Titel: | Erfahrungen über die beim Bessemerproceß angewandten Maschinen und Bauconstructionen. |
Fundstelle: | Band 207, Jahrgang 1873, Nr. CVII., S. 394 |
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CVII.
Erfahrungen über die beim Bessemerproceß
angewandten Maschinen und Bauconstructionen.
Ueber die beim Bessemerproceß angewandten Maschinen und
Bauconstructionen.
Nach einem Vortrag von Alex. L.
HolleyJournal of the Franklin Institute at
Philadelphia, 1872, vol. LXIV p.
252.frei bearbeitet vonDr. E. F. Dürre, Prof. am
Polytechnicum zu Aachen.
Die Darstellung des Bessemerstahles, obwohl unmittelbar abhängend von chemischen
Gesetzen und deren Anwendung, bietet dennoch ein glänzendes Beispiel der Ausbildung
und erfolgreichen Erweiterung von mechanischen und constructiven Erfahrungen aller
Art.
Die bei dem Windfrischen in dem Converter zur Bewältigung
kommenden mechanischen Probleme sind von ungewöhnlich complicirtem und difficilem
Charakter.
Das behandelte Material und das erzielte Product ist in
flüssigem Zustand und erfordert aus diesem Grund besondere Vorkehrungen, um
bewegt, aufgenommen und ausgeleert zu werden.
Wenn eine Luppe oder Rohschiene, selbst ein Schienenpacket, zu einem
Unfall Veranlassung geben, so kann man sie bei Seite legen; wenn aber fünf Tonnen flüssigen Stahles die Oberhand über Willen
und Dispositionen des Menschen gewinnen, so ist nicht zu sagen, wie man die Quelle
des Unfalles verstopfen soll.
Das feuerfeste Futter der Gefäße, in denen diese Masse
flüssigen Materiales oder Productes enthalten ist, hat alle Zufälligkeiten und Unsicherheiten solcher
Substanzen.
Besondere Vorsichtsmaßregeln sind getroffen, um beim Eintritt von Unfällen den entstehenden Schaden
auf möglichst enge Grenzen zu beschränken.
Die bedeutende Hitze des flüssigen entkohlten Eisens
– von Holley auf nicht weniger als 4000°
Fahrenheit also 2204° Cels. geschätzt (eine viel zu geringe Annahme, da gußfertiges Roheisen bei einer calorimetrischen
Temperaturbestimmung schon 2220° C. ergab) – und seine gewaltsame angreifende Wirkung beim Aufkochen im
Converter, verlangen nicht allein feste und unschmelzbare Fütterungsmaterialien,
sondern auch Einrichtungen welche eine rasche und bequeme Erneuerung resp. Reparatur
des Futters ermöglichen.
Die Unmöglichkeit, die hohe Temperatur des Productes allzu
lange vor Abkühlung zu schützen, verlangt eine sehr bedeutende Schnelligkeit und Sicherheit während des Transportes und des Gusses; ist dieses nicht
der Fall, dann tritt eine zunehmende Production an Bruch ein, abgesehen von den
schädlichen Ansätzen in den Gießgefäßen.
In manchen Industriezweigen sind, wenn eine wichtigere Maschine oder Vorrichtung
beschädigt wird, eine kurze Frist und die Reparaturkosten die einzigen Ausfälle der
Störung; beim Bessemerproceß wird eine stete Bereitschaft und Sicherheit der
Handlung zur absoluten Nothwendigkeit.
Ein Aufenthalt von 10 Secunden beim Niederlassen der Convertermündung, wenn die
Charge fertig ist oder wenn jene sich beschädigt zeigt, verursacht nicht allein den
gewöhnlichen Ausfall an Zeit und Reparaturkosten, sondern einen gewichtigen Verlust
im Product selbst und beträchtliche Reparaturen an Geräthen und Apparaten, die zu
der Ursache des Unfalles in keiner weiteren Beziehung stehen.
Die mechanischen Probleme, welche bei der Einrichtung der
Bessemeranlagen gelöst werden müssen, beruhen zwar keineswegs auf neuen Principien, sind aber von solchem Umfang und
solcher Intensität der Leistung, daß doch eine Reihe neuer Constructionen
erforderlich geworden ist.
Außer den gewöhnlichen Anwendungen des Dampfes, begegnet
man der Anwendung von bis 25 Pfd. pro Quadratzoll
gepreßten Windströmen, ferner dem Gebrauch von Wasser als Transmissionsmittel für Kräfte, wobei die
Transmission unter einem Druck von bis 400 Pfd. pro
Quadratzoll arbeiten muß.
