Titel: | Kryolith und seine Stellvertreter in der Glasindustrie; von Richard Zsigmondy. |
Autor: | Richard Zsigmondy |
Fundstelle: | Band 271, Jahrgang 1889, S. 36 |
Download: | XML |
Kryolith und seine Stellvertreter in der
Glasindustrie; von Richard
Zsigmondy.
Kryolith und seine Stellvertreter in der Glasindustrie.
Der Kryolith wird, seitdem er in bedeutenden Quantitäten in den Handel gebracht
wurde, mit groſsem Vortheile in der Glasindustrie zur Darstellung von Milch- oder
Opalgläsern verwendet.
Als vor etwa 3 Jahren die Ausbeutung der Kryolithlager in Grönland von der dänischen
Regierung der Oeresund-Company übertragen wurde, stieg
der Preis dieses Minerales so bedeutend, daſs die Glasfabrikanten sich allgemein
nach einem Ersatze des kostspieligen Kryolithes umsahen.
Man machte mit mehr oder weniger Glück Versuche, den Kryolith durch Gemenge von
Feldspath und Fluſsspath zu ersetzen. Diesen Versuchen verdankt das sogen. Spathglas
seine Entstehung.
Aus jener Zeit stammt auch eine Abhandlung von C.
WeinrebZur Kenntniſs des Kryolithglases, 1885 256
361., der Fluornatrium, gemengt mit Thonerde haltigen Mineralien
als passenden Ersatz des Kryolithes vorschlug. Um den Fluſsspath fabrikmäſsig in
Alkalifluorid umzusetzen, würde man denselben nach Weinreb unter Zusatz von Sand mit Soda oder Potasche, oder auch mit Sulfat
und Kohle am besten in Drehöfen schmelzen.
Bald darauf wandte ich mich, veranlaſst durch einen österreichischen
Glasindustriellen dem Studium derselben Frage zu. Es war mir bald klar, daſs das
Fluorkalium als Ersatz für Kryolith zu theuer wäre, da man bei seiner Darstellung
durch Schmelzen von Fluſsspath mit Potasche einen erheblichen Ueberschuſs der
letzteren anwenden müſste, von dem sich das Fluorkalium nicht trennen lieſse, und
man, selbst bei Anwendung von reinem Fluorkalium, bedeutend mehr Kali in das Glas
schmelzen würde, als demselben sonst zugesetzt wird. Dadurch würde aber der Ersatz
des Kryolithes theurer zu stehen kommen, als dieser selbst. Es bleibt also auſser
einigen, in der Natur in nicht allzu groſsen Mengen vorkommenden Fluor haltigen
Mineralien, z.B. der Lepidolith nur mehr das Fluornatrium, das mit Vortheil statt
des Kryolithes verwendet werden könnte. Einige Versuche, dasselbe nach dem von Weinreb angegebenen Verfahren herzustellen, zeigten mir
jedoch, daſs dasselbe sich ökonomisch im Grossen auch nicht durchführen lieſse, da
man beim Zusammenschmelzen von Fluſsspath mit etwas Kieselsäure und dem nöthigen
Ueberschuſs von Soda, falls derselbe nicht sehr groſs gewählt wird, in Wasser sehr
schwer erweichende Schmelzen erhält, aus denen sich nur wenig Fluornatrium
extrahiren läſst; selbst wenn es aber gelingen würde, leicht erweichende Fritten zu
erhalten, so würde die Schwerlöslichkeit des Fluornatrium (1 : 23) das Eindampfen
von groſsen Quantitäten Wasser nöthig machen, was den Prozeſs wesentlich vertheuern
würde.
Diese Umstände gaben mir Veranlassung, auf Grundlage der Weinreb'schen Angaben ein neues Verfahren zur Darstellung von Fluornatrium
auszuarbeiten.
Bevor ich jedoch zur Beschreibung meiner eigenen Versuche übergehe, halte ich es für
nothwendig, die Chemie der Kryolith- und Spathgläser eingehender zu besprechen und
daran eine vergleichende Betrachtung der Eigenschaften beider zu reihen.
