Titel: | Zur Werthbestimmung der Kohle. |
Autor: | H. Bunte |
Fundstelle: | Band 283, Jahrgang 1892, S. 256 |
Download: | XML |
Zur Werthbestimmung der Kohle.
Von Dr. H. Bunte.
Zur Werthbestimmung der Kohle.
Vor etwa einem Jahre habe ich unter obiger AufschriftJournal für Gasbeleuchtung, 1891 S. 21.D. p. J. 1891 280 *
63 und ff. Versuche über die Verbrennungswärme der Steinkohlen veröffentlicht, durch welche meine seit
mehr als 10 Jahren gegenüber Scheurer-Kestner, F.
Fischer u.a. vertretene Ansicht von der Brauchbarkeit der Dulong'schen Regel für die Berechnung des Heizwerthes
der Kohle vollauf bestätigt und der Beweis erbracht worden ist, dass die
Heizversuchsstation München seiner Zeit zuerst den Heizwerth der Kohlen richtig
bestimmt hat. F. Fischer hat noch vor dem Erscheinen
des Schlusses jener Abhandlung auf dieselbe mit einigen abfälligen Bemerkungen in
seiner ZeitschriftZeitschrift für angewandte Chemie, 1891 S.
114. hingewiesen, auch inzwischen abermals eine Abänderung seines
Calorimeters veröffentlicht, ohne jedoch zu seinem einzigen calorimetrischen Versuch
einen zweiten hinzuzufügen, der seine Behauptungen begründen könnte. Scheurer-Kestner dagegen, auf dessen zahlreiche
calorimetrische Versuche sich ausschliesslich die Behauptung stützt, dass die
Verbrennungswärme der Steinkohle nicht aus der Zusammensetzung berechnet werden
kann, hat inzwischen drei AbhandlungenComptes rendus, 1891 Bd. 112.Annales de chimie et physique, 1891 Bd. 24 S.
213.Bulletin de la soc. chim. Paris, 1891 Bd.
5 S. 145. erscheinen lassen, in denen er mittheilt, dass alle seine früheren calorimetrischen Bestimmungen zu hoch,
d.h. falsch sind, und dass es ihm erst jetzt gelungen ist, nach
Unterweisung durch Berthelot mit dessen
calorimetrischer Bombe die Verbrennungswärme der Steinkohlen richtig zu bestimmen.
Aus den unten citirten Abhandlungen von Scheurer-Kestner ist schwer zu erkennen, ob seine neueren Versuche mit den
von mir und Anderen erhaltenen Resultaten übereinstimmen und die sogen. Dulong'sche Regel bestätigen oder nicht, da Scheurer-Kestner, entgegen seiner früheren Gewohnheit,
von der Mehrzahl der untersuchten Kohlen die Elementarzusammensetzung nicht angibt.
Nur von einer Rouchampkohle, welche früher wiederholt untersucht wurde, ist die
calorimetrisch bestimmte Verbrennungswärme und die Elementarzusammensetzung gegeben.
Während nun früher diese Kohle etwa 9 Proc. mehr Wärme im Calorimeter ergeben hatte,
als sich aus der Dulong'schen Formel berechnet,
stimmt bei den neuen Versuchen der in der Bombe gefundene und der berechnete
Werth fast vollständig überein. Die Rechnung ergibt 8647 W.-E. für 1 k, der Versuch
8620 W.-E., Abweichung 27 W.-E. oder 0,3 Proc.
Hiernach wäre Scheurer-Kestner durch seine neuen
Versuche zu demselben Ergebnisse gelangt, wie vor mehr als 12 Jahren die von ihm und
Anderen so heftig bekämpfte Heizversuchsstation München, d.h. zu dem Schluss, dass
die Dulong'sche Regel für die Ermittelung des
Heizwerthes der Brennstoffe als praktisch brauchbar bezeichnet werden muss.
Ich hatte gehofft, dass Scheurer-Kestner – wie mir ein
College aus Paris schreibt – „finira par s'incliner devant les resultats acquis
et cessera de defendre des experiences faites à une époque où les procédés
calorimétriques et la pratique de l'analyse élémentaire etaient moins
perfectionnés qu'aujourdhui“.
Leider konnte sich Scheurer-Kestner zu diesem, nach so
vielen mühsamen Versuchen allerdings schwerem Eingeständniss nicht entschliessen. In
einer kürzlich erschienenen AbhandlungBulletin de la société industrielle de
Mulhouse, 1891, October/November, S. 577. von Scheurer-Kestner und Meunier-Dollfus soll die Meinung verbreitet werden, als
seien die neueren calorimetrischen Versuche des ersteren in Uebereinstimmung mit der
im J. 1868 von der Mülhauser Gesellschaft preisgekrönten ArbeitBulletin de la soc. Ind. etc., 1868.
von Scheurer-Kestner und Meunier-DollfusDer
Schlussatz lautet in Uebersetzung: Wir glauben übereinstimmend mit unseren
Versuchen von 1868 nachgewiesen zu haben, dass es Kohlen gibt, deren
Verbrennungswärme höher ist, als die von Kohlenstoff und Wasserstoff
zusammen, andere, welche niedriger sind, aber höher als die Rechnung nach
Dulong, endlich noch solche, welche
niedrigere Werthe als die Rechnung ergaben., von der die falschen
Anschauungen über die Verbrennungswärme der Kohle zuerst ihren Ausgang nahmen. Gegen
eine solche Verwirrung des wahren Sachverhaltes muss ich entschieden Einspruch
erheben. Selbst F. Fischer, dessen einziger Versuch
ebenfalls die Unbrauchbarkeit der Dulong'schen Regel
erwiesen haben soll, wird mir recht geben, wenn ich behaupte, dass nach jenen
Versuchen von Scheurer-Kestner die Verbrennungswärme
der Steinkohlen viel grösser sein sollte, als die Dulong'sche Regel ergibt; hat man ja, um auf diesen
Umstand Rücksicht zu nehmen, eine Berechnung des Heizwerthes „nach Scheurer-Kestner“ eingeführt, bei der man den
Sauerstoff nicht berücksichtigte.
