Titel: | Untersuchungen über die Bildung der Farblacke. |
Autor: | Carl Otto Weber |
Fundstelle: | Band 283, Jahrgang 1892, S. 183 |
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Untersuchungen über die Bildung der
Farblacke.
Von Dr. Carl Otto Weber.
(Schluss der Abhandlung S. 158 d. Bd.)
Untersuchungen über die Bildung der Farblacke.
Nach den bei der Titration der Farbstofflösungen mit Tannin gemachten Erfahrungen ist
es klar, dass nur wenn erstere mit der gerade erforderlichen Menge Tannin oder einem
Ueberschusse desselben gefällt werden, der Farbstoff vollständig in den Tanninlack
übergeht. Da die gerade erforderliche Tannin menge unbekannt ist, so bleibt nur
übrig mit einem bekannten Ueberschusse von Tannin zu arbeiten und die nicht vom
Farbstoffe gebundene Menge durch Titration zu ermitteln.
Zur Ausführung dieser Bestimmung benutzte ich: 1) eine Lösung von 50 g chemisch
reinem Tannin und 200 g absolut reinem, gegen Permanganat völlig indifferentem
Natriumacetat in 1 l destillirtem Wasser, 2) eine Lösung von 1 g Permanganat in 1 l
destillirtem Wasser, 3) eine Lösung von 5 g reinem trockenem Indigocarmin und 100 cc
concentrirter Schwefelsäure in 1 l Wasser. Von dem zu untersuchenden Farbstoffe
wurde 1 g in 200 cc Wasser gelöst.
Zur Feststellung des Titers der Tanninlösung werden 20 cc (= 1 g Tannin) derselben
auf 200 cc verdünnt. 5 cc hiervon werden in einem Becherglase mit 750 cc Wasser
verdünnt, 20 cc der Indigolösung hinzugefügt und sodann mit der Permanganatlösung
titrirt. In derselben Weise werden 20 cc der Indigolösung mit 750 cc Wasser verdünnt
und mit Permanganat titrirt.
Zur Ausführung der Bestimmung wird 1 g des Farbstoffes in 200 cc Wasser gelöst. Man
gibt darauf in eine 200 cc-Flasche 20 cc (= 1,000 g) der Tanninlösung und fügt
darauf unter fortwährendem massigen Umschwenken 25 cc (= 0,125 g) der
Farbstofflösung (nicht umgekehrt!) hinzu. Der Tanninlack scheidet sich dann sofort
in äusserst fein vertheilter Form aus. Man bringt die Flasche sodann in ein
Wasserbad, in dem sie während 10 Minuten erhitzt wird. Dann wird mit kaltem
Wasser verdünnt und durch ein trockenes Faltenfilter filtrirt. 5 cc des Filtrates
werden mit 750 cc Wasser verdünnt, 20 cc Indigolösung zugefügt und darauf mit der
Permanganatlösung auf bekannte Weise titrirt. Das Resultat dieser Titration fällt
natürlich niedriger aus, als das der Tanninlösung ohne Farbstoff, entsprechend dem
Betrage der zur Lackbildung aufgewandten Menge Tannin. Die für 1 g Farbstoff
erforderliche Menge Tannin ergibt sich aus der Formel:
T=\frac{320\,b\,(a-c)}{1000}
In dieser Formel bedeutet a die Anzahl von
Cubikcentimetern Permanganat, die zur Titration von 5 cc der auf 200 cc verdünnten
20 cc Tanninlösung und der 20 cc Indigolösung verbraucht wurde, c die Anzahl von Cubikcentimetern Permanganat, die zur
Titration von 5 cc Filtrat, von den wie angegeben dargestellten Farblacken, und der
20 cc Indigolösung verbraucht wurde, b bedeutet die
Menge Tannin in Milligrammen ausgedrückt, die 1 cc der Permanganatlösung
entsprechen.
