Titel: | Lancaster und Bullough's Kettenschlichtmaschine; mitgetheilt vom Docenten Johann Zeman. |
Autor: | Prof. Johann Zeman [GND] |
Fundstelle: | Band 207, Jahrgang 1873, Nr. LVII., S. 189 |
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LVII.
Lancaster und Bullough's Kettenschlichtmaschine; mitgetheilt vom Docenten
Johann Zeman.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Lancaster und Bullough's Kettenschlichtmaschine.
Das Eigenthümliche dieser von der bekannten englischen Firma Howard und Bullough in Accrington bei
Manchester vor Kurzem eingeführten Kettenschlichtmaschine (sizing-machine) liegt in der Trocknung der
aus dem Schlichtetroge kommenden Fäden mit nur mäßig erwärmter, in lebhafter
Circulation befindlicher Luft. Zur Erwärmung derselben dient ein System von
Röhren, welche sich in vielfachen Windungen zwischen den einzelnen Lagen der
mehrmals in der Maschine hin- und hergeführten Kette vertheilt finden, zwischen deren einzelne
Fäden die Luft durch rasch bewegte Windflügel Hindurchgetrieben wird.
Ist auch schon hin und wieder zum Trocknen der aus der Schlichte kommenden Fäden mehr
oder weniger erhitzte Luft in Anwendung gebracht worden, so kann Referent nach
eigener Anschauung und gestützt auf unparteiische, nach mehrmonatlicher Erprobung
abgegebene Urtheile praktischer Weber die Behauptung aufstellen, daß die vorliegende
Maschine als die erste, constructiv durchdachte, für die
Praxis vollkommen taugliche Kettenschlichtmaschine mit Lufttrocknung zu betrachten
ist. In den einzelnen Details, den mannichfach angebrachten Verbesserungen zeigt
sich deutlich, mit welcher Aufmerksamkeit, welchem Verständniß die Constructeure die
sich vorgesetzte Aufgabe gelöst haben, zum Schlichten und Trocknen der Kette, dieser
so wichtigen Vorarbeit für das mechanische Weben, eine zweckmäßige, ökonomisch
arbeitende und leicht zu bedienende Maschine zu liefern.
Daß Referent damit der Lancaster-Bullough'schen
Schlichtmaschine kein ungerechtfertigtes Lob ertheilt hat, wird jeder Fachmann aus
der nachstehenden, wenn auch nur in die wesentliche Anordnung der neuen Maschine
eingehenden Beschreibung, zu welcher wir die Figuren 17 und 18
(Längenschnitt und Grundriß) zu Hülfe ziehen, entnehmen können.
Aus den erwähnten Abbildungen erkennt man ohne Weiteres, daß die Fäden, von den
Kettenwalzen A, A... in bekannter Weise in eine Kette
vereinigt, durch den Schlichtetrog B hindurchgezogen und
sodann zur Erzielung einer allmählich fortschreitenden, jedes Sprödewerden des
Garnes ausschließenden Trocknung in geringem Abstande über und unter den mit Dampf
geheizten Röhren C, C, C... um die Leitwalzen G₁ bis G₈
herumgeführt und zuletzt durch die Abzugswalzen D dem
Kettenbaume E übergeben werden.
Die Röhren C, C... bilden eine ununterbrochene, zwischen
dem Maschinengestell hin- und hergeführte Leitung, in welche bei a Dampf von 2 bis 5 Pfund Ueberdruck eintritt, während
das sich bildende Condensationswasser durch den Hahn bei b abgelassen wird, zu welchem Zwecke dem Rohrstrang selbstverständlich die
entsprechende Neigung gegeben ist. Durch Regulirung des Dampfzuflusses oder der
Spannung des Dampfes hat man das Mittel an der Hand, den Dampfverbrauch
beziehentlich die Temperatur der Luft zu reguliren, und es erfolgt dann durch die
mit den Windflügeln F, F... veranlaßte Circulation der
erwärmten Luft um die Kettenfäden und allenfalls durch die strahlende Wärme, unter keinen Umständen
aber durch directe Berührung mit den Heizröhren CC..., die successive Trocknung des Garnes. Hier ist es wohl am Platze, die
Oekonomie im Dampfaufwande zu erwähnen, welche im Vergleiche mit Cylindermaschinen
mit diesem Systeme erreicht wurde, indem hierbei der Dampfverbrauch noch unter 1/4,
ja auf 1/6, des für Cylindermaschinen erforderlichen herabgeht.
