Titel: | Neuerungen an mechanischen Handwebstühlen. |
Autor: | Franz Reh |
Fundstelle: | Band 283, Jahrgang 1892, S. 45 |
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Neuerungen an mechanischen
Handwebstühlen.
Von Ingenieur Franz Reh.
Mit Abbildungen.
Neuerungen an mechanischen Handwebstühlen.
Die Versuche, einen mechanischen Webstuhl zu bauen, welcher dazu geeignet wäre,
einzig und allein durch die Kraft des bedienenden Arbeiters dauernd und leicht im
Betrieb erhalten zu werden, welcher zudem durch eine im Vergleiche mit dem
Handstuhle wesentlich erhöhte Productionsfähigkeit erfolgreich mit dem mechanischen
Kraftstuhle in Concurrenz zu treten vermöchte und überdies durch geringe
Erstehungskosten seine Anschaffung auch dem minder bemittelten Arbeiter der
Hausindustrie ermöglichen würde: sind, man kann dies (ohne des Uebelwollens geziehen
zu werden) aussprechen, bis zum heutigen Tage noch nicht von dem gewünschten Erfolge
gekrönt worden, trotzdem hervorragende Erfinder auf dem Gebiete der Weberei
wiederholt und durch geraume Zeit ihre besten Kräfte zur Lösung dieses Problems
eingesetzt haben.
Als im Jahre 1883 Laeserson und Wilke ihre vorzüglich construirten, mechanischen Hand- und
Fusstrittwebstühle mit nicht geringer Reclame der Oeffentlichkeit übergaben, da
konnte man beinahe selbst in kritischen Fachkreisen die Hoffnung liegen, dass die
Verwirklichung obgenannter schwierigen Aufgabe gelungen sei, denn die Mechanismen
dieser Stühle übertrafen jene ihrer Vorgänger wesentlich, sowohl in Bezug auf
Durchdachtheit als Construction. Diese Stühle stellen denn auch einen gewaltigen
Schritt nach vorwärts auf dem eingeschlagenen Wege vor; eine endgültige,
unanfechtbare Lösung sind jedoch auch sie keineswegs.
Die Fehler, woran alle bisherigen Constructionen kranken und von welchen auch die
letztgenannten Stühle nicht freizusprechen sind, lassen sich kurz in drei Punkte
zusammenfassen:
1. zu hoher Kraftbedarf,
2. zu geringe Leistungsfähigkeit,
3. zu hoher Preis.
Sie zu vermeiden muss das Hauptbestreben aller Constructeure derartiger Stühle sein,
denn alle anderen Bedenken treten gegenüber diesen Cardinalpunkten weit in den
Hintergrund.
Manche Theoretiker und auch Praktiker haben angesichts der oftmaligen Misserfolge
bereits die Flinte ins Korn geworfen und sich zu dem Ausspruche veranlasst gefühlt,
dass eine erfolgreiche Lösung der vorliegenden Aufgabe überhaupt ausser dem Bereiche
der Möglichkeit liege, und erklären alle weiteren Versuche in dieser Richtung als
aussichtslos und verfehlt.
Allein die Wichtigkeit des Gegenstandes lässt die Stuhlbauer trotz alledem in ihren
Bestrebungen nicht ruhen: steckt doch ein gutes Stück socialer Frage in der
schliesslichen Lösung dieses Problems, und vermöchte doch eine obige Bedingungen
erfüllende Construction eines mechanischen Hand- und Fasstrittwebstuhles die in
vielen Gegenden sonst unrettbar verlorene Hausindustrie zu erhalten und den
Wohlstand solcher Gebiete von Neuem zu begründen. –
Gegenwärtig baut die Firma H. Pestalozzi vormals F. Suter und Cie. in Zürich derartige mechanische Hand-
und Fusstrittwebstühle, welche durch die Kraft eines
Mädchens den ganzen Tag beinahe ununterbrochen im Betrieb erhalten werden
können, als Taffet- und Schaftmaschinenstühle mit 120–130, als Jacquard- und
Wechselstühle mit 90–100 Touren in der Minute laufen, sonach ihre Vorgänger an
Leistungsfähigkeit weit übertreffen und doppelt so viel als gewöhnliche Handstühle
produciren, und schliesslich, last but not least, sich auch vermöge ihrer äusserst
einfachen Bauart wesentlich billiger als die bisherigen analogen Constructionen
stellen.