Hat man also beispielsweise gefunden, dass von den 20 cc der auf 200 cc verdünnten
Tanninlösung 5 cc + 20 cc Indigolösung 35,4 cc der Permanganatlösung erfordern, so
ist in obiger Gleichung a = 35,4 zu setzen. Hat man
ferner gefunden, dass 20 cc Indigolösung 17,6 cc Permanganat erfordern, so lässt
sich hieraus und aus a leicht berechnen, dass 1 cc
Permanganat 1,420 mg Tannin entspricht und man hat daher b = 1,420. Findet man, dass von dem Filtrate des wie angegeben
dargestellten Lackes 5 cc + 20 cc Indigolösung 33,2 cc Permanganat beanspruchen, so
ist c = 33,2 und man hat
T=\frac{320\,b\,(a-c)}{1000}=\frac{320\,\times\,1,42\,(35,4-33,2)}{1000}
=\frac{320\,\times\,1,42\,\times\,2,2}{1000}=0,9988
Dies heisst also, dass 1 g des untersuchten Farbstoffes 0,9988
g = 99,88 Proc. Tannin zur vollständigen Umwandlung des Farbstoffes in den
Tanninlack erfordert. Hieraus lässt sich dann ohne weiteres der Tanninbedarf des
Moleküles des Farbstoffes berechnen, eine Zahl, die im Allgemeinen für praktische
Zwecke von wenig Werth ist, da die meisten basischen Farbstoffe von dem Zustande
chemischer Reinheit sehr weit entfernt sind, in Folge der häufig sehr bedeutenden
Mengen von Dextrin oder Zucker, die dieselben enthalten. (Folgt Tabelle von S.
184.)
Aus dieser Tabelle geht zunächst hervor, dass alle bis jetzt bekannten basischen
Farbstoffe, mit Ausnahme des Chrysoidins, für das Molekül Farbstoff mehr als 1 Mol.
Tannin zur Lackbildung erfordern. Bei solchen mehrsäurigen Farbbasen, die als
Farbstoffe zwei oder mehr einwerthige Säureradicale enthalten (Malachitgrün,
Bismarckbraun, Vesuvin, Indazin M), ist dies weiter nicht auffallend. Diese
Thatsache kommt aber etwas unerwartet bei denjenigen Farbstoffen, die, obgleich
mehrbasisch, als Farbstoffe nur in der Form einsäuriger Salze vorkommen, wie dies
von der grossen Mehrheit der basischen Farbstoffe gilt. Wir können auf Grund der in
obiger Tabelle enthaltenen Resultate sagen, dass mit zwei Ausnahmen alle basischen
Farbstoffe für 1 Mol. Farbstoff 2 Mol. Tannin erfordern. Die beiden nicht dieser
Regel sich fügenden Farbstoffe sind: Chrysoidin, das nur 1 Mol., und Auramin, das
1,5 Mol. Tannin für das Farbstoffmolekül erfordert.
Farbstoff
Molekulargewichtdes
reinenFarbstoffes
Tanninbedarf
Fabrikant
für 1 Mol. Farbstoff
in Procenten
Magenta krist.
395,5
622 = 2 Mol.
157
Dan. Dawson Bros. Lim., Huddersfield.
Fuchsin, kleine krist.
395,5
648 = 2 „
164
Meister, Lucius und Brüning, Höchst.
Fuchsin, mittlere krist.
395,5
636 = 2 „
161
L. Cassella und Co., Frankfurt a. M.
Fuchsin, kleine krist.
895,5
641 = 2 „
162
Dan. Dawson Bros. Lim., Huddersfield.
Methylviolett BO.
393,5
510 = 2 „ 4
130
L. Cassella und Co., Frankfurt a. M.
Krystallviolett.
551,5
651 = 2 „
118
Bad. Anilin- und Sodafabrik.
Malachitgrün krist.1
92613
1324 = 4 „ 3
143
Küchler und Buff, Crefeld.
Brillantgrün krist.2
482
650 = 2 „
135
„ „ „ „
Victoriablau B
496
312 = 1 „ 5
63
Bad. Anilin- und Sodafabrik.