Es ist bekannt, daß bei zu rascher Trocknung der geschlichteten Kette durch stark
erhitzte Luft oder durch Berührung mit erhitzten Metallflächen, die äußere Partie
der Schlichte erhärtet, bevor noch die Feuchtigkeit im Inneren des Fadens
vollständig verdampft ist. Geschieht nun dieß nachträglich, so erhält man in Folge
des Aufreißens der äußeren Stärkerinde ein rauhes, unansehnliches Garn. Wirkt aber
vollends die Hitze von vornherein zu intensiv, so backt die Schlichte der Fäden
sozusagen zusammen, so daß die betreffende Kette so spröde ist, daß sich die
Schlichte am Webstuhl abbröckelt, gar nicht zu gedenken, wie sehr die Schäfte
abgenutzt und wie viele Fadenbrüche hierdurch herbeigeführt werden. Das Garn von der
neuen Schlichtmaschine dagegen zeichnet sich durch eine gewisse Weiche aus, ein
Zeichen daß zur Trocknung die erforderliche Zeit gelassen wurde, welcher Umstand
unzweifelhaft eine günstigere Verarbeitung im Webstuhl zur Folge hat.
Um den Antrieb der Maschine in der Hauptsache und daran anknüpfend einige besondere
Eigenschaften dieser Schlichtmaschine anzugeben, so geht zunächst die Bewegung von
der Vollscheibe H (Fig. 18) auf die
Hauptwelle L und von dieser auf der anderen Seite der
Maschine durch das Wechselrad c auf die untere der
Abzugswalzen D über. Von hier aus pflanzt sich die
Drehung mittelst Kegelrädern auf die liegende Welle d
fort, welche am hinteren Ende die beiden kupfernen Einzugswalzen M und N antreibt. Um eine
etwaige Veränderung der Geschwindigkeit der Kette von 34 auf 55 Touren pro Minute der unteren Abzugswalze bequem und rasch
ausführen zu können, sitzt das Getriebe c mit mehreren
Wechselrädchen an einer auf die Welle L aufgeschobenen
Büchse. Da aber der Antrieb der Einzugswalzen erst von der unteren Abzugswalze
ausgeht, so bleibt zufolge der festen Transmission das Geschwindigkeitsverhältniß
der Einzugswalzen und der Abzugswalzen unter allen Umständen gleich, so daß kein
schädlicher Zug auf die Kettenfäden entstehen kann. Was die Einzugswalzen liefern,
nehmen die Abzugswalzen auf und übergeben es direct dem Kettenbaume E, welcher daher mit fortschreitender Bewickelung
langsamer sich drehen muß. Es wird demzufolge die Bewegung von der unteren
Abzugswalze D durch Zahnräder nicht fest, sondern durch
Vermittelung einer speciellen Frictionsscheibenkuppelung
e übertragen, auf deren nähere Einrichtung wir hier
zunächst nicht eingehen wollen.
Zur Regulirung der Dichte der Bewickelung des Kettenbaumes wirkt in steter Berührung
mit demselben die auf Röllchen laufende Druckwalze g,
welche nach Erforderniß für verschieden breite Ketten leicht ausgetauscht werden
kann.
Bei gewöhnlichen Kettenschlichtmaschinen ist man zeitweilig, z.B. zum Anknüpfen
gebrochener Fäden, Austauschen des vollen Kettenbaumes etc., genöthigt die Maschine
gänzlich abzustellen, was man aber stets möglichst abzukürzen sucht, da der
Stillstand den Fäden im Schlichtetrog nachtheilig ist. In der vorliegenden Maschine
ist für solche Fälle die Einrichtung getroffen, daß man die Kette mit nur 1/20 der
gewöhnlichen Geschwindigkeit sich bewegen läßt, langsam genug, um dabei alle
nothwendigen Arbeiten zu verrichten, ohne daß die Kette unbeweglich im
Schlichtetroge und zwischen den Druckwalzen M und N verbleibt.
Zu diesem Behufe rückt der Arbeiter den Antriebsriemen von der Vollscheibe H über die mittlere Losscheibe I auf die schmale Treibscheibe K, welche
mittelst Vorgelegeräder und Sperrradmechanismus f (Fig. 18)
– wie dieser vom Selfactor-Triebstock her bekannt ist – eine
verlangsamte Drehung der Hauptwelle L und dadurch der
ganzen Maschine hervorbringt.
Zum Schlusse bleibt noch übrig auf die Vortheile hinzuweisen, welche die beschriebene
Schlichtmaschine hinsichtlich der bequemen Verpackung und Transportirung vor
Cylindermaschinen voraus hat. Dieß dürfte auch deren rasche Verbreitung in
Deutschland und Oesterreich befördern.
Was endlich den Preis und den Raumbedarf betrifft, so kostet die Maschine, welche
eine Fläche von 10,07 Meter Länge und 2,51 Meter Breite bedeckt, 230 Pfd.
SterlingEine entsprechende Schlichtmaschine mit kupfernem Trockencylinder kostet circa 200 Pfd. Sterling.
loco Acerington; für Verpackung und Zusendung nach einem
englischen Hafenplatz werden 15 Proc. zugeschlagen.