| Titel: | Zur Entwickelung der deutschen Koksindustrie. | 
| Autor: | W. Koort | 
| Fundstelle: | Band 271, Jahrgang 1889, S. 445 | 
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                        Zur Entwickelung der deutschen
                           								Koksindustrie.
                        Mit Abbildungen auf Tafel
                              									24.
                        Zur Entwickelung der deutschen Koksindustrie.
                        
                     
                        
                           Die Kokserzeugung in den hervorragendsten Staaten der Erde betrug vor einigen Jahren
                              									nach Angabe von Simmersbach in der Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen, 1887
                              									S. 325, mehr als 24 Millionen Tonnen jährlich, welche einen Gesammtwerth von etwa
                              									266 Millionen Mark darstellen. An dieser Production ist Deutschland mit etwa 4⅓
                              									Millionen Tonnen im Werthe von etwa 39 Millionen Mark betheiligt. Nach den
                              									Veröffentlichungen des Kaiserl. statistischen Amtes betrug die Ausfuhr an Koks im
                              									Reiche im J. 1888 9176838 MC. und die Einfuhr 2686352 MC. Solche Ziffern beweisen,
                              									daſs die Kokserzeugung eine Groſsindustrie geworden ist. Sie steht in enger
                              									Beziehung zur Roheisenerzeugung, denn ohne Koks würde es nicht möglich sein, solche
                              									Mengen, nämlich mehr als 100t Roheisen täglich in
                              									einem Hochofen zu erzeugen.
                           Wenngleich die Anfänge der Steinkohlenverkokung in England zu suchen sind, so ist
                              									doch gerade in unserem Vaterlande dieser Industriezweig durch Einführung besserer
                              									Ofensysteme zur höchsten Blüte gelangt.
                           Ursprünglich verkokte man Steinkohle unter Luftzutritt in Meilern, später traten an
                              									Stelle der letzteren offene Verkokungsöfen mit rechtwinkeligen Formen, die sogen.
                              									Feld-, Stadel- oder Schaumburger Koksöfen. Die letzteren sind noch nicht vollständig
                              									verschwunden. Man benutzt sie gegenwärtig noch in Schlesien und im Schaumburgischen
                              									(Obernkirchen), weil die hier vorkommende Wälderthonkohle sich stark aufbläht und
                              									daher eine Verkokung in geschlossenen Oefen nicht gestattet. Darauf folgte eine
                              									dritte Art Oefen, die Back-, Rund- oder Bienenkorböfen, bei welchen die Erhitzung
                              									der Kohle im Ofen oben anfängt und die Koksbildung daher von oben nach unten
                              									erfolgt. Dieselben werden wegen des geringen Ausbringens (etwa 55 Proc.), da ja ein
                              									beträchtlicher Theil der Kohle im Ofen verbrennt, und der verhältniſsmäſsig hohen
                              									Betriebskosten bei uns nicht mehr gebaut, wohingegen sich dieselben in England und
                              									den Vereinigten Staaten noch groſser Beliebtheit erfreuen.
                           Erst seit der Mitte dieses Jahrhunderts gelangten Ofenconstructionen in Aufnahme, bei
                              									welchen die Erhitzung des Verkokungsraumes von auſsen geschieht, so daſs eine
                              									Verbrennung der Kohle im Ofen möglichst vermieden wird. An Stelle der halbkugelförmigen Räume der
                              									Rundöfen traten lange prismatische Verkokungskammern. Man unterscheidet gegenwärtig
                              									Koksöfen mit senkrechter und mit wagerechter Längsrichtung des Verkokungsraumes.
                           Zu den ersteren gehören der Appolt'sche Ofen und die
                              									neueren Constructionen von Bauer (1888 270 1), welche beispielsweise in Westfalen, Böhmen und in
                              									Frankreich (Creuzot) zur Ausführung gelangt sind.