Betrachtet man die technischen Vorgänge beim Vorbereiten
des Rohmateriales, so begegnet man einer namhaften
Steigerung der alten Umschmelzprocesse für Roheisen nach
mehr als zwei Richtungen – Ausbringen,
Kohlenconsum und Durchsatz.
Die Anordnung einer Bessemeranlage zeigt mehrere Theile:
1) eine Schmelzabtheilung, um das Roheisen in den zur Stahldarstellung nothwendigen flüssigen Zustand überzuführen;
2) eine Frischabtheilung, um den Stahl darzustellen,
auszugießen und die Stahlblöcke bei Seite zu schaffen;
3) eine Maschinenabtheilung, in welcher sich das Gebläse und die Druckpumpe zur
Compression des Wassers befinden.
Die amerikanischen Anlagen zeichnen sich besonders durch
die rationelle Niveauvertheilung aus, indem die Apparate so aufgestellt sind, daß
das behandelte Material nur einmal gehoben zu werden
braucht, um dem Proceß übergeben zu werden und denselben zu durchlaufen.
Die Gichtbühne der Kupolöfen ist 37 Fuß, die Basis der Oefen 25 Fuß, die
Converterdrehachse 9 Fuß über der Hüttensohle, während
der Boden der Gießgrube 2 Fuß und der Boden der Souterrains hinter der Gießgrube
reichlich 12 Fuß unter der Hüttensohle sich befinden. (Da
man zur Bedienung der Kupolöfen doch eines Aufzuges
bedarf, so kommt es nicht darauf an, die Aufgebebühne höher zu legen, um an Tiefe
der Dammgrube zu ersparen. Die letztere Rücksicht ist von vorwiegendem Interesse für
die Erleichterung der bloß mechanischen Arbeit.)
Die Analyse der sämmtlichen Apparate in der Bessemerindustrie ergibt zwei
Hauptgesichtspunkte:
1) die Grunderfordernisse, von denen die Stahlproduction
überhaupt abhängt, ob dieselbe nun energisch oder langsam, mit Aufwand oder mit
Ersparnissen geschehe;
2) die mechanischen Verbesserungen, welche allein den
ökonomisch-commerciellen Erfolg einer Anlage begründen.
Als Hauptschwierigkeit ist bezüglich des ersten
Gesichtspunktes die Behandlung von flüssigem Roheisen durch
Windströme von großer Geschwindigkeit zu registriren, und es war dieses
auch thatsächlich die Hauptklippe bei der Einführung des ganzen Verfahrens.
Das Problem ward wesentlich durch die geniale Idee Bessemer's gelöst, die Düsen in das Futter des
Bessemergefäßes vollständig einzubetten oder, anders
ausgedrückt, den Boden des Converters zu durchbohren.
Die Düsen werden mit Thon in den Oeffnungen der
Bodenplatte festgekittet und um die Düsen herum das
Bodenfutter des Gefäßes aus halbplastischem hauptsächlich kieselsäurehaltigem
Material aufgestampft. Dadurch wird in Wirklichkeit der Schutz
der Düsen möglich gemacht und die Haltbarkeit
derselben gesichert; eine Beweglichkeit der Düsen war allerdings nicht mehr denkbar,
ohne das ganze Gefäß zu bewegen.
Diese Bewegung des Converters, das Drehen und Wenden desselben, ist die zweite
charakteristische Eigenheit des Verfahrens. Dadurch wird es möglich, mit
größter Willkür die Einwirkung der Gebläseluft auf das Schmelzmaterial zu reguliren
und weiter ist jede eintretende Unregelmäßigkeit in der Windführung leicht zu
beseitigen.
Jede Verstopfung einer Düse, welche deren weitergehende Unthätigkeit veranlaßt, wird
gehoben durch Wenden des Gefäßes, Abstellen des Windes, Ausstemmen der eingekitteten
Düse und Ausfüllen der Höhlung, wenn nicht mit einer neuen Düse, doch mit
Sand- oder Chamotteklumpen. Nach 5–10 Minuten Verzögerung kann weiter
gefrischt werden und Holley gibt an, daß 3–4
derartige Unterbrechungen vorkommen können, ohne die Tagesproduction zu erniedrigen.
(Bei einem stationären Frischgefäß wäre die Zerstörung
oder der Schaden sehr bedeutend, den Zeitverlust
einstweilen ganz abgerechnet.)