Auramine O
321,5
480 = 1,5 „
149
„ „ „ „
Rhodamine B
478,5
196 = ? 6
41
„ „ „ „
Pyronin B
330,5
118 = ? 6
36
A. Leonhardt und Co., Mülheim i. H.
Pyronin G
302,5
136 = ? 6
45
„ „ „ „ „
Safranine GO
350,5
287 = ? 7
82
L. Cassella und Co., Frankfurt a. M.
Safranine GGS
350,5
603 = 2 Mol.8
172
„ „ „ „ „
Nachtblau
575,5
414
72
Bad. Anilin- und Sodafabrik.
Nilblau
676,0
824
122
„ „ „ „
Methylenblau B conc.
79313
1237 = 4 „
156
Meister, Lucius und Brüning, Höchst.
Muscarine J
326,5
295 9
83
Durand und Huguenta, Basel.
Muscarine JR
?
?
163
„ „ „ „
Basler Blau BB
504,5
297 9
59
„ „ „ „
Basler Blau R
?
?
131
„ „ „ „
Acridinorange
434,5
452
104
A. Leonhardt und Co., Mülheim i. H.
Azingrün BTO
476,5
322 7
68
„ „ „ „ „
Vesuvin OOO extra
496
823 10
166
Bad. Anilin- und Sodafabrik.
Bismarckbraun G
496
664 = 2 Mol.
134
Hampson Bros., Manchester.
Chrysoidine FF
248,5
350 = 1 „ 11
141
L. Cassella und Co., Frankfurt a. M.
Indazin M
593
243 = 1 „ 12
41
„ „ „ „ „
1 Oxalat. 2 Sulfat. 3 Es
ist dies für 1 Mol. der Farbbase: 662 = 2,0 Mol. Tannin. 4 Unter der Annahme, dass der Farbstoff 75 Proc.
stark ist. 5 Der Farbstoff erscheint danach 50
Proc. stark. 6 Sehr stark verdünnter Farbstoff.
7 Ist ungefähr 50 procentige Waare. 8 Sehr starkes Safranin. 9 Diese Farbstoffe scheinen etwa 50 Proc. stark zu
sein, die rothen Marken Muscarin JR und Basler Blau R sind aber offenbar weit
stärkere Farbstoffe. 10 Diese Zahl für Vesuvin ist
auffallend hoch. 11 Das Chrysoidin ist fast
chemisch reine Waare, es scheint daher, soweit sich dies vorläufig feststellen
lässt, dass Chrysoidin der einzige basische Farbstoff ist, der nur 1 Mol. Tannin zur
Lackbildung erfordert. 12 Der Farbstoff scheint
ungefähr 50 Proc. stark zu sein. 13 Enthält ein
Doppelmolekül Farbbase.
Aus den Constitutionsformeln dieser Farbstoffe lässt sich nichts ableiten, was
zum Verständniss dieses Verhaltens beitragen könnte. Chrysoidin besitzt die
Constitutionsformel:
{\mbox{C}_6\mbox{H}_5\mbox{N}}=\mbox{N}-\mbox{C}_6\mbox{H}_3}\left\{{{\mbox{NH}_2\
\ \ \ \ \ }\atop{\mbox{NH}_2.\mbox{HCl}}}\right
ist also danach eine zweisäurige Base, dasselbe gilt für
Auramin, dessen Constitution der Formel:
Textabbildung Bd. 283, S. 184
entspricht. Besonders auffallend ist in Anbetracht der
einbasischen Natur des Tannins, dass das Auramin 1,5 Mol. Tannin erfordert. Unter
einem halben Molekül Tannin können wir uns nichts vorstellen und ist diese
Bezeichnung nur zulässig als ein Ausdruck der quantitativen Verhältnisse. Richtiger
sagen wir jedenfalls, dass 2 Mol. Auramin 3 Mol. Tannin erfordern. Die Reaction
zwischen diesen 5 Mol. wird dadurch aber nicht klarer, obgleich die Idee einer
Betheiligung der Phenolhydroxyle des Tannins nahe liegt, eine hypothetische Frage,
die uns hier wenig interessirt.