                           Zu den Oefen mit horizontalem Verkokungsraume gehören unter anderen die Oefen von Haldy, Smet, François-Rexroth und Coppée. Letzterer vereinigt die schmalen, hohen lichten
                              									Formen des Smet'schen Ofens mit den bereits bei François-Rexroth vorhandenen senkrechten Wandkanälen.
                              									Trotz der guten Erfolge, welche mit dieser Construction erzielt wurden, hat dieselbe
                              									doch weitere Abänderungen erfahren.
                           Das Verdienst, den Coppée-Ofen in allen seinen Theilen
                              									verbessernd behandelt zu haben, gebührt der Firma Dr. Otto
                                 										und Comp. in Dahlhausen an der Ruhr. Zur besseren Verbrennung der Gase
                              									verbindet genannte Firma einige von den senkrechten Wandkanälen mit den unter der
                              									Ofensohle befindlichen heiſsen Luftkühlkanälen und läſst diese vier Kanäle auf der
                              									Höhe der Ofenwand in einen wagerechten Sammelkanal münden, von welchem aus Pfeifen
                              									in jeden senkrechten Wandgaskanal einmünden. Die Verbrennungsluft wird auf diesem
                              									Wege aus den Kühlkanälen bis zur Mischung mit den aus den Retorten in die
                              									senkrechten Wandkanäle austretenden Gasen auf eine sehr hohe Temperatur gebracht.
                              									Auf diese Weise ist es der genannten Firma gelungen, einen Ofen herzustellen,
                              									welcher nach Simmersbach bei 120 Centner Füllung, 70
                              									Proc. Ausbringen, 48stündiger Betriebsdauer und 330 Betriebstagen jährlich eine
                              									Leistung von 775t Koks, also mehr als das Doppelte
                              									der Leistung eines Rundofens ergibt, welcher bei 120 Centner Füllung, dreitägiger
                              									Brennzeit, 55 Proc. Ausbringen und 330 Betriebstagen jährlich etwa 333t Koks liefert. Dieser Otto'sche Ofen ist gegenwärtig in vielen hundert Ausführungen
                              									vorhanden.
                           Von den bisher genannten Koksofensystemen unterscheidet sich wesentlich der Lürmann-Ofen, bei welchem ununterbrochen eine Mischung
                              									von mageren Kohlen und Fettkohlen oder Steinkohlenpech unter Druck verkokt wird.
                              									Zwar können in allen neueren Koksöfen Mischungen von mageren und fetten Kohlen
                              									verarbeitet werden; kein System soll sich jedoch zur Verarbeitung von sehr mageren
                              									Mischungen so gut eignen wie die Lürmann'schen
                              									Koksöfen. Zwar sind viele von den Lürmann-Oefen nach
                              									kurzem Betriebe wieder abgebrochen worden, was jedoch nicht beweist, daſs die Oefen
                              									nicht im Prinzipe gut und auch dauernd leistungsfähig sind. C. Blauel äuſsert sich auf Grund mehrjähriger Erfahrungen hierüber in Stahl und Eisen, 1889 S. 34, wie folgt:
                           Zunächst erforderte die nicht einfache Luft- und Gasführung eine ganz
                              									auſsergewöhnliche Aufmerksamkeit auf den Betrieb, aber trotz gröſster Vorsicht wurde man
                              									leicht getäuscht und nahmen die Gase gern nicht die vorgeschriebenen, sondern
                              									Nebenwege. Hierzu fand sich bei den ersten Lürmann-Oefen um so eher Gelegenheit, als die Mauerwerksconstruction zwar das
                              									Aeuſserste in Dünnheit der Wände und Ersparniſs an feuerfestem Materiale leistete,
                              									dafür aber auch der Verband kein ganz genügender war, noch mehr aber, weil an
                              									einigen Punkten die Temperatur so hoch stieg, daſs kein feuerfester Stein
                              									standhielt.
