Titel: | Die maschinenmäßige Bereitung des Flachses im Vergleich mit der Handbereitung desselben; von J. Peter, Bezirkshauptmann in Wien. |
Fundstelle: | Band 207, Jahrgang 1873, Nr. CXXV., S. 453 |
Download: | XML |
CXXV.
Die maschinenmäßige BereitungUnter maschinenmäßiger Bereitung ist hier voraus die mechanische Bereitung z.B.
in Bereitungsanstalten, also die Maschinenschwingerei mit Riemenbetrieb zu
verstehen, da die Handmaschinenschwingerei doch nur von nebensächlicher
Bedeutung ist. des Flachses im Vergleich mit der Handbereitung desselben; von J. Peter, Bezirkshauptmann in Wien.
Peter, über die maschinenmäßige und Handbereitung des
Flachses.
Auf allen Productionsgebieten wo die Maschine eingeführt wurde, hat sich noch immer
ein Ringen ergeben zwischen der herkömmlichen Handarbeit und der neuzeitlichen
Maschinenanwendung, aus welchem, wie ja nicht zu leugnen ist, meist die Maschine den
Sieg davon trug; und zwar auf einigen Gebieten so vollkommen, daß sie das bloße
Werkzeug gänzlich verdrängte, auf anderen doch immerhin so weit, daß das letztere
auf gewisse Arten seiner Arbeitsgattung sich zu beschränken gezwungen wurde.
Man kann nicht behaupten, daß die Maschine allemal durch die technische
Vorzüglichkeit ihrer Leistung die Ueberhand gewann, wohl aber immer durch ihre
arbeitsparende Brauchbarkeit, ihre Oekonomie. Nicht darum ist sie in der
Güterschaffung zur Herrschaft gekommen, weil sie besser, sondern darum, weil sie
immer wohlfeiler leistet.
Das Gebiet der Flachsbereitung ist nun ohne Zweifel eines derjenigen Arbeitsgebiete,
in welchen die Maschine nicht durch technisch bessere, sondern durch ökonomisch
vortheilhaftere Leistung sich Eintritt verschafft hat; ferner zählt sie zu jenen
Arbeitsgebieten, in welchen die Maschine obgleich zu vorwiegender, doch kaum zu
ausschließlicher, sondern nur zu beschränkter Geltung kommen dürfte, d.h. mit
Freilassung eines Stückes für das Werkzeug.
Brech- und Schwingmaschinen sind in beträchtlicherem Maaße zuerst in den
vierziger Jahren in Irland, und Mitte der fünfziger Jahre in Belgien und anderwärts
angewendet worden. Sie haben gegenwärtig eine Ausbreitung und Entfaltung gewonnen,
daß es nicht angeht, wie noch häufig geschieht, auf die flandrische Handbereitung
als die allein empfehlenswerthe hinzuweisen, denn diese ist im eigenen Lande von der
mechanischen Bereitung in ziemlichen: Maaße zurückgedrängt worden. In Irland werden
etwa 75 Proc. der Flachsernte in Bereitungsanstalten und (einschließlich einer
beschränkten Handmaschinenbereitung) 25 Proc. mit der Hand gereinigt; in Belgien
kommen fast 50 Proc. der Flachsernte auf Maschinenarbeit mit Riemenbetrieb, 10 Proc. auf
Handmaschinen und kaum mehr als 40 Proc. noch auf die Handschwingerei.
Gewiß ist, daß Handflächse höher werthgeschätzt werden als Maschinenflächse.Flächse welche auf der Maschine (gebrecht und) geschwungen sind, heißen
Maschinenflächse; solche die mit der Hand geschwungen sind, gleichviel ob
das Brechen mittelst Werkzeuges oder Maschine geschah, heißen
Handflächse. Der qualitative Unterschied, was Reinheit, Weichheit, Glanz der Faser und
Zertheilung des Bastes anbelangt, ist bis 20 Proc. zu Gunsten der Handflächse, und
die Preise folgen dem Unterschiede. Doch gilt dieß, was wohl zu bemerken, nur von
jenen Flachsen welche schon als Rohflachs ein ausgezeichnetes
Erzeugniß waren, also von den von Natur feinen Flachsen.