Schon im J. 1869, also bald nach Einführung des Kryolithes in die Glasindustrie,
wurden zwei einander gänzlich widersprechende Ansichten über das Verhalten des
Kryolithes im geschmolzenen Glase von zwei verschiedenen Autoren ausgesprochen, Benrath1869 192 240. gelangt auf Grund seiner
Analysen und Versuche zur Annahme, daſs der Kryolith sich mit der Kieselsäure nach
folgender Gleichung umsetzt:
Al2Fl66NaFl + 14SiO2 = 3SiFl4 + 3Na2O, Al2O3, 11SiO2
und schreibt die Trübung der Kryolithgläser der
ausgeschiedenen Thonerde zu. Williams1869 192 412. nimmt das
Kieselfluornatrium als trübenden Bestandtheil an und erklärt den Vorgang etwa
folgender Weise: Fluornatrium tritt mit dem aus Kieselsäure und Kryolith gebildeten
Fluorsilicium zu Kieselfluornatrium zusammen; der Rest des Fluors entweicht als
Fluorsilicium und die übrige Kieselsäure verbindet sich mit dem Zinkoxyde, dem
gebildeten Natron und Aluminiumoxyde zu einem Gemische von Silicaten, das von der
Zusammensetzung des Glases nicht wesentlich abweicht.
Auch P. Ebell (1877 225 77)
machte die Kryolithfrage zum Gegenstande einiger Versuche. Er schmolz wie Benrath 1 Th. Kryolith mit 2 Th. Sand zusammen und
untersuchte das geschmolzene Opalglas. Er fand darin – entgegen der Behauptung Benrath's – 1,74 Proc.
Fluor. Des Weiteren bewies er, daſs durch einen Ueberschuſs von Kieselsäure
sämmtliches Fluor ausgetrieben werden kann und daſs das erschmolzene Glas nicht mehr
trüb anläuft. Durch Zusammenschmelzen von 100 Th. Glasbrocken mit 10 Th.
Kieselfluornatrium erhielt er ein farbloses Krystallglas.
Hagemann und Jörgson (1874 213 223) zeigten, daſs sowohl Gläser, die mit Fluſsspath, als solche, die
mit Kryolith geschmolzen sind, Fluor enthalten.
Einige Jahre später befaſste sich Weinreb (1885 256 362) mit derselben Frage und erwies durch seine
Versuche zur Evidenz, daſs Fluornatrium allein, sowie Thonerde allein, dem Glassatze
allein beigemischt, keine Trübung im Glase hervorruft; daſs man aber durch Gemenge
beider tadellose Milchgläser erzeugen könne.
Schlieſslich spricht noch H. Schwarz in seinen
GlasstudienVerhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleiſses 1887; vgl. auch
1888 267 223 u. ff. die Ansicht aus – wohl ohne von Weinreb's Arbeit Kenntniſs zu haben – daſs die Trübung
der Fluorgläser aller Wahrscheinlichkeit nach auf die Bildung von Kieselfluornatrium
zurückzuführen sei.
Betrachten wir nun die Grundlagen, auf welche die einzelnen Autoren ihre Behauptungen
stützen, etwas näher. Benrath fand in einem Glase der
Hat-cast Porcelain Company: 67 Proc. SiO2, 11 Proc. Al2O3 und 20 Proc. Na2O.
– Er schmolz Kryolith mit der doppelten Menge Kieselsäure zusammen und fand, daſs
sämmtliches Fluor als Fluorsilicium entweicht. Eine geringe Menge Fluor dürfte dabei
doch im Glase zurückgeblieben sein und sich seiner Beobachtung entzogen haben; denn
reine Thonerde ruft keine Trübung im bleifreien Glase hervor, wie Ebell und Weinreb bewiesen
haben, und der folgende von mir angestellte Versuch zeigen wird:
70dg
Sand
25
Kaolin
10 Al2O311 SiO2
34
Soda
wurden im Siemens-Ofen geschmolzen. Es resultirte ein leicht
schmelzbares Krystallglas ohne die leiseste Trübung; diese trat auch bei
wiederholtem Nachwärmen des Glases nicht auf. Dem fertigen Glase kommt annähernd
folgende Formel zu:
\frac{2}{5}\,\mbox{Al}_2\mbox{O}_3\,\frac{7}{5}\,\mbox{Na}_2\mbox{O}.6\mbox{SiO}_2.