Aus den in den beiden Tabellen über die directe und indirecte Bestimmung der zur
Fixirung der basischen Farbstoffe erforderlichen Tanninmengen geht nun unmittelbar
hervor, dass im Allgemeinen ¼ der zur vollständigen chemischen Fällung der basischen
Farbstoffe erforderlichen Tanninmenge zur vollständigen physikalischen oder besser
empirischen Fällung genügt. Die totale Vernachlässigung der chemischen
Mengenverhältnisse in der Darstellung der Tanninlacke sowohl an und für sich, als
auch auf der Faser in der Baumwollfärberei hat zur Folge, dass der grössere Theil
des Farbstoffes nicht als Tanninlack, sondern, wie früher gezeigt, in Form
eines mehr oder minder basischen Salzes im Lack oder auf der Faser existirt. Dass
die unfixirten basischen Farbstoffe in ausserordentlichem Grade unecht sind, ist so
wohl bekannt, dass wir uns dabei nicht weiter aufzuhalten brauchen, und es folgt
daher, dass bei der heute üblichen Methode der Darstellung der Tanninlacke und der
Färbung der basischen Farbstoffe auf Baumwolle Resultate erhalten werden, die in
Bezug auf Licht- und Luftechtheit in vielen Fällen mangelhaft sind und erheblich
hinter dem Erreichbaren zurückbleiben.
In der Fabrikation von Farblacken hat dies dahin geführt, dass die Darstellung der
Tanninlacke der basischen Farbstoffe fast gänzlich aufgegeben worden ist und sie nur
noch da angewendet werden, wo es auf höchste Brillanz des Tones mehr als auf
Lichtechtheit ankommt. Selbst in diesen Fällen wird die Fixirung lieber durch
Arsenite. Phosphate oder Stearate und Palmitate (Seifen) bewirkt, die dem
Fabrikanten bessere Resultate geben als Tannin, aus dem einfachen Grunde, weil diese
in solchen Mengen gegenüber dem Farbstoffe zur Anwendung kommen, dass derselbe stets
vollständig chemisch fixirt ist, was bei der üblichen Methode der Tanninfixirung nie
der Fall ist.
In der Baumwollfärberei ist dagegen die Tanninfixirung von allergrösster Bedeutung,
und obgleich noch andere Methoden zur Färbung der basischen Farbstoffe auf Baumwolle
existiren, so sind dieselben doch nur von sehr untergeordneter Wichtigkeit. Dem
Färber ist es wohl bekannt, dass tiefere Schattirungen der verschiedenen Farbstoffe
stärkere Mordantirung erfordern, aber hierbei wird den chemischen
Molekularverhältnissen nur im gröbsten Sinne des Wortes Rechnung getragen und die
Thatsache, dass die Menge Tannin, die auf der Faser befestigt wird, in einem absolut festen
Verhältnisse zur Zusammensetzung und aufzufärbenden Menge eines bestimmten
Farbstoffes stehen muss, wird vom Färber so gut wie gänzlich ausser Acht gelassen.
Die natürliche Folge hiervon ist, dass fast ausnahmslos viel mehr Farbstoff auf
einem Tanninmordant fixirt wird, als derselbe chemisch zu binden vermag, und das
Resultat ist eine in directem Verhältniss zu der Menge des nicht an Tannin
gebundenen Farbstoffes stehende Unechtheit der Färbung, nicht nur gegen Luft und
Licht, sondern auch gegen Seife.
Obige Tabelle nun oder vielmehr die zugehörige analytische Methode gibt dem Färber
ein Mittel an die Hand zur rationellen Bemessung der Färbstoffmengen, die auf eine
bestimmte Menge Tannin gefärbt werden können. Es darf hierbei freilich nicht
vergessen werden, dass der Färber ausser Tannin eine ganze Anzahl anderer
Gerbstoffmaterialien verwendet: Myrabolanen, Sumach, Divi-Divi, Granatapfelrinde,
Eichenextract, Kastanienextract, Kino, Catechu und viele andere. Es wird also
erforderlich sein, dass der Färber den Wirkungswerth dieser Gerbstoffmaterialien in
Bezug auf reines Tannin oder direct auf die von ihm verwendeten basischen Farbstoffe
feststellt, um den wahrscheinlich für jeden Gerbstoff verschiedenen
Verbindungsverhältnissen Rechnung zu tragen. Ebenso aber wird es nöthig sein, die
Quantitäten der verschiedenen Gerbstoffe zu ermitteln, die aus Bädern von bestimmter
Stärke auf der Baumwolle fixirt werden, eine Arbeit, die sich ohne nennenswerthe
Schwierigkeiten bewerkstelligen lassen wird.