                           In der ersten Zeit traten deshalb die meisten Betriebsstörungen dadurch ein, daſs die
                              									Gaskanäle zuschmolzen, wenn die Oefen eine kurze Zeit gut gegangen waren. Die Folge
                              									war dann, daſs diese sofort schlecht gingen, und einen Koks sehr geringer Qualität
                              									mit sehr viel Abfall lieferten.
                           So gehörte ein groſses Maſs von Ausdauer und feste Ueberzeugung von der Güte des
                              									Prinzipes dazu, um bei den langwierigen Kinderkrankheiten der Lürmann-Oefen den Muth und die Lust am Betriebe
                              									derselben nicht zu verlieren.
                           Meistens sind die Oefen nach mehr oder weniger gründlichen Versuchen aufgegeben und
                              									nur an ein paar Orten durch allmähliche Aenderungen nach den Erfahrungen des
                              									Betriebes dahin gebracht, daſs die Erfolge gute geworden sind, so daſs bei guter
                              									Betriebsleitung fortwährend schöner Koks erzielt wird, ohne daſs die Oefen mehr
                              									leiden als andere Koksöfen.
                           Es werden jetzt in Lürmann-Oefen ohne Schwierigkeit 40
                              									bis 45 Proc. ganz magere, anthracitartige Kohlen ohne eine Spur von Backfähigkeit
                              									mit 60 bis 55 Proc. guten fetten Kokskohlen bei einem Ausbringen von etwa 80 Proc.
                              									verarbeitet. Der Koks ist sehr fest und dicht, und hat sich auch bei der Verwendung
                              									im Hochofen kein wesentlicher Unterschied gegen gewöhnlichen Koks finden lassen.
                           Statt fetter Kohlen läſst sich den mageren Kohlen auch Schwarzpech (Steinkohlenpech)
                              									zusetzen, und wird aus etwa 5 Th. Anthracitkohlen und 1 Th. Pech in Lürmann-Oefen ein guter Koks hergestellt. Auſser diesen
                              									Mischungen von ganz fettem und ganz magerem Materiale eignen sich zur Verkokung in
                              										Lürmann-Oefen alle Kohlensorten oder Gemische von
                              									solchen, welche etwas zu mager sind, um ohne Druck und hohe Temperatur ordentlichen
                              									Koks zu geben. Die vor Jahren gemachten, meist nicht erfolgreichen Versuche sind
                              									nicht maſsgebend, da sie geschahen, als die Lürmann-Oefen in den schlimmsten Kinderkrankheiten lagen, welche sich
                              									naturgemäſs bei Verwendung gasreicher, halbmagerer Kohlensorten, deren Verkokung
                              									mehrfach versucht ist, am meisten fühlbar machten.
                           Obige Mischung von ganz magerer und fetter Kohle, welche zur Verkokung in den Lürmann-Oefen mit Erfolg verwendet ist, gibt im
                              									Laboratorium 85 bis 86 Proc. Koks und 14 bis 15 Proc. Gas, dagegen z.B. halbmagere schlesische Kohle
                              									etwa 65 Proc. Koks und 35 Proc. Gas. Dieser Unterschied ist natürlich zu groſs, als
                              									daſs nicht wesentliche Rücksicht beim Betriebe darauf zu nehmen wäre, und dazu war
                              									man vor mehreren Jahren noch nicht in der Lage. Heute aber halte ich den Betrieb mit
                              									solchen schwachbackenden, gasreichen Kohlen eher für leichter als für schwerer, wie
                              									mit der Mischung aus Anthracit und fetten, starkbackenden Kohlen.
                           Anlagekosten und Arbeitslöhne stellen sich bei den Lürmann-Koksöfen etwas höher als bei den meisten anderen Arten, dagegen
                              									sind aber die verwendeten Kohlen, wenn man eine Mischung von Anthracit und
                              									Fettkohlen nimmt, billiger, und das Ausbringen ist ein höheres, so daſs sich die
                              									Herstellungskosten des Koks doch ganz wesentlich niedriger stellen als aus
                              									Fettkohlen. Hierüber kann sich Jeder leicht Rechenschaft geben, der berücksichtigt,
                              									daſs z.B. an der Ruhr der Doppelwaggon Anthracitgrus jetzt gegen 30 M. billiger ist
                              									als die gleiche Menge guter, fetter Kokskohlen.