(Ich beziehe hier, wie in der Folge der besseren Uebersichtlichkeit halber, die
Formeln der Gläser auf 6SiO2 und schreibe daher
Bruchtheile von Molekülen; aufgelöst würde die Formel 2Al2O3.7Na2O.30SiO2 lauten.) Die beiden von Weinreb im Platintiegel geschmolzenen Gläser haben
nahezu folgende Formeln: ½Al2O3, Na2O,6SiO2 und ⅔Al2O38/5Na2O, 6SiO2; ersteres war krätzig und ungar, letzteres
wasserklar. Wie man sieht, läſst sich eine groſse Quantität Thonerde ohne Schaden
einem selbst kalkfreien Glase einverleiben, nur muſs man dann den Alkaligehalt etwas
über das normale Maſs steigern.
Williams fand als Durchschnitt von 5 Analysen folgende
Zusammensetzung eines amerikanischen Kryolithglases:
SiO2
63,84
Al2O3
7,86
Fe2O3
1,50
MnO
1,12
ZnO
6,99
CaO
1,86
MgO
0,25
Fl
8,05.
Warum Williams gerade Kieselfluornatrium als trübenden
Bestandtheil des Glases annimmt, einen Körper, der in der Glühhitze gar nicht
beständig ist, ist nicht recht einzusehen. Kieselfluormetalle verlieren bei
fortgesetztem Glühen alles Fluorsilicium (Berzelius)
unter Zurückbleiben der Fluormetalle (vgl. auch Gmelin-Kraut, Handbuch der Chemie). Williams
leitet auf Grund seiner Analysen folgende Formel für das Kryolithglas ab: 2(R2O33SiO2 + 3[RO3SiO2]) +
NaFlSiFl2. Zu bemerken ist, daſs Williams noch die alten Aequivalentformeln gebraucht.
RO bedeutet ZnO, CaO, MgO, MnO und Na2O. Aus seinen
Daten habe ich folgende Formel abgeleitet, unter der Annahme, daſs Fluoraluminium
den trübenden Bestandtheil des Glases bildet:
Na2O, 9/10RO, 6 SiO2 + ½ Al2Fl6,
eine Formel, die mit der eines Glases wohl viel mehr
Aehnlichkeit hat, als die von Williams. Berechnet man
aus dem Aluminiumgehalt die angewendete Menge Kryolith, so kommt man zu folgendem
Glassatz:
100
Th.
Sand
46,7
„
Kryolith
10
„
Zinkweiſs.
Es haben sich dann 2,5 Th. Fluor als NaFl und 12,3 als SiFl4 verflüchtigt, also etwas mehr als die Hälfte des Gesammt-Fluorgehaltes.
Das Zinkoxyd hat hier zur Silicatbildung beigetragen und dadurch das Fluoraluminium
vor Zersetzung geschützt.
Auch aus den Daten, die C. Weinreb gibt, geht deutlich
hervor, daſs zugesetzte Oxyde oder Carbonate einen Theil des Kryolithes vor
Zersetzung schützen. Die Analyse eines von Weinreb
untersuchten österreichischen Kryolithglases lautet, auf 100 SiO2 bezogen, folgendermaſsen:
SiO2
100
Al2O3
4,0
CaO
4,9
K2O
5,6
Na2O
12,1
Fl
4,8.