Auch die Düsenbüchse oder der Windkasten bildet einen wichtigen Theil des Systemes, indem ihre Anordnung
durch Lösung einer einzigen Verbindungsfläche gestattet alle Düsen zu revidiren, was
principiell nach jeder Charge zu geschehen hat.
Im Anschluß hieran ist eine minder vortretende, doch eben
so geniale Idee Bessemer's zu erwähnen, die Winddichtung zwischen dem Converterboden und der Oberplatte des Windkastens. Dadurch, daß beide sich nicht berühren,
tritt die Möglichkeit ein, daß:
1) der aus einer Düse sich etwa verlierende Wind keinen
Ausweg neben der Düse und in das Converterfutter sucht;
2) das Abschmelzen einer Düse bemerkt werden kann, ehe der
Windkasten beschädigt wird.
Die Gestalt der Birne bildet die vierte bedeutende Idee in
der Bessemer'schen Einrichtung. Die Innengestalt ist
gebildet mit Rücksicht auf die Widerstände gegen den hydrostatischen Druck und gegen
die Erschütterungen beim Blasen, sowie mit Rücksicht auf die bessere Zusammenhaltung
der Wärme. Der Schnabel der Retorte oder der Hals ist gleich bequem zum Einlassen wie zum Ausgießen des Stahles und zum
Entweichen der gasförmigen Producte. Der Neigungswinkel des Halses verleiht der
Retorte eine solche Capacität, daß sie in geneigter Stellung die ganze Charge
aufnehmen kann, ohne daß Theile davon in die Düsen dringen oder aus dem Maul der
Retorte verloren gehen können.
Es ist in der That kaum zu denken, wie die Form der Retorte noch verbessert werden
oder wie eine andere annehmbar erscheinen könnte.
Die Anordnung der Gießpfanne ist wieder als bedeutender
Fortschritt gegen die bei Gießoperationen sonst gebrauchten Apparate zu registriren.
Das Aufhängen der Pfanne geschah sonst an Krahnketten,
heut in einem festen Ring, der sich leicht drehen läßt. Das Ausgießen erfolgte über den Rand der Pfanne,
jetzt durch eine Oeffnung im Boden, welche mit einem feuerfesten Stöpsel
verschlossen werden kann. Die Befestigung dieses Stöpsels
an einem gebogenen Bügel, der außerhalb der Pfanne an deren Außenwand geführt werden
kann, ist ebenfalls von Bessemer angegeben worden.
Die Hebung der Pfanne erfolgt
durch Hebung der Krahnsäule, die Wendung sowie die Horizontalbewegung durch Handbewegung und kleinere
Mechanismen.
Der zweite Gesichtspunkt bei der Beurtheilung der
Bessemeranlagen ist die Einführung von mechanischen und anderen Verbesserungen an
den Haupteinrichtungen, wodurch allein unter sonst ungünstigen Voraussetzungen,
dauernde ökonomische Erfolge erzielt werden können. Diesen Umstand betont Holley besonders für Amerika, wo hohe Löhne, bedeutendere
Materialunkosten, und schlechte feuerfeste Substanzen die Sache erschweren.
Eine große und regelmäßige Production ist unentbehrlich
zum Erreichen eines commerciellen Gewinnes. Dieselbe Einrichtung an Dampfmaschinen
und Kesseln, dieselben Gefäße, Oefen und Schmelzapparate, die gleiche hydraulische
Einrichtung, Gebäude etc. sind erforderlich und kosten (nach den amerikanischen
Anschlägen) beiläufig 200,000 Dollars, um 6 Chargen zu 5 Tonnen oder 16
Chargen zu 5 Tonnen täglich zu
blasen. Die Ausnutzung der Apparate ist seit wenig Jahren dem entsprechend
auch namhaft gesteigert worden, und während vor 3 – 4 Jahren 6 Chargen,
selbst in England, das Arbeitsmaximum repräsentirten, hat man in Amerika allmählich
18–24 Chargen als Durchschnittsleistung erreicht.
Bei einer kleineren Anlage für Bessemerstahlfabrication stellen sich aber trotz
gesteigerter Leistung der Arbeitslohn und Brennstoffaufwand immer höher als bei einer
größeren Hüttenanlage, die dem gleichen Zwecke dient.
Es gibt bei jedem Apparat, noch mehr aber bei jeder Apparatgruppe, Theile oder
Constructionselemente, welche constant bleiben oder sich wenigstens nicht in
gleichem Maaße verändern, als die den Umfang des Betriebes wesentlich bedingenden
Theile. Es sind dieß beim Bessemerbetrieb die Krahne, zum Theil auch die Gebläse,
Umschmelzapparate u.s.f., deren Kosten sich demnach günstiger auf eine große als auf
eine kleine Anlage vertheilen.