                           Bei Verwendung mancher halbmagerer Kohlen wird der Nutzen mehr darin liegen, dass man
                              									in den Lürmann-Oefen einen Koks von erheblich besseren
                              									Eigenschaften erzielt als in anderen, während die Herstellungskosten wahrscheinlich
                              									nicht wesentlich niedriger sein werden.
                           C. Blauel ist zu der Ueberzeugung gekommen, daſs die Lürmann-Oefen trotz aller anfänglichen Miſserfolge noch
                              									eine gute Zukunft haben werden. Je mehr die Fettkohlen abnehmen, desto mehr dürften
                              									die Lürmann-Oefen an Bedeutung gewinnen.
                           Gegenwärtig stehen zu Kohlscheid bei Aachen 20 Oefen im Betriebe.
                           Eine besondere Construction erhalten diejenigen Koksöfen, welche auf Gewinnung der
                              									Nebenproducte (Theer, Ammoniak) abzielen. Den Franzosen gebührt das Verdienst, die
                              									Vorgänger auf diesem Gebiete der Technik zu sein, während in Deutschland mit den Hüssener-Carvès-Oefen zu Bulmke bei Gelsenkirchen der
                              									Anfang gemacht wurde zur Begründung einer Groſsindustrie in der angegebenen
                              									Richtung.
                           Eine bahnbrechende Neuerung brachte indessen erst die Ofenconstruction von Gustav Hoffmann, welcher zum Zwecke der Vorwärmung von
                              									Gas und Verbrennungsluft die gewöhnlichen Coppée-Oefen
                              									mit Siemens'schen Regeneratoren verband. Auch diese
                              									Erfindung ist von der Firma Dr. Otto und Comp. in die
                              									Praxis eingeführt worden, und zwar mit ausgezeichnetem Erfolge, wie dies durch die
                              									zahlreichen Anlagen bekundet wird.
                           In der Oesterreichischen Zeitschrift für Berg- und
                                 										Hüttenwesen, 1888 S. 530 ff., beschreibt W.
                                 										Jicinzky eine derartige Einrichtung, wie sie gegenwärtig zur Theer- und
                              									Ammoniakgewinnung gebräuchlich ist.
                           Die betreffenden Koksöfen haben die Ausdehnungen der gebräuchlichen Otto'schen Koksöfen, nämlich im Lichten 10 × 1,6 × 0m,5, mit einer Füllung von 3500 bis 4000k, bei gröſseren Oefen bis zu 5700k Das Innere des Ofens (Fig. 1 und 2) steht durch die
                              									Gasrohre g und absperrbaren Ventile a mit der Vorlage V in
                              									Verbindung. Letztere geht in eine Röhre GaR (Fig. 6) über,
                              									welche meist 1m tief unter der Erde zu dem zur
                              									Erzeugung von Theer und Ammoniak bestimmten Raume führt. Ableitung und Bewegung der
                              									Gase aus dem Ofen wird durch die Rohre g, V und GaR bis in das Ammoniakhaus durch einen Exhaustor EX (Fig. 5 und 6) vermittelt. Nach dem
                              									Passiren des letzteren werden die vom Ammoniak und Theer befreiten Gase in einem
                              									Gasometer bekannter Construction gesammelt. Von diesem wird ein groſser Theil der
                              									Gase durch ein unterirdisches Rohr, welches in die beiden parallel zur Ofengarnitur
                              									im Niveau der Sohlkanäle S1 und S2
                              									laufenden Rohre g1 und
                              										g2 (Fig. 1 und 2) mündet, in den Koksofen
                              									zurückgeführt. Diese beiden Gasrohre sind mit so vielen durch Hähne oder Ventile
                              									absperrbaren Rohrstutzen h1 und h2
                              									versehen, als es Oefen gibt. Sie haben den Zweck, das zurückgeleitete Gas in diese
                              									Sohlkanäle zu bringen oder einzublasen.