Aus dem Thonerdegehalte des Glases berechnet sich ein Zusatz von 16,4 Th. Kryolith,
entsprechend 8,9 Th. Fluor. Gefunden wurden 4,8 Th. Fl, so daſs sich also fast die
Hafte Fl verflüchtigt hat. Aus der Analyse habe ich folgende Formel abgeleitet:
⅚R2O, ⅓CaO, 6SiO2, 1/7Al2Fl6.
Auch hier hat die Kieselsäure nur zersetzend auf den Kryolith
eingewirkt, um sich der zur Glasbildung nöthigen Menge Alkali zu bemächtigen. Durch
Zusammenschmelzen von 100 Th. SiO2, 20 Th. NaFl, 8
Th. K2CO3, 7 Th.
Na2CO3, 8 Th.
CaCO3 und 6 Th. Al2(OH)6, eines dem berechneten Glassatze
entsprechenden Gemenges erhielt Weinreb ein tadelloses
Kryolithglas. Jedenfalls hat hier die Kieselsäure zur Glasbildung die Hälfte des
angewendeten Fluornatriums zersetzt, während die andere Hälfte sich mit dem
Aluminiumoxyde in Fluoraluminium und Natriumoxyd umgesetzt hat; unter dieser
Voraussetzung entspricht das erschmolzene Milchglas folgender Zusammensetzung:
R2O, ⅓CaO, 6SiO2, 1/7Al2Fl6.
Als weiterer Beleg für die Beobachtung Weinreb's, daſs
Fluornatrium allein ein Kalkglas nicht opak macht, kann ich einen von mir
ausgeführten Versuch anführen: In einem Chamottetiegel von etwa 1k,5 Inhalt wurde folgender Satz im Siemens-Ofen geschmolzen:
Sand
65dg
Potasche
18
Soda
5
Kalk
13
NaFl
9.
Um das Fluornatrium vor der Einwirkung der Flammen zu schützen, wurde der Hafen mit
einem passenden Deckel versehen. Bald nachdem der Tiegel in den Ofen eingesetzt war,
zeigte sich eine heftige Reaction: Der Deckel beginnt zu tanzen, das Glas raucht und
der Tiegel bekommt Längsrisse; es bedurfte der ganzen Aufmerksamkeit der Schmelzer,
um den Tiegel vor einem verderblichen Seitensprunge in einen benachbarten Hafen zu
bewahren. Nach dem Erkalten zeigte sich das erschmolzene Glas wasserhell und der
Tiegel war heftig angegriffen.
Wenn ich nicht fürchten müſste, zu weitläufig zu werden, könnte ich noch einige
Beispiele aus der Literatur, sowie eigene Versuche über Kryolithgläser anführen: ich
würde damit aber nichts wesentlich Neues bringen, und so gehe ich denn zur
Zusammenfassung obiger Betrachtungen über, aus denen sich folgende lehrreiche Sätze
ableiten lassen:
1) Der trübende Bestandtheil des Kryolithglases ist nicht Kieselfluornatrium, wie vor
nicht gar langer Zeit ein gewiſs genauer Kenner der Chemie des Glases behauptet hat,
sondern wahrscheinlich Fluoraluminium.
2) Fluornatrium, sowie Kieselfluornatrium, einem guten Kalkglase zugesetzt, sind
nicht im Stande, dasselbe zu trüben. Ersteres entsteht in der Glühhitze aus
letzterem und beide verflüchtigen sich bei der Temperatur des Siemens-Ofens aus dem Glase.
3) Fluornatrium und Thonerde, gemeinsam dem Glassatze zugefügt, geben gute
Opalgläser.
4) Fluorverbindungen der Metalle wirken auf freie Kieselsäure bei Weiſsglühhitze
gerade so aufschlieſsend ein, wie die Fluſsſäure bei gewöhnlicher Temperatur. Dabei
entsteht Fluorsilicium und das werthvolle Fluor entweicht. Ist die Kieselsäure
gebunden, so schmelzen sie mit dem Silicate unverändert zusammen.