Die relative Mangelhaftigkeit des Maschinenflachses gegenüber dem auf flämische oder
holländische Art bereiteten Handflachse ist in der That im wörtlichen Sinne so
greifbar, daß die Kundigen an einer dargereichten Flachsriste, mit geschlossenen
Augen, durch den bloßen Griff fast unfehlbar zu erkennen vermögen, ob er
Maschinen- oder Handflachs ist.
Diesen relativ mangelhaften Arbeitseffect hat keineswegs das maschinenmäßige Brechen,
sondern das maschinenmäßige Schwingen. Insbesondere rügt man an den in Irland und
Belgien üblichen Schwingmaschinen, welche sich als das vorzüglichere System
Anerkennung verschafft haben:
1) daß sie den Flachs an den Enden der Riste überarbeiten (zerschlagen), in der Mitte
aber zu wenig reinigen;
2) daß sie die Faser reißen;
3) daß sie im Flachse Knotungen verursachen, wodurch er reichlicher in's Werg geht
und minder werth wird; überhaupt, daß sie einen größeren Gewichtsverlust an
Langflachs erzeugen.Der lässige Handschwinger bringt zwar wenig fettig, schont aber den Flachs
und macht eine große Ausbeute an Langflachs; der lässige Maschinenschwinger
zerschlägt und verdirbt den Flachs zu Werg.
Wie einfach nämlich auch die Schwingarbeit nur aus wiederholten schlichten Strichen
oder Schlägen sich zusammensetzt, so sind die technischen Vorzüge des verständigen
Schwingens (teillage intelligent) vor dem
maschinenmäßigen doch sehr bedeutend; denn der Schwingschlag des Handschwingers ist
elastischer und geht von einer Kraft aus, welche nicht nur den gefällten Schlag und
seinen Widerstand empfindet, sondern als Reflex der Empfindung sofort Maaß und Ziel
der Bewegung verändern kann; der Schwingschlag des Handschwingers ist eine
Bewegungscurve (a b), während er von der Maschine in
einer fast unbeweglichen Senkrechten geschieht.
Textabbildung Bd. 207, S. 455
Dem gegenüber kommen aber der mechanischen Schwingerei andere technische und
ökonomische Vorzüge zu, welche bedeutend genug sind, um ihre Zukunft zu sichern:
1) sie schont die Kräfte des Arbeiters, welcher sonst mit dem Schwingbeil eine der
ermüdendsten Arbeiten zu leisten hatte;
2) sie läßt ihm beide Hände frei, so daß er sie ausschließlich zum Handhaben des
Arbeitsstoffes (Wenden u.s.f.) auf's Nützlichste verwenden kann;
3) an derselben Partie Rohstoffes schafft sie eine gleichmäßigere Arbeit;In diesem Sinne ist es richtig, was Felhoen-Pequeriau (Recherches et
expériences) sagt: „Die mechanische Schwingerei
ist darin der Handschwingerei überlegen, daß ihre Ausbeute an Langflachs
aus demselben Flachsstroh bei allen Arbeitern annähernd dieselbe ist.
Von der Handschwingerei wäre dieß zu viel verlangt; denn die Kraft des
Armes welcher das Schwingbeil führt, ist selbstredend bei jedem Arbeiter
eine andere, der eine reinigt den Flachs etwas mehr, der andere etwas
weniger; die Ausbeute ist bald höher bald geringer, ihrer Güte nach bald
geschmeidiger bald spröder. Allein was hier ein natürlicher Mißstand
ist, wäre dort reine Fahrlässigkeit.“
4) sie erheischt weniger Arbeitskräfte und begnügt sich mit minder geübten;
5) sie arbeitet wohlfeiler, weßhalb sie für geringere Flächse, welche die Kosten des
Handschwingers nicht ertragen könnten, sehr vortheilhaft ist;
6) sie arbeitet wohlfeiler und schneller: denn ein Handschwinger schlägt in der
Minute höchstens 20 mal und macht im Tag 3 Kil. fertig, die Maschine kann über 2000
mal schlagen (wobei freilich nicht alle Kraft ausgenutzt wird) und macht
12–18 Kil. rein, weßhalb sie vorgezogen wird, wenn der Markt mit dem Product
befahren werden soll.