Das Urtheil der amerikanischen Ingenieure bezeichnet eine Anlage mit 5–7
Tonnen großen Convertern und eine Tagesproduction von 100–140 Tonnen Ingots,
als die bei dem jetzigen Stand der Arbeit ökonomisch günstigste.
Eine nothwendige Folge von der Steigerung der Leistungen der
Bessemerapparate und ihres Zubehörs ist das
Anstreben einer größeren Festigkeit und Haltbarkeit in allen Theilen der ganzen
Construction. Es kann dabei nicht die geringste Unsicherheit, Nichthaltbarkeit und
Ungenügendheit geduldet werden, denn ein Fehler oder ein Unglücksfall an einem
kleinen Theil des Ganzen setzt das Ganze in den Zustand kostspieliger und oft
langwieriger Reparaturbedürftigkeit. Bei jeder anderen Maschinenanlage ist eine
Beschädigung nie so ernsthaft.
Die Verdoppelung einzelner Theile ist ein anderes Element
der Maximalproduction, denn auch die vorsichtigste Anordnung und Ausführung
derselben, sowie die größte Festigkeit des Materiales geben keinen genügenden Schutz
gegen Versäumnisse und Verzögerungen.
Ganz unumgänglich nöthig sind zwei Converter. Ein Satz
Düsen hält (in Amerika, wo im Allgemeinen das Material und die Behandlung der
feuerfesten Steine weniger Lob verdienen als in Europa) 4–6 Chargen aus, und
ein neuer Satz mit seinem entsprechenden Boden und Futtertheil, muß eingesetzt,
getrocknet und langsam angewärmt werden, ehe er gebraucht werden kann, so daß
offenbar die Herstellung von 18 Chargen täglich sich als unmöglich herausstellt.
Eine doppelte Gebläsemaschine, d.h. zwei mit einander
verbundene Maschinen sind gewöhnlich einer einfachen Maschine vorzuziehen, wenn sie
auch zur Darstellung eines gleichförmigen Windstromes nicht gerade unentbehrlich
sind.
Zwei nicht mit einander festverbundene Gebläse –
jedes einzelne groß und stark genug, um eine Charge vollkommen mit Wind zu
versorgen, haben den Vorzug einer doppelten Maschine und verhindern jeden Zeitverlust
durch Unfälle oder Reparaturen an der einen Vorrichtung.
Noch einen anderen Vortheil bieten aber zwei Einzelmaschinen: die volle Leistung des
Gebläses wird nämlich nur während etwa 10 Stunden von den 24 gebraucht, um die in
regelmäßigen Zeitintervallen halbstündigen Frischoperationen der 20 Chargen zu
vollenden. Außerdem aber müssen die Gebläsemaschinen immer noch 10–12 Stunden
mit geringerer Kraft arbeiten, um die Converter anzuwärmen. Wendet man in solchem
Fall bei zwei Einzelmaschinen nur eine in langsamem Gange an, so ist es billiger als
wenn eine einzige Zwillingsmaschine zu diesem Nebengeschäft verwendet werden
müßte.
Für die hydraulischen Maschinen des Arbeitsraumes sind zwei
Compressionspumpen unbedingt nothwendig; denn die Compressionspumpe ist
nach Holley's Ausdruck das Herz der
Bessemeranlage und jede Störung in deren Fortbetrieb gefährlich. Die Worthington Doppelt-Pumpen, obwohl selbst
doppeltwirkend, müssen in zweifacher Anlage stets vorhanden seyn.
Jeder der beiden Converter erhält einen besonderen Krahn
zum Demontiren und zum Formeneinsetzen; für eine Production von 80–100 Tonnen
täglich reichen aber auch diese nicht aus, und es wird ein
dritter zugegeben. Außerdem arbeitet noch der Gießkrahn für sich.
Zum Umschmelzen des Roheisens
sind mindestens drei Kupolöfen, jetzt meistens vier,
nothwendig, obwohl stets nur einer im Betrieb ist. Für das Spiegeleisen, welches in Amerika noch immer besonders eingeschmolzen und
zugesetzt wird, sind zwei Kupolöfen unumgänglich
nothwendig.
Diese und manche andere Verdoppelung der Einzeltheile von
den Anlagen ist wesentlich, nicht allein für die Garantie des Fortarbeitens auch beim Eintreten von
Störungen, sondern auch für die gleichzeitige regelmäßige
Führung des Betriebes und der Erneuerungsarbeiten.