5) Die Zusammensetzung guter Kryolithgläser weicht nicht wesentlich von der anderer
Gläser ab, nähert sich sehr der der Alabastergläser (z.B. R2O, ⅕CaO, 6SiO2) und
läſst sich annähernd durch folgende Formel ausdrücken:
R2O,(⅓ bis 1) RO, 6SiO2 + (1/7 bis ½)Al2Fl6.
Jenen Glasfabrikanten, die den Kryolith beibehalten, ist daher anzurathen, eine dem
Fluornatrium im Kryolith äquivalente Menge Kaolin, Thonerdehydrat oder Feldspath dem
Glassatze zuzusetzen, sie werden dadurch viel Kryolith ersparen.
Im Widerspruche mit dem unter 2) Angeführten scheinen einige Versuche von O. Schott (Sprechsaal Bd.
85, S. 386) zu stehen. Schott schmolz folgende
Gemenge:
I.
II.
III.
Soda
30
100
–
NaFl
100
85
160
SiO2
370
330
320
Minium
–
75
320
und erhielt dicht milchweiſse Gläser. Die Originalabhandlung
war mir leider nicht zugänglich; wahrscheinlich wurde bei verhältniſsmäſsig
niedriger Temperatur geschmolzen. Die Schmelze I weicht so vollständig von der
Zusammensetzung eines Glases ab, daſs sich die Trübung leicht erklären läſst: Freie
Kieselsäure schmilzt mit Fluornatrium noch unter dessen Schmelzpunkt unverändert
zusammen (vgl. Gmelin-Kraut). Hier gesellt sich zu
dieser Schmelze noch etwas Natriumsilicat. Wurde dagegen bei hoher Temperatur
geschmolzen, so ist die Trübung der Aufnahme von Al2O3 aus dem Tiegel zuzuschreiben.
Die Undurchsichtigkeit der Gläser II und III ist wohl der Bildung von PbFl2 zuzuschreiben. Dafür sprechen auch zahlreiche
Versuche von H. Schwarz (Glasstudien, Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des
Gewerbfleiſses). Bleihaltige Normalgläser wurden mit wechselnden Mengen von
CaFl2 und KFl zusammengeschmolzen und dabei gut
opake Gläser erhalten.
Spathglas. Die ersten Versuche zur Herstellung von
opaken Gläsern aus Fluſsspath unter Zusatz von Thonerde haltigen Mineralien wie
Feldspath, waren meist von Miſserfolgen begleitet. Schon im J. 1879 lieſs sich N. Kempner eine „Milchglascomposition aus Feldspath,
Fluſsspath und Schwerspath“ patentiren. Ich glaube kaum, daſs der Autor der
Patentschrift, der sich darin übrigens einige wissenschaftliche Blöſsen gegeben, mit
seinem Patente bedeutende Erfolge erzielt hat. Es könnte sein, daſs der Schwerspath
die unangenehmen Eigenschaften derartiger Gläser modificirt, Gemenge von Feldspath
und Fluſsspath allein geben, dem Glassatze zugesetzt, stets ungleiche, schlierige
Gläser, die den Hafen stark angreifen und für die Praxis unbrauchbar sind.
Ich rieth, dem Glassatze Kaolin zuzufügen. Das half; man erhielt gleichmäſsig opake
Gläser, die den aus Kryolith geschmolzenen an Schönheit wenig nachstanden. Bald aber
zeigte sich ein anderer Uebelstand. Während die Wand des Hafens ganz unversehrt
blieb, war am Boden desselben eine groſse Menge halbkugelförmiger Vertiefungen in
den verschiedensten Gröſsen von 1 bis 10cm
Durchmesser bemerkbar, die mit durchsichtiger, glasartiger Materie erfüllt waren.