Die beiden letzten Vorzüge der mechanischen Schwingerei sind nicht selten von
entscheidender Bedeutung. Schlägt z.B. der Flachs zu kurz aus, um mit Vortheil
handgeschwungen zu werden, so kann dennoch die Flachsernte des Landes, welche sonst
theilweise der Verwüstung anheimfallen würde, für die Spinnerei brauchbar gemacht
werden; in solchen Fällen pflegt in der That in Belgien eine sehr vermehrte
Beschäftigung in den
Bereitungsanstalten einzutreten.Kortryker Handelskammerbericht v. J. 1868. Ferner kann gegenwärtig das geringere Werg, welches vor 20 Jahren in den
belgischen Spinnereien kaum beachtet, sondern als werthlos dort verworfen (an
manchen Orten verbrannt) wurde, gegenwärtig, so kurz es ist, durch die mechanische
Schwingerei gut gereinigt werden und gibt nun einen Spinnstoff, welcher sich zu
einem noch recht guten Garn verbrauchen läßt, wodurch dem Lande ein Werth von
jährlich 1 – 1 1/2 Millionen Francs erhalten bleibt.
Die schnellere Arbeit der mechanischen Bereitung ist aber
von besonderer Bedeutung z.B. bei sinkender Tendenz der Flachspreise; hier gilt es,
sollen die Flachsspeculanten nicht in große Verluste gerathen, die Rohvorräthe so
bald als möglich zu realisiren, und dazu ist die Bereitungsanstalt eine gern
angerufene Aushülfe.
Die Raschheit der Arbeit ist ferner von Werth im Beginn des jährlichen
Herbstgeschäftes; denn sehr häufig erzielen dann die ersten am Markte Erscheinenden
die besten Preise, weil die Spinnereien ihre Vorräthe aufgezehrt haben und ihre
dringendsten Bedürfnisse zu decken suchen;So bewirkte die Erschöpfung der Spinnerei-Vorräthe i. J. 1868 von
October bis December eine Preissteigerung des Flachses um 50 Proc. dieser Grund ist z.B. in Holland, wo die Ernte wegen der Samengewinnung
ohnedieß später fällt als in Belgien, für die Einführung der mechanischen
Schwingerei von solcher Bedeutung, daß davon eine erfolgreichere Concurrenz mit den
belgischen Flächsen bedingt wird, obschon Holland hinlängliche und geschickte
Handarbeitskräfte besitzt.Der Nachtheil holländischer Flachseigner in Folge verspäteter Anfuhr beträgt
nicht selten 20–25 Proc. (Mededeelingen van
het Bestuur der Maatschappij ter bevordering der Vals-Industrie,
No. 3 p. 9.)
Die technischen und ökonomischen Resultate der mechanischen und werkzeugmäßigen
Schwingerei stellen sich auf das Klarste durch eine ziffermäßige Vergleichung
heraus. Wiederholt und mit aller Sorgfalt hat man in Belgien solche Vergleichungen
durchgeführt; ein Beispiel davon ist folgendes.
Von einer Partie Röstflachs d. i. von Flachs welcher auf demselben Acker geerntet und
derselben Röste unterworfen worden, unterzog man 100 Kil. der mechanischen und
andere 100 Kil. der Handbereitung westflandrischer Art; der Arbeitsstoff war ein
edler Mittelflachs, und das Ergebniß wie folgt:
100 Kil. handgeschwungen, ergaben:
Langflachs:
25 Kil. à 3,50 Fr., werth
87 Fr. 50 C.
Werg:Toppen sind das Fallwerg welches sich
beim Vorschwingen ergibt (émonchures
de la dernière qualité); Schudders das Fallwerg am
Reinschwingstand (émonchures de
moyenne qualité), von schudden = secouer; Snuitjes oder Snuiten das Werg welches der
Feinschwinger auszieht (émonchures de
première qualité); Kammerlingen ergeben sich bei der
Aufmachung (opmaking, bottelage) und
sind werthvoller als Hechelwerg (etoupes de
peignage).
7 Kil. Toppen
à 0,14 Fr.
0 Fr. 98 C.
2 „
Schüdders
à 0,30 Fr.
0 Fr. 65 C.
2 „ Snuiten
à 0,65 Fr.
