Titel: | Prüfung der Shoddywolle, nach Dr. Robert Schlesinger. |
Fundstelle: | Band 207, Jahrgang 1873, Nr. CXV., S. 414 |
Download: | XML |
CXV.
Prüfung der Shoddywolle, nach Dr. Robert Schlesinger.
Schlesinger, über Prüfung der Shoddywolle.
Die Shoddywolle, bekanntlich dargestellt aus einem Gemenge von schon gebrauchter
Wolle mit mehr oder weniger frischer, zuweilen auch mit etwas Seide, Leinen und
Baumwolle,Man sehe: Grothe, die Mungo- und
Shoddy-Fabrication, im polytechn. Journal, 1871, Bd. CXCIX S. 15. läßt sich ihrem äußeren Aussehen nach von neuer Wolle nur schwer
unterscheiden, während sie in ihrer Güte und Dauerhaftigkeit weit hinter derselben
zurücksteht. Es ist daher angemessen, die Erkennungszeichen derselben genau festzustellen, da bei dem
großen Preisunterschiede der beiden Wollsorten eine Verfälschung nahe liegt, ja im
Handel schon vorgekommen ist. Diese Feststellung hat nun Dr. Robert Schlesinger versucht, wie er in
seiner empfehlenswerthen Schrift „Mikroskopische Untersuchungen der
Gespinnstfasern“ (Zürich 1873, Verlag von Orell, Füßli und Comp.) mittheilt. Wir
entnehmen dieser Schrift das Nachstehende.
Die Untersuchung der Shoddy zerfällt naturgemäß in zwei Theile erstens in die
qualitative und zweitens in die quantitative Bestimmung der einzelnen Sorten von
Gewebefasern.
Was die erstere anlangt, so wird man, wenn man die präparirte Shoddy bei einer
100- bis 150 fachen Vergrößerung unter dem Mikroskop beobachtet, meist neben
beschuppten Wollhaaren den glatten, structurlosen Seidenfaden bemerken, öfters auch
den dickwandigen Leinenfaden oder die spiralig um sich selbst gewundene Baumwolle.
Die Farbe dieser Fäden ist meist eine höchst verschiedene, so daß das Präparat ein
sehr buntes Bild gibt. Nachdem man sich auf diese Weise bei mehreren Präparaten von
der Anwesenheit der verschiedenen Gewebefasern überzeugt hat, läßt man zur
Bestätigung der Beobachtung einen Tropfen Kupferoxydammoniak auf das Object
einwirken; dieses wird die Seide und Baumwolle rasch zerstören und später erst den
Leinenfaden angreifen, um zuletzt die Wolle zur schwachen Aufquellung zu bringen.
Bei einer zweiten Probe wird concentrirte Schwefelsäure die Wolle rothfärbend in
Lösung führen.
Nachdem man auf diese Weise ermittelt hat, aus welchen Gewebefasern die vorliegende
Shoddy zusammengesetzt ist, muß man noch eine derselben, nämlich die Wolle, genauer
in's Auge fassen; es ist nämlich zu bestimmen, ob dieselbe vollständig oder bloß zum
Theil aus schon gebrauchten Schafwollhaaren besteht.
Hierzu ist es vor Allem nothwendig, die Farben-, wie auch die
Structur- und die chemischen Verhältnisse beider Wollsorten mit einander zu
vergleichen. Der am grellsten in die Augen fallende Unterschied der verschiedenen
Wollhaare ist die Farbe derselben. Bei den meisten Shoddys kommen gefärbte und
ungefärbte Wollfäden vor; die letzteren erscheinen entweder rein weiß oder sie
tragen noch deutliche Spuren ehemaliger Farbe auf sich, welche durch Bleichen
entfernt wurde. Die gefärbten Haare sind, wie es bei den besseren Sorten der Fall
ist, einfarbig; bei den schlechteren hingegen sind meist mehrere Farben vertreten.
Das allein ist scholl ein kräftiger Beweis, daß die einzelnen Haare keiner
gemeinschaftlichen Färbungsprocedur unterworfen waren, daß also ihre eigentliche
Farbe das Product einer
Färbung ist, welche sie in einem früher von ihnen gebildeten Gewebe erhalten haben.
Dem unbewaffneten Auge ist dieser Umstand deßhalb völlig unbemerkbar, weil sowohl in
Folge gleichmäßiger Vertheilung, als auch des Ueberwiegens der einen oder anderen
Farbe, das äußere Ansehen der Shoddy ein ziemlich gleichförmiges ist. (Eine
Verwechselung mit chinirter Wolle ist nicht möglich, da auf letztere die Farben
einzeln und absatzweise, aber nicht gemengt aufgetragen sind.)