Textabbildung Bd. 283, S. 45Fig. 1.Handwebstuhl (Suterstuhl) von Pestalozzi vorm. Suter und
Co. In Fig. 1 ist eine schematische Skizze
eines derartigen Stuhles gegeben.
Das Gestell besteht aus zwei gusseisernen Schilden von gezeichneter Form, welche
durch gusseiserne Traversen t mit einander verbunden
sind.
Die Querschnitte dieser Traversen sind, wie aus der Skizze zu entnehmen, U- oder
doppel-T-förmig. Die Gestellschilde selbst haben gleichfalls U-förmigen Querschnitt
mit Randleisten an der Aussenseite. Das Gestell ist sehr leicht construirt, was wohl
am besten aus den Abmessungen des Querschnittes erhellt. Die Höhe dieses ist nämlich
55 mm, dessen Breite 40 mm und dessen Stärke 7 bis 12 mm.
In diesem Gestelle sind alle Theile des Stuhles
untergebracht; ein
eigenes Kettbaumgestelle oder Chevalet détaché ist nicht vorhanden;
nichtsdestoweniger beträgt doch die Länge des Gereihes, d.h. des freilaufenden
Stückes Kette, über ein Meter, wie beim Verweben seidener Ketten erforderlich.
Der Gang der Kette ist vom Kettbaum k über eine hölzerne
Streichwalze S durch Geschirr und Blatt hindurch; von
da ab läuft die fertige Ware über eine hölzerne Brustwalze B direct auf den Warenbaum W auf.
Wellen sind im Stuhle zwei vorhanden, nämlich: eine obere Welle α, die zum Antrieb der Lade λ, des Regulators und eventuell der Schaftmaschine dient; und eine untere
β, welche den Antrieb des Stuhles überhaupt
empfängt, ihrerseits zur directen Bewegung des Schlagmechanismus, beziehungsweise
der Taffetexcenter und des Wechsels dient, sowie auch die obere Welle mit einer
Uebersetzung 2 : 1 mittels Stirnräder. RR1 antreibt.
Dass bei diesen Stühlen die untere und nicht die obere Welle den Antrieb empfängt,
ist charakteristisch und für den raschen Gang ausschlaggebend; denn die Folge davon
ist, dass bei Hin- und Herbewegung der Handstange oder bei einer Auf- und
Niederbewegung des Fusstrittes zwei Schusseintragungen
und auch zwei Ladenanschläge erfolgen.
Der Antrieb selbst geschieht in skizzirter Weise in der den früheren Constructionen
analogen Form mittels Handstange a und Fusstrittes b durch Vermittelung der Stange auf die Kurbel p.
Constructiv wichtig und den gleichförmigen Gang des Stuhles (wie für den bei diesen
Stühlen angewendeten Excenterschlag absolut nöthig) erst bedingend sind 2 relativ
schwere Schwungrädchen z, die auf der oberen Welle α angebracht sind.
Die Ladenbewegung geschieht durch einen einfachen Kurbelmechanismus mit normaler
Schubstange c; allein dieselbe geschieht nicht durch
Kröpfungen, was die Ausführung wesentlich vertheuern würde, sondern durch einfach an
den Schwungrädchen angebrachte Kurbelbolzen. Gegenkurbeln, welche auf letztere
gesteckt werden, vermitteln die Bewegung der über dem Stuhle angebrachten Ratière
oder Schaftmaschine.
Nach dieser Erläuterung der Stuhldisposition sollen nun die Einzelheiten und die die
einzelnen Webeoperationen gewährleistenden Mechanismen principiell und insoweit
eingehender besprochen werden, als sie Neuerungen repräsentiren.
Textabbildung Bd. 283, S. 46Fig. 2.Streichbaum zu Suter's Handwebstuhl. Was zunächst den Kettbaum anbelangt, so besteht derselbe eigentlich aus 4
Theilen, welche ohne Weiteres aus einander genommen werden können; nämlich zunächst
einem prismatischen, inneren Kernstücke a (Fig. 2), welches eine Länge gleich der Breite des
Webstuhles plus der Breite der beiden Bremsscheiben, und an beiden Enden die
schmiedeeisernen Zapfen d eingetrieben besitzt. Auf
dieses Stück ist lose aufgeschoben ein röhrenförmiger, mittlerer Theil b, welcher die Kette aufgebäumt trägt. Der äussere
Umfang ist natürlich kreisrund abgedreht und besitzt eine Nuthe zum Einlegen der die
Kette festhaltenden Ruthe, während die Höhlung quadratischen Querschnitt
entsprechend jenem des erstgenannten Kernstückes besitzt. Zu beiden Seiten dieses
walzenförmigen mittleren Theiles b sind die beiden
Bremsscheiben c gleichfalls auf das innere Kernstück
a lose aufgeschoben.
