Titel: | Ueber die Zersetzung der Fettstoffe beim Erhitzen unter Druck; von C. Engler und S. Seidner. |
Autor: | E. |
Fundstelle: | Band 271, Jahrgang 1889, S. 572 |
Download: | XML |
Ueber die Zersetzung der Fettstoffe beim Erhitzen
unter Druck; von C. Engler und S. Seidner.
(Schluſs der Abhandlung S. 515 d. Bd.)
Ueber die Zersetzung der Fettstoffe beim Erhitzen unter
Druck.
III. Künstliches Brennpetroleum aus den
Producten der Druckdestillation aus Fischthran und aus Tri-Oleïn.
a) Aus
Fischthran-Druckdestillat.
Das auf der Fabrik zu Webau mittels des Dr. Krey'schen Apparates abgetriebene Rohdestillat des Fischthrans wurde
behufs Gewinnung einer Fraction zur Bereitung des Leuchtpetroleum destillirt und
der zwischen 140 und 300° siedende Theil aufgefangen; es wurden rund 60 Proc.
davon erhalten. Das Oel wurde durch Ausschütteln zuerst mit 2, dann mit 1 Proc.
Schwefelsäure, Wasser und Natronlauge gereinigt.
Das so gereinigte Oel hatte das spec. Gew. 0,8025, war nahezu wasserhell mit
schwachbläulicher Fluorescenz; Entflammungspunkt nach Abel 26,5°. In seinem
Aussehen war es von gewöhnlichem Brennpetroleum nicht zu unterscheiden.
Eine Normaldestillation mit 100cc des Oeles
ergab in Cubikcentimetern:
Beginn desSiedens
bis 150°
150/175°
175/200°
200/225°
225/250°
250/275°
275/300°
über 200°+ Verlust
135°
5,7
16,9
16,5
14,2
20,6
18,7
4,8
2,6cc
4,4
12,6
13,2
11,6
16,7
15,4
4,6
1,5g
Zur Beurtheilung der Steigkraft des Oeles im Dochte
bedienten wir uns der Viscosität, da erstere nach den Ermittelungen des Einen
von uns um so gröſser und besser ist, je geringer die Viscosität. Die
Auslaufgeschwindigkeit, mittels Engler's
Viscosimeter bestimmt, war 57 Secunden (Wasser 54 Secunden), also die
specifische Viscosität = 1,006. Des Vergleiches halber folgen hier die
Viscositätsgrade auch noch anderer Brennerdölsorten:
Spec. Gew.
Spec. Viscosit.
Kaiseröl
0,795
1,080
Pennsylvanisches Erdöl
0,800
1,120
Kaukasisches „
0,825
1,080
Sächsisches Solaröl
0,830
1,090
Erdöl aus Fischthran
0,8025
1,006
Hieraus folgt, daſs das Fischthranöl vorzügliche Steigkraft besitzen muſs, was
sich thatsächlich auch praktisch bewährte.
Schlieſslich wurden auch noch photometrische
Messungen durchgeführt. Als Meſsapparat diente das Bunsen'sche Photometer, als Vergleichskerze die
deutsche Normal-Paraffinkerze, als Brenner Schuster und
Baer'sche bezieh. Wild und Wessel'sche
10-Linienbrenner.
Brenner
Spec.Gew.
Entfl.-punkt
Lichteffect
Dauer desVersuches
Oelver-brauch für1 N.-K.
und1. Stunde
in der1. Stund.
Am Ended. Versuches
Mittl.Licht-effect
Leuchtöl ausFischthran
S.u. B.
W. u. W.
0,8025
26,5°
14,2510,20
11,96 8,36
13,2 9,2
5½ Std.6¼ „
2,32 2,44
Pennsylvan.Erdöl
S.u. B.
W. u. W.
0,8034
25°
9,6 8,68
7,92 6,80
8,56 7,78
5¾ „6 „
4,6 3,65
Demnach brennt das Fischthran-Petroleum auf gewöhnlichen Erdölbrennern mit
ausgezeichnetem Lichteffecte und relativ geringem Oelverbrauche.
Wenn auch bei dem jetzt noch vorhandenen Erdölreichthume der Natur eine Gewinnung
künstlichen Erdöles sich kaum rentiren dürfte, so erscheint im Hinblicke auf das
mit der Zeit sicher nicht ausbleibende Versiegen unserer Oelquellen eine
Verarbeitung von billigen Fettstoffen, insbesondere billiger Rohthransorten auf
leichte Mineralöle für die weitere Zukunft nicht ausgeschlossen, und vor Allem
dann, wenn es sich um Erzeugung eines besonders hell und glänzend brennenden
Oeles handeln sollte.
b) Brennöl aus Tri-Oleïn.
Das zu diesen Versuchen benutzte Oel war in schon oben beschriebener Weise aus
synthetischem Tri-Oleïn durch die Herren Dr. M.