Den Uebergang dieser kesselförmigen Gruben in die Chamottemasse des Hafens bildet
eine harte, porzellanartige Rinde. Man konnte durch vergleichende Betrachtung
förmlich das Wachsen dieser unwillkommenen Gäste beobachten; wo ein solches Grübchen
auftritt, dort friſst die Masse weiter und zwar so lange, bis der Hafen leck ist,
was oft nach ein bis zwei Tagen geschah. Nach dem Erkalten des Hafens konnte man
durch Klopfen die auf diese Weise gebildeten Glaszapfen leicht von Chamotte befreien. Die Analyse
eines mir eingesandten Probestückes führte zu folgender procentischer
Zusammensetzung:
SiO2
61,56
Proc.
Al2O3
19,58
„
FeO
0,80
„
Na2O
3,79
„
K2O
3,61
„
PbO
0,94
„
MgO
1,77
„
CaO
6,65
„
Fl
0,65
„
–––––––––––
99,45
Proc.
Die Anwesenheit von Bleioxyd ist darauf zurückzuführen, daſs dem Glassatze etwas
Minium beigefügt wurde. Bei der Aufschlieſsung mit Fluſssäure blieb ein fein
vertheilter, weiſser Rückstand, der erst bei wiederholter Behandlung mit Fluſssäure
und Schwefelsäure in Lösung ging und gröſstentheils aus Al2O3 bestand. Erst nach dieser Operation
konnte das Bleisulfat rein erhalten werden.
Wie man sieht, nähert sich die Zusammensetzung dieser Glastropfen sehr der eines
Feldspathes, und unterscheidet sich davon hauptsächlich durch den Mehrgehalt an
Kalk. – Die chemische Zusammensetzung, die halbkugelige Form, die eigenthümliche
Erscheinung des Wachsens dieser Zapfen, ferner Beobachtungen während des Schmelzens
lassen folgende Erklärung dieser merkwürdigen Erscheinung als die wahrscheinlichste
erscheinen: Der Fluſsspath schmilzt noch lange bevor die zur Glasbildung
erforderliche Temperatur erreicht ist, und flieſst entweder unverändert, oder
nachdem er sich mit den Alkalien des Glassatzes theilweise zu jenem leichtflüssigen
Gemenge von Fluoriden umgesetzt hat, die H.
SchwarzGlasstudien, Verhandlungen des Vereins zur
Beförderung des Gewerbefleißes, 1887. beim Schmelzen
eines Kryolithglases erhalten hat, in die halb gefrittete Masse des Glassatzes
Kanäle bohrend nach abwärts bis auf den Boden der Hafen, durchdringt die Glasur
derselben, schlieſst die Chamotte auf unter Abgabe des Fluors und bildet unter
Aufnahme von Glas jene geschmolzenen Zapfen, deren Analyse oben mitgetheilt. Ist
einmal ein Kanal gebildet, so wird anderer Fluſsspath leicht denselben Weg zum Boden
finden und diesen gerade dort treffen, wo schon anderes Fluorcalcium zum Schmelzen
der Chamotte Veranlassung gegeben hat; auf diese Weise erklärt sich leicht das
Gröſserwerden der Vertiefungen.
Da auch andere Versuche, Spathglas herzustellen, an ähnlichen Uebelständen
scheiterten, trachtete man, und dies mit gröſserem Erfolge, den Kryolith wenigstens
theilweise durch andere Mineralien zu ersetzen. Einen Glassatz, der sich in der
Praxis wohl bewährt hat, kann ich hier mittheilen:
Sand
100
Th.
Potasche
7,1
„
Soda
12,2
„
Fluſsspath
7,4
„
Kryolith
7,4
„
Orthoklas
7,1
„
Kaolin
1,9
„
Statt der beiden letzten Gemengtheile könnte man auch 11 Th. Feldspath anwenden,
müſste dann aber etwas weniger Sand und Potasche zusetzen.
H. Schwarz bringt in seinen ebenso werthvollen als
interessanten Glasstudien auch die Analyse eines Spathglases, die ich hier wegen
eines merkwürdigen Umstandes wiedergebe:
SiO2
67,8
Proc.