Gelagert ist der Kettbaum in oben offenen Halblagern auf gusseisernen Supporten (Fig. 1), welche mittels zweier Schrauben am Gestelle
angeschraubt sind. Diese Supporte biegen sich so weit nach auswärts, dass beinahe
die ganze lichte Stuhlbreite als Kettenbreite ausgenutzt werden kann.
Der Streichbaum (Fig. 2), über welchen die Kette vom
Kettbaum ab geleitet wird, ist eine hölzerne Walze, deren eiserne Zapfen in nach
senkrechter Richtung verstellbaren Halblagern eingelegt werden.
Etwas unterhalb dieser trägt, wie aus Fig. 1
ersichtlich, das Gestell einen Fortsatz nach rückwärts, der zur Aufnahme des
Stängelchens für die Cordonispulen dient.
Die Brustwalze, über welche sich die erzeugte Ware schlingt, ist in ihrer Form und
Lagerung dem Streichbaum ganz analog.
Der Warenbaum ist aus Holz. Seine Zapfen liegen in nach vorn offenen Einschnitten des
Gestelles, in welchen sie gegen selbsthätiges Herausgleiten durch Vorlegung je eines
Hakens geschützt werden. Indem man letztere Haken zurückschlägt, kann man den
Warenbaum aus dem Stuhle entfernen, oder ihn auf eine etwas weiter oberhalb
befindliche segmentartige Vertiefung legen, wo man ihn dann frei von Hand drehen
kann, wie z.B. zum Rückwinden von Ware erforderlich.
Die Aufwickelung der fertigen Ware geschieht beim Suterstuhl durch einen Compensationsregulator, der direct auf den Warenbaum
wirkt. Dieser Regulator schaltet nur dann, wenn Ware in genügendem Maasse erzeugt
worden ist und stellt, wenn solches nicht der Fall war oder der Stuhl leer läuft,
einen ausgelösten Mechanismus vor. Nur dann, wenn in Folge genügend grosser
Warenerzeugung das in einen federnden Rahmen eingesetzte Blatt beim Ladenanschlag
genügend weit nach rückwärts gedrängt wurde, findet ein Einlösen des
Schaltmechanismus und somit Warenaufwindung statt, welche sich hierbei ähnlich jener
bei positiven Regulatoren um ein von der Kettspannung beinahe unabhängiges, nur von
den Uebersetzungsverhältnissen abhängiges Stück vollzieht. Die Wirkungsweise des
Regulators selber muss jedoch nach dem in der mechanischen Weberei üblichen
Sprachgebrauche als negativ bezeichnet werden, da dieselbe durch die Thatsache der
Warenerzeugung und nicht durch die Stuhlbewegung allein bedingt wird.
Der Regulatormechanismus ist nun folgender:
Auf der Hauptwelle des Stuhles (Fig. 3) ist ein
Kreisexcenter a festgeklemmt, welches, indem es in das
gabelförmige Ende eines Winkelhebels bc greift,
letzteren oscillirend bewegt. Der Arm c ist mittels
einer Schubstange d mit dem Schalthebel s auslösbar verbunden. Nur wenn die gezeichnete
Stellung vorhanden ist, d.h. wenn der kleine Einstellwinkelhebel fg durch die Schraube α in
die skizzirte Lage gedrängt worden ist, stösst beim Vorgange der Stange d ein an dieser angeschraubtes, vorne durch
Einfeilungen rauh gemachtes Stück e an den Arm f und drängt diesen gleichfalls nach vorwärts, mithin
auch den Schalthebel s, welcher oben den Einstellhebel
fg eingelenkt trägt. Die Schaltklinke q geht hierbei auf den Zähnen des Schaltrades 130 frei
zurück, während das Schaltrad selbst vermöge der Gegenklinke r still steht. Beim darauf folgenden Rückgange der Schubstange d nimmt das Ende derselben den Bolzen des Schalthebels
nach rückwärts mit und dreht dadurch mittels der Schaltklinke q das Schaltrad 130, mithin durch die
Kegelräderübersetzung 70, 50 auch die eingängige Schnecke und mittels dieser und des
am Ende des Warenbaumes festgeschraubten Schneckenrades 100 auch den Warenbaum
selber, hiermit die Aufwindung der erzeugten Ware vollziehend.