                           Der Sohlkanal des Ofens ist in der Mitte bei b durch
                              									eine Querwand getheilt; derselbe enthält seitlich gegen die eine Ofen wand so viele
                              									Oeffnungen c1 und c2, als senkrechte
                              									Wandkanäle w1 und w2 in der Seitenwand
                              									des Ofens vorhanden sind, und mit einander in Verbindung stehen.
                           Alle senkrechten Kanäle w1 und w2
                              									münden in einen oberen ungetheilten Gaskanal O, welcher
                              									längs jeden Ofen Widerlagers hinläuft.
                           Ferner besitzt die ganze Ofengarnitur die beiden Generatoren R1, und R2 je 2m hoch und
                              										1m breit, welche parallel zu den Gasröhren g1 und g2 liegen und durch
                              									Oeffnungen d1 und d2 mit den Sohlkanälen
                              										S1 und S2 verbunden sind.
                              									Jeder Generator besitzt so viele nach aufwärts gerichtete Ausfluſsöffnungen d, als die Ofenzahl der Garnitur beträgt.
                           Auſserdem stehen diese Generatoren einerseits mit einem Ventilator durch eine Röhre
                              										v, v1 und v2 (Fig. 6) und am anderen
                              									Ende durch einen Kanal mit der Koksofenesse E in
                              									Verbindung. Diese Gasgeneratoren enthalten zu etwa ⅔ ihrer Höhe in
                              									Scheiterhaufenform lose über einander gelegte feuerfeste Ziegel, wodurch den
                              									durchziehenden Gasen eine groſse Berührungsfläche dargeboten wird.
                           Der Ventilator Z (Fig. 5 und 6), welcher am besten im
                              									Ammoniakhause untergebracht ist, bläst beständig eine gewisse Menge atmosphärischer
                              									Luft durch die Windleitung v abwechselnd in die
                              									Generatoren R1 und R2 ein, um die zur
                              									Ofenbeheizung verwendeten Gase zur Verbrennung gelangen zu lassen.
                           Bei dem Ofengange werden die aus dem Ammoniakhause kommenden Gase nur in die Gasrohre
                              										g1 geleitet, und
                              									mittels des Rohrstutzens h1 in jeden Sohlkanal S1 so viel Gase eingelassen, als zur Erhitzung des
                              									Koksofens nöthig erscheint.
                           
                           Zugleich mit diesen Gasen kommt, wie schon früher kurz erwähnt, frische Luft vom
                              									Ventilator in den Generator R1, wird daselbst an den glühenden Ziegeln bis zu 1000° erhitzt, und strömt
                              									durch die Oeffnungen d1
                              									ebenfalls in den Sohlkanal S1, wo die beiden Ströme Gas und Luft bei der hohen Temperatur und Mischung
                              									vollständig verbrennen, und im brennenden Zustande durch die Seitenöffnungen c1 und die
                              									Senkrechtkanäle w1 in
                              									den oberen Gaskanal O gelangen, von hier aus durch die
                              									Senkrechtkanäle w2 und
                              									Oeffnung c2 in den
                              									Sohlkanal S2
                              									herabsteigen, um endlich längs des Generators R2, dessen Ziegel sie noch recht in Glut versetzen,
                              									den Weg zur Esse zu finden.
                           Es ist selbstverständlich, daſs bei diesem Verlaufe die Rohrstutzen h2 geschlossen sind,
                              									ebenso die vom Ventilator kommende Windleitung v2 zum Generator R2.
                           Nach etwa einer Stunde dieses Ganges werden die betreffenden Ventile umgeklappt, so
                              									daſs augenblicklich der umgekehrte Weg eingeschlagen wird.