Wenn Scheurer-Kestner heute an seine eigenen
calorimetrischen Versuche von 1868 bis 1890 den Maasstab anlegt, mit dem er seiner
Zeit die Ergebnisse der Heizversuchsstation München zu messen für gut fandBulletin de la soc. de Mulhouse, 1883 S. 607.
D. p. J. 1884 251 278 327., so muss er wie damals erklären: „ein
Calorimeter, welches solche Abweichungen (von 284 W.-E.) ergibt, ist
unbrauchbar“, und damit sind seine älteren Versuche und die daran geknüpften
Schlüsse vollständig beseitigt.
Könnte nach den bisherigen Veröffentlichungen von Scheurer-Kestner noch ein Zweifel bleiben über die wahre Verbrennungswärme
der Steinkohle, so würde derselbe völlig gehoben durch die kürzlich erschienenen
Veröffentlichungen von P. Mahler.P. Mahler, Génie civil vom 23. Januar 1892 S.
192.
Mahler hat im Auftrage der Gesellschaft zur Beförderung des Gewerbefleisses in Frankreich
Untersuchungen über die Verbrennungswärme der Kohlen angestellt, und zwar ebenfalls
mit der Berthelot'schen Bombe, die er für technische
Zwecke abgeändert und wegen ihrer Zuverlässigkeit für den praktischen Gebrauch sehr
empfohlen hat. Die Ergebnisse dieser Arbeit, soweit sie bis jetzt veröffentlicht
sindGénie civil. und sich auf
Steinkohlen beziehen, sind in der folgenden Tabelle wiedergegeben.
Bezeichnung und
Herkunft der
Kohle
Chemische
Zusammensetzung
Verbrennungswärme
100 Th. Rohkohle enthalten
100 Th. Reinkohle enthalten
von Mahlergefunden
Berechnet nach
derFormel80\,.\,8\,C+342\,\left(H-\frac{O}{8}\right)
Hohleustoff
Wasserstoff
Sauerstoff
Stickstoff
Feuchtigkeit
Asche
Hohleustoff
Wasserstoff
Sauerstoff
Stickstoff
fürRohkohle
fürReinkohle
C
H
O (+ S)
N
C
H
O (+ S)
W.-E. pro 1 k
Flammkohle von St. Marie (Blanzy)
79,378
4,967
8,725
1,13
3,90
1,90
84,265
5,273
9,262
1,20
7866
8350
7759
+ 1,4
Gaskohle von Commentry
80,182
5,245
7,193
0,98
3,00
3,40
85,664
5,604
7,682
1,05
7870
8409
7965
– 1,2
Gaskohle von Lens
83,727
5,216
6,007
1,00
1,05
3,00
87,261
5,436
6,263
1,04
8395
8745
8292
+ 1,8
Fettkohle von Treuil (St. Etienne)
84,546
4,772
4,592
0,84
1,25
4,00
89,231
5,026
4,856
0,887
8392
8857
8267
+ 1,5
Halbfette Kohle von St. Mare (Anzin)
88,473
4,139
3,158
1,18
1,35
1,70
91,256
4,269
3,255
1,22
8393
8657
8429
– 0,4
Anthracitische Kohle von Kebao (Tongking)
85,746
2,733
2,671
0,60
2,80
5,45
93,456
3,065
2,825
0,65
7828
8532
7749
+ 1,0
Pennsylvanischer Anthracit
86,450
1,995
1,499
0,75
3,45
5,90
95,373
2,201
1,596
0,83
7484
8256
7608
– 1,6
Koks aus amerikanischem Erdöl
97,855
0,489
1,196
0,26
–
0,20
98,051
0,490
1,198
0,261
8057
8073
8025
+ 0,3
Mahler selbst zieht in seinen Veröffentlichungen
vorläufig keinen Vergleich zwischen den im Calorimeter gefundenen Verbrennungswärmen
und den Ergebnissen der Rechnung aus der Elementaranalyse nach der Dulong'schen Regel. Ich habe daher in den beiden
letzten Spalten der Tabelle diese Berechnung beigefügt und die Abweichung beider
Werthe angegeben. Wie aus dieser Vergleichung hervorgeht, bestätigen die Versuche
von Mahler aufs schlagendste, dass auch mit der
calorimetrischen Bombe der Heizwerth der Kohle genau ebenso gefunden wird, wie mit
anderen, weniger bequemen Instrumenten bei sorgfältiger Ausführung der Versuche, und
sie beweisen aufs Neue die Richtigkeit der Dulong'schen
Regel für die Berechnung der Verbrennungswärmen der Kohle aus der
Elementarzusammensetzung.