Wenn nicht genügend oder gar keine Ware erzeugt worden ist, so wird das Blatt p beim Ladenanschlage nicht genügend oder gar nicht
zurückgedrängt, sondern stellt sich unter Einfluss der Feder m ganz nach vorne an Stellschrauben, die im Ladenklotze eingeschraubt
sind, an. Der Arm h mit der Schraube α vermag dann nicht an g
zu stossen, f bleibt gesenkt und legt sich dabei auf
einen kleinen Vorsprung der Stange d auf. Beim Vorgange
tritt jetzt f unter den angeschraubten Theil e und dieser kann über f
frei nach vorwärts gehen, ohne f. mitzunehmen. Die
Stange d schiebt sich hierbei mit einem Schlitze längs
des Schalthebelbolzens frei nach vorn, ohne diesen selber zu beeinflussen und der
Schalthebel nimmt von der Vorbewegung der Stange d gar
nichts wahr. Der darauf folgende Rückgang derselben hat dann auch keine weitere
Folge, als dass sie sich mit ihrem Schlitze wieder längs des Schalthebelbolzens
zurückzieht.
Textabbildung Bd. 283, S. 47Fig. 3.Compensationsregulator zu Suter-Pestalozzi's
Handwebstuhl. Die Grosse der Schussdichte wird durch den Druck bestimmt, mit welchem der
Blattrahmen den neu eingetragenen Faden an den Warenrand schlägt, und dieser Druck
bestimmt sich durch die Spannung der Feder m, welche
den Rahmen nach vorn drängt. Mittels einer Flügelmutter kann man letztere Spannung
in etwas reguliren und befindet sich diese Mutter zu dem Behufe leicht zugänglich
ganz oben über einem an der Ladenstelze angeschraubten Fortsatze angebracht.
Uebrigens sind zur Erreichung wesentlich verschiedener Schussdichte auch
verschiedene Federn erforderlich.
Die Grosse der Schaltung muss für die compensirende, also nur intermittirend
stattfindende Wirkung so eingestellt werden, dass sie etwas mehr beträgt, als
der betreffenden Schussdichte für positive, bei jedem Schusse erfolgende Schaltung
entsprechen würde. Man kann die Grosse derselben leicht durch Verstellung des
Bolzens der Stange d im Schlitze des Hebels c verändern.
Will man den Regulator positiv arbeiten lassen, so kann man das Stück e, nachdem man dessen Befestigungsschraube gelüftet
hat, so weit mit dem vorderen Ende nach abwärts drehen, dass es stets f mitnimmt. Wenn man die Schraube hierauf wieder
anzieht, so schaltet der Regulator bei jedem Schusse, also positiv. Damit er als
solcher richtig functionire, ist erforderlich, dass man bei zunehmendem
Warenbaumdurchmesser den Befestigungsbolzen der Stange d im Schlitze c von Zeit zu Zeit einwärts
stellt, nachdem man sich durch Abzählen der Anzahl Schussfäden per 1 cm überzeugt
hat, dass die Schussdichte bereits etwas geringer, als sie sein soll, geworden ist.
Selbsthätig liesse sich diese Ausgleichung des Warenbaumdurchmessers durch Anbringen
einer Differentialvorrichtung herbeiführen, welche mittels einer an der
Warenbaumfüllung anliegenden Fühlwalze die Schaltung des Warenbaumes automatisch im
selben Masse verkleinert, als dessen Radius wächst. Der Einfachheit halber ist eine
solche weggelassen. Uebrigens soll hier bemerkt werden, dass die compensirende
Wirkung für glatte Stoffe ganz ausgezeichnet, minder vortheilhaft aber bei carrirten
und façonnirten Waren ist, bei welchen die genaue Einhaltung der Abmessungen des
Musters auch in der Längsrichtung des Gewebes eine stets gleich-massige, also
positive Schaltung wünschenswerther erscheinen lässt.