0 Fr. 30 C.
1/2 „ Kammerlingen
á 1,10 Fr.
0 Fr. 55 C.
––––––––––––––––––––––––––––––
zusammen:
90 Fr. 95 C.
100 Kil. mechanisch geschwungen,
ergaben:
Langflachs:
23 1/2 Kil à 3 Fr., werth
70 Fr. 50 C.
Werg:
8 Kil. Toppen
à 0,12 Fr.
0 Fr. 96 C.
2 „
Schüdders
à 0,30 Fr.
0 Fr. 60 C.
1 „ Snuiten
à 0,60 Fr.
0 Fr. 60 C.
––––––––––––––––––––––––––––––
zusammen:
72 Fr. 66 C.
Die Handbereitung ergab also einen Productenwerth von
90 Fr. 93 C.
die mechanische einen solchen von nur
72 Fr. 66 C.
die technische Ueberlegenheit der
ersteren über die letztere erreicht
somit für 100 Kil. Röstflachs einen
––––––––––––––––––––––––––––––
Werthausdruck von
18 Fr. 27 C.
Die 100 Kil. welche
handgeschwungen wurden, gaben eineAusbeute von 25 Kil. Langflachs zum
Preise von 3 Fr. 50 C. proKil., also
87 Fr. 50 C.
außerdem an Werg, welches gewohnheitsgemäß vomHandschwinger
dem Eigenthümer des Flachses verabfolgtwird:
2 Kil. Schüdders
à 0,30 Fr.
0 Fr. 60 C.
2 „ Snuiten
à 1,65 Fr.
1 Fr. 30 C.
1/2 Kil. Kammerlingen
à 1,10 Fr.
0 Fr. 55 –
2 Fr. 45 C.
––––––––––––––––––––––––––––––
zusammen Brutto-Ertrag
89 Fr. 95 C.
Die Arbeitskosten beliefen sich
auf 0,60 Fr. per Kil. Langflachs,also bei
einer Ausbeute von 25 Kil. auf
15
Fr. – C.
Dazu 7 Kil. Toppen (das
schlechteste Werg welches dem Arbeiterüberlassen wird) à 0,14 Fr. = 0,98 Fr.
– 98
C.
––––––––––––––––––––––––––––––
Bleibt ein Reinertrag von
73 Fr. 97 C.
Dagegen ergaben die 100 Kil.
Röstflachs, welche dermechanischen Bereitung unterzogen wurden, eine
Ausbeutevon 23 1/2 Kil. à 3 Fr.,
also
70 Fr. 50 C.
Die Kosten betrugen an
Geldleistung per Kil. Ausbeutung0,25 Fr.,
daher für 23 1/2 Kil. 5,80 Fr.
Hierzu kommt der Werth des
Werges, welches übungsmäßigganz dem Besitzer der Anstalt verbleibt,
nämlich:
8 Kil. Toppen
à 0,12 Fr.
0 Fr. 96 C.
2 „ Schüdders
à 0,30 Fr.
0 Fr. 60 C.
1 „ Snuiten
à 0,60 Fr.
0 Fr. 60 C.
–––––––––––––––
daher Arbeitskosten
8 Fr. 04 C.
–––––––––––––––
Bleibt ein Reinertrag von
62 Fr. 46 C.
Die Handschwingerei ergab rein
73 Fr. 97 C.
die mechanische Schwingerei dagegen
62 Fr. 46 C.
––––––––––––––––––––
blieben zum Vortheil der Handbereitung
11 Fr. 51 C.
Während also die technische Ueberlegenheit
der Handbereitung.
18 Fr. 27 C.
erreichte, betrug die ökonomische
weniger, aber immerhin doch
11 Fr. 51 C.
In solchem Falle wird kein belgischer Flachsinhaber seinen Röstflachs der
mechanischen Bereitung übergeben, er müßte denn aus sonstigen Gründen, z.B. durch
die Nothwendigkeit rasch zu verwerthen, dazu bestimmt werden.