                           Der Rohrstutzen h1 und
                              									die Windleitung v1
                              									werden geschlossen, dafür jene h2 und v2 geöffnet. Es gelangen die Gase in den Sohlkanal
                              										S2, vermischen sich
                              									und verbrennen daselbst mit der in dem Generator R2 sich erhitzenden Luft, passiren aufsteigend die
                              									Wandkanäle w2, den
                              									oberen Gaskanal O, absteigend die Wandkanäle w1, Sohlkanal S1 und Generator R1, an den sie noch den
                              									Rest ihrer hohen Temperatur abgeben und mit etwa 420° zur Esse gelangen.
                           Wird ein Ofen gezogen, oder will man denselben einige Zeit kalt stellen, so sperrt
                              									man die Ventile o ab; ebenso kann man durch Absperrung
                              									der Hähne h1
                              									h2 und Oeffnungen d1
                              									d2 das Einblasen des
                              									Gases in den Sohlkanal hindern.
                           Man hat es also ganz und gar in der Hand, den Ofengang zu reguliren und den
                              									Verkokungsprozeſs durch Steigerung der Temperatur, durch Mehreinlassen des Gases zu
                              									beschleunigen oder zu verlangsamen, es ist dies ein reiner Retortenprozeſs, wie man
                              									sich ihn nicht besser denken kann. Der Prozeſs dauert 30 bis 48 Stunden.
                           Das Ausbringen an Koks ist relativ um 6 bis 7 Proc. höher, und zwar nur wegen des
                              									möglichst vollständigen Luftabschlusses, der bei diesen Koksöfen eine Grundbedingung
                              									ist.
                           Werden wagerechte Gaskanäle gewählt (Fig. 3), so streichen die
                              									Gase einmal in der Richtung abcd und dann umgekehrt in
                              									der Richtung dcba. Man gibt jedoch den senkrechten
                              									Wandkanälen den Vorzug, weil hierbei die Koksöfen stabiler sind und die Wandungen
                              									dünner gehalten werden können.
                           Hinsichtlich des Vorganges im Ammoniakhause ist folgendes zu erwähnen. Die von den
                              									Koksöfen mittels Exhaustor angesogenen Gase, Welche bei der Destillation
                              									westfälischer Kohle aus 0,61 Proc. Benzindampf, 1,63 Proc. Aethylen, 0,43 Proc.
                              									Schwefelwasserstoff, 1,41 Proc. Kohlensäure, 6,49 Proc. Kohlenoxydgas, 53,32 Proc.
                              									Wasserstoff und 36,11 Proc. Methylwasserstoff bestehen, gelangen durch die Röhre F zuerst in den sogen. Gaskühler K (Fig. 4 und 5). Derselbe besteht aus
                              									einem Eisencylinder mit den beiden Böden i, die eine
                              									Reihe von kleineren Böden l fassen, durch welche stets
                              									frisches Wasser von dem oberen Raume m nach dem unteren
                              									Raume n und dann durch das Rohr p hindurch abflieſst, während das Gas, von dem Einmündungsrohre f kommend, nach aufwärts strömt, sich abkühlt und durch
                              									Rohr q einem zweiten bezieh. einem dritten genau so
                              									construirten Gaskühler zugeleitet wird.
                           Von den Gaskühlern strömt das Gas zu den Gaswäschern W,
                              									welche ebenfalls aus Eisencylindern gröſserer Dimension bestehen und in ihrem
                              									Inneren, je 10cm von einander entfernt, gelochte
                              									Bleche r enthalten, über welche beständig Wasser in
                              									Regenform hinabtröpfelt, während das vom Gaskühler durch 5 kommende Gas dem Regen entgegen geleitet wird, wobei ein Uebergang des
                              									Ammoniaks aus dem Gase in das Wasser eintritt und zugleich Theer mit
                              									niedergeschlagen wird. Ammoniakwasser und Theer finden ihren Abfluſs bei t.
