Titel: | Ueber eine zur Herstellung von Mousselin-Glas geeignete Emaille; von Dr. H. E. Benrath. |
Fundstelle: | Band 207, Jahrgang 1873, Nr. CIX., S. 402 |
Download: | XML |
CIX.
Ueber eine zur Herstellung von
Mousselin-Glas geeignete Emaille; von Dr. H. E. Benrath.
Aus dem Techniker, 1873, Nr. 6.
Benrath, über eine Emaille zur Herstellung von
Mousselinglas.
Wie für die verschiedenartigsten Compositions-Bedürfnisse der Glashütten, so
bietet die betreffende Fachliteratur auch für Herstellung des undurchsichtigen
Grundes der in mattem Weiß ornamentirten Fensterscheiben des sogenannten
Mousselin-Glases, eine Menge von Vorschriften und Recepten, die sich im
Wesentlichen in zwei Gruppen scheiden lassen. Die eine derselben bilden diejenigen
Scheiben, welche ihr Matt einer aufgeschmolzenen oder richtiger aufgefritteten
dünnen Schicht von pulverförmigem Bleikrystall verdanken, die andere Gruppe begreift
mit einer dünnen Emaille-Schicht überzogene Gläser. Wenn auch meist, und
unterstützt durch die Empfehlung so gewichtiger Stimmen wie jene Bontemp's, das erstere Verfahren gewählt wird, so
sprechen hierbei hervortretende Uebelstände entschieden gegen die Zulässigkeit
dieser Methode; dem erzeugten Matt fehlt die Weichheit des Tones, die der
Feinschliff, dessen Imitation es doch seyn will, besitzt; es ist zu grobkörnig, zu
rauh und scharf, und bedingt diese Eigenschaft dann noch, daß auf derartig
ornamentirten Flächen Staub und Schmutz leicht und fest haften und sich nur schwer
und unvollständig entfernen lassen. Es scheint mir somit geboten, dieses Verfahren
aufzugeben und sich nach geeigneten Schmelzglas-Ueberzügen, welche weichen
Ton mit glatter Oberfläche zu vereinigen gestatten, umzusehen.
An Emaille-Recepten ist kein Mangel, noch aber liegt meines Wissens keine
Untersuchung eines sich in der Praxis bewährenden trüben Glasflusses vor, und schien
mir eine derartige Untersuchung um so mehr geboten, als ein für den in Rede
stehenden Zweck verwerthbarer Fluß, einander theilweise widersprechende
Eigenschaften: Leichtflüssigkeit, gutes Haften an dem zu überziehenden Glase und
möglichst große Widerstandsfähigkeit gegen mechanische wie chemische Agentien, in
sich zu vereinigen hätte.
Vor einigen Jahren erhielt ich in Charleroi (Belgien)
Proben von Mousselin-Glas, aus der Fabrik von E. Pivont daselbst, die als recht gelungen, namentlich auch in Beziehung auf
den Ton des Matt's und seine Gleichmäßigkeit, bezeichnet zu werden verdienten, sich
in den Fenstern sehr gut hielten, nicht leicht schmutzten und sich, in Folge der
glatten Oberfläche, ohne die geringste Schwierigkeit reinigen ließen. In der dünnen
Emaille-Schicht erkannte das unbewaffnete Auge keine unverschmolzenen
Körnchen. Verdünnte Säuren wirkten kaum merklich auf den trüben Ueberzug ein, und
blieb letzterer, selbst dreimal 24 Stunden der Einwirkung ziemlich concentrirter
Salpetersäure ausgesetzt, ungeachtet durch letztere Bleioxyd gelöst worden war, dem
äußeren Anscheine nach, so gut wie unverändert. Mit wässeriger Flußsäure ließ sich
das Matt leicht entfernen, wobei indeß das Muster auf dem blanken Glase erkennbar
blieb; ein Beweis dafür, daß die Emaille-Schichte nicht nur aufgeschmolzen
war, sondern sich innig mit der Oberfläche des sie tragenden zarten Fensterglases
vereinigt hatte, dessen Zusammensetzung folgende war:
Kieselsäure
73,3
Thonerde und Eisenoxyd
0,9
Kalk
13,2
Natron
12,6
–––––
100,0
Mit Schwefelammonium betupft, nahm die Probe bald einen leichten, namentlich auf
weißem Hintergrunde deutlich erkennbaren Stich in's Graue an. – Das zur
Herstellung des Matt benutzte Emaille-Pulver, welches von Pivont damals aus zweiter Hand bezogen wurde und
angeblich theuer war, ist sehr fein und gleichmäßig gemahlen, wahrscheinlich
außerdem geschlämmt, weiß mit einem Stich in's Graubraune, läßt unter dem Mikroskop
keine verschiedenartigen Gemengtheile erkennen, und gibt an Wasser keine löslichen
Bestandtheile ab. Selbst von verdünnten Säuren wird es unter Lösung von Bleioxyd und
borsaurem Salz stark angegriffen, doch läßt die Einwirkung nach der ersten
Behandlung bald fast
völlig nach. Die Analyse ergab die Zusammensetzung:
Kieselsäure
42,99
Borsäure
6,25
Kohlensäure
Spur
Zinnoxyd
7,01
Bleioxyd
37,78
Eisenoxyd
0,11
Thonerde
0,07
Kali
2,95
Natron (Procentdeficit)
2,84
––––––
100,00
Gruppirt man, um sich die Zusammensetzung zu veranschaulichen, die
Einzelbestandtheile, die Bildung von Silico-Boraten vorläufig außer Acht
lassend, so gewinnt man folgende Uebersicht:
Bleikrystall (KO, PbO, 6 SiO²)
27,2
dreifach-kieselsaures Bleioxyd (PbO,
3SiO²)
52,8
Borax (wasserfrei)
9,0
Zinnoxyd
7,0
Ueberschuß an Bleioxyd
3,8
Thonerde und Eisenoxyd
0,2
–––––
100,0
Was die Basicität anbelangt, so ist mithin die Emaille gewöhnlichem Tafelglase so wie
dem Bleikrystalle analog zusammengesetzt, im Uebrigen ähnelt sie einer von Stein („Glasfabrication“ S. 172)
angeführten Composition:
SandPotascheBoraxKrystallbrockenMennigeZinnoxyd
100 Thle. 70
„ 50
„100
„ 80
„ 16 „
woraus sichberechnet:
KieselsäureBorsäureZinnoxydBleioxydKaliNatron
41,29,24,330,310,84,2
–––––––
–––––
416 Thle.
100,0
nur, daß in letzterer mehr Borsäure vorhanden und ein Theil
des Bleioxydes durch Kali vertreten ist.
Aus der oben angeführten Zusammensetzung der belgischen Emaille berechnet sich die
Composition für dieselbe, in runden Zahlen, als bestehend aus:
Sand
100 Theilen
Mennige
110 „
Krystallbrocken
110 „
Borax (entwässert)
35 „
Zinnasche
25 „
Daß ein- oder zweimaliges Abschrecken und Wiederumschmelzen rathsam, versteht
sich bei derartigen Gemengen von selbst, ebenso daß auf die Herstellung eines
möglichst feinen und gleichmäßigen Pulvers die größtmögliche Sorgfalt zu verwenden
ist.
Praktische Versuche mit obigem Flusse anzustellen, war ich bisher nicht in der Lage,
doch ist am Gelingen derselben nicht zu zweifeln. Eine ausführliche Beschreibung des
Verfahrens bei der Herstellung von Mousselin-Glas bietet Flamm in seinem „Le
verrier du XIX. siècle“
(Paris, Lacroix 1863) und hiernach übersetzt Graeger in seiner „Glasfabrication“
(Weimar, Voigt 1868).
Eine gefährliche Concurrenz ist in neuester Zeit dem bisherigen Verfahren der
Mousselinglas-Fabrication im Erwachsen, in dem durch Tilghman in Philadelphia gefundenen Verfuhren des Schleifens durch
mittelst eines Luftstromes gegen das Glas geschleuderten Sand,Beschrieben im polytechn. Journal, 1872, Bd. CCVI S. 265. von dessen überraschendem Erfolge ich mich wiederholt persönlich zu
überzeugen Gelegenheit gehabt, und das dazu angelegt zu seyn scheint, Schleiferei
wie Emaillirung bei Flächen-Ornamenten allmählig aus dem Sattel zu heben.
Spiegelfabrik bei Dorpat, im Januar 1873.