Ist aber der Flachs schon von Natur von geringerer Güte, d.h. ist die Faser, sie
werde nun mit der Maschine oder mit der Hand gereinigt, nicht hochfein, und geht sie
reichlicher in's Werg, so werden die Differenzen, was Ausbeute und Werth der Faser
anlangt, für die beiden Bereitungsarten in engere Grenzen zurücktreten, ja
vielleicht ganz verschwinden, während die Kosten, weil sich der Flachs im Verhältniß
zu seiner Ausbeute schwer arbeitet, zwar auch für beide Bereitungsweisen, aber mehr
zu Ungunsten der Handbereitung steigen.
Als technisches Resultat ergibt sich:
100 Kil. Röstflachs, handgeschwungen, gaben:
Langflachs:
20 1/2 Kil. à 2,50 Fr.,
werth
50 Fr. 75 C.
an Werg:
8 Kil.
Toppen
à 0,10 Fr.
0 Fr. 80 C.
1 1/2 Kil. Schudders
à 0,26 Fr.
0 Fr. 39 C.
1 1/2 Kil. Snuiten
à 0,56 Fr.
0 Fr. 84 C.
––––––––––––––––––––
zusammen:
52 Fr. 78 C.
100 Kil. Röstflachs, mechanisch bearbeitet,
ergaben:
Langflachs:
20 Kil. à 2,40 Fr., werth
48 Fr.
an Werg:
9 Kil.
Toppen
à 0,08 Fr.
0 Fr. 72 C.
1 1/2 Kil. Schüdders
à 0,24 Fr.
0 Fr. 36 C.
1/2 Kil. Snuiten
à 0,50 Fr.
0 Fr. 25 C.
––––––––––––––––––––
zusammen:
49 Fr. 33 C.
––––––––––––––––––––
Das technische Resultat ist hier nicht mehr als
3 Fr. 45 C.
zu Gunsten der Handbereitung; das wirthschaftlich
Ergebniß:
100 Kil. Röstflachs, mechanisch bearbeitet, gaben
eine Ausbeute von 20 Kil. à 2,40 Fr.
macht einen Brutto-Ertrag von
48 Fr.
Die Kosten sind im Gelde 0,30 Fr. per
Kil., also
für 20
Kil.
6 Fr. 00 C.
„
9
Kil. Toppen
à 0,08 Fr.
0 Fr. 72 C.
„ 1 1/2
Kil. Schüdders
à 0,24 Fr.
0 Fr. 36 C.
„ 1/2
Kil. Snuiten
à 0,50 Fr.
0 Fr. 25 C.
––––––––––––––––––––
7 Fr. 33 C.
––––––––––––––––––––
Bleiben rein
40 Fr. 67 C.
100 Kil. Röstflachs, handgeschwungen, ergaben:
20 1/2 Kil. à 2,50 Fr., macht
50 Fr. 75 C.
an Werg zweiter und dritter
Qualität:
1 1/2 Kil. à 0,26 Fr.
0 Fr. 39 C.
1 1/2 Kil. à 0,56 Fr.
0 Fr. 84 C.
––––––––––––––––––––
Brutto-Ertrag:
51 Fr. 98 C.
Die Kosten betragen 0,70 Fr. per
Kil.
Langflachs, macht für 20 1/2
Kil.
14 Fr. 70 C.
dazu 8 Kil. Toppen à 0,10 Fr.
0 Fr. 80 C.
––––––––––––
Kosten zusammen:
15 Fr. 50 C.
Bleiben rein:
36 Fr. 48 C.
Die mechanische Bereitung ergab rein
40 Fr. 67 C.
die Handbereitung ergab dagegen rein
36 Fr. 48 C.
––––––––––––––––––––
bleibt zu Gunsten der ersteren ein Vortheil
von
4 Fr. 19 C.
D.h. trotz eines technischen Nachtheiles (Minderwerthes des Productes) von 3,45 Fr.
per 100 Kil. Röstflachs, ist es um 4,19 Fr. per 100 Kil. Röstflachs wirthschaftlich vortheilhafter,
die mechanische Bereitung eintreten zu lassen, oder mit anderen Worten: der
Arbeitswerth welcher durch die mechanische Bereitung erspart wird, ist um 4,19 Fr.
per 100 Kil. Röstflachs größer als die Werthminderung
des Productes durch dieselbe im Verhältniß zur Handbereitung.