                           In den Gaskühlern verliert das Gas 75 Proc. seines Ammoniaks als Ammoniakwasser und
                              									einen groſsen Theil seines Theeres, welche beiden Producte nach den Cisternen Y (Fig. 6) abgeleitet werden.
                              									In Fig. 5 sind
                              									sechs Gaskühler und sechs Gaswäscher vorhanden, welche alle unter einander verbunden
                              									sind und einer von dem anderen das Kühl- und Waschwasser stetig aus dem höher
                              									gelegenen Behälter X (Fig. 4) entnehmen.
                           In den Gaswäschern verliert das Gas die restlichen 25 Proc. Ammoniakwasser, sowie
                              									auch eine bedeutende Menge Theer, was dadurch erzielt wird, daſs das unten
                              									abtropfende Ammoniakwasser in den ersten und zweiten Gaswäscher so oft wieder
                              									hinaufgepumpt wird und abermals herabtröpfelt, bis dasselbe eine hinreichende
                              									Anreicherung erfahren hat. Im dritten Gaswäscher jedoch kommt nur immer reines
                              									Wasser dem Gase entgegen, so daſs das von hier durch das betreffende Rohr n1 des dritten
                              									Gaswäschers entweichende Gas nur Spuren von 0,008 Proc. Ammoniak nachweisbar
                              									enthält.
                           Gaskühler und Gaswäscher verbrauchen für den Ofen täglich 5cbm Wasser. Man rechnet nach der Erfahrung für die
                              									Gaskühler eine Fläche von 2qm,5 und für die
                              									Gaswäscher eine Waschfläche von 2qm,6 auf je
                              										100cbm täglich durchströmendes Gas.
                           Die Anreicherung bezieh. Zurückleitung des Ammoniakwassers erfolgt so lange, bis
                              									dasselbe auf 3 bis 3,5° B. gebracht wird, wobei daſs Wasser 1,777 Proc. reines
                              									Ammoniak aufgelöst erhält.
                           Von diesem so angereicherten Wasser erhält man je nach der Menge des gewinnbaren
                              									Ammoniaks 10 bis 17 Proc. auf je 100k trockener
                              									Kohle.
                           
                           Bei 14 Proc. Ausbringen an Ammoniakwasser verhält sich:
                           1,777 Ammoniak : x = 100 : 14,
                           woraus sich x auf 0,24878 Proc.
                              									Ammoniak für 100k trockener Kokskohle
                              									berechnet.
                           Der in den Cisternen Y gesammelte Theer trennt sich vom
                              									Ammoniak nach dem specifischen Gewichte von selbst. Die geschiedenen Producte werden
                              									mittels Pumpen in eigene Gefäſse gebracht, worauf der Theer sogleich in Fässer
                              									gefüllt wird, während das Ammoniakwasser entweder als solches ebenfalls in Fässer
                              									gefüllt und dem Verschleiſse übergeben oder in einen Raum ins Ammoniakhaus gepumpt
                              									wird, wo dessen weitere Verarbeitung zu schwefelsaurem Ammoniak erfolgt.
                           Diese Verarbeitung geht auf die Art vor sich, daſs zunächst die dem rohen
                              									Ammoniakwasser beigemischten Säuren durch Kalk gebunden werden. Das reine Ammoniak
                              									wird dann durch verdünnte Schwefelsäure als schwefelsaures Ammoniak ausgeschieden.
                              									Zur Sättigung von 100k Ammoniak sind 235k wasserfreie Schwefelsäure erforderlich. Liefert
                              									eine Kohle 0,244 Proc. Ammoniak, so ergibt dies 0,94 Gew.-Th. schwefelsaures
                              									Ammoniak auf 100k lufttrockener Kohle.
                           Vom Gasometer geht, nach Abzug von 10 Proc. Gesammtverlust, der gröſsere Theil der
                              									Gase, etwa. 64 Proc., wie bereits erwähnt, zum Koksofenbetriebe durch die
                              									Röhrenleitung Z zurück, während ein kleinerer Theil,
                              									etwa 26 Proc., für beliebige Zwecke, wie Beleuchtung, Heizung u.s.w. verfügbar
                              									bleibt.