In der Färberei wird nur in sehr seltenen Fällen, wenn überhaupt je, direct auf die
tannirten Garne gefärbt, da so gefärbte Garne stets stark abrussen. Dies rührt davon
her, dass das auf der Baumwolle fixirte Tannin in der Farbflotte langsam wieder in
Lösung geht und zur Fixirung einer erheblichen Menge von Tanninlack unmittelbar auf
der Oberfläche der Faser Veranlassung gibt. Es wird deshalb das in der Faser fixirte
Tannin gewöhnlich durch ein Metallsalz in ein unlösliches Metalltannat übergeführt.
Als solche Metallsalze dienen Antimon-, Zinn- und Eisensalze, doch sind auch Zink-
und Bleisalze vorgeschlagen worden. Diese Metalltannate besitzen sehr grosse
Vortheile vor dem freien Tannin. Ich habe früher darauf hingewiesen, dass ein
Tanninüberschuss im Stande ist, ebenso unvortheilhaft zu wirken, als eine
ungenügende Menge Tannin, indem viele Tanninlacke in überschüssigem freiem Tannin
löslich sind. Ist dagegen das Tannin in Gegenwart eines Metalltannats vorhanden, so
ist diese Wirkung vollständig ausgeschlossen. Ferner aber sind die Doppellacke der
basischen Farbstoffe mit Metalltannaten bedeutend feuriger und unvergleichlich viel
echter als die einfachen Tanninlacke.
Von den erwähnten Metallsalzen hat sich keines in solchem Grade bewährt als der von
Th. Brooks vorgeschlagene Brechweinstein.
Zahlreiche andere Antimonsalze sind in den letzten Jahren als Ersatz des theuren
Brechweinsteines empfohlen worden, aber keines hat sich unter allen Bedingungen so
vortheilhaft erwiesen als letzterer. Für die Färberei und den Cattundruck bedarf die
Anwendung der Antimonsalze keiner Empfehlung und die oben angegebenen Vorzüge der
Antimontanninlacke sollten auch in der Fabrikation der Farblacke an und für sich
genügend Veranlassung sein, die basischen Farbstoffe nicht als reine
Tanninlacke, sondern als Antimondoppellacke zu fällen. Das Verfahren der
Lackfällung wird dabei zweckmässig in der Weise abgeändert, dass das Tannin zu der
in Wasser aufgeschlämmten Grundlage gefügt wird, sodann wird das Tannin mit
Brechweinstein auf der Grundlage fixirt, ausgewaschen und sodann die der angewandten
Menge Tannin entsprechende Farbstoffmenge langsam hinzugefügt; die Bildung des
Farblackes findet hierbei genau wie beim Färben der Baumwolle statt. Auf solche
Weise hergestellte Lacke sind unvergleichlich viel echter, als die auf die früher
beschriebene rohe empirische Weise hergestellten Producte.
In der Färberei und im Cattundruck werden die tannirten Garne stets in Gegenwart
überschüssigen Antimonsalzes fixirt, da die betreffenden Bäder immer wieder benutzt
werden. Bei der Darstellung von Lacken ist es aber aus ökonomischen Gründen
erforderlich, keinen oder wenigstens einen sehr geringen Ueberschuss von
Brechweinstein oder eines anderen Antimonsalzes anzuwenden. Die Anhäufung von freier
Säure oder sauren Salzen in den für eine lange Zeit in der Färberei oder
Cattundruckerei benutzten Bädern ist ein erheblicher Uebelstand, der wesentlich dazu
beigetragen hat, die Verwendung billigerer Antimonsalze als des Brechweinsteins
nachtheilig zu beeinflussen. Bei der Darstellung von Lackfarben kommt aber dieser
Gegenstand nicht in Betracht und wird man daher für diesen Zweck mit Vortheil eines
der erwähnten Brechweinsteinsurrogate verwenden. Die Reaction zwischen Tannin und
Brechweinstein scheint im Sinne der Gleichung
C14H10O9 + C4H4O6R
(SbO) = C14H9O9 (SbO) + C4H4O6RH
zu erfolgen, so dass für ein Molekül Tannin (322) ein Molekül
Brechweinstein (334) erforderlich wäre. Titrirt man indessen eine Lösung von Tannin
mit einer Lösung von Brechweinstein nach Galand's
Methode, so findet man, dass für jedes Molekül Tannin nur ein halbes Molekül
Brechweinstein erforderlich ist. Dieses Verhältniss zwischen Tannin und
Brechweinstein ist also bei der Darstellung der Farblacke nicht zu überschreiten.