Albrecht und Dr. Albersheim dargestellt
und uns freundlichst zur Verfügung gestellt worden. Wir lassen hier die von den
genannten Herren bei ihren Versuchen mit dem Druckdestillate erhaltenen und uns
mitgetheilten Resultate zunächst folgen:
400g des Druckdestillates, spec. Gew. 0,780,
wurden einer Reinigung mittels Schwefelsäure von 66° B. und verdünnter
Natronlauge unterworfen:
Mit
1
Proc.
H2SO4
ergab
sich
ein
Verlust
von
6g
=
1,50
Proc.
„
5
„
„
„
„
„
„
„
19
=
4,75
„
Durch das Laugen
„
„
„
„
„
25
=
6,25
„
––––––––––––––––––––––
Gesammtverlust
50g
=
12,50
Proc.
Es resultirte ein Oel von schwach gelblichrothem Schimmer und grüner Fluorescenz,
welches das unverändert gebliebene spec. Gew. 0,780 zeigt und einen milden
deutlichen Erdölgeruch besitzt.
Von diesem raffinirten Oele wurden 150g aus der
Glasretorte destillirt und ergaben:
Von
50
bis
125°
gingen
über
25,0g
=
16,67
Proc.
„
125
bis
250°
„
„
113,5
=
75,67
„
Dünnflüssiger Retortenrückstand.
10,5
=
7,00
„
Verlust
1,0
=
0,66
„
––––––––––––––––––––––––––
150,0g
=
100,00
Proc.
Die Fraction 125 bis 250° hat einen Entflammungspunkt von 16,8° Abel; derselbe kann jedoch durch Hinzunahme
schwerer siedender Theile oder Hinwegnahme der leichtest siedenden Essenzen
selbstverständlich Zum Schlusse machen wir noch auf die groſse Verschiedenheit aufmerksam, die
sich bei Destillation der Fettstoffe mit und ohne Ueberdruck durch unsere
Versuche ergeben hat. Während bekanntlich Tri-Oleïn im luftverdünnten Raume
völlig unzersetzt und unter gewöhnlichem Atmosphärendrucke gröſstentheils
unzersetzt überdestillirt, der Fischthran nach einem direct angestellten
Versuche im luftverdünnten Raume ebenfalls zu etwa ⅘ seines Gewichtes
überdestillirt werden kann, wobei er eine hellgelbe butterartige zu 90 Proc.
verseif bare Masse bildet, erleiden die genannten Fettstoffe bei Destillation
unter einem Drucke von 10at bezieh. im
Glasrohre bei noch höherem Drucke eine fast vollständige Hydrocarbirung unter
Ausscheidung des Sauerstoffes als Kohlensäure, Kohlenoxyd, Wasser und
sauerstoffhaltigen organischen Verbindungen. Daſs es dabei nicht in erster Reihe
die höhere Temperatur ist, welche den Prozeſs der Hydrocarbirung bedingt, lehrte
ein Versuch der Destillation desselben Thranes unter gewöhnlichem
Atmosphärendrucke aus dem Siedekölbchen, wobei die Destillation bei 360° begann
und unter allmählichem Steigen der Temperatur bis auf 420° fast bis zu Ende
verlief, also nur etwa 5° niedriger als bei der Druckdestillation. Das Destillat
war aber nur zu einem ganz kleinen Theile in Kohlenwasserstoffe verwandelt. Die
Ausbeute an rohem Kohlenwasserstofföle war nach den eingangs dieser Abhandlung
mitgetheilten Versuchen bei der Druckdestillation im Glasrohre für Fischthran
79,5, für Tri-Oleïn 83,9 Proc. so daſs, wenn man auch 10 Proc. für noch verseif
bare Theile, Wasser u.s.w. davon in Abzug bringt, eine Ausbeute von 69,5
Gew.-Proc. für Thran und von 73,9 Gew.-Proc. für Tri-Oleïn an
Kohlenwasserstoffen restirt. Nimmt man die gasigen Kohlenwasserstoffe wieder
hinzu, so steigt die Ausbeute auf über 70 bezieh. 75 Proc. Das ist aber ein
Resultat, welches hinter den möglichen theoretischen Werthen, die der
Hydrocarbirungsprozeſs der Fettstoffe überhaupt ergeben kann, nicht weit
zurückbleibt. Denn nimmt man beim Tri-Oleïn mit 10,8 Proc. Sauerstoff, welcher
mit entsprechenden Mengen von Wasserstoff und Kohlenstoff für die
Druckölausbeute selbstverständlich in Wegfall kommt, eine mögliche theoretische
Ausbeute an Kohlenwasserstoffen von 85 Proc. an, so betragen die obigen 75 Proc.
immerhin schon rund 88 Proc. von dem möglichen Maximum. Und dabei muſs noch
betont werden, daſs der hier angezogene Versuch nicht als ein ausnahmsweise
günstiger zu betrachten ist, da wir wiederholt beobachtet haben, daſs noch
erheblich geringere Residuen hinterblieben, wenn Tri-Oleïn aus zugeschmolzenen
Glasröhren destillirt wurde. Insbesondere, wenn die Destillation durch rasches
Erhitzen möglichst beschleunigt wurde, traten unserer Erfahrung nach sehr
geringe koks- und asphaltartige Rückstände auf.