Der Warenbaum lässt sich auch von Hand mit Hilfe des Schneckentriebes durch die
Kurbel t bewegen. Ebenso ist hierdurch eine feine
Rückdrehung möglich, wenn man zuvor die Schaltklinke q
durch Drücken auf ihr vorderes Ende und die Gegenklinke r durch Erfassen des seitlichen Fortsatzes derselben ausser Eingriff mit
dem Schaltrade gebracht hat. Die grobe Rückdrehung, vollkommen frei von Hand,
geschieht in bereits früher angegebener Weise.
Wirkt der Regulator positiv, so hängt die Schussdichte von der jeweiligen Grosse der
Schaltung ab und muss daher diese für verschiedene Schussdichten durch Verstellung
des Bolzens im Schlitze des Hebels c verändert werden.
Es ersetzt daher diese Verstellung die bei anderen Constructionen nöthigen
Wechselräder und macht letztere entbehrlich. Der Schlitz im Hebel c ist mit einem Radius gleich der Länge der Schubstange
d gekrümmt, damit eine Verstellung des Bolzens in
demselben keine Verstellung des Schalthebels erzeugt.
Während des Schützendurchganges würde der Druck der Blattrahmenfeder m allein nicht genügen, um ein Festhalten des Blattes
zu gewährleisten, und läuft daher analog den Ausführungen der englischen Stühle mit
fliegendem Blatte in dem rückwärtigen Theile der Ladenbewegung eine am Arme i befestigte Rolle k auf
einer am Gestelle befestigten Blattfeder l auf. Feder
l ist im Vergleich mit den oben genannten
englischen Constructionen gerade umgekehrt am Stuhle montirt, indem bei derselben
die offene Seite nach rückwärts und nicht nach vorn wie bei jenen sieht.
Bolzen u in Fig. 3
dient zum Einhängen der Ladenschubstange und Welle V
ist die Stecherwelle, welche querüber im Stuhle unter dem Ladenklotze, gelagert in
den Ladenstelzen, läuft. –
Die Flügelbewegung wird bei diesen mechanischen Hand- und Fusstrittwebstühlen in
verschiedener Weise durchgeführt, je nach der Grosse des Musterrapportes der zu
erzeugenden Ware.
Bei Taffetstühlen geschieht die Beeinflussung der Stühle durch eine innere
Gegenzugbewegung mit vorne gelagerten Tritten. Neu ist die Construction der
Flügelexcenter, insoferne, als man deren Hub leicht ohne Auswechslung zu verändern
vermag. Sie umgreifen nämlich die Welle mit einem in der Richtung ihres grössten und
kleinsten Radius stehenden Schlitze und können längs eines auf die Welle
festgeklemmten Doppeldaumens verschoben werden.
Bei Schaftmaschinenstühlen ist eine Ratière oberhalb des Stuhlgestelles (siehe Fig. 1) angebracht. Dieselbe besitzt eiserne Platinen,
System Egolf, die aus Draht gebogen vermöge einer
einseitigen Stützung durch den Schaftzug stets nach vorne in ihren Führungsschlitzen
liegen. Durch ein Prisma mit hölzernen Klötzchenkarten werden sie nach rückwärts in
ihre Arbeitsstellung gedrängt, in der sie das Messer zu beeinflussen vermag.
Im Uebrigen ist die Ratière für Auf- und Niederzug mittels beweglichen Platinenbodens
eingerichtet und gibt ein reines Schrägfach, indem die rückwärtigen Platinen im
seihen Maasse als sie vom Warenrande entfernter stehen, auch mehr gesenkt werden.
Die Gegenkurbel, welche den Messerhebel bewegt, ist so construirt, dass man deren
Winkel gegenüber der Ladenkurbel und auch ihren Hub leicht verändern kann. –
Textabbildung Bd. 283, S. 48Fig. 4.Schlagbewegung bei Suterstühlen. Die Schlagbewegung ist bei den Suterstühlen eine solche mit
Excenterschlag. Indem hierdurch alle starkgespannten Federn in Wegfall kommen und
höchstens je eine schwachgespannte Feder zum Rückziehen der Schlagarme in die
Endstellung zur Anwendung gelangt, übrigens auch diese vermöge der eigenen Art der
Einhängung der Schlagarme bei Stühlen mit einfacher Lade entbehrt werden kann; indem
andererseits alle Theile des Schlagmechanismus ausserordentlich leicht, zum Theile
aus Holz construirt sind, wird gegenüber der Anwendung mit Federschlag, wie sie
bei den bisherigen mechanischen Hand- und Fusstrittwebstühlen in der Regel
angewendet wurde, ungemein an Kraftaufwand bei der Bewegung des Stuhles gespart und
überdies ein bedeutend rascherer Gang erermöglicht.