Ein erheblicher Ueberschuss von Brechweinstein oder einem der Substitute desselben
hat bei Gegenwart von ThonerdehydratMan kann
sagen, dass alle aus basischen Farbstoffen dargestellten Lacke auf ein
Thonerdesubstrat oder ein Thonerdehydrat haltendes Substrat gefällt
werden. die unangenehme Wirkung, den gefällten Lack zum grossen
Theil in Suspension zu erhalten, was natürlich das unumgängliche Auswaschen der
Lacke sehr erschwert, ja geradezu unmöglich machen kann.
Die Function der Antimonsalze in der Bildung der basischen Farblacke kann auch von
anderen Metallsalzen übernommen werden und thatsächlich wurden vor Einführung der
Brechweinsteinbeize Blei- und Zinksalze zu diesem Zwecke angewandt; deren Verwendung
ist aber heute so gut wie vollständig aufgegeben, da die damit erzielten Resultate
an Schönheit mit der Antimonfixage nicht concurriren können. Dagegen wird
gegenwärtig in gewissen Fällen die Eisenfixage mit Eisenvitriol oder Eisenoxydsalzen
und die Zinnbeize mit Zinnchlorür oder Zinnchlorid benutzt. Die Eisenfixage wird nur
zur Herstellung sehr dunkler blauer Töne benutzt, die Zinnfixage besonders für zarte
Schattirungen von Roth, Rosa und Gelb. Doch muss mit Bezug auf die Zinnfixage gesagt
werden, dass die erhaltenen Resultate zwar schöner sind als sie sich mit
Antimonsalzen unter sonst gleichen Umständen erreichen lassen, dagegen ist die
Echtheit der Tanninzinnlacke viel geringer als die der Antimontanninlacke.
Für die Lackfarbenfabrikation ist die Eisenfixage unbrauchbar, dagegen lässt sich die
Zinnfixirung häufig zur Erzeugung feuriger Rosatöne mit Vortheil verwenden. Hierbei
ist aber stets der Lack auf einem Substrat zu fällen, das im Stande ist, das
Zinnsalz völlig zu zersetzen. Calcium- oder Bariumcarbonat wirken für diesen Zweck
sehr kräftig, doch ist es unter praktischen Verhältnissen stets erforderlich,
dieselben im Ueberschusse zu verwenden, der bei der Verwendung sehr
alkaliempfindlicher Farbstoffe häufig nachtheilig wirkt. In solchen Fällen empfiehlt
sich an Stelle jener Carbonate die Anwendung von Thonerdehydrat. Die Fixirung
geschieht in der Kälte. Sobald eine Probe zeigt, dass das Zinn auf der Grundlage
fixirt ist, wird ausgewaschen, zur Entfernung des sehr nachtheilig wirkenden
Calcium- oder Bariumchlorids, sodann wird die Lösung des Farbstoffes und
schliesslich die Lösung des Tannins und Natriumacetats zugefügt.
Ausser Tannin gibt es aber noch eine grosse Anzahl organischer und anorganischer
Säuren, die mit basischen Farbstoffen Lacke zu bilden vermögen. In dieser Beziehung
sind besonders zu erwähnen: fast alle aromatischen Säuren, die wasserunlöslichen
festen Fettsäuren, Phosphorsäure, und die Säuren des Arsens und Antimons. Um
genügend vollständige Fällungen zu erhalten und auch um die Säuren in wässerige
Lösung zu bringen, müssen dieselben stets in Form ihrer neutralen Alkalisalze
angewandt werden. Die Verhältnisse, unter denen die Lacke aus diesen Säuren bezieh.