Ein zweiter Hauptunterschied der beiden Wollsorten liegt in der Größe ihrer
Durchmesser. Das Shoddywollhaar ist nie so gleichförmig regelrecht gebaut, hat nie
einen so constanten Durchmesser als die frische Wolle; es verengt sich in seinem
Verlaufe allmählich oder plötzlich, erweitert sich dann mit einer unförmigen
Ausbuchtung, um sich hernach wieder zu verdünnen oder eine Strecke regelmäßig zu
verlaufen. An manchen Stellen sind die Schuppen verloren gegangen, an anderen ist
das Haar gezerrt, wodurch an diesen Stellen der Durchmesser des Wollhaares häufig
unter sein gewöhnliches Maaß herabsinkt; eine Breite derselben von 0,01 Millimeter
und darunter gehört nicht zu den Seltenheiten. Auch die Länge der Wolle bietet einen
weiteren Anhaltspunkt zur Erkennung der Shoddy.
Schließlich bietet das Verhalten der Wollsorten gegen Kali- oder Natronlauge
noch einen wichtigen Anhaltspunkt dar, um sie von einander zu unterscheiden. Die
Shoddywolle wird nämlich durch Laugen viel rascher angegriffen, quillt daher auch
schneller auf, als das noch unverletzte neue Wollhaar.
Die quantitative Bestimmung der einzelnen Gewebefasern, aus denen die Shoddy
zusammengesetzt ist, kann in doppelter Weise ausgeführt werden: erstens auf rein
chemischem Wege und zweitens durch das Mikroskop. Da aber unsere Methoden zur
qualitativen Bestimmung große Fehlerquellen haben, so können wir auch hier nur auf
sehr ungenaue Resultate rechnen; deßhalb kann auch der Zweck einer solchen
Untersuchung nur der seyn, einen Begriff davon zu bekommen, wie viel Procente von
jeder Gewebefaser etwa in der zu untersuchenden Shoddy enthalten sind. Als chemische
Probe, um Wolle und Seide von der Baumwoll- und Leinenfaser zu trennen,
genügt das Kochen der Shoddy in concentrirter Natronlauge; in dieser lösen sich die
ersten beiden auf, während die beiden letzten zurückbleiben. Um Wolle von Seide zu
trennen, wird concentrirte Schwefelsäure angewendet, in welcher sich nach kürzester
Zeit die Seide auflöst, während die Wolle zurückbleibt. Es muß gleich nach
geschehener Auflösung der Seide stark verdünnt werden, da sonst auch die Wolle
angegriffen würde. Die größte Schwierigkeit bei diesen Methoden liegt in der Trennung der stark
aufgeschwollenen Wolle von der gelatinösen Masse der aufgelösten Seide. Man benutzt
zu diesem Zwecke ein Filter aus grobem Gewebe, welches zwischen den einzelnen Fäden
genug Zwischenraum darbietet, um einer dicklichen Flüssigkeit den Durchtritt zu
gestatten, ohne aber zu gestatten, daß Wollfäden mitgerissen werden könnten. Da
dieselben durch ihre aufgerichteten Schuppen sehr leicht cohäriren, erhält man einen
filzigen Rückstand, der mühelos getrocknet und gewogen werden kann. Es ist rathsam,
einige Parallelversuche zu machen, da die durch dieselben corrigirten Zahlen einen
bedeutend größeren Werth erhalten.
Die quantitative Prüfung der Shoddy durch das Mikroskop kann auf folgende Weise
vorgenommen werden: Man macht mit größtmöglicher Sorgfalt einige Präparate des zu
untersuchenden Objectes, wobei man besonders darauf achtet, daß die einzelnen
Gewebefasern möglichst wenig einander kreuzen, also ziemlich parallel liegen. Diese
Präparate werden mit einer 20- bis 50 fachen Vergrößerung beobachtet;
letztere braucht bloß dem Beobachter zu erlauben, die Abstammung der einzelnen Fäden
zu erkennen, muß ihm aber gestatten, ein möglichst großes Gesichtsfeld gleichzeitig
zu überblicken. Nun notirt man, wie viel von jeder Faserart auf allen Präparaten
enthalten ist. Diese Zahlen geben dann das beiläufige Mischungsverhältniß der
verschiedenen Gewebefasern; sie zeigen aber auch die Mengen der nach Fäden
geordneten Wollfäden an, wenn dieser Umstand bei der vorgenommenen Zählung
berücksichtigt wurde.