                           Die zum Koksofen betriebe zurückgeleiteten Gase kommen in die Sohlkanäle der Koksöfen
                              									mit heiſser atmosphärischer Luft in Berührung, welch letztere nun mittels eines
                              									eigenen Ventilators Z in die glühenden Generatoren R1 und R2 eingeblasen wird,
                              									dort deren hohe Temperatur annimmt und weiter von da erhitzt in die Sohlkanäle
                              									eintritt.
                           Die in letzteren möglichst vollkommen zur Verbrennung gelangenden Gase heizen die
                              									Koksofen wände, besorgen dann abwechselnd die Aushitzung der Generatoren und
                              									entweichen endlich aus der Koksofenesse E.
                           Auch die alten Rundöfen (Bienenkorböfen) werden nach dem Patente Nr. 37280 (1888 270 7), welches sich auf Verbindung von einthürigen
                              									(Bienenkorb- oder muffeiförmigen) Koksöfen mit Lufterhitzern bezieht, für die
                              									Gewinnung von Theer und Ammoniak eingerichtet. Simmersbach gibt in der Zeitschrift für Berg-,
                                 										Hütten- und Salinenwesen, 1887 S. 307, an, daſs man damit ein das frühere
                              									um 12 bis 15 Proc. übersteigendes Ausbringen an vorzüglichem Koks bei reichlicher
                              									Theer- und Ammoniakausbeute erzielt. Es sind daher bereits zahlreiche Rundöfen in
                              									der angegebenen Weise umgebaut worden.
                           Was nun die wirthschaftliche Seite der Koksgewinnung anbetrifft, so ist es Thatsache,
                              									daſs der Werth der Kohle sich im Koks beträchtlich erhöht. Handelt es sich um
                              									Gewinnung der Nebenproducte, wobei natürlich die Beschaffenheit der zu verkokenden
                              									Kohle in erster Linie in Betracht zu ziehen ist, so sind die Anlagen allerdings ganz
                              									bedeutend kostspieliger. Im Interesse unserer Handelsbilanz kann aber nur gewünscht
                              									werden, daſs immer mehr Werke sich zur Gewinnung der Nebenproducte entschlieſsen.
                              									Nach den Veröffentlichungen des Kaiserl. statistischen Amtes wurden nämlich im J.
                              									1888 noch 356886 Doppelcentner schwefelsaures Ammoniak gegenüber 339259
                              									Doppelcentnern im J. 1887 aus anderen Ländern eingeführt. An dieser Einfuhr
                              									betheiligen sich vorzugsweise die folgenden Länder: Groſsbritannien mit 246004, die
                              									Niederlande mit 26951, Frankreich mit 15939 und Oesterreich-Ungarn mit 10785
                              									Doppelcentnern.
                           Die Einfuhr von Theer aller Art betrug im Vorjahre allein 316474 Doppelcentner; wobei
                              									zu berücksichtigen ist, daſs die groſsen deutschen Anilinfarbenfabriken weniger den
                              									Theer selbst, als Benzol und dessen Homologen in groſsen Mengen vom Auslande her
                              									einführen.
                           Zieht man nun in Betracht, daſs das schwefelsaure Ammoniak, sobald es sich um
                              									Stickstoffdüngung in der Landwirthschaft handelt, mit dem Chilesalpeter in
                              									Concurrenz tritt, bei welchem die Einfuhr im vergangenen Jahre 2664072 Doppelcentner
                              									betrug, so dürfte der Schluſs wohl berechtigt sein, daſs wir in dem Maſse, wie wir
                              									die Anlagen zur Gewinnung der Nebenproducte bei der Koksindustrie vermehren, unsere
                              									Handelsbilanz verbessern werden.
                           W. Koort.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