Salzen entstehen, sind viel einfacher als beim Tannin und verläuft die Reaction
stets in derselben Weise wie die doppelte Umsetzung zwischen unorganischen Salzen.
Für die Darstellung von Lackfarben sind viele der erwähnten Säuren brauchbar.
Besonders Phosphorsäure, Arsenigsäure, Arsensäure. Metaantimonsäure oder vielmehr
deren Salze geben brauchbare Resultate und zwar Phosphate und Antimoniate besonders
bei Lacken, die auf eine Grundlage von Stärke gearbeitet werden; Arsenigsäure und
Arsensäure dagegen geben bessere Resultate auf Thonerdehydrat. Das Verfahren wird
fast stets in der Weise benutzt, dass direct Arsenigsäure Thonerde hergestellt wird.
Beim Zusammentreffen dieser Grundlage entsteht sodann ein Doppellack von äusserst
feuriger Nuance. Der Verwendung dieses Lackes steht aber dessen Arsengehalt in den
meisten Fällen im Wege. Aehnlich verhält sich phosphorsaure Thonerde, doch sind die
damit erzielten Lacke den vorigen an Schönheit durchaus nicht ebenbürtig. Beide
Lacke, so schön sie auch sind, besitzen eine höchst fatale Lichtempfindlichkeit. Die
Ursache dieser Unechtheit ist unzweifelhaft der schwachen Natur der Bindung zwischen
Farbstoff und Mordant zuzuschreiben. Die Arsenigsäure Thonerde und phosphorsaure
Thonerde, die in obigen Lacken den Mordant darstellen, müssen in ihrer
Zusammensetzung den entsprechenden Alkalisalzen Na2HAsO3 und Na2HPO4 gleichen, besitzen also demgemäss
die Constitutionsformeln
Textabbildung Bd. 283, S. 186
Werden dagegen die entsprechenden neutralen Salze von den
Formeln
Al|Al
AsO3AsO3
und
Al|Al
PO4PO4
verwendet, so fällt bei noch geringerer Lichtbeständigkeit die
Nuance viel weniger schön aus. Dies ist offenbar dem Umstände zuzuschreiben, dass
die beiden letzteren Aluminiumverbindungen neutrale Körper sind, die wahrscheinlich
die basischen Farbstoffe nicht unter Lackbildung zu zersetzen vermögen, während die
beiden ersteren Salze im Molekül je drei durch Basen ersetzbare Wasserstoffatome
enthalten. Dieselben sind aber von so schwach saurer Natur, dass schon auf
Tanninzusatz dafür substituirte Farbbasen unter Bildung der Tanninlacke abgespalten
werden, worauf ohne Zweifel die geringe Beständigkeit dieser Lacke zurückzuführen
ist.
Von organischen Säuren sind zur Fixirung der Theerfarbstoffe eine grosse Zahl von
Säuren der aromatischen Gruppe mehr oder weniger verwendbar. Doch ist deren
Anwendbarkeit auf die Herstellung von freien Farblacken beschränkt und habe ich bis
jetzt keine Säure auffinden können, die sich in der Färberei und Druckerei in
ähnlicher Weise wie Tannin verwenden liesse, da soweit meine bisherige Erfahrung
reicht, nur die Tanninlacke bezieh. die Antimontanninlacke dem Seifen genügenden
Widerstand zu leisten vermögen. Immerhin dürfte die Anwendung von Benzoësäure und
Phtalsäure oder vielmehr deren Alkalisalzen empfehlenswerth sein für die Darstellung
von Lacken auf Stärkegrundlage. Die mit den genannten Säuren erzielten Lacke
zeichnen sich durch grosse Schönheit aus und besitzen Nuancen, die mit Hilfe von
Tannin sich nicht erzielen lassen. Dabei ist die Lichtechtheit über Erwarten gut,
obgleich geringer als die der Tanninlacke.
