlig beseitigt war, wurde die
Fabrik in Betrieb gesetzt. Dieß ist vor Kurzen: geschehen, und nach allem bisher
Bekannten ist derselben ein guter Erfolg voraus zu sagen. (Engineering Oct. 1872, S. 270; aus dem polytechnischen Centralblatt, 1872
S. 1524.)