In solchen Fällen wird dann die mechanische Bereitung so gewiß vorgezogen werden, als
Gewinn und Concurrenz die Production reguliren.
Es ist also wirthschaftlich, die Anwendung der Hand-
oder mechanischen Bereitung je nach der Qualität des Rohflaches, erstere beim
besten, letztere bei mittlerem und ordinärem Gut eintreten zu lassen.
Diese Ansicht ist auch schon in Belgien ausgesprochen worden.Kortryker Handelskammerbericht v. J. 1868.
Wahrscheinlich wird die Handbereitung deßhalb sich sehr beträchtlich beschränken und
allgemein der mechanischen Schwingerei weichen müssen, ähnlich wie die Handreinigung
der Baumwolle nur ausnahmsweise für die besten Sorten angewendet, in der Regel aber
durch den Wolf (Teufel) oder die Flackmaschine ersetzt wird.Karmarsch's mechanische Technologie, vierte
Auflage, S. 1049.
Dieser Proceß wird durch die fortschreitende Verbesserung der
Flachsbereitungsmaschinen, deren diese noch sehr fähig und bedürftig sind, durch
erhöhte technische Ausbeutungsfähigkeit was Menge und Güte der Faser anbelangt,
jedenfalls begünstigt werden.
Man denke nur an die Geschichte der Rübenzuckerfabrication, daß bis zum Jahre 1845
die Darstellung von 1 Ctr. Rohzucker 20 Ctr. grüne Rüben, zehn Jahre später aber nur
noch 12 1/2 Ctr. Rüben erforderte.
Aehnlich, wenn auch nicht mit so außerordentlichen Differenzen, mag es mit der die
Flachsbereitung betreffenden maschinenmäßigen Technik (und dem von entsprechender
Cultur abhängigen Fasergehalt des Flachses) noch kommen.
Die Aufnahme der mechanischen Flachsbereitung wird ferner, abgesehen von
fortschrittlich verbesserter Technik, befördert:
a) durch Mangel an Arbeitskräften (Kostspieligkeit
derselben) für die Handschwingerei, sey es, daß die gehörige Zahl von Kräften
überhaupt, oder doch von tauglichen und willigen Kräften fehle;Je mehr z.B. Irland durch die Auswanderung tauglicher Kräfte beraubt wurde,
desto mehr mußte die Flachsbereitung der Maschine anheimfallen, wie dieß in
der That in ungewöhnlichem Maaße der Fall ist. die Landbevölkerung ist im Allgemeinen sehr wenig geneigt, die flandrische
oder holländische Handschwingerei aufzunehmen;
b) durch eine Landauftheilung zu Gunsten des mittleren
oder großen Besitzes,
ohne Vorherrschen des Gesinde- oder Innleutewesens (ein Fall welcher zum
Theil mit dem vorhergehenden zusammenfällt);
c) durch Concentrirung des Flachshandels in größeren
Händen; hierin und im Verhältnisse sub b) liegt der
Grund der Erscheinung, daß von den westflandrischen (Lys-) Flächsen, bekanntlich der kostbarsten Sorte, schon 75 Proc.
mechanisch, und nur mehr 25 Proc. mit der Hand bereitet werden, während von den
nächst werthvollen blauen Flachsen Ostflanderns (bei zwergwirthschaftlicher
Landvertheilung und kleinen Händen) noch 80 Proc. der Hand- und nur erst 20
Proc. der mechanischen Bereitung zufallen;
d) durch landesübliche Unzweckmäßigkeit oder
Schleuderhaftigkeit der Bereitung;
e) durch schon vorhandene Arbeits- und
Unternehmungstheilung auf dem Gebiete der Flachserzeugung;
f) durch Entwickelung des Sinnes für
Unternehmungstheilung überhaupt, durch Unternehmungslust und Eintritt in die
neuzeitliche Geldwirtschaft (also durch wirthschaftliche Entwickelung
überhaupt);
g) durch Production eines geringeren
Stengelflachses;
h) durch sehr reichlichen Flachsbau, besonders für den
Handel (Ulster);
i) durch wohlfeile Communicationsmittel
(Canalschifffahrt in Belgien, gute Straßen etc.).