Eine nicht unwichtige Rolle spielen die fettsauren Lacke sowohl in der Fabrikation
freier Lacke, als auch in der Färberei, während dieselben im Cattundruck nicht
verwendbar sind. Da die festen Fettsäuren in Wasser völlig unlöslich sind, so werden
dieselben stets in der Form ihrer neutralen Alkalisalze, d.h. als neutrale Seifen
angewendet. Für sich allein ist eine neutrale Seifenlösung nur wenige basische
Farbstoffe zu fällen im Stande, aber in Gegenwart von Thonerdehydrat, arsenigsaurer
oder phosphorsaurer Thonerde tritt sofort Lackbildung ein und die so hergestellten
Lacke sind in Bezug auf den Farbenton von ausserordentlicher Schönheit, besonders
wenn auf eine Grundlage von phosphorsaurer oder arsenigsaurer Thonerde gefällt
wurde. Bei der offenbar sehr schwachen Affinität zwischen Farbbase und Fettsäuren
ist eine grosse Echtheit dieser Lacke nicht zu erwarten und thatsächlich stehen sie
in dieser Beziehung hinter den Tanninlacken erheblich zurück.
Diese Lacke lassen sich auch in der Art auf andere Grundlagen herstellen, dass man
den in der Seifenlösung gelösten Farbstoff mit einer beliebigen Grundlage
zusammenbringt und sodann mit einer verdünnten Lösung von Zinnsalz, Chlorbarium oder
Chlorcalcium fällt. Die so erhaltenen Lacke sind gleichfalls sehr schön, obgleich
deren Nuance wesentlich verschieden ist von der der auf die ersterwähnte Weise
dargestellten Lacke. Diese letztere Methode findet auch in der Färberei besonders
für Rosas aus
Fuchsin und Safranin, ebenso für Methylviolett Anwendung. Hierbei wird das Garn erst
wiederholt durch Seifenlösung, sodann für Rosa durch Zinnsalz, für Violetts
gewöhnlich durch Chlorcalcium genommen, dann wird gespült. Häufig wird nun direct im
lauwarmen Bade gefärbt, grössere Echtheit wird aber erzielt, wenn die Garne nach dem
Spülen und vor dem Färben noch durch ein schwaches Tanninbad passirt werden. Die
Schönheit dieser Färbungen ist unstreitig, deren Echtheit aber sehr mittelmässig, da
die Färbung weder seifen echt, noch lichtecht ist, und ausserdem zeigen die so
gefärbten Garne die Eigenschaft des Abrussens in unangenehmem Maasse.
Es bleibt nun noch übrig, eine Klasse von Säuren zu erwähnen, die zwar meist in hohem
Grade die Fähigkeit besitzen, Farblacke zu bilden, die aber bis jetzt noch kaum zu
diesem Zwecke benutzt werden. Ich meine die Farbstoffsäuren selbst in Form ihrer
Alkalisalze der sogen. sauren Farbstoffe. Es ist bekannt, dass saure Farbstoffe mit
basischen Farbstoffen wasserunlösliche Salze d.h. Lacke zu bilden vermögen, und
thatsächlich ist mit Bezug auf dieses Verhalten von Rawson vorgeschlagen worden, die Farbstärke von Naphtolgelb (Natronsalz
der Dinitronaphtol-α-Sulfosäure) durch Titration
desselben mit einer Normallösung von Nachtblau (basischer
Diphenyl-Naphtylmethan-Farbstoff) analytisch zu bestimmen. Die Fällung ist absolut
vollständig, der Endpunkt der Reaction daher mit Leichtigkeit zu erkennen und das
Verfahren gibt sehr verlässliche Resultate. Ganz allgemein aber ist jeder saure
Farbstoff im Stande jeden basischen Farbstoff unter geeigneten Verhältnissen
vollständig zu fällen, und lassen meine bisherigen Erfahrungen keinen Zweifel
darüber aufkommen, dass manche der möglichen, allerdings fast unzähligen
Combinationen werthvoller Anwendung in der Fabrikation von Farblacken fähig
sind.