Die Anordnung besteht in Folgendem (Fig. 4). Auf der
Antriebswelle des Stuhles, also hier derjenigen Welle, welche für 2
Schusseintragungen eine Umdrehung macht, sitzen, um
180° gegen einander versetzt, die beiden Schlagscheiben a, festgeklemmt mittels Schrauben. Die Schlagnase b bildet ein separates Stück, welches an der planen Fläche der Scheibe in
einer Führung verstellt und mit einer Schraube befestigt werden kann.
Textabbildung Bd. 283, S. 48Fig. 4.Schlagbewegung bei Suterstühlen. Sie wirkt auf eine in ihrer Drehungsebene unten befindlichen Rolle c, und drängt diese bei Gang des Stuhles im
entsprechenden Momente rasch zur Seite. Diese rasche Bewegung wird, da Rolle c auf einem bei e
drehbaren Hebel d gelagert ist, auf letzteren
übertragen. Das Ende des Hebels d, welcher an einem
mittleren Gestellquerriegel des Stuhles eine feste Lagerung findet, wird durch einen
Riemen f mit dem hölzernen Schlagarme g verbunden, der mit dem auf der Ladenachse gelagerten
gusseisernen Schuhe h verschraubt ist. Die rasche
Ausschwingung der Rolle bei ihrer Beeinflussung durch die Schlagnase wird mithin
eine rasche Bewegung des Schlagrollenhebels und schliesslich eine rasche
Einwärtsschwingung des Schlagarmes erzeugen, welche direct auf den über den
Schlagarm gesteckten Picker k und mittels dieses auf
den Schützen s übertragen wird. Die einseitige
Einhängung des Gusseisenstückes h bewirkt, dass auch
ohne die Feder i der Schlagarm immer wieder nahezu in
seine Endstellung zurückkehrt, sobald die Wirkung der Schlagnase aufgehört hat. Der
in den Kasten zurückkehrende Schützen drängt den Schlagarm vollends in die
Endstellung. Bei Wechselstühlen ist die Anwendung einer Feder i immerhin empfehlenswerth.
Der Schlag ist in seiner Stärke sehr leicht regulirbar, indem man die Schraube der
Schlagnase b lüftet, diese nach einwärts schiebt und
die Schraube wieder festzieht. Die Nase ist nämlich in radialer Richtung bedeutend
höher als die Höhe der Rolle, so dass immer nur ein bestimmter Höhenabschnitt auf
diese wirkt. Von der Seite angesehen bemerkt man, dass der innere Theil, d.h. jener, der
dem Wellenmittel näher liegt, einen kleineren Hub als der äussere besitzt. Dies im
Vereine mit einem grösseren Schlagnasenwinkel und eventuell einer geringeren
Concavität bewirkt, dass der innere Theil der Nase einen wesentlich schwächeren
Schlag als der äussere gibt. Das Schiebestück b ist
daher gewissermaassen eine Vereinigung mehrerer Schlagnasen für verschieden starken
Schlag, welche man, indem man je eine von ihnen in dieselbe Entfernung vom
Wellenmittel wie die Schlagrolle bringt, jede für sich zur Wirkung bringen kann.
–
Textabbildung Bd. 283, S. 49Fig. 5.Wechsel bei Suterstühlen. Der Wechsel (Fig.
5) ist ein einseitiger Fallkastenwechsel für 4 Kästen. Er ist in seiner
Bauweise anderen Schweizer Wechselconstructionen ähnlich, jedoch sehr
vereinfacht.
Die Wechselkastenstange p ist in Verbindung mit dem
Hebel n, der mittels der langen Rolle z auf 4 hintereinander liegenden sectorartigen Stücken
f ruht, welche an der Oberseite mit excentrischen
Erhöhungen f1 versehen
sind. Diese lose um ihren gemeinschaftlichen Drehbolzen beweglichen Sectoren f sind jeder mit einer Platine p1 verbunden. Hebt man eine dieser
Platinen empor, so dreht man den betreffenden Sector derart, dass sich dessen
excentrische Erhöhung f1 unter die Rolle z des Hebels n drängt und diesen, somit auch die Wechselkastenstange
p und den Wechselkasten hebt. Die excentrischen
Erhöhungen f1 sind nun
nicht alle gleich hoch, sondern besitzen viererlei verschiedene Grosse, so dass
dadurch auch 4 verschiedene Höhenlagen des Wechselkastens die Folge sind.