Jedenfalls glauben wir es jetzt aussprechen zu dürfen, daſs, wenn überhaupt –
wovon wir persönlich überzeugt sind – das Erdöl sich aus thierischen Resten
gebildet hat, es dann, entsprechend unseren Ausführungen in der ersten
Abhandlung, die Fettstoffe jener Reste gewesen sind, welche das Rohmaterial für
die Bildung des Erdöles abgegeben haben. Wir haben, um uns einen Einblick in das
Verhalten der Gesammtthiersubstanz bei Destillation unter Ueberdruck zu
erlangen, Seethiere, getrocknete Fische und Pfahlmuscheln, bei einem Drucke von 10at der Destillation unterworfen – die Herren
Dr. Albrecht und Dr. Albersheim hatten ebenfalls die groſse Freundlichkeit, diese recht
schwierige und mühevolle Arbeit mit 14k
norwegischem Dorsch und mit 4000 Stück entschalten Pfahlmuscheln (23k,5) in dem ihnen in Hamburg zur Verfügung
stehenden Apparate durchzuführen und uns die Rohdestillate zu übersenden –, die
erhaltenen Destillate, über die noch eingehender berichtet werden soll, sind
jedoch in ihrer ganzen Zusammensetzung, wie zu erwarten stand, so sehr von Erdöl
verschieden, daſs für uns – die Richtigkeit der Theorie im Ganzen vorausgesetzt
– kein Zweifel mehr besteht, daſs das Erdöl nur in der Weise sich gebildet haben
kann, daſs angesammelte Massen von Thierleibern zunächst einen Fäulniſsprozeſs
durchmachten, durch welchen die stickstoffhaltige Substanz vernichtet,
beseitigt, und das Fett allein zurückgelassen wurde, welches dann unter dem
Einflüsse späterer Epochen, durch Druck und Warme oder vielleicht auch durch
ersteren im Wesentlichen allein, in das Erdöl umgewandelt wurde.
Daſs wir die in der Natur herrschenden Bedingungen zur Bildung des Erdöles nicht
vollständig herzustellen im Stande sind, dessen sind wir uns sehr wohl bewuſst,
immerhin jedoch glauben wir durch unsere Untersuchung ein noch fehlendes Glied
in der Beweiskette für die Richtigkeit der animalischen Theorie der Bildung des
Erdöles eingefügt zu haben.
Wenn dagegen eingeworfen wird, die ganze Theorie sei unhaltbar, weil die
natürlichen Erdöle aus Kohlenwasserstoffen ganz verschiedener chemischer
Constitution zusammengesetzt seien, beispielsweise das pennsylvanische im
Wesentlichen aus Paraffinen, das Erdöl von Baku aus Naphtenen, hydrogenisirten
aromatischen Kohlenwasserstoffen, so trifft dieser Einwand zunächst alle drei
Theorien der Erdölbildung gleichmäſsig und man ist eben im einen wie im anderen
Falle gezwungen, anzunehmen, daſs bei der Bildung des Erdöles von Baku andere
Bedingungen des Druckes und der Temperatur vorhanden waren, als bei der
Entstehung des pennsylvanischen. Ohne Zweifel aber ist das Erdöl von Baku das
Product einer gewaltsameren Zersetzung als das von Pennsylvanien und ob es sich
als Product der ersten Zersetzung der
Muttersubstanz, oder aber erst durch einen secundären Prozeſs aus dem eigentlich normalen Erdöle der Methanreihe
gebildet hat, muſs vorerst noch dahingestellt bleiben. Wir nehmen das letztere
an und es sind Versuche im Gange, welche vielleicht den Beweis beibringen, daſs
sich gewisse
Kohlenwasserstoffe der Fettreihe (Olefine) in hydrogenisirte Benzole umwandeln
lassen. Der enorme Druck, unter dem sich das Erdöl von Baku befindet, gibt
hierfür einen Fingerzeig.
Zum Schlusse sprechen wir Herrn Dr. C. Schestopal,
Assistenten des chemischen Laboratoriums, welcher uns bei Durchführung der oben
mitgetheilten Versuche aufs Werthvollste unterstützt und eine Anzahl derselben
selbst durchgeführt oder controlirt hat, unseren besten Dank aus.
Berichtigung: In Folge eines Versehens ist am
Schlusse meiner ersten Abhandlung „Zur Bildung des
Erdöles“ (D. p. J., 1888 269 187 aus Berichte der
deutschen chemischen Gesellschaft, Bd. 21 S. 1816) als
Maximal-Meerestiefe, bis zu welcher Pflanzen leben und wachsen können, 30 bis
40m angegeben, statt 130 bis 140m. Die gezogene Schluſsfolgerung, daſs das
Pflanzenleben deshalb im Wesentlichen auf die Ufer des Meeres angewiesen sei,
behält selbstverständlich trotzdem ihre Berechtigung.
E.