Fe2O3
0,28
„
ZnO
9,2
„
CaO
8,0
„
MgO
1,2
„
Na2O
9,0
„
K2O
0,2
„
Fl
3,54
„
Höchst auffallend ist das gänzliche Fehlen von Thonerde in diesem Glase; man kann
hier die Trübung bloſs der Bildung von Fluorzink zuschreiben, das in der
erstarrenden Glasmasse jedenfalls ebenso unlöslich ist, wie Fluoraluminium,
phosphorsaurer Kalk, Zinnasche und eine Reihe anderer Körper.
Nicht uninteressant sind auch einige Angaben von Hock
über sogen. „französischen Opal“ (1877 224 624);
er fand durch Analyse dieses vorzüglich opaken Glases:
SiO2
63,7
Proc.
PbO
16,5
„
Fe
0,3
„
Al2O3
16,8
„
K2O
2,3
„
und erhält durch Zusammenschmelzen von 100 Th. Feldspath mit
22 Th. Minium ein gutes Opalglas. Also ein Opalglas ohne Fluor! Es scheint in
Bleigläsern die Thonerde weit weniger löslich zu sein als in bleifreien, was
vielleicht mit der niederen Temperatur, bei der erstere geschmolzen werden, in
Zusammenhang steht.
Der groſse pecuniäre Gewinn, der mit dem Verdrängen des Kryolithes aus der
Glasindustrie verbunden ist, hat es dahin gebracht, daſs gegenwärtig einige Fabriken
den oben erläuterten Uebelstand der Spathgläser – das Durchbohren der Hafenböden –
durch passende Modificationen im Schmelzprozesse überwunden haben und Spathgläser
ganz ohne Zusatz von Kryolith schmelzen. Ein derartiges Glas, das jetzt mit groſsem
Vortheile geschmolzen wird, führt zu der Formel ¾K2O, 6/7CaO,
⅓ZnO6SiO2, ⅕Al2Fl6; den Glassatz dazu kann ich leider,
da er Fabriksgeheimniſs bildet, hier nicht mittheilen.
Dagegen will ich einige Eigenschaften dieses Glases anführen, die beweisen werden,
daſs selbst das beste Spathglas noch mancherlei zu wünschen übrig läſst: Das Glas
ist häufig ungleich durchgeschmolzen, etwas schlierig, zeigt an der Oberfläche
fettige Stellen, die von nicht vollständig gelöstem Fluorcalcium herrühren, und gibt
mitunter viel Ausschuſswaare. Auſserdem sind die fertigen Waaren nie so satt weiſs
wie Kryolithgläser; den Grund davon läſst ein Blick auf die mitgetheilte Formel
sofort erkennen: Durch das Fluorcalcium kommt viel Kalk in das Glas, und dieser
wirkt, wie unsere Erfahrungen bei Alabaster- und Knochengläsern lehren, stark lösend
auf jedes Trübungsmittel. – Dunkle Farben als Ueberfang schimmern durch das Glas,
ebenso grelle Flammen.
Diese und andere Nachtheile sind der Grund, daſs der Kryolith noch immer in gröſserem
Maſsstabe in Glasfabriken verarbeitet wird. Möge es mir gestattet sein, an dieser
Stelle die Ansicht eines bedeutenden russischen Glasfabrikanten anzuführen: Ich
halte das Kryolithglas immer noch für das billigste, sagte dieser; will man den
Kryolith durch Späth ersetzen, so gibt es so viel Ausschuſs, daſs der Mehraufwand an
Glas und Arbeitslohn durch den Gewinn an Kryolith nicht gedeckt wird.
Aus dem Mitgetheilten geht zur Genüge hervor, daſs ein kalkfreies Fluorid, falls es
zu billigen Preisen in den Handel gebracht werden kann, immer noch einen
wünschenswerthen Stellvertreter des Kryolithes bilden würde. Vielleicht ist das
Fluornatrium, gemengt mit Thonerde, Zinkoxyd oder Minium, dazu berufen, in Zukunft
den Kryolith zu ersetzen.
(Schluſs folgt.)