Umstände hingegen, welche für Erhaltung oder Aufnahme der rationellen Handbereitung,
also gegen Einführung der mechanischen Bereitung Einfluß haben, sind:
α) hinreichende, der Handbereitung kundige und
gewohnte oder doch dazu geschickte Arbeitskräfte; aus diesem Grunde wird z.B. in
Holland zäher als in Belgien, besonders in Westflandern an der Handschwingerei
gehalten;
β) Vorherrschen der Zwerggüter, deren Inhaber
(Eigenthümer, Pächter) die Flachsbereitung als winterliche Füllarbeit ausüben
(Württemberg);
γ) reichliches Hausgesinde oder Innleutschaft auf
mittleren und größeren flachsbauenden Gütern. Weil nämlich in den beiden letzten
Fällen, welche gewöhnlich mir einer minder entwickelten Geldwirthschaft
zusammenfallen, die häusliche Bereitung gar nicht oder nur sehr gering bewerthet zu
werden pflegt, so will der Bauer für seinen Rohflachs ziemlich dasselbe Einkommen
erzielt haben, welches ihm der Verkauf des zubereiteten Flachses einbringt, d.h. die
Bereitungsanstalt sollte eine Arbeit zahlen, die nicht geleistet wurde; noch weniger
hat er Ursache die mechanische Lohnbereitung anzugehen. (Ein in Oesterreich und Deutschland sehr
häufiger Grund für den Fehlschlag von Bereitungsanstalten, z.B. im Böhmerwald,
Oberösterreich u.s.w.)
δ) Vorhandenseyn einer Classe kleiner,
capitalarmer Flachshändler, die zugleich Schwinger sind (Keutses in Ostflandern);
ε) Aufkäuferhandel (z.B. im ganzen herzynischen
Flachsgebiet);
ζ) Production hochfeiner Flächse;
η) beschränkte Production für den
Hausgebrauch;
ϑ) schlechtes Communicationswesen;
ι) Mangel an tauglichen, frei verfügbaren
Motoren.
Wägt man die Momente ab, welche nach Obigem für und wider die beiden Bereitungsarten
in verschiedenen Gegenden eintreten, so ergibt sich, daß noch an vielen Orten die
Handbereitung eine hinreichend dauerhafte Bestandfähigkeit sich zusprechen darf, um
eine Einwirkung im Sinne ihrer rationellen Veredlung zu rechtfertigen, wenn es auch
kaum zweifelhaft seyn kann, daß für die große Masse des Handelsflachses die
mechanische Bereitung in Zukunft doch zur allgemeinen Geltung kommen muß.
Zweierlei mag noch als volkswirthschaftliche Wirkung der mechanischen Bereitung
– ob günstiger oder ungünstiger Art, beurtheilt sich nach den örtlichen
Verhältnissen – bemerkt werden:
Eine Folge der Einführung mechanischer Bereitung ist, unter sonst nicht ungünstigen
Umständen, die ermöglichte Ausdehnung des Flachsbaues; so trat in Belgien eine
Verdoppelung der mit Flachs besetzten Ackerarea, großentheils als Folge der
Bereitungsanstalten, seit 20 Jahren (i. J. 1846 nur 29,879 Hektaren, i. J. 1866 aber
57,045 Hektaren) ein, so daß die Handbereitung nach öfter wiederkehrenden Notizen in
den belgischen Handelskammerberichten, obgleich die mechanische Bereitung 50 Proc.
der Flachsernte an sich gezogen hat, kaum an Umfang und Bedeutung einbüßte. Wir
finden eine erstaunliche Elasticität in der Ausdehnung des Flachsbaues in Irland wo
die mechanische Bereitung überwiegend ist, dagegen eine verhältnißmäßige Stetigkeit
desselben in Holland bei ausschließlicher Handschwingerei.
Endlich neigt die mechanische Bereitung, im Gegensatze zur Maschine, im Allgemeinen
nicht zur städtischen Concentrirung, woran sie der voluminöse Rohstoff hindert; sie
ist also geeignet, den Zug der ländlichen Bevölkerung zur städtischen Volksanhäufung
zu vermindernKortryker Handelskammerbericht v. J. 1868. und der Landwirtschaft die sommerlichen Arbeitskräfte ebenso zu erhalten wie
die Handbereitung.