Das vorderste Stück f hat die geringste, nämlich gar
keine Erhöhung, und wird folglich, wenn dieser Sector gedreht, bezieh. dessen
Platine gehoben wird, Hebel n die tiefste Lage
einnehmen. Kasten 1 ist dann gleichzeitig in der Ladenbahn.
Dreht man das 2. Stück f1 so wird bereits die Rolle etwas gehoben und Kasten 2 tritt in richtige
Höhe, ebenso bei Bewegung des 3. Stückes der 3. oder bei jener des 4. Sectors der 4.
Kasten.
In gehobener Stellung werden die Stücke f fixirt, indem
dann Hebel i, veranlasst durch die Feder l, in die Stufe g des
betreffenden ausgedrehten Sectors f einschnappt. Die
ruhenden Sectoren sind in ihrer Lage ebenfalls durch den Hebel i erhalten, der aber bei ihnen in der Stufe g1 liegt. Zieht man nun
irgend eine Platine aus, so dreht sich der betreffende Sector f und drückt dabei zunächst den Hebel i etwas nach abwärts, so dass der früher ausgezogene
Sector, der jetzt unthätig gemacht werden soll, seinen Halt verliert und in seine
Anfangslage zurückkehrt, veranlasst hierzu durch das Gewicht seiner Platine.
Der neu ausgezogene Sector wird, weit genug gekommen, durch den nach aufwärts in
seinen Ausschnitt g schnappenden Hebel i in ausgezogener Stellung, wie besprochen, arretirt.
Natürlich wird, wenn auf einen Hebel mit grösserer Erhebung ein solcher mit einer
niedrigeren folgt, ein Herabfallen des Wechselkastenhebels und des Wechselkastens
die Folge sein, was ein ziemlich unangenehmes Geräusch verursacht.
Das Heben der Platinen p1 geschieht durch ein Messer m, wenn
dieselben durch eine volle Stelle in der zur Anwendung gelangenden hölzernen
Lochkarte vorgedrängt worden sind.
Die Bewegung des Messers erfolgt, da der Wechsel ein einseitiger ist, also höchstens
alle 2 Schuss einmal gewechselt werden soll, von der Antriebswelle des Stuhles aus,
welche für 2 Schusseintragungen eine Umdrehung macht.
Auf dieser sitzt nämlich ein Excenter a, welches die
Rolle b des Hebels c
hinausdrängt, dessen Arm d mit der Stange e verbunden ist. Diese Stange, an ihrem oberen Ende
geführt, trägt etwas unterhalb dieses das Messer.
Die Bewegung des Prismas geschieht gleichfalls von der Stuhlantriebswelle aus und
zwar durch einen Daumen u, der den Hebelarm t in die Höhe drängt oder sinken lässt, dadurch eine
hin- und herschwingende Bewegung des senkrechten Armes desselben Hebels und mithin
auch eine solche des mit ihm verbundenen Hebels sr
erzeugt. Letzterer trägt das Prisma.
Die Drehung des Prismas geschieht in Folge der oscillirenden Bewegung durch das
Schalträdchen w und den fixen Schalthaken x.
Es ist wohl zu beachten, dass eine volle Stelle in der
Karte die Bethätigung der Platine zur Folge hat, so dass also jede Karte ausser den
beiden zum Festhalten dienenden Löchern immer noch mindestens 3 Löcher und nur
höchstens eine volle Stelle besitzt.
Das Zurückdrücken der Platinen in diejenige Position, in welcher sie vom Messer nicht
erfasst werden, geschieht in bekannter Weise durch Nadeln und Federn. In dieser
Ruhelage bleiben dieselben so lange, bis wieder gewechselt werden soll, so dass die
während dieses Stillstandes des Wechselkastens zur Wirkung gelangenden Karten 4,
bezieh. mit den zum Festhalten dienenden, 6 Löcher bekommen müssen. –
Am 2 schützigen Lancirstuhle ist ein einfacherer, jedoch beschränkter Wechsel
vorhanden. Die Einrichtung dieses besteht in Folgendem:
Beiderseits sind je 2 Hebekästen, gestützt auf eine Wechselkastenstange, die unten
mit dem horizontalen Arme je eines Winkelhebels verbunden ist. Der senkrechte Arm
dieses trägt am oberen Ende eine Rolle, die an je einem Wechselexcenter anliegt.
Diese Excenter stecken auf einer Welle festgeklemmt mittels je 2 Schrauben, welche
Welle von der Ladenantriebswelle durch eine Stirnräderübersetzung 1 : 4 Bewegung
empfängt. Im Verlaufe des Umfanges besitzen sie zweimal eine Hebung und eine Senkung. Die Folge
hiervon ist, dass aufeinanderfolgend die beiden ersten, darin die beiden zweiten,
hierauf wieder die beiden ersten und dann wieder die beiden zweiten Kästen u.s.w. in
die Höhe der Ladenbahn eingestellt werden.
Es hat also zuerst der obere Schützen von rechts nach links, hierauf der untere
ebenso, alsdann der obere Schützen von links nach rechts und schliesslich der untere
analog geschossen zu werden. Die Schlagvorrichtung ist demnach eingerichtet. Es sind
nämlich auf die von der Kurbelwelle mit der Uebersetzung 1 : 4 angetriebene Welle 2
Schlagscheiben um 180° verstellt aufgebracht, die jede 2 Schlagnasen besitzen,
welche gegenseitig unter 90° stehen. Zuerst schlägt also die eine Schlagscheibe
zweimal hinter einander, hierauf die andere ebenso, aber von der anderen Seite,
alsdann wieder die erste u.s.w. Die Construction der Schlagscheiben sowie die
Anordnung des Schlagmechanismus ist im Uebrigen den bereits beschriebenen analogen
Vorrichtungen gleich. –
Die Suterstühle sind auch noch zur Vermeidung von Schützenschlägen mit einem Schützenwächter versehen. Dieser ist ganz analog den
englischen Schützenwächtern construirt, besteht also aus einer Stecherwelle, den
Stecherfedern, 2 den Schützenkastenzungen anliegenden Fühlhebeln, 2 Stechern, und,
diesen gegenüberliegend, 2 durch Unterlage von Kautschuk federnd gemachten
Fröschen.
Eine etwas modificirte Construction, welche in der Fig.
6 dargestellt ist, wird gleichfalls an diesen Stühlen verwendet. Anstatt
der verschiebbar eingesetzten Frösche sind nämlich solche vorhanden, die mit einer
im Stuhle querüber laufenden Welle d fest verbunden
sind. Bleibt der Schützen im Fache stecken, wird also keine der Schützenkastenzungen
hinausgedrängt, so stehen die Fühlhebel a einwärts und
sind die Stecher so weit gesenkt, dass sie an die Nasen der Frösche d stossen. Auf derselben Welle, auf welcher diese
festsitzen, ist auch ein Hebel e befestigt, der in
einen, dem einen Schwungrädchen gegenüberstehenden Bremsbacken endigt.
Textabbildung Bd. 283, S. 50Fig. 6.Schützenwächter am Suterstuhl. Für gewöhnlich wird letzterer sowohl durch sein eigenes Gewicht, als auch
durch eine Feder sicher entfernt von dem Umfang dieses Rädchens gehalten. Stossen
aber die Stecher an die Nasen der Frösche d, so bewegen
sie deren Welle derart, dass der Bremsbacken sich gegen das Schwungrädchen S presst. Indem dadurch gleichzeitig mit dem Festhalten
der Lade die Hauptwelle gebremst wird, wird der Stuhl beinahe momentan zum
Stillstande gebracht.
Es ist jedoch fraglich, ob sich diese Vorrichtung bewähren wird. Denn lässt man die
Feder weg oder spannt dieselbe zu schwach, so erfolgt beim Einfallen der Stecher ein
derart plötzlicher, stossweiser Anschlag des Bremsbackens an das Schwungrädchen,
dass der gusseiserne Bremshebel sehr leicht zum Bruche kommt. Andernfalls, wenn man
die Feder stark genug wählt, um einen solchen Stoss und die Gefahr eines Bruches,
vollständig zu vermeiden, wirkt der Schützenwächter eigentlich überhaupt nur
analog einem gewöhnlichen solchen mit federnden Fröschen, während die Bremswirkung
ziemlich